Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 182/04
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 25/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Bescheide vom 03.11.2003 und 02.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2004 werden insoweit auf- gehoben, als sie Beiträge für die Zeit ab 01.01.2002 festsetzen und nachfordern. Der Beklagten werden die außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage der Beitragsfestsetzung in der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers als Selbständiger für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 16.04.2004.
Der Kläger war von November 1999 bis September 2001 als Rentner freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Seit dem 01.10.2001 übte er seinen ursprünglichen Beruf als Möbelberater nach der Anmeldung eines entsprechenden Gewerbes als selbständiger Handelsvertreter aus. Er blieb freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten.
Mit Bescheid vom 19.12.2001 setzte die Beklagte die freiwilligen Beiträge des Klägers unter Zugrundelegung seiner eigenen Auskunft zu den erwarteten Einnahmen fest. Diese Beitragsbemessung erfolgte unter dem Vorbehalt, dass die Angaben durch den Einkommenssteuerbescheid bestätigt würden. Nach der Vorlage des Einkommenssteuerbescheides vom 10.02.2003 für das Jahr 2001, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 03.11.2003 rückwirkend und zukünftig für den Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 28.02.2004 die Beiträge unter Zugrundelegung des sich aus dem Einkommenssteuerbescheid 2001 ergebenden Einkommens als Handelsvertreter fest. Sie forderte den Kläger auf, den für die Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.09.2003 entstandenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.090,73 Euro einzuzahlen. Sie wies darauf hin, dass der Kläger einen Einkommenssteuerbescheid beifügen möge, wenn sich seine regelmäßigen Gesamtbezüge vor dem 28.02.2004 ändern würden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch betreffend die Nachforderung für die Jahre 2002 und 2003. Entgegen den zu Grunde gelegten Einkünften aus den ersten drei Monaten seiner selbständigen Tätigkeit (2001) würden nach Auskunft seines Steuerbüros die Einkünfte im Jahr 2002 erheblich unter der Basis der Schätzungen der Beklagten liegen. Die Einkommenssteuer für 2002 werde derzeit vom Steuerbüro bearbeitet und über die Nachforderung für diesen Zeitraum solle erst nach erfolgtem Steuerbescheid entschieden werden. Hinsichtlich der Nachforderung für das Jahr 2001 fügte er einen Verrechnungsscheck über 129,87 Euro bei. Im weiteren Verlauf erließ die Beklagte den Bescheid vom 02.12.2003, mit dem sie die Entscheidung vom 03.11.2003 bestätigte. Die einkommensabhängigen Beiträge würden individuell nach dem aktuellen Einkommenssteuerbescheid ermittelt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger erneut Widerspruch. Es könne nicht sein, dass bei einer Verschlechterung seiner Einkünfte die Beiträge nach dem alten anstatt nach den für das Jahr 2002 zu erwartenden Steuerbescheid festgesetzt würden. Zur Glaubhaftmachung legte er die vom Steuerberater gefertigte Gewinnermittlung für das Jahr 2002 vor. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2004 zurück. Es wurde darauf hingewiesen, dass die eingereichte Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 erst nach der Erstellung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2002 Berücksichtigung finden könne.
Mit Schreiben vom 03./08.06.2004 legte der Kläger der Beklagten den Steuerbescheid für das Jahr 2002 vor und machte geltend, dass er danach keine positiven Einnahmen erzielt habe. Als logische Folge fordere er damit alle zuviel gezahlten Beiträge für die Folgejahre zurück. Mit Schreiben vom 16.06.2004 wies die Beklagte darauf hin, dass der am 11.05.2004 erstellte Einkommenssteuerbescheid für 2002 erst ab dem Folgemonat des erfolgten Nachweises und damit vorliegend erst für die Zeit ab 01.07.2004 berücksichtigungsfähig sei. Vorliegend käme es zu keiner anderen Beitragsfestsetzung, da die freiwillige Versicherung des Klägers als hauptberuflich Selbständiger bereits zum 16.04.2004 geendet habe und der Kläger ab 17.04.2004 der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner unterliege.
Der Kläger hat gegen die Beitragsfestsetzungsbescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der er weiterhin geltend macht, dass die Festsetzung zu Unrecht nach dem höheren Einkommen alleine im Jahre 2001 und nicht unter Berücksichtigung der Einkommensminderung in den Jahren 2002 und 2003 erfolgt sei. Zum Nachweis des in diesen Jahren erfolgten geringen Einkommens hat er während des Klageverfahrens die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 sowie den Vorauszahlungsbescheid vom 02.01.2002 für das Jahr 2002 vorgelegt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die angefochtenen Bescheide mit der erhöhten Beitragsfestsetzung und geforderten Nachzahlung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Auch der während des Klageverfahrens vorgelegte Vorauszahlungsbescheid könne zu keinem anderem Ergebnis führen, da eine Beitragserhebung unter Berücksichtigung von Vorauszahlungsbescheiden zu steuerbaren Nachteilen für die Krankenkasse führen würde. Der Selbständige könne jeweils den für sich günstigen Einkommensnachweis der Krankenkasse vorlegen. Eine Heranziehung des Vorauszahlungsbescheides zu einer vorläufigen Beitragsfestsetzung scheide ebenfalls aus, da in diesem Fall die Beitragsbemessung nur noch vorläufig vorgenommen würde und dies dem Grundsatz der vorausschauenden Beitragsbemessung widerspräche.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schreiben und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da diese sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Aus allen sowohl im Klage- als auch Verwaltungsverfahren eingereichten Schreiben des Klägers, insbesondere dem Schreiben vom 03.06.2004 ergibt sich, dass er sich sowohl gegen die mit Bescheid vom 03.11.2003 ausgesprochene Beitragsnachforderung als auch die über September 2003 hinaus festgesetzte Beitragshöhe wendet.
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide vom 03.11.2003 und 02.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2004 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben.
Zu Unrecht hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden den Beitrag für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 16.04.2004 unter Zugrundelegung des sich aus dem Einkommenssteuerbescheid 2001 ergebenden Einkommens festgesetzt. Denn spätestens im Januar 2002 hätte der Kläger bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die Möglichkeit gehabt, das für das Jahr 2002 zu erwartende niedrigere Einkommen nachzuwei sen, § 240 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass ein vom Finanzamt ausgestellter Vorauszahlungsbescheid ein geeignetes Beweismittel für niedrigere Einnahmen im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V darstellt. Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut als auch aus der Gesetzesbegründung sowie der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich nicht die von den Krankenkassen gesehene Eindeutigkeit, dass Einkommensnachweise nur durch Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden erbracht werden können.
Die einschlägige Gesetzesvorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V enthält keine Regelung dahingehend, auf welche Weise der erforderliche Einkommensnachweis zu erbringen ist. Ebenso wenig ergibt sich aus der Gesetzesbegründung oder aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass ein Einkommensnachweis ausschließlich durch die Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden als amtliche Bescheinigungen geführt werden kann. Auch gemäß der Gesetzesbegründung kann der Nachweis "z. B." durch Vorlage des Einkommenssteuerbescheides erfolgen (BT-Drucks. 12/3937, S. 17). Ebenso führt die für die Gesetzesentwicklung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V maßgebliche Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.11.1984 - 12 RK 70/82 – die Vorlage von Steuerbescheiden lediglich als Beispiel auf ("z. B.") und erwähnt darüber hinaus ausdrücklich die Möglichkeit, "Bilanzen" vorzulegen (BSGE 57, 240, 245; vgl. ebenso BSG, Urteil vom 26.09.1996 – 12 RK 46/95 -, Rn. 20). Darüber hinaus wird auch in der Literatur und in der Rechtsprechung vertreten, dass der Einkommensnachweis im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Glaubhaftmachung geführt werden kann (Krauskopf, § 240 SGB V, Rn. 32; Schleswig-Holsteinisches Landes- sozialgericht, Urteil vom 23.06.1998 – L 1 KR 93/96 - ).
Unabhängig von der Frage, ob als Einkommensnachweis ausschließlich amtliche Bescheinigungen zu fordern sind, ist diese Voraussetzung vorliegend mit einem Vorauszahlungsbescheid jedenfalls erfüllt und ebenso dem Hinweis des Bundessozialgerichts im Urteil vom 26.09.1996 auf die organisatorische und personelle Unfähigkeit der Krankenkassen, Einkommenshöhen objektiv prüfen zu können, sowie dem damit verbundenen Angewiesen-Sein auf (finanz-) amtliche Bescheinigungen Genüge getan.
Dem Klageanspruch des Klägers stand nicht entgegen, dass er den Vorauszahlungsbescheid erst im Klageverfahren und nicht bereits im Januar 2002 oder Dezember 2001 vor- gelegt hat. Denn dies erfolgte aufgrund der nach Auffassung des Gerichts unzutreffenden diesbezüglichen Belehrung der Beklagten gegenüber dem Kläger über die entsprechenden Nachweismöglichkeiten. Denn sowohl im ersten Festsetzungsbescheid vom 19.12.2001 als auch in allen späteren Schreiben und beigefügten Hinweisformularen gab die Beklagte - von ihrem rechtlichen Standpunkt aus zwangsläufig und konsequent - als einzige Nachweismöglichkeit die Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden an. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei entsprechender richtiger Belehrung den Vorauszahlungsbescheid vom 02.01.2002 zeitnah noch im selben Monat der Beklagten vorgelegt hätte und darüber hinaus beim Finanzamt die Ausstellung des Vorauszahlungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt erwirkt und im Dezember 2001 vorgelegt hätte, so dass ab Januar 2002 keine höhere Beitragseinstufung gerechtfertigt gewesen wäre (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch).
Auch wenn die Vorlage des Vorauszahlungsbescheides seitens der Beklagten nicht zu einer endgültigen, sondern nur zu einer weiteren vorläufigen Beitragseinstufung geführt hätte, so wäre es auch später, nach Vorlage der Einkommenssteuerbescheide 2002 und 2003 zu keiner Beitragsfestsetzung und Nachforderung - wie in den angefochtenen Bescheide - gekommen, da ausweislich dieser nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheide der Kläger kein höheres Einkommen als zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit geschätzt, erlangt hat. Insofern kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich nach der Vorlage eines Vorauszahlungsbescheides lediglich eine vorläufige Beitragseinstufung oder darüber hinaus eine endgültige Beitragseinstufung zu erfolgen hat.
Der diesbezügliche - allgemein und nicht konkret dem Kläger entgegengehaltene - Missbrauchseinwand der Beklagten stand der Entscheidung der Kammer nicht entgegen. Er findet keine Stütze im Gesetzeswortlaut oder in der Gesetzesbegründung. Darüber hinaus hätte der einzelne Versicherte bei einer endgültigen Beitragsfestsetzung aufgrund eines Vorauszahlungsbescheides keine Möglichkeit, durch die spätere Vorlage eines ihm günstigeren Einkommenssteuerbescheides diese Festsetzung zu ändern. Im Falle einer vorläufigen Beitragsfestsetzung - § 32 SGB X - wäre ein Missbrauch ausgeschlossen, da eine endgültige Festsetzung aufgrund des mit dem Einkommenssteuerbescheid nachgewiesenen tatsächlichen Einkommens erfolgen würde (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 27.03.2002 - L 15 KR 286/01 - , in: NZS 2003, 36 f., das grundsätzlich eine Beitragserstattung für die Vergangenheit für möglich hält).
Dagegen ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitbefan- genen Zeitraum als hauptberuflicher Selbständiger zur Beitragszahlung heranzuziehen ist. Dies ergibt sich aus der vom Kläger im Erörterungstermin am 19.04.2006 erfolgten Darstellung seiner zeitlich umfangreichen Tätigkeit bzw. auch in den späteren Jahren erhaltenen umfangreichen Einsatzbereitschaft. Insoweit hatte der Kläger auch keine Einwände erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Frage der Beitragsfestsetzung in der freiwilligen Krankenversicherung des Klägers als Selbständiger für den Zeitraum vom 01.01.2002 bis zum 16.04.2004.
Der Kläger war von November 1999 bis September 2001 als Rentner freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten. Seit dem 01.10.2001 übte er seinen ursprünglichen Beruf als Möbelberater nach der Anmeldung eines entsprechenden Gewerbes als selbständiger Handelsvertreter aus. Er blieb freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten.
Mit Bescheid vom 19.12.2001 setzte die Beklagte die freiwilligen Beiträge des Klägers unter Zugrundelegung seiner eigenen Auskunft zu den erwarteten Einnahmen fest. Diese Beitragsbemessung erfolgte unter dem Vorbehalt, dass die Angaben durch den Einkommenssteuerbescheid bestätigt würden. Nach der Vorlage des Einkommenssteuerbescheides vom 10.02.2003 für das Jahr 2001, setzte die Beklagte mit Bescheid vom 03.11.2003 rückwirkend und zukünftig für den Zeitraum vom 01.10.2001 bis zum 28.02.2004 die Beiträge unter Zugrundelegung des sich aus dem Einkommenssteuerbescheid 2001 ergebenden Einkommens als Handelsvertreter fest. Sie forderte den Kläger auf, den für die Zeit vom 01.10.2001 bis zum 30.09.2003 entstandenen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 1.090,73 Euro einzuzahlen. Sie wies darauf hin, dass der Kläger einen Einkommenssteuerbescheid beifügen möge, wenn sich seine regelmäßigen Gesamtbezüge vor dem 28.02.2004 ändern würden.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger Widerspruch betreffend die Nachforderung für die Jahre 2002 und 2003. Entgegen den zu Grunde gelegten Einkünften aus den ersten drei Monaten seiner selbständigen Tätigkeit (2001) würden nach Auskunft seines Steuerbüros die Einkünfte im Jahr 2002 erheblich unter der Basis der Schätzungen der Beklagten liegen. Die Einkommenssteuer für 2002 werde derzeit vom Steuerbüro bearbeitet und über die Nachforderung für diesen Zeitraum solle erst nach erfolgtem Steuerbescheid entschieden werden. Hinsichtlich der Nachforderung für das Jahr 2001 fügte er einen Verrechnungsscheck über 129,87 Euro bei. Im weiteren Verlauf erließ die Beklagte den Bescheid vom 02.12.2003, mit dem sie die Entscheidung vom 03.11.2003 bestätigte. Die einkommensabhängigen Beiträge würden individuell nach dem aktuellen Einkommenssteuerbescheid ermittelt. Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger erneut Widerspruch. Es könne nicht sein, dass bei einer Verschlechterung seiner Einkünfte die Beiträge nach dem alten anstatt nach den für das Jahr 2002 zu erwartenden Steuerbescheid festgesetzt würden. Zur Glaubhaftmachung legte er die vom Steuerberater gefertigte Gewinnermittlung für das Jahr 2002 vor. Den Widerspruch wies die Widerspruchsstelle der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 01.06.2004 zurück. Es wurde darauf hingewiesen, dass die eingereichte Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2002 erst nach der Erstellung des Einkommenssteuerbescheides für das Jahr 2002 Berücksichtigung finden könne.
Mit Schreiben vom 03./08.06.2004 legte der Kläger der Beklagten den Steuerbescheid für das Jahr 2002 vor und machte geltend, dass er danach keine positiven Einnahmen erzielt habe. Als logische Folge fordere er damit alle zuviel gezahlten Beiträge für die Folgejahre zurück. Mit Schreiben vom 16.06.2004 wies die Beklagte darauf hin, dass der am 11.05.2004 erstellte Einkommenssteuerbescheid für 2002 erst ab dem Folgemonat des erfolgten Nachweises und damit vorliegend erst für die Zeit ab 01.07.2004 berücksichtigungsfähig sei. Vorliegend käme es zu keiner anderen Beitragsfestsetzung, da die freiwillige Versicherung des Klägers als hauptberuflich Selbständiger bereits zum 16.04.2004 geendet habe und der Kläger ab 17.04.2004 der Versicherungspflicht in der Krankenversicherung der Rentner unterliege.
Der Kläger hat gegen die Beitragsfestsetzungsbescheide der Beklagten Klage erhoben, mit der er weiterhin geltend macht, dass die Festsetzung zu Unrecht nach dem höheren Einkommen alleine im Jahre 2001 und nicht unter Berücksichtigung der Einkommensminderung in den Jahren 2002 und 2003 erfolgt sei. Zum Nachweis des in diesen Jahren erfolgten geringen Einkommens hat er während des Klageverfahrens die Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2002 und 2003 sowie den Vorauszahlungsbescheid vom 02.01.2002 für das Jahr 2002 vorgelegt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die angefochtenen Bescheide mit der erhöhten Beitragsfestsetzung und geforderten Nachzahlung aufzuheben.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Bescheide aus den dort ausgeführten Gründen für rechtmäßig. Auch der während des Klageverfahrens vorgelegte Vorauszahlungsbescheid könne zu keinem anderem Ergebnis führen, da eine Beitragserhebung unter Berücksichtigung von Vorauszahlungsbescheiden zu steuerbaren Nachteilen für die Krankenkasse führen würde. Der Selbständige könne jeweils den für sich günstigen Einkommensnachweis der Krankenkasse vorlegen. Eine Heranziehung des Vorauszahlungsbescheides zu einer vorläufigen Beitragsfestsetzung scheide ebenfalls aus, da in diesem Fall die Beitragsbemessung nur noch vorläufig vorgenommen würde und dies dem Grundsatz der vorausschauenden Beitragsbemessung widerspräche.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schreiben und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte ohne mündliche Verhandlung in Abwesenheit der Beteiligten entscheiden, da diese sich mit dieser Verfahrensweise einverstanden erklärt haben, § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Aus allen sowohl im Klage- als auch Verwaltungsverfahren eingereichten Schreiben des Klägers, insbesondere dem Schreiben vom 03.06.2004 ergibt sich, dass er sich sowohl gegen die mit Bescheid vom 03.11.2003 ausgesprochene Beitragsnachforderung als auch die über September 2003 hinaus festgesetzte Beitragshöhe wendet.
Die Klage ist begründet.
Die angefochtenen Bescheide vom 03.11.2003 und 02.12.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.06.2004 sind rechtswidrig und waren daher aufzuheben.
Zu Unrecht hat die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden den Beitrag für die Zeit vom 01.01.2002 bis zum 16.04.2004 unter Zugrundelegung des sich aus dem Einkommenssteuerbescheid 2001 ergebenden Einkommens festgesetzt. Denn spätestens im Januar 2002 hätte der Kläger bei entsprechender Beratung durch die Beklagte die Möglichkeit gehabt, das für das Jahr 2002 zu erwartende niedrigere Einkommen nachzuwei sen, § 240 Abs. 4 Satz 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Entgegen dem Standpunkt der Beklagten ist die Kammer davon ausgegangen, dass ein vom Finanzamt ausgestellter Vorauszahlungsbescheid ein geeignetes Beweismittel für niedrigere Einnahmen im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V darstellt. Sowohl aus dem Gesetzeswortlaut als auch aus der Gesetzesbegründung sowie der von der Beklagten zitierten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergibt sich nicht die von den Krankenkassen gesehene Eindeutigkeit, dass Einkommensnachweise nur durch Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden erbracht werden können.
Die einschlägige Gesetzesvorschrift des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V enthält keine Regelung dahingehend, auf welche Weise der erforderliche Einkommensnachweis zu erbringen ist. Ebenso wenig ergibt sich aus der Gesetzesbegründung oder aus der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass ein Einkommensnachweis ausschließlich durch die Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden als amtliche Bescheinigungen geführt werden kann. Auch gemäß der Gesetzesbegründung kann der Nachweis "z. B." durch Vorlage des Einkommenssteuerbescheides erfolgen (BT-Drucks. 12/3937, S. 17). Ebenso führt die für die Gesetzesentwicklung des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V maßgebliche Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.11.1984 - 12 RK 70/82 – die Vorlage von Steuerbescheiden lediglich als Beispiel auf ("z. B.") und erwähnt darüber hinaus ausdrücklich die Möglichkeit, "Bilanzen" vorzulegen (BSGE 57, 240, 245; vgl. ebenso BSG, Urteil vom 26.09.1996 – 12 RK 46/95 -, Rn. 20). Darüber hinaus wird auch in der Literatur und in der Rechtsprechung vertreten, dass der Einkommensnachweis im Sinne des § 240 Abs. 4 Satz 2 SGB V durch Glaubhaftmachung geführt werden kann (Krauskopf, § 240 SGB V, Rn. 32; Schleswig-Holsteinisches Landes- sozialgericht, Urteil vom 23.06.1998 – L 1 KR 93/96 - ).
Unabhängig von der Frage, ob als Einkommensnachweis ausschließlich amtliche Bescheinigungen zu fordern sind, ist diese Voraussetzung vorliegend mit einem Vorauszahlungsbescheid jedenfalls erfüllt und ebenso dem Hinweis des Bundessozialgerichts im Urteil vom 26.09.1996 auf die organisatorische und personelle Unfähigkeit der Krankenkassen, Einkommenshöhen objektiv prüfen zu können, sowie dem damit verbundenen Angewiesen-Sein auf (finanz-) amtliche Bescheinigungen Genüge getan.
Dem Klageanspruch des Klägers stand nicht entgegen, dass er den Vorauszahlungsbescheid erst im Klageverfahren und nicht bereits im Januar 2002 oder Dezember 2001 vor- gelegt hat. Denn dies erfolgte aufgrund der nach Auffassung des Gerichts unzutreffenden diesbezüglichen Belehrung der Beklagten gegenüber dem Kläger über die entsprechenden Nachweismöglichkeiten. Denn sowohl im ersten Festsetzungsbescheid vom 19.12.2001 als auch in allen späteren Schreiben und beigefügten Hinweisformularen gab die Beklagte - von ihrem rechtlichen Standpunkt aus zwangsläufig und konsequent - als einzige Nachweismöglichkeit die Vorlage von Einkommenssteuerbescheiden an. Die Kammer ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei entsprechender richtiger Belehrung den Vorauszahlungsbescheid vom 02.01.2002 zeitnah noch im selben Monat der Beklagten vorgelegt hätte und darüber hinaus beim Finanzamt die Ausstellung des Vorauszahlungsbescheides zu einem früheren Zeitpunkt erwirkt und im Dezember 2001 vorgelegt hätte, so dass ab Januar 2002 keine höhere Beitragseinstufung gerechtfertigt gewesen wäre (sozialrechtlicher Herstellungsanspruch).
Auch wenn die Vorlage des Vorauszahlungsbescheides seitens der Beklagten nicht zu einer endgültigen, sondern nur zu einer weiteren vorläufigen Beitragseinstufung geführt hätte, so wäre es auch später, nach Vorlage der Einkommenssteuerbescheide 2002 und 2003 zu keiner Beitragsfestsetzung und Nachforderung - wie in den angefochtenen Bescheide - gekommen, da ausweislich dieser nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheide der Kläger kein höheres Einkommen als zu Beginn seiner selbständigen Tätigkeit geschätzt, erlangt hat. Insofern kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich nach der Vorlage eines Vorauszahlungsbescheides lediglich eine vorläufige Beitragseinstufung oder darüber hinaus eine endgültige Beitragseinstufung zu erfolgen hat.
Der diesbezügliche - allgemein und nicht konkret dem Kläger entgegengehaltene - Missbrauchseinwand der Beklagten stand der Entscheidung der Kammer nicht entgegen. Er findet keine Stütze im Gesetzeswortlaut oder in der Gesetzesbegründung. Darüber hinaus hätte der einzelne Versicherte bei einer endgültigen Beitragsfestsetzung aufgrund eines Vorauszahlungsbescheides keine Möglichkeit, durch die spätere Vorlage eines ihm günstigeren Einkommenssteuerbescheides diese Festsetzung zu ändern. Im Falle einer vorläufigen Beitragsfestsetzung - § 32 SGB X - wäre ein Missbrauch ausgeschlossen, da eine endgültige Festsetzung aufgrund des mit dem Einkommenssteuerbescheid nachgewiesenen tatsächlichen Einkommens erfolgen würde (vgl. insoweit auch Landessozialgericht Berlin, Urteil vom 27.03.2002 - L 15 KR 286/01 - , in: NZS 2003, 36 f., das grundsätzlich eine Beitragserstattung für die Vergangenheit für möglich hält).
Dagegen ist die Beklagte zu Recht davon ausgegangen, dass der Kläger im streitbefan- genen Zeitraum als hauptberuflicher Selbständiger zur Beitragszahlung heranzuziehen ist. Dies ergibt sich aus der vom Kläger im Erörterungstermin am 19.04.2006 erfolgten Darstellung seiner zeitlich umfangreichen Tätigkeit bzw. auch in den späteren Jahren erhaltenen umfangreichen Einsatzbereitschaft. Insoweit hatte der Kläger auch keine Einwände erhoben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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