Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 7 KR 1/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Antragsgegnerin wird im Wege einer einstweiliegen Anordung verpflichtet, die Kosten für die Versorgung der Antragstellerin mit dem Medikament "Fiblaferon" in dem Zeitraum vom 23.04.2007 bis 03.06.2007 in einem Umfang von 3 x 1 Mio E.s.c. pro Woche vorläufig zu übernehmen.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31.03.2007 abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach zu 1/3.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die weitere Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" zu Lasten der Antragsgegnerin.
Die am 23.07.1978 geborene Antragstellerin ist verheiratet und Mutter eines im Jahre 2003 geborenen Kindes. Ihr Ehemann arbeitet als angestellter Kraftfahrer. Sie selbst ist nicht erwerbstätig.
Bei ihr liegt das Krankheitsbild einer entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) in einer schweren Verlaufsform (derzeit in Remission) vor. Nach der Erstmanifestation im März 2000 kam es im Juli des selben Jahres zu einer schweren Schubsymptomatik. Neben der Darmerkrankung leidet sie unter einer Eisenmangel- und Blutungsanämie, Asthmabronchiale und Neurodermitis. Nach einer Darmspiegelung im Oktober 2000, bei der eine aktive Entzündung nachgewiesen wurde, erhielt sie eine medikamentöse Therapie mit Steroiden und Mesalazin. Eine völlige Beschwerdefreiheit wurde dadurch nicht erzielt. In der Folgezeit ergaben weitere Darmspiegelungen kontinuierlich leichtgradige Entzündungen. Seit dem Jahre 2001 erfolgte dann weiter eine lokale Behandlung mit Sulfasalzin und verschiedenen Steroiden sowie eine systemische Therapie mit Mesalazin. Im Rahmen der Schwangerschaft kam es dann etwa im Februar 2003 wieder zu einer schweren Schubsymptomatik trotz lokaler Steroid- und systemischer Mesalazinbehandlung. Unter einer Schubtherapie mittels systemischer Steroidgabe und Olsalazin kam es zu einer Besserung, wobei eine Rezidivprophylaxe mit Azathioprin durchgeführt wurde. In der Folgezeit kam es zu einem chronisch aktiven Verlauf, steroidabhängig unter Azathioprin.
Im Dezember 2003 begann sie mit einer Therapie mit dem Medikament "Fiblaferon" (Wirkstoff: Interferon-Beta). Dabei handelt es sich um ein in der Bundesrepublik verkehrsfähiges und zugelassenes Arzneimittel für das Anwendungsgebiet "schwere unbeherrschbare virusbedingte Erkrankung: Virusencephalitis, Herpes zoster generalisatus und Varicellen bei immunsupprimierten Patienten, virale Innenohrinfekte mit Gehörverlust, undifferenziertes Naso-Pharynxcarzinom". Eine Zulassung für die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Colitis ulcerosa besteht bisher nicht und wurde von dem Hersteller bisher auch nicht beantragt. Unter der Medikation mit "Fiblaferon" kam es zu einer Besserung bis hin zu einer Komplettremission im Mai 2004. Nach einer versuchsweisen Einstellung der Therapie mit "Fiblaferon" trat im August 2004 ein erneuter Schub auf, der sich nach Wiederaufnahme der Therapie wiederum besserte.
Mit Unterstützung des die Antragstellerin behandelnden Chefarztes des Marienhospitals Bottrop, Prof. Dr. M., beantragte die Antragstellerin am 02.01.2004 bei der Antragsgegnerin die weitere Versorgung mit "Fiblaferon" auf Kosten der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie unter Beifügung von Beiträgen aus medizinischen Fachzeitschriften aus, von den in der Literatur publizierten therapeutischen Optionen sei die Interferon-Therapie, was Wirksamkeit insbesondere unter dem wesentlichen Aspekt der Langzeitremission wie aber auch Applikation, Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie angehe, mit Abstand überlegen und aus der jahrelangen Erfahrung des Prof. Dr. M. mit dieser Behandlung als sehr sicher wirksame, gut verträgliche Therapie zu bezeichnen und daher zu bevorzugen. Nach der zunächst additiv zur Basistherapie durchgeführten Interferon-Beta-Gabe sei es schon nach wenigen Tagen zu einer merklichen Besserung der Symptomatik gekommen, so dass hinsichtlich des Erreichens einer klinischen und endoskopisch-histologischen Komplettremission bei Fortführen der Interferon-Beta-Behandlung eine gute Prognose gestellt werden könne. Wenn die Therapie augenblicklich auch höhere Kosten verursache, so werde sie aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit langfristig Kosteneinsparungen bringen, da eine dauerhafte Remission mit Ausheilung der Erkrankung in Aussicht stehe. Zumindest auf lange Sicht könne eine gute Stabilität unter einer niedrigen Erhaltungsdosis prognostiziert werden und damit der Antragstellerin eine ansonsten unvermeidliche Kolektomie erspart werden. Die Antragsgegnerin holte daraufhin eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser kam in einem Gutachten vom 02.02.2004 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Einsatz von "Fiblaferon" bei der Antragstellerin im Rahmen des "Off-Label-Use" nicht vorlägen. Nach Auswertung der von Prof. Dr. M. beigefügten Unterlagen und einer Datenbankrecherche lägen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die Neuindikation (Behandlung einer hoch aktiven bzw. chronisch aktiven Colitis ucerosa mit Therapieresistenz gegenüber Corticoiden und Azathioprin) zugelassen werden könne. Unter Bezugnahme auf die Beurteilung des MDK lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Kostenübernahme durch Bescheid vom 01.03.2004 ab. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, in dem sie zur Begründung die Auffassung vertrat, dass sie alle Kriterien der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" erfülle. Es habe außerdem keine andere medikamentöse Therapie zu dem erwünschten Erfolg geführt. Ergänzend legte Prof. Dr. M. im Verwaltungsverfahren weitere Artikel aus medizinischen Fachzeitschriften, die die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Interferon-Beta bei dem Krankheitsbild der Antragstellerin belegen, vor. Außerdem legte er dar, dass die Behandlung mit dem Wirkstoff eine rationale Basis habe, da es nach einer Vielzahl von Invitrodaten aus der experimentellen Forschung zur Multiplen Sklerose bei der Colitis ulcerosa in der Lage sei, die dominierende Aktivität der zytotoxischen Toxine der TH 1-Gruppe herunter zu regulieren, zugunsten einer verbesserten TH-2-Aktivität, durch die sich die Inbalance zugunsten der proentzündlichen Zytogene ausgleichen ließe. In einer von ihm 2003 veröffentlichten Publikation von 25 individuellen Therapieversuchen bei Patienten mit schwerer corticoidrefraktärer Colitis habe ein hoher Wirkungsgrad der Therapie in 80 bis 90 % - bei einem hohen Prozentsatz einer kompletten Ausheilung unter ausschließender Erhaltung mit niedrig dosierter Erhaltungstherapie - über längere Zeit objektiviert werden können. Diese Erfahrung sei Anlass für eine europaweit durchgeführte multizentrische Phase II-Studie gewesen, die zwar noch nicht zur Zulassung des Medikaments geführt habe, aber zur Publikation in einer renommierten Fachzeitschrift eingereicht sei. Vor diesem Hintergrund könne der Verwendung von "Fiblaferon" die evidenzbasierte medizinische Grundlage nicht abgesprochen werden. Der daraufhin von der Antragsgegnerin erneut insgesamt noch zweimal hinzugezogene MDK kam nach Auswertung der weiteren Stellungnahme des Prof. Dr. M. und der beigefügten Auszüge aus der Literatur jeweils wieder zu dem Ergebnis, dass jedenfalls aktuell der Einsatz von Interferon-Beta zur Behandlung einer therapieresistenten Colitis ulcerosa nicht hinreichend untersucht bzw. erprobt sei. Der Therapieansatz sei vielmehr als "individueller Heilversuch" zu charakterisieren. Empfohlen wurde, die Antragstellerin in laufende klinische Studien einzuschleusen, die durchgeführt werden, um eine Zulassung des Medikamentes für die hier fragliche Indikation zu erreichen. Daraufhin wies die Antragsgegnerin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurück. Zuvor hatte Prof. Dr. M. mitgeteilt, dass ihm nicht bekannt sei, ob zur Zeit eine Studie zur Anwendung von Interferon-Beta bei Colitis ulcerosa laufe, in die Antragstellerin eingeschleust werden könne.
Am 31.01.2005 erhob die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az.: S 7 KR 13/05), mit der sie ihr Begehren auf Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" weiter verfolgte. Das Medikament wurde ihr durch Prof. Dr. M. in der für erforderlich gehaltenen Dosis in dem Zeitraum nach der Leistungsablehnung durch die Antragsgegnerin und zunächst laufend auch weiter auf Kassenrezept verordnet, so dass Kosten für die Inanspruchnahme des Medikaments für sie nicht anfielen. Die Medikation wird aktuell mit 3 x 1 Mio E.s.c wöchentlich dosiert. Die Kosten für das Medikament in dieser Dosierung belaufen sich auf 618,67 EUR wöchentlich. In der Klagebegründung wies die Antragstellerin darauf hin, dass andere Kassen die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament übernehmen. Das Gericht holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zunächst einen ausführlichen Befundbericht bei Prof. Dr. M. ein, wobei der behandelnde Arzt darin neben Fragen zum genauen Behandlungs- und Therapieverlauf Fragen zum Stand des wissenschaftlichen Nachweises der Wirksamkeit beantworten sollte. Dem kam Prof. Dr. M. mit seinem Bericht vom 06.05.2005 bzw. 10.08.2005, dem er insbesondere den in der Zeitschrift Clinical Gastroenterology and Hepatology veröffentlichten Artikel über die Ergebnisse der im Verwaltungsverfahren von ihm angesprochenen Phase II-Studie sowie ausführliche Verlaufsberichte über von ihm selbst durchgeführte Therapien mit Interferon-Beta bei verschiedenen anderen Patienten beifügte, nach (vgl. Bl. 16-60, 64-77, 96-117 der Gerichtsakte). Die Antragsgegnerin, die die Unterlagen dem MDK wiederum zur Auswertung zuleitete, änderte ihre Rechtsauffassung auf dieser Grundlage nicht. Das Gericht holte dann bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Berliner Charité - Campus Benjamin Franklin.n -, Prof. Dr. Z., ein fachinternistisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage insbesondere zu der Frage des derzeitigen fachmedizinischen Diskussionsstandes zum Einsatz von "Fiblaferon" bei Colitis ulcerosa ein. In seinem Gutachten vom 14.03.2006 (Bl. 118-130 der Gerichtsakte) kam Prof. Dr. Z. zu dem Ergebnis, es gebe sehr viele Indizien, dass Interferon-Beta ein wirksames Mittel zur Behandlung Colitis ulcerosa sei. Ein zuverlässiger wissenschaftlicher Beweis stehe jedoch noch aus. Daher bestünde in Fachkreisen weder zum Zeitpunkt Dezember 2003 noch aktuell ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der Behandlung. Was alternative Behandlungsmöglichkeiten angehe, liege aufgrund der Daten einer Ende 2005 veröffentlichten Studie bei der European Medicines Agency (EMEA) ein Antrag auf Erweiterung der Zulassung des Wirkstoffes Infliximab zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer und schwerer Colitis ulcerosa mit einem ungenügenden Ansprechen auf konventionelle Therapien einschließlich Steroiden und Azathioprin/6-Mercaptopurin vor. Zu dem Gutachten des Prof. Dr. Z. hat Prof. Dr. M. dahingehend Stellung genommen, dass auch ihm klar sei, dass der Wirkungsnachweis der Therapie mit Interferon-Beta in Folgestudien in höherer Dosierung durch weitere kontrollierte Studien abzusichern sei, auf deren Ergebnis die Antragstellerin, wie auch andere Patienten, in ihrer schweren akuten Krankheitssituation aber nicht warten könnten. In derartigen Fällen tue ein einsichtige und einvernehmliche Kooperation im Rahmen kontrollierter und überschaubarer Therapiephasen im Rahmen eines Therapieversuches Not, mit Rückmeldungen des Therapieverlaufes an den Kostenträger, bei dem auf der anderen Seite auch die Bereitschaft zur Anerkennung eines auf guter klinischer Beobachtung und Bewertung beruhenden Evidenzgrades bestehen sollte, bis Bemühungen, durch kontrollierte Prüfungen den Weg für eine viel versprechende Reservetherapie im Arzneimittelgesetz durch Zulassung abzusichern, erfolgreich gewesen sei, woran er mit den ihm gegebenen Möglichkeiten intensiv arbeite.
Zwischenzeitlich kam es im Jahre 2006 zu einer Dosisreduktion. Seit August 2006 erhält die Antragstellerin das Medikament wieder alle 2 Tage verabreicht. Eine im Juni 2006 durchgeführte stationäre Behandlung mit "Fiblaferon" durch Prof. Dr. M. stellte die Antragsgegnerin in Frage und forderte das Entgelt für diese Behandlung von dem Marienhospital Bottrop zurück. Da die Antragsgegnerin die Kosten für das Medikament nicht übernehme und auch im stationären Bereich eine Behandlung in der Form ablehne, wies Prof. Dr. M. die Antragstellerin mit einem Schreiben vom 28.03.2007 darauf hin, dass es ihm nicht mehr möglich sei, der Antragstellerin weiterhin das Medikament "Fiblaferon" (auf Kassenrezept) zu verordnen. Da ein Absetzen des Medikaments aber erhebliche gesundheitliche Folgen hätte, die zum jetzigen Zeitpunkt auch lebensbedrohlich sein könnten und die Option einer notfallmäßigen Kolektomie stelle, empfahl Prof. Dr. M. der Antragstellerin, eine "einstweilige Verfügung" zu erwirken.
Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin sich mit dem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 31.03.2007 an das Gericht gewandt.
Zur Begründung legt sie im Wesentlichen den bisherigen Behandlungs- und Therapieverlauf sowie die bereits aktenkundigen Ausführungen des Prof. Dr. M. dar. Sie macht geltend, ihr stünden für den Fall, dass sie nicht mehr auf das Medikament Fiblaferon zurückgreifen könne, weitere schwer verlaufende Colitis-Schübe bevor, die mit 100%iger Sicherheit verhindert werden könnten, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben würde. Ihr stehe das Medikament derzeit noch für eine Behandlungsdauer von ca. 3 Wochen zur Verfügung. Ferner verweist sie auf den Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98). Im Hinblick auf diese Entscheidung stünde ihr ein Leistungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin zu, da sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide, die durch eine Behandlungsdauer von 1 bis 2 Jahren zu ca. 80 bis 90 % ohne Organverluste und Kosten für Dauerpflegemittel ausgeheilt werden könne. Das Sozialgericht Gelsenkirchen habe in einer Entscheidung vom 13.07.2006 (AZ.: S 28 KR 86/06 ER) in einem vergleichbaren Fall bereits eine positive Entscheidung in einem Eilverfahren getroffen. Aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse sei es ihr nicht möglich, die Versorgung mit dem Medikament auf eigene Kosten sicherzustellen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die Antragstellerin die Kosten für das Medikament "Fiblaferon" auf Verordnung durch Herrn Prof. Dr. M. zu übernehmen, soweit in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg, Wolschner./. Novitas Vereinigte BKK, AZ.: S 7 KR 13/05, keine andere Entscheidung getroffen wird.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liege ihr keine aktuelle Verordnung des Prof. Dr. M. vor, die es zu bescheiden gelte. Auch aktuelle Befunde seien bei der Antragsgegnerin nicht eingereicht worden, so dass die vorgetragene Eilbedürftigkeit nicht erklärlich sei. Ferner bestehe aber auch ein Anspruch auf Einsatz des Medikaments im Rahmen eines Off-Label-Use weiterhin nicht. Insoweit verweist sie auf die Ausführungen in dem Hauptsacheverfahren und das Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006. Ergänzend macht sie geltend, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG aufgrund der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten selbst bei tötlich verlaufenden Krankheiten der Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der Zulassung nur als äußerste Maßnahme zulässig sei. Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes müsse bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtlichen Nutzen überwiegen. Die in erster Linie fachärztliche Behandlung müsse auch im Übrigen der ärztlichen Kunst entsprechend ausreichend dokumentiert werden. Ferner könne die Antragsgegnerin den nunmehr gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch deswegen nicht nachvollziehen, weil das Hauptsacheverfahren bereits seit dem Jahre 2004 laufe, ohne dass zugleich ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gemacht worden sei. Es stelle sich daher die Frage, ob mit dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ein möglicher Arzneimittelregress gegen Prof. Dr. M. ausgeschlossen werden solle oder ob der Arzt die Verantwortung für die Behandlung nicht mehr übernehmen wolle. Die Auffassung der Antragsgegnerin zum Einsatz des Medikaments sei sowohl dem Arzt als auch der Antragstellerin seit dem Jahre 2004 bekannt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin. Ferner wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen S 7 KR 13/05. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Das Gericht hat sich zur Erläuterung des Gutachens des Prof. Dr. Z. im Hinblick auf die Dringlichkeit der Angelegenheit telefonisch an den an dem Gutachten beteiligten Dr. P. gewandt.
II.
Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht unzulässig. In dem parallel anhängigen Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um die Ablehnung der Kostenübernahme für das Medikament "Fiblaferon". Die Entscheidung über die Ablehnung ist daher noch nicht bestandskräftig. Vor diesem Hintergrund bedurfte es eines neuen Antrages auf Kostenübernahme bei der Antragsgegnerin nicht.
Der Antrag ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine derartige Anordnung muss ergehen, wenn durch das Vorbringen des Antragstellers erkennbar wird, dass das Begehren in der Sache überwiegende Aussicht auf Erfolg hat (Anordnungsanspruch) und die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen müssen von dem Antragsteller glaubhaft gemacht werden (vgl. §§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Geht es für den Antragsteller - wie hier - um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung, ist dem Gericht im Rahmen des Anordnungsanspruches eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Es hat die Sach- und Rechtslage in diesem Zusammenhang vielmehr grundsätzlich abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, AZ.: 1 BvR 3101/06, III 1).
Trotz des im Rahmen des Hauptsacheverfahrens eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006 ist die Sach- bzw. Rechtslage noch nicht endgültig geklärt (dazu unter 1)), so dass es auf eine Interessenabwägung ankommt (dazu unter 2)).
1) Rechtliche Grundlage für den Leistungsanpruch der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 des fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Danach können grundsätzlich nur solche Arzneimittel von Versicherten beansprucht werden, die für die fragliche Indikation eine arzneimittelrechtliche Zulassung besitzen. Dies ist hier für "Fiblaferon" in Bezug auf das Krankheitsbild der Antragstellerin nicht der Fall. Da es sich hier, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, nicht um einen sogenannten Seltenheitsfall handelt, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl. dazu BSG-SozR 4 - 2005, § 27 Nr. 1), kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites in der Hauptsache damit darauf an, ob die Voraussetzungen vorliegen, die das BSG für die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht erfassten Anwendungsbereich (Off-Label-Use) aufgestellt hat (vgl. dazu BSG-SozR 3 - 2005, § 31 Nr. 8). Danach muss es a) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehen, wenn b) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn c) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
a) Eine schwerwiegende Erkrankung der Antragstellerin im Sinne der ersten Voraussetzung liegt hier aus Sicht des Gerichts vor. Dies ergibt sich aus dem aktenkundigen Krankheitsbild und der in Aussicht stehenden Kolektomie für den Fall eines erneuten therapierefraktären Aktivwerdens der derzeit in Remission befindlichen Symptomatik.
b) Fraglich und bisher noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob im Sinne der zweiten Voraussetzung keine andere Therapie verfügbar ist. Insofern hat sich ausweislich der Ausführungen des Prof. Dr. Z. auf Seite 8 seines Gutachtens unter Ziffer 6) eine Veränderung dahingehend ergeben, als eine Therapiemöglichkeit jedenfalls seit Mitte des Jahres 2006 mit dem Wirkstoff Infliximab (bzw. dem Medikament "Remicade") möglich ist. Seit diesem Zeitpunkt ist das Medikament für folgende Indikationen zugelassen: "Morbus Crohn - schwergradige, aktive Erkrankung mit Nichtansprechen bzw. Unverträglichkeit oder Kontraindikation für eine vollständige und adäquate Therapie mit einem Korticosteroid und einem Immunsuppressivum - aktive Erkrankung mit Fistelbildung mit Nichtansprechen auf eine vollständige und adäquate konventionelle Behandlung (einschließlich Antibiotika, Drainage und immunsuppressiver Therapie)". Dies unterscheidet den vorliegenden Fall im Übrigen auch von der Erkenntnislage in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (Az. S 28 KR 86/06 ER), in dem es ebenfalls um die vorläufige Versorgung eines Patienten von Prof. Dr. M. mit Interferon-Beta zur Behandlung einer Colitis ulcerosa ging. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Vorsitzenden hat der an dem Gutachten mitwirkende Dr. P. noch einmal bestätigt, dass die in dem Gutachten vom 16.03.2006 dargelegten Erkenntnisse weiterhin aktuell sind und für ihn die Therapie der Antragstellerin mit Infliximab auf Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnisse "das Mittel der Wahl" sei. Einschränkend sei insoweit allerdings zu berücksichtigen, dass Infliximab nur unter bestimmten Einschränkungen gegeben werden dürfe. So seien besondere Regeln für die Ernährung einzuhalten. Ferner müsse vorab noch ein Tuberkulose-Screening durchgeführt werden, da insoweit eine Gegenindikation der Anwendung von Infliximab besteht. Außerdem empfahl Dr. P. vor Umstellung der Therapie eine Koloskopie durchzuführen. Ob insofern die grundsätzlich in Betracht zu ziehende Alternativbehandlung mit Infliximab tatsächlich möglich ist, bedarf daher noch der weiteren Abklärung.
Ganz offen gelassen wird bis zur Klärung der vorstehenden aus Sicht des Gerichts vorrangigen Frage, ob nicht auch die deutlich einschneidendere und für die Antragstellerin belastendere Kolektomie als Alternativmethode im Sinne der Rechtsprechung des BSG anzusehen ist.
c) Die unter b) angesprochene offene Frage kann auch nicht deswegen dahingestellt bleiben, weil schon das Vorliegen der dritten Voraussetzung nach der Rechtsprechung des BSG zur Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen des Off-Label-Use abschließend verneint werden könnte. Denn insoweit kommt es, da ein Zulassungsverfahren für "Fiblaferon" weiterhin nicht eingeleitet wurde, darauf an, ob wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht wurden, die über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006, AZ.: B 1 KR 14/06 R, Randziffer 12). Dabei hat das BSG inzwischen klargestellt, dass die Wertigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse, die außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnen wurden, genauso hoch sein muss, wie in den Fallgestaltungen, in denen Zulassungsverfahren bereits angestrengt sind. Das heißt, es müssen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Arzneimittels vom Grad einer Phase III-Studie vorliegen (BSG a.a.O., Randziffer 16). Nach den Erkenntnissen, die in dem Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006 gewonnen wurden, liegen solche Erkenntnisse bisher nicht vor. Dies wird auch von dem die Antragstellerin behandelnden Arzt Prof. Dr. M. bestätigt (vgl. hierzu seine Stellungnahme in dem Schreiben vom 03.06.2006, Bl. 141 der Gerichtsakte S 7 KR 13/05). Auf dieser Grundlage kann aber aus Sicht des Gerichts noch nicht abschließend davon ausgegangen werden, dass die Klage keinesfalls Aussicht auf Erfolg haben kann. Denn das BSG hat in der vorgenannten Entscheidung und auch in einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tage (AZ.: B 1 KR 1/06 R) seine Rechtsauffassung vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98) differenziert. Danach bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des BVerfG einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Was dabei genau unter dem Begriff der Lebensbedrohlickeit zu verstehen ist, ist bisher noch nicht im Einzelnden konkretisiert worden. Aus Sicht des Gerichts gibt es gute Gründe, aufgrund der schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, die mit einem aktuten Colitis-Schub bzw. einer Kolektomie mit anschließender Anlage eines ilioanalen Pouchs einhergeht, die Erkrankung der Antragstellerin als "lebensbedrohlich" im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung anzusehen, selbst wenn von einer akuten Lebensbedrohlichkeit im engeren Sinne aufgrund der Möglichkeit der Kolektomie mit anschließender Pouchanlage entgegen der Angaben des Prof. Dr. M. wohl nicht auszugehen sein dürfte. Daher kommt es auch im Rahmen der Überprüfung der letzten Voraussetzung der Rechtsprechung des BSG zur Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen des Off-Label-Use darauf an, ob eine alternative Standardbehandlung oder eine andere Behandlungsmöglichkeit tatsächlich zur Verfügung steht, was, wie bereits oben dargestellt, weiterer Abklärungsuntersuchungen bedarf.
2) Vor diesem Hintergrund hat die Entscheidung in diesem Eilverfahren letztlich im Rahmen einer Interessenabwägung zu erfolgen, die sich an dem Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zu orientieren hat. Insofern kann es aus Sicht des Gerichts der Antragstellerin nicht zugemutet werden, unmittelbar auf die inzwischen seit Dezember 2003 auf Kosten der Antragsgegnerin bei ihr durchgeführten Therapie mit "Fiblaferon" zu verzichten, da sie die Kosten aus wirtschaftlichen Gründen nicht für einen längeren Zeitraum selber tragen kann und bei einem unkontrollierten Therapieabbruch die Möglichkeit nicht fernliegt, dass die Erkrankung unumkehrbar wieder auflebt und kein adäquates Gegenmittel zur Verfügung steht. Andererseits muss es ihr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und auch des BVerfG in dem Beschluss vom 06.02.2007 aber zugemutet werden, alle zur Verfügung stehenden Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten innerhalb des Versorgungssystems der GKV auszuschöpfen. Das heißt, es ist zeitnah abzuklären, ob der alternativen Behandlung der Antragstellerin mit Infliximab konkrete stichhaltige medizinische Bedenken entgegenstehen, die die Wahrnehmung dieser Möglichkeit ausschließen. Für die erforderliche Abkärungsuntersuchung im Sinne eines Tuberkulose-Screenings werden nach Auskunft des Dr. P. maximal 3 Tage benötigt. Inklusive Wartezeit sei für eine Koloskopie etwa ein Zeitraum von 4 Wochen anzusetzen. In die Abwägung hat auch Eingang gefunden, dass eine indikationsgemäße Anwendung von Infliximab nur dann möglich ist, wenn die Antragstellerin wieder (nach Absetzen des "Fiblaferon") eine aktiviertes Krankheitsbild zeigt. Nach Auskunft des Dr. P. ist das Medikament grundsätzlich schnell wirksam und kann unmittelbar bei Feststellung der ersten Veränderungen gegeben werden. Sollte sich die Unwirksamkeit der Anwendung von Infliximab beim Krankheitsbild der Antragstellerin herausstellen, könnte wiederum, wie schon im Sommer 2004, eine Wiederaufnahme der Therapie mit "Fiblaferon" erfolgen. Nach den Angaben des Dr. P. spricht nichts dagegen, dass das Medikament "Fiblaferon" bei erneutem Wiedereinsatz Wirksamkeit bei der Antragstellerin zeigt.
Vor diesem Hintergrund hat es das Gericht als angemessen angesehen, der Antragstellerin für einen Übergangszeitraum von 6 Wochen nach Verbrauch der noch zur Verfügung stehenden Vorräte des Medikamentse bzw. nach Kenntnisnahme von diesem Beschluss, die Übernahme der Kosten für die Weiterbehandlung mit dem Medikament zuzusprechen, um ihr die Möglichkeit zu geben, die vorbereitenden bzw. abklärenden Untersuchungen zu organisieren und durchführen zu lassen. Anders als das Sozialgericht Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 sieht das Gericht hier vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und der in diesem Fall abweichenden Erkenntnislage betreffend die alternative Behandlungsmöglichkeit mit Infliximab keine Möglichkeit, die Weiterbehandlung mit "Fiblaferon" für einen längeren Zeitraum vorläufig zuzusprechen.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. In diesem Rahmen hat das Gericht berücksichtigt, dass die Antragstellerin einerseits dem Grunde nach zwar mit ihrem Antrag durchgedrungen ist. Andererseits die einstweilige Anordung vom Umfang her aber deutlich hinter dem Antragsbegehren zurückbleibt.
Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 31.03.2007 abgelehnt.
Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin dem Grunde nach zu 1/3.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin begehrt im Rahmen eines Eilverfahrens die weitere Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" zu Lasten der Antragsgegnerin.
Die am 23.07.1978 geborene Antragstellerin ist verheiratet und Mutter eines im Jahre 2003 geborenen Kindes. Ihr Ehemann arbeitet als angestellter Kraftfahrer. Sie selbst ist nicht erwerbstätig.
Bei ihr liegt das Krankheitsbild einer entzündlichen Darmerkrankung (Colitis ulcerosa) in einer schweren Verlaufsform (derzeit in Remission) vor. Nach der Erstmanifestation im März 2000 kam es im Juli des selben Jahres zu einer schweren Schubsymptomatik. Neben der Darmerkrankung leidet sie unter einer Eisenmangel- und Blutungsanämie, Asthmabronchiale und Neurodermitis. Nach einer Darmspiegelung im Oktober 2000, bei der eine aktive Entzündung nachgewiesen wurde, erhielt sie eine medikamentöse Therapie mit Steroiden und Mesalazin. Eine völlige Beschwerdefreiheit wurde dadurch nicht erzielt. In der Folgezeit ergaben weitere Darmspiegelungen kontinuierlich leichtgradige Entzündungen. Seit dem Jahre 2001 erfolgte dann weiter eine lokale Behandlung mit Sulfasalzin und verschiedenen Steroiden sowie eine systemische Therapie mit Mesalazin. Im Rahmen der Schwangerschaft kam es dann etwa im Februar 2003 wieder zu einer schweren Schubsymptomatik trotz lokaler Steroid- und systemischer Mesalazinbehandlung. Unter einer Schubtherapie mittels systemischer Steroidgabe und Olsalazin kam es zu einer Besserung, wobei eine Rezidivprophylaxe mit Azathioprin durchgeführt wurde. In der Folgezeit kam es zu einem chronisch aktiven Verlauf, steroidabhängig unter Azathioprin.
Im Dezember 2003 begann sie mit einer Therapie mit dem Medikament "Fiblaferon" (Wirkstoff: Interferon-Beta). Dabei handelt es sich um ein in der Bundesrepublik verkehrsfähiges und zugelassenes Arzneimittel für das Anwendungsgebiet "schwere unbeherrschbare virusbedingte Erkrankung: Virusencephalitis, Herpes zoster generalisatus und Varicellen bei immunsupprimierten Patienten, virale Innenohrinfekte mit Gehörverlust, undifferenziertes Naso-Pharynxcarzinom". Eine Zulassung für die Behandlung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bzw. Colitis ulcerosa besteht bisher nicht und wurde von dem Hersteller bisher auch nicht beantragt. Unter der Medikation mit "Fiblaferon" kam es zu einer Besserung bis hin zu einer Komplettremission im Mai 2004. Nach einer versuchsweisen Einstellung der Therapie mit "Fiblaferon" trat im August 2004 ein erneuter Schub auf, der sich nach Wiederaufnahme der Therapie wiederum besserte.
Mit Unterstützung des die Antragstellerin behandelnden Chefarztes des Marienhospitals Bottrop, Prof. Dr. M., beantragte die Antragstellerin am 02.01.2004 bei der Antragsgegnerin die weitere Versorgung mit "Fiblaferon" auf Kosten der Antragsgegnerin. Zur Begründung führte sie unter Beifügung von Beiträgen aus medizinischen Fachzeitschriften aus, von den in der Literatur publizierten therapeutischen Optionen sei die Interferon-Therapie, was Wirksamkeit insbesondere unter dem wesentlichen Aspekt der Langzeitremission wie aber auch Applikation, Sicherheit und Verträglichkeit der Therapie angehe, mit Abstand überlegen und aus der jahrelangen Erfahrung des Prof. Dr. M. mit dieser Behandlung als sehr sicher wirksame, gut verträgliche Therapie zu bezeichnen und daher zu bevorzugen. Nach der zunächst additiv zur Basistherapie durchgeführten Interferon-Beta-Gabe sei es schon nach wenigen Tagen zu einer merklichen Besserung der Symptomatik gekommen, so dass hinsichtlich des Erreichens einer klinischen und endoskopisch-histologischen Komplettremission bei Fortführen der Interferon-Beta-Behandlung eine gute Prognose gestellt werden könne. Wenn die Therapie augenblicklich auch höhere Kosten verursache, so werde sie aufgrund ihrer hohen Wirksamkeit langfristig Kosteneinsparungen bringen, da eine dauerhafte Remission mit Ausheilung der Erkrankung in Aussicht stehe. Zumindest auf lange Sicht könne eine gute Stabilität unter einer niedrigen Erhaltungsdosis prognostiziert werden und damit der Antragstellerin eine ansonsten unvermeidliche Kolektomie erspart werden. Die Antragsgegnerin holte daraufhin eine Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) ein. Dieser kam in einem Gutachten vom 02.02.2004 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen für einen Einsatz von "Fiblaferon" bei der Antragstellerin im Rahmen des "Off-Label-Use" nicht vorlägen. Nach Auswertung der von Prof. Dr. M. beigefügten Unterlagen und einer Datenbankrecherche lägen keine Forschungsergebnisse vor, die erwarten ließen, dass das Arzneimittel für die Neuindikation (Behandlung einer hoch aktiven bzw. chronisch aktiven Colitis ucerosa mit Therapieresistenz gegenüber Corticoiden und Azathioprin) zugelassen werden könne. Unter Bezugnahme auf die Beurteilung des MDK lehnte die Antragsgegnerin den Antrag auf Kostenübernahme durch Bescheid vom 01.03.2004 ab. Dagegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, in dem sie zur Begründung die Auffassung vertrat, dass sie alle Kriterien der Rechtsprechung des BSG zur Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" erfülle. Es habe außerdem keine andere medikamentöse Therapie zu dem erwünschten Erfolg geführt. Ergänzend legte Prof. Dr. M. im Verwaltungsverfahren weitere Artikel aus medizinischen Fachzeitschriften, die die Sinnhaftigkeit der Anwendung von Interferon-Beta bei dem Krankheitsbild der Antragstellerin belegen, vor. Außerdem legte er dar, dass die Behandlung mit dem Wirkstoff eine rationale Basis habe, da es nach einer Vielzahl von Invitrodaten aus der experimentellen Forschung zur Multiplen Sklerose bei der Colitis ulcerosa in der Lage sei, die dominierende Aktivität der zytotoxischen Toxine der TH 1-Gruppe herunter zu regulieren, zugunsten einer verbesserten TH-2-Aktivität, durch die sich die Inbalance zugunsten der proentzündlichen Zytogene ausgleichen ließe. In einer von ihm 2003 veröffentlichten Publikation von 25 individuellen Therapieversuchen bei Patienten mit schwerer corticoidrefraktärer Colitis habe ein hoher Wirkungsgrad der Therapie in 80 bis 90 % - bei einem hohen Prozentsatz einer kompletten Ausheilung unter ausschließender Erhaltung mit niedrig dosierter Erhaltungstherapie - über längere Zeit objektiviert werden können. Diese Erfahrung sei Anlass für eine europaweit durchgeführte multizentrische Phase II-Studie gewesen, die zwar noch nicht zur Zulassung des Medikaments geführt habe, aber zur Publikation in einer renommierten Fachzeitschrift eingereicht sei. Vor diesem Hintergrund könne der Verwendung von "Fiblaferon" die evidenzbasierte medizinische Grundlage nicht abgesprochen werden. Der daraufhin von der Antragsgegnerin erneut insgesamt noch zweimal hinzugezogene MDK kam nach Auswertung der weiteren Stellungnahme des Prof. Dr. M. und der beigefügten Auszüge aus der Literatur jeweils wieder zu dem Ergebnis, dass jedenfalls aktuell der Einsatz von Interferon-Beta zur Behandlung einer therapieresistenten Colitis ulcerosa nicht hinreichend untersucht bzw. erprobt sei. Der Therapieansatz sei vielmehr als "individueller Heilversuch" zu charakterisieren. Empfohlen wurde, die Antragstellerin in laufende klinische Studien einzuschleusen, die durchgeführt werden, um eine Zulassung des Medikamentes für die hier fragliche Indikation zu erreichen. Daraufhin wies die Antragsgegnerin den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 30.12.2004 zurück. Zuvor hatte Prof. Dr. M. mitgeteilt, dass ihm nicht bekannt sei, ob zur Zeit eine Studie zur Anwendung von Interferon-Beta bei Colitis ulcerosa laufe, in die Antragstellerin eingeschleust werden könne.
Am 31.01.2005 erhob die Antragstellerin Klage vor dem Sozialgericht Duisburg (Az.: S 7 KR 13/05), mit der sie ihr Begehren auf Versorgung mit dem Medikament "Fiblaferon" weiter verfolgte. Das Medikament wurde ihr durch Prof. Dr. M. in der für erforderlich gehaltenen Dosis in dem Zeitraum nach der Leistungsablehnung durch die Antragsgegnerin und zunächst laufend auch weiter auf Kassenrezept verordnet, so dass Kosten für die Inanspruchnahme des Medikaments für sie nicht anfielen. Die Medikation wird aktuell mit 3 x 1 Mio E.s.c wöchentlich dosiert. Die Kosten für das Medikament in dieser Dosierung belaufen sich auf 618,67 EUR wöchentlich. In der Klagebegründung wies die Antragstellerin darauf hin, dass andere Kassen die Kosten für die Versorgung mit dem Medikament übernehmen. Das Gericht holte zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes zunächst einen ausführlichen Befundbericht bei Prof. Dr. M. ein, wobei der behandelnde Arzt darin neben Fragen zum genauen Behandlungs- und Therapieverlauf Fragen zum Stand des wissenschaftlichen Nachweises der Wirksamkeit beantworten sollte. Dem kam Prof. Dr. M. mit seinem Bericht vom 06.05.2005 bzw. 10.08.2005, dem er insbesondere den in der Zeitschrift Clinical Gastroenterology and Hepatology veröffentlichten Artikel über die Ergebnisse der im Verwaltungsverfahren von ihm angesprochenen Phase II-Studie sowie ausführliche Verlaufsberichte über von ihm selbst durchgeführte Therapien mit Interferon-Beta bei verschiedenen anderen Patienten beifügte, nach (vgl. Bl. 16-60, 64-77, 96-117 der Gerichtsakte). Die Antragsgegnerin, die die Unterlagen dem MDK wiederum zur Auswertung zuleitete, änderte ihre Rechtsauffassung auf dieser Grundlage nicht. Das Gericht holte dann bei dem Chefarzt der Medizinischen Klinik I der Berliner Charité - Campus Benjamin Franklin.n -, Prof. Dr. Z., ein fachinternistisches Sachverständigengutachten nach Aktenlage insbesondere zu der Frage des derzeitigen fachmedizinischen Diskussionsstandes zum Einsatz von "Fiblaferon" bei Colitis ulcerosa ein. In seinem Gutachten vom 14.03.2006 (Bl. 118-130 der Gerichtsakte) kam Prof. Dr. Z. zu dem Ergebnis, es gebe sehr viele Indizien, dass Interferon-Beta ein wirksames Mittel zur Behandlung Colitis ulcerosa sei. Ein zuverlässiger wissenschaftlicher Beweis stehe jedoch noch aus. Daher bestünde in Fachkreisen weder zum Zeitpunkt Dezember 2003 noch aktuell ein Konsens über den voraussichtlichen Nutzen der Behandlung. Was alternative Behandlungsmöglichkeiten angehe, liege aufgrund der Daten einer Ende 2005 veröffentlichten Studie bei der European Medicines Agency (EMEA) ein Antrag auf Erweiterung der Zulassung des Wirkstoffes Infliximab zur Behandlung von Patienten mit mittelschwerer und schwerer Colitis ulcerosa mit einem ungenügenden Ansprechen auf konventionelle Therapien einschließlich Steroiden und Azathioprin/6-Mercaptopurin vor. Zu dem Gutachten des Prof. Dr. Z. hat Prof. Dr. M. dahingehend Stellung genommen, dass auch ihm klar sei, dass der Wirkungsnachweis der Therapie mit Interferon-Beta in Folgestudien in höherer Dosierung durch weitere kontrollierte Studien abzusichern sei, auf deren Ergebnis die Antragstellerin, wie auch andere Patienten, in ihrer schweren akuten Krankheitssituation aber nicht warten könnten. In derartigen Fällen tue ein einsichtige und einvernehmliche Kooperation im Rahmen kontrollierter und überschaubarer Therapiephasen im Rahmen eines Therapieversuches Not, mit Rückmeldungen des Therapieverlaufes an den Kostenträger, bei dem auf der anderen Seite auch die Bereitschaft zur Anerkennung eines auf guter klinischer Beobachtung und Bewertung beruhenden Evidenzgrades bestehen sollte, bis Bemühungen, durch kontrollierte Prüfungen den Weg für eine viel versprechende Reservetherapie im Arzneimittelgesetz durch Zulassung abzusichern, erfolgreich gewesen sei, woran er mit den ihm gegebenen Möglichkeiten intensiv arbeite.
Zwischenzeitlich kam es im Jahre 2006 zu einer Dosisreduktion. Seit August 2006 erhält die Antragstellerin das Medikament wieder alle 2 Tage verabreicht. Eine im Juni 2006 durchgeführte stationäre Behandlung mit "Fiblaferon" durch Prof. Dr. M. stellte die Antragsgegnerin in Frage und forderte das Entgelt für diese Behandlung von dem Marienhospital Bottrop zurück. Da die Antragsgegnerin die Kosten für das Medikament nicht übernehme und auch im stationären Bereich eine Behandlung in der Form ablehne, wies Prof. Dr. M. die Antragstellerin mit einem Schreiben vom 28.03.2007 darauf hin, dass es ihm nicht mehr möglich sei, der Antragstellerin weiterhin das Medikament "Fiblaferon" (auf Kassenrezept) zu verordnen. Da ein Absetzen des Medikaments aber erhebliche gesundheitliche Folgen hätte, die zum jetzigen Zeitpunkt auch lebensbedrohlich sein könnten und die Option einer notfallmäßigen Kolektomie stelle, empfahl Prof. Dr. M. der Antragstellerin, eine "einstweilige Verfügung" zu erwirken.
Vor diesem Hintergrund hat die Antragstellerin sich mit dem Begehren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung am 31.03.2007 an das Gericht gewandt.
Zur Begründung legt sie im Wesentlichen den bisherigen Behandlungs- und Therapieverlauf sowie die bereits aktenkundigen Ausführungen des Prof. Dr. M. dar. Sie macht geltend, ihr stünden für den Fall, dass sie nicht mehr auf das Medikament Fiblaferon zurückgreifen könne, weitere schwer verlaufende Colitis-Schübe bevor, die mit 100%iger Sicherheit verhindert werden könnten, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung stattgegeben würde. Ihr stehe das Medikament derzeit noch für eine Behandlungsdauer von ca. 3 Wochen zur Verfügung. Ferner verweist sie auf den Leitsatz des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BverfG) vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98). Im Hinblick auf diese Entscheidung stünde ihr ein Leistungsanspruch gegenüber der Antragsgegnerin zu, da sie an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leide, die durch eine Behandlungsdauer von 1 bis 2 Jahren zu ca. 80 bis 90 % ohne Organverluste und Kosten für Dauerpflegemittel ausgeheilt werden könne. Das Sozialgericht Gelsenkirchen habe in einer Entscheidung vom 13.07.2006 (AZ.: S 28 KR 86/06 ER) in einem vergleichbaren Fall bereits eine positive Entscheidung in einem Eilverfahren getroffen. Aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse sei es ihr nicht möglich, die Versorgung mit dem Medikament auf eigene Kosten sicherzustellen.
Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, an die Antragstellerin die Kosten für das Medikament "Fiblaferon" auf Verordnung durch Herrn Prof. Dr. M. zu übernehmen, soweit in dem Hauptsacheverfahren vor dem Sozialgericht Duisburg, Wolschner./. Novitas Vereinigte BKK, AZ.: S 7 KR 13/05, keine andere Entscheidung getroffen wird.
Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich,
den Antrag zurückzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Es liege ihr keine aktuelle Verordnung des Prof. Dr. M. vor, die es zu bescheiden gelte. Auch aktuelle Befunde seien bei der Antragsgegnerin nicht eingereicht worden, so dass die vorgetragene Eilbedürftigkeit nicht erklärlich sei. Ferner bestehe aber auch ein Anspruch auf Einsatz des Medikaments im Rahmen eines Off-Label-Use weiterhin nicht. Insoweit verweist sie auf die Ausführungen in dem Hauptsacheverfahren und das Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006. Ergänzend macht sie geltend, dass nach der aktuellen Rechtsprechung des BSG zum Off-Label-Use auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des BVerfG aufgrund der verfassungsrechtlichen Schutzpflichten selbst bei tötlich verlaufenden Krankheiten der Einsatz eines Arzneimittels außerhalb der Zulassung nur als äußerste Maßnahme zulässig sei. Unter Berücksichtigung des gebotenen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes müsse bei der vor der Behandlung erforderlichen sowohl abstrakten als auch speziell auf den Versicherten bezogenen konkreten Analyse und Abwägung von Chancen und Risiken der voraussichtlichen Nutzen überwiegen. Die in erster Linie fachärztliche Behandlung müsse auch im Übrigen der ärztlichen Kunst entsprechend ausreichend dokumentiert werden. Ferner könne die Antragsgegnerin den nunmehr gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auch deswegen nicht nachvollziehen, weil das Hauptsacheverfahren bereits seit dem Jahre 2004 laufe, ohne dass zugleich ein Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anhängig gemacht worden sei. Es stelle sich daher die Frage, ob mit dem Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz ein möglicher Arzneimittelregress gegen Prof. Dr. M. ausgeschlossen werden solle oder ob der Arzt die Verantwortung für die Behandlung nicht mehr übernehmen wolle. Die Auffassung der Antragsgegnerin zum Einsatz des Medikaments sei sowohl dem Arzt als auch der Antragstellerin seit dem Jahre 2004 bekannt.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird verwiesen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Antragsgegnerin. Ferner wird verwiesen auf den Inhalt der beigezogenen Gerichtsakte des Hauptsacheverfahrens mit dem Aktenzeichen S 7 KR 13/05. Der Inhalt sämtlicher Akten ist Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen. Das Gericht hat sich zur Erläuterung des Gutachens des Prof. Dr. Z. im Hinblick auf die Dringlichkeit der Angelegenheit telefonisch an den an dem Gutachten beteiligten Dr. P. gewandt.
II.
Der Antrag ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht unzulässig. In dem parallel anhängigen Hauptsacheverfahren streiten die Beteiligten um die Ablehnung der Kostenübernahme für das Medikament "Fiblaferon". Die Entscheidung über die Ablehnung ist daher noch nicht bestandskräftig. Vor diesem Hintergrund bedurfte es eines neuen Antrages auf Kostenübernahme bei der Antragsgegnerin nicht.
Der Antrag ist jedoch nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist er unbegründet.
Gemäß § 86 b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Eine derartige Anordnung muss ergehen, wenn durch das Vorbringen des Antragstellers erkennbar wird, dass das Begehren in der Sache überwiegende Aussicht auf Erfolg hat (Anordnungsanspruch) und die Anordnung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Anordnungsgrund). Diese Voraussetzungen müssen von dem Antragsteller glaubhaft gemacht werden (vgl. §§ 86 b Abs. 2 SGG, 920 Abs. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO)). Geht es für den Antragsteller - wie hier - um existentiell bedeutsame Leistungen der Krankenversicherung, ist dem Gericht im Rahmen des Anordnungsanspruches eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt. Es hat die Sach- und Rechtslage in diesem Zusammenhang vielmehr grundsätzlich abschließend zu prüfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06.02.2007, AZ.: 1 BvR 3101/06, III 1).
Trotz des im Rahmen des Hauptsacheverfahrens eingeholten Gutachtens des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006 ist die Sach- bzw. Rechtslage noch nicht endgültig geklärt (dazu unter 1)), so dass es auf eine Interessenabwägung ankommt (dazu unter 2)).
1) Rechtliche Grundlage für den Leistungsanpruch der Antragstellerin ist im vorliegenden Fall § 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 3, § 31 Abs. 1 Satz 1 des fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V). Danach können grundsätzlich nur solche Arzneimittel von Versicherten beansprucht werden, die für die fragliche Indikation eine arzneimittelrechtliche Zulassung besitzen. Dies ist hier für "Fiblaferon" in Bezug auf das Krankheitsbild der Antragstellerin nicht der Fall. Da es sich hier, was zwischen den Beteiligten ebenfalls unstreitig ist, nicht um einen sogenannten Seltenheitsfall handelt, der sich einer systematischen Erforschung entzieht (vgl. dazu BSG-SozR 4 - 2005, § 27 Nr. 1), kommt es für die Entscheidung des Rechtsstreites in der Hauptsache damit darauf an, ob die Voraussetzungen vorliegen, die das BSG für die Verordnung eines Medikaments in einem von der Zulassung nicht erfassten Anwendungsbereich (Off-Label-Use) aufgestellt hat (vgl. dazu BSG-SozR 3 - 2005, § 31 Nr. 8). Danach muss es a) um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung gehen, wenn b) keine andere Therapie verfügbar ist und wenn c) aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann.
a) Eine schwerwiegende Erkrankung der Antragstellerin im Sinne der ersten Voraussetzung liegt hier aus Sicht des Gerichts vor. Dies ergibt sich aus dem aktenkundigen Krankheitsbild und der in Aussicht stehenden Kolektomie für den Fall eines erneuten therