Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 3850/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 2036/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.04.2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1961 geborene Kläger, der keinen Hauptschulabschluss hat, absolvierte nach seinen Angaben von September 1977 bis August 1980 eine Lehre als Maler, deren Abschlussprüfung er jedoch nicht bestand. Von Juni 1981 bis September 2001 arbeitete er bei der Firma W. , Krepp- und Buntpapierfabrik in Rastatt und führte dort als Drucker ungelernte Arbeiten durch. Die Kündigung erfolgte seitens der Arbeitgeberin aus dringenden betrieblichen Gründen.
Am 07.03.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und wies auf einen bei ihm seit 1999 bestehenden Muskelschwund hin.
Die Beklagte zog zahlreiche ärztliche Unterlagen bei und holte eine Arbeitgeberauskunft und das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. Sch. ein. Sie diagnostizierte ein generalisiertes Schmerzsyndrom, einen Verdacht auf Fibromyalgie-Syndrom, eine diskrete sensible Polyneuropathie mit vegetativer Beteiligung sowie eine Varikosis der unteren Extremitäten. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Arbeiten in Hitze, auf Leitern und Gerüsten, Akkordarbeiten und Nachtschicht über sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 19.04.2002 und Widerspruchsbescheid vom 15.10.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.
Das hiergegen am 08.11.2002 angerufene Sozialgericht Karlsruhe hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Nervenarzt Dr. E. , der Orthopäde Dr. E. und der Hausarzt Dr. B. haben eine vollschichtige Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltung und erhöhte nervliche Belastung für zumutbar erachtet. Prof. Dr. F. , Direktor der Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum K. , hat mitgeteilt, bei wechselnder Schmerzsymptomatik falle die Einschätzung der körperlichen Belastbarkeit schwer. Er bezweifle die Möglichkeit der Ausübung einer körperlichen Tätigkeit im Umfang von täglich sechs Stunden, da der Kläger bereits nach kurzer und leichter körperlicher Belastung über drastische Beschwerden klage.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 07.02.2004 eingeholt. Er hat im Wesentlichen eine diskrete, subklinische distal-symmetrische sensible Polyneuropathie der Beine, eine leichte Wirbelsäulenfehlhaltung, eine Krampfaderbildung beider Unterschenkel, eine Teilleistungsschwäche (Lese-Rechtschreibschwäche), eine hypochondrische Störung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, ohne dauerndes oder überwiegendes Stehen und Sitzen, ohne Zwangshaltung, ohne regelmäßiges häufig wiederkehrendes Bücken, Klettern oder Steigen, nicht auf Leitern oder Gerüsten, ohne überwiegende Lese- und Schreibarbeit, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, nicht in anhaltender Kälte, Nässe oder Zugluft, ohne besondere geistige Beanspruchung hinsichtlich der Auffassung für komplexe, rasch wechselnde Informationen und ohne besondere nervliche Belastung im Sinne hoher Stress- und Konflikttoleranz könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden.
Weiter hat das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 20.01.2005 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, die Intelligenz des Klägers liege im unteren Bereich der Norm mit einem IQ von 82. Lesen, Schreiben und Rechnen seien nur auf ganz einfachem Niveau möglich. Er sei allerdings kein Analphabet. Seine Auffassungsgabe sei so weit entwickelt, dass ihm einfache Arbeitsvorgänge beigebracht werden könnten. Weiter bestehe eine sensomotorische Polyneuropathie, weshalb der Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten zu ebener Erde ohne Einwirkung von chemischen Stoffen sechs Stunden und mehr pro Tag ausüben könne. In Frage kämen weiter nur geistig nicht anspruchsvolle Tätigkeiten ohne erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung.
Mit Urteil vom 05.04.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Beim Kläger bestünden nach den Ausführungen des Orthopäden Dr. E. und den Gutachten der Dres. B. und B. zwar qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens jedoch keine Einschränkungen des quantitativen Leistungsvermögens. Der Kläger sei zwar nicht mehr in der Lage, die von ihm bis 2001 ausgeübte Tätigkeit als Maschinenführer und Drucker zu verrichten, sein Leistungsvermögen reiche jedoch für eine nicht unerhebliche Anzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aus. So könne der Kläger noch Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen und Verpacken von leichten Gegenständen verrichten und es seien ihm leichte Montier- und Produktionsarbeiten zumutbar. Diese Tätigkeiten stellten keine besonderen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen und erforderten nicht die Fähigkeit des Lesens und Schreibens. Das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sei nicht gegeben, weil der Kläger kein Analphabet sei. Immerhin sei ihm Lesen, Schreiben und Rechnen auf ganz einfachem Niveau möglich und er habe auch den Führerschein erwerben, drei Jahre lang eine Malerlehre absolvieren sowie 20 Jahre als Maschinenführer und Drucker berufstätig sein können. Selbst wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen angenommen werden müsste, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor, denn der Kläger könne beispielsweise auf eine Tätigkeit als Sortierer verwiesen werden. Diese Tätigkeit sei dem Kläger, der keinen Berufsschutz gem. § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) genieße, sozial und gesundheitlich zumutbar.
Der Kläger hat gegen das am 21.04.2005 zugestellte Urteil am 19.05.2005 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, selbst wenn man zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. B. vom Bestehen einer minimalen Lese- und Schreibfähigkeit ausgehen wollte, so habe diese nicht im Zeitpunkt der Antragstellung bestanden, da er erst ab Mai 2004 an einem Lese- und Schreibkurs des Deutschen Roten Kreuzes teilgenommen habe. Im Übrigen liege bei ihm nach den von den Gutachtern Dr. B. und Dr. B. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Weiter könne er nicht auf die Tätigkeit eines Sortierers verwiesen werden, da bei einer derartigen Tätigkeit Lese- und Schreibkenntnisse unerlässlich seien und derartige Tätigkeiten in der Regel am Fließband stattfänden, was Dr. B. ausgeschlossen habe. Auch Verpackungsarbeiten seien ihm nicht mehr zumutbar. Im Übrigen sei er wegen seiner zitternden Hände nach drei Tagen Tätigkeit bei einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie wieder entlassen worden. Er legt hierzu das Kündigungsschreiben der Firma Persona Part vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.04.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2002 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.03.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass der Kläger nicht einem Analphabeten gleichzusetzen sei und er in früheren Jahren durchaus in der Lage gewesen sei eine angemessene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden und auszuüben. So seien dem Kläger Verpackungs- und Sortierarbeiten zumutbar.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 SGB VI) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren noch auszuführen: Auf Grund des nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. B. vom 20.01.2005 beim Kläger vorliegenden Intelligenzniveaus im unteren Bereich der Norm mit Schwäche beim Lesen, Schreiben und Rechnen sowie der weiteren von dem Orthopäden Dr. E. und den Gutachtern Dr. B. und Dr. B. angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen hält der Senat eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht für ausgeschlossen. Doch kann dies hier offen bleiben. Denn die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in diesem Fall erforderliche Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit (BSG Urteil vom 04.11.1998, B 13 RJ 13/98 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62; Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R, SozR 4 - 2600 § 44 Nr. 1) ist durch die Beklagte durch die Benennung von Verpackungs- und Sortierarbeiten erfolgt.
Es ist zwar richtig - worauf der Kläger hinweist - dass bei ihm ein Fingerzittern besteht. Dies hat auch der Gutachter Dr. B. in seinem Gutachten vom 20.01.2005 geschildert, jedoch ist dieses Zittern nicht derart stark, dass er diesbezüglich Einschränkungen bei der Art der dem Kläger zumutbaren Tätigkeiten gesehen hätte. So hat er lediglich angegeben, der Kläger könne nur noch leichte körperliche, geistig nicht anspruchsvolle Tätigkeiten ohne erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung zu ebener Erde und ohne Einwirkung von chemischen Stoffen ausführen. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Auch der Orthopäde Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht vom 27.02.2003 leichte körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel und ohne erhöhte nervliche Belastung vollschichtig für zumutbar gehalten und lediglich ständiges schweres Heben und Tragen sowie ständiges Bücken und Zwangshaltungen nicht mehr als zumutbar angesehen. Im Übrigen hat der Kläger gegenüber Dr. B. angegeben, dass er zu Hause die Hausarbeit mache und auch kleinere Reparaturarbeiten durchführe. Auch gegenüber Dr. B. (Gutachten vom 07.02.2004) hat der Kläger geäußert, er übernehme die Saugarbeiten im Haushalt, mache die Wäsche und räume das komplette Haus auf. Zudem hat Dr. B. in seinem Gutachten noch angegeben, dass keine Feinmotorikstörung der Hände bestehe.
Im Ergebnis vermag sich der Senat deshalb nicht davon zu überzeugen, dass dem Kläger die von der Beklagten benannten Tätigkeiten wegen einer eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht möglich sind. Die erfolgte Kündigung seitens der Firma Persona Part ist zwar mit den zitternden Händen begründet. Dort hatte der Kläger aber - im Entleihbetrieb - nach eigenen Angaben Produktionsaufgaben zu bewältigen. Die Anforderungen an die Feinmotorik im Produktionsbereich sind jedoch wegen der dort geforderten Genauigkeit ungleich größer als beim Sortieren, Verpacken oder Herrichten von Ware.
Die von der Beklagten genannten Tätigkeiten können durchaus in wechselnder Körperhaltung, nämlich im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen verrichtet werden. Aus den von der Beklagten vorgelegten berufskundlichen Stellungnahmen (Anlagen zum Schriftsatz vom 06.10.2005) ergibt sich, dass in bestimmten Industriezweigen (insbesondere Metall-, Elektroindustrie, Spielwarenherstellung, Herstellung von Werbeartikeln) Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht werden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschieht. Gleiches gilt für manche "Produktionshelfertätigkeiten", hier insbesondere das angeführte Etikettieren von Farbdosen oder Versandumschlägen, Verpacken von Portionsbeuteln Kaffee sowie Tätigkeiten als "Versandfertigmacher", wie das dort genannte Abfüllen und Abpacken in Versandbehältnisse.
Auch ist es nicht richtig, dass für diese Verpackungs- und Sortierarbeiten generell eine normale Lese- und Schreibfähigkeit vorliegen muss. Nach den bereits erwähnten berufskundlichen Stellungnahmen handelt es sich um einfache, wiederkehrende Tätigkeiten ohne intellektuelle Anforderungen oder nervliche Belastungen bzw. um geistig einfache Arbeiten. Damit reicht eine entsprechende praktische Einweisung aus ("kurzes Zeigen", s. berufskundliche Stellungnahme vom 21.07.2001 a.E.). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass nach Einschätzung von Dr. B. die Auffassungsgabe des Klägers so weit entwickelt ist, dass ihm einfache Arbeitsvorgänge beigebracht werden können. Daher geht der Senat davon aus, dass der Kläger nach Einweisung immer wieder gleich ablaufende Verpackungs- und Sortierabläufe auch ohne wesentliche Lese- und Schreibkenntnisse ausüben kann. Immerhin konnte der Kläger trotz seiner Einschränkungen jahrelang als Drucker in der Produktion arbeiten. Die genannten Verweisungstätigkeiten erfordern demgegenüber keine weiteren intellektuellen Fähigkeiten.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.
Der am 1961 geborene Kläger, der keinen Hauptschulabschluss hat, absolvierte nach seinen Angaben von September 1977 bis August 1980 eine Lehre als Maler, deren Abschlussprüfung er jedoch nicht bestand. Von Juni 1981 bis September 2001 arbeitete er bei der Firma W. , Krepp- und Buntpapierfabrik in Rastatt und führte dort als Drucker ungelernte Arbeiten durch. Die Kündigung erfolgte seitens der Arbeitgeberin aus dringenden betrieblichen Gründen.
Am 07.03.2002 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung und wies auf einen bei ihm seit 1999 bestehenden Muskelschwund hin.
Die Beklagte zog zahlreiche ärztliche Unterlagen bei und holte eine Arbeitgeberauskunft und das Gutachten der Sozialmedizinerin Dr. Sch. ein. Sie diagnostizierte ein generalisiertes Schmerzsyndrom, einen Verdacht auf Fibromyalgie-Syndrom, eine diskrete sensible Polyneuropathie mit vegetativer Beteiligung sowie eine Varikosis der unteren Extremitäten. Der Kläger könne leichte bis mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Vermeidung von Arbeiten in Hitze, auf Leitern und Gerüsten, Akkordarbeiten und Nachtschicht über sechs Stunden täglich verrichten. Mit Bescheid vom 19.04.2002 und Widerspruchsbescheid vom 15.10.2002 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen voller Erwerbsminderung ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung vorliege.
Das hiergegen am 08.11.2002 angerufene Sozialgericht Karlsruhe hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Nervenarzt Dr. E. , der Orthopäde Dr. E. und der Hausarzt Dr. B. haben eine vollschichtige Tätigkeit in wechselnder Körperhaltung ohne Zwangshaltung und erhöhte nervliche Belastung für zumutbar erachtet. Prof. Dr. F. , Direktor der Medizinischen Klinik am Städtischen Klinikum K. , hat mitgeteilt, bei wechselnder Schmerzsymptomatik falle die Einschätzung der körperlichen Belastbarkeit schwer. Er bezweifle die Möglichkeit der Ausübung einer körperlichen Tätigkeit im Umfang von täglich sechs Stunden, da der Kläger bereits nach kurzer und leichter körperlicher Belastung über drastische Beschwerden klage.
Das Sozialgericht hat das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 07.02.2004 eingeholt. Er hat im Wesentlichen eine diskrete, subklinische distal-symmetrische sensible Polyneuropathie der Beine, eine leichte Wirbelsäulenfehlhaltung, eine Krampfaderbildung beider Unterschenkel, eine Teilleistungsschwäche (Lese-Rechtschreibschwäche), eine hypochondrische Störung sowie eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Leichte körperliche Arbeiten mit Heben und Tragen von Lasten bis 10 kg, ohne dauerndes oder überwiegendes Stehen und Sitzen, ohne Zwangshaltung, ohne regelmäßiges häufig wiederkehrendes Bücken, Klettern oder Steigen, nicht auf Leitern oder Gerüsten, ohne überwiegende Lese- und Schreibarbeit, ohne besonderen Zeitdruck, ohne Akkord-, Fließband- und Nachtarbeit, nicht in anhaltender Kälte, Nässe oder Zugluft, ohne besondere geistige Beanspruchung hinsichtlich der Auffassung für komplexe, rasch wechselnde Informationen und ohne besondere nervliche Belastung im Sinne hoher Stress- und Konflikttoleranz könnten sechs Stunden und mehr verrichtet werden.
Weiter hat das Sozialgericht das Gutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. B. vom 20.01.2005 eingeholt. Er hat zusammenfassend ausgeführt, die Intelligenz des Klägers liege im unteren Bereich der Norm mit einem IQ von 82. Lesen, Schreiben und Rechnen seien nur auf ganz einfachem Niveau möglich. Er sei allerdings kein Analphabet. Seine Auffassungsgabe sei so weit entwickelt, dass ihm einfache Arbeitsvorgänge beigebracht werden könnten. Weiter bestehe eine sensomotorische Polyneuropathie, weshalb der Kläger nur noch leichte körperliche Arbeiten zu ebener Erde ohne Einwirkung von chemischen Stoffen sechs Stunden und mehr pro Tag ausüben könne. In Frage kämen weiter nur geistig nicht anspruchsvolle Tätigkeiten ohne erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung.
Mit Urteil vom 05.04.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung. Beim Kläger bestünden nach den Ausführungen des Orthopäden Dr. E. und den Gutachten der Dres. B. und B. zwar qualitative Einschränkungen des Leistungsvermögens jedoch keine Einschränkungen des quantitativen Leistungsvermögens. Der Kläger sei zwar nicht mehr in der Lage, die von ihm bis 2001 ausgeübte Tätigkeit als Maschinenführer und Drucker zu verrichten, sein Leistungsvermögen reiche jedoch für eine nicht unerhebliche Anzahl von Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes aus. So könne der Kläger noch Tätigkeiten wie Zureichen, Abnehmen, Bedienen von Maschinen und Verpacken von leichten Gegenständen verrichten und es seien ihm leichte Montier- und Produktionsarbeiten zumutbar. Diese Tätigkeiten stellten keine besonderen Anforderungen an das geistige Leistungsvermögen und erforderten nicht die Fähigkeit des Lesens und Schreibens. Das Vorliegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen sei nicht gegeben, weil der Kläger kein Analphabet sei. Immerhin sei ihm Lesen, Schreiben und Rechnen auf ganz einfachem Niveau möglich und er habe auch den Führerschein erwerben, drei Jahre lang eine Malerlehre absolvieren sowie 20 Jahre als Maschinenführer und Drucker berufstätig sein können. Selbst wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen angenommen werden müsste, lägen die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung nicht vor, denn der Kläger könne beispielsweise auf eine Tätigkeit als Sortierer verwiesen werden. Diese Tätigkeit sei dem Kläger, der keinen Berufsschutz gem. § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) genieße, sozial und gesundheitlich zumutbar.
Der Kläger hat gegen das am 21.04.2005 zugestellte Urteil am 19.05.2005 Berufung eingelegt und ergänzend vorgebracht, selbst wenn man zum Untersuchungszeitpunkt bei Dr. B. vom Bestehen einer minimalen Lese- und Schreibfähigkeit ausgehen wollte, so habe diese nicht im Zeitpunkt der Antragstellung bestanden, da er erst ab Mai 2004 an einem Lese- und Schreibkurs des Deutschen Roten Kreuzes teilgenommen habe. Im Übrigen liege bei ihm nach den von den Gutachtern Dr. B. und Dr. B. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Weiter könne er nicht auf die Tätigkeit eines Sortierers verwiesen werden, da bei einer derartigen Tätigkeit Lese- und Schreibkenntnisse unerlässlich seien und derartige Tätigkeiten in der Regel am Fließband stattfänden, was Dr. B. ausgeschlossen habe. Auch Verpackungsarbeiten seien ihm nicht mehr zumutbar. Im Übrigen sei er wegen seiner zitternden Hände nach drei Tagen Tätigkeit bei einem Zulieferbetrieb der Automobilindustrie wieder entlassen worden. Er legt hierzu das Kündigungsschreiben der Firma Persona Part vor.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 05.04.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 19.04.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.10.2002 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab dem 01.03.2002 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie weist darauf hin, dass der Kläger nicht einem Analphabeten gleichzusetzen sei und er in früheren Jahren durchaus in der Lage gewesen sei eine angemessene rentenversicherungspflichtige Tätigkeit zu finden und auszuüben. So seien dem Kläger Verpackungs- und Sortierarbeiten zumutbar.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier vom Kläger beanspruchte Rente dargelegt (§§ 43, 240 SGB VI) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass der Kläger die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil er zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gem. § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen im Berufungsverfahren noch auszuführen: Auf Grund des nach dem überzeugenden Gutachten von Dr. B. vom 20.01.2005 beim Kläger vorliegenden Intelligenzniveaus im unteren Bereich der Norm mit Schwäche beim Lesen, Schreiben und Rechnen sowie der weiteren von dem Orthopäden Dr. E. und den Gutachtern Dr. B. und Dr. B. angegebenen qualitativen Leistungseinschränkungen hält der Senat eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen nicht für ausgeschlossen. Doch kann dies hier offen bleiben. Denn die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in diesem Fall erforderliche Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit (BSG Urteil vom 04.11.1998, B 13 RJ 13/98 R, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 62; Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R, SozR 4 - 2600 § 44 Nr. 1) ist durch die Beklagte durch die Benennung von Verpackungs- und Sortierarbeiten erfolgt.
Es ist zwar richtig - worauf der Kläger hinweist - dass bei ihm ein Fingerzittern besteht. Dies hat auch der Gutachter Dr. B. in seinem Gutachten vom 20.01.2005 geschildert, jedoch ist dieses Zittern nicht derart stark, dass er diesbezüglich Einschränkungen bei der Art der dem Kläger zumutbaren Tätigkeiten gesehen hätte. So hat er lediglich angegeben, der Kläger könne nur noch leichte körperliche, geistig nicht anspruchsvolle Tätigkeiten ohne erhöhte Verantwortung und nervliche Belastung zu ebener Erde und ohne Einwirkung von chemischen Stoffen ausführen. Besondere Arbeitsbedingungen seien nicht erforderlich. Auch der Orthopäde Dr. E. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht vom 27.02.2003 leichte körperliche Tätigkeiten mit der Möglichkeit zum Haltungswechsel und ohne erhöhte nervliche Belastung vollschichtig für zumutbar gehalten und lediglich ständiges schweres Heben und Tragen sowie ständiges Bücken und Zwangshaltungen nicht mehr als zumutbar angesehen. Im Übrigen hat der Kläger gegenüber Dr. B. angegeben, dass er zu Hause die Hausarbeit mache und auch kleinere Reparaturarbeiten durchführe. Auch gegenüber Dr. B. (Gutachten vom 07.02.2004) hat der Kläger geäußert, er übernehme die Saugarbeiten im Haushalt, mache die Wäsche und räume das komplette Haus auf. Zudem hat Dr. B. in seinem Gutachten noch angegeben, dass keine Feinmotorikstörung der Hände bestehe.
Im Ergebnis vermag sich der Senat deshalb nicht davon zu überzeugen, dass dem Kläger die von der Beklagten benannten Tätigkeiten wegen einer eingeschränkten Gebrauchsfähigkeit der Hände nicht möglich sind. Die erfolgte Kündigung seitens der Firma Persona Part ist zwar mit den zitternden Händen begründet. Dort hatte der Kläger aber - im Entleihbetrieb - nach eigenen Angaben Produktionsaufgaben zu bewältigen. Die Anforderungen an die Feinmotorik im Produktionsbereich sind jedoch wegen der dort geforderten Genauigkeit ungleich größer als beim Sortieren, Verpacken oder Herrichten von Ware.
Die von der Beklagten genannten Tätigkeiten können durchaus in wechselnder Körperhaltung, nämlich im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen verrichtet werden. Aus den von der Beklagten vorgelegten berufskundlichen Stellungnahmen (Anlagen zum Schriftsatz vom 06.10.2005) ergibt sich, dass in bestimmten Industriezweigen (insbesondere Metall-, Elektroindustrie, Spielwarenherstellung, Herstellung von Werbeartikeln) Kleinartikel von Hand versandfertig gemacht werden, wobei dies in wechselnder Körperhaltung geschieht. Gleiches gilt für manche "Produktionshelfertätigkeiten", hier insbesondere das angeführte Etikettieren von Farbdosen oder Versandumschlägen, Verpacken von Portionsbeuteln Kaffee sowie Tätigkeiten als "Versandfertigmacher", wie das dort genannte Abfüllen und Abpacken in Versandbehältnisse.
Auch ist es nicht richtig, dass für diese Verpackungs- und Sortierarbeiten generell eine normale Lese- und Schreibfähigkeit vorliegen muss. Nach den bereits erwähnten berufskundlichen Stellungnahmen handelt es sich um einfache, wiederkehrende Tätigkeiten ohne intellektuelle Anforderungen oder nervliche Belastungen bzw. um geistig einfache Arbeiten. Damit reicht eine entsprechende praktische Einweisung aus ("kurzes Zeigen", s. berufskundliche Stellungnahme vom 21.07.2001 a.E.). In diesem Zusammenhang ist festzustellen, dass nach Einschätzung von Dr. B. die Auffassungsgabe des Klägers so weit entwickelt ist, dass ihm einfache Arbeitsvorgänge beigebracht werden können. Daher geht der Senat davon aus, dass der Kläger nach Einweisung immer wieder gleich ablaufende Verpackungs- und Sortierabläufe auch ohne wesentliche Lese- und Schreibkenntnisse ausüben kann. Immerhin konnte der Kläger trotz seiner Einschränkungen jahrelang als Drucker in der Produktion arbeiten. Die genannten Verweisungstätigkeiten erfordern demgegenüber keine weiteren intellektuellen Fähigkeiten.
Bei dieser Sach- und Rechtslage ist die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
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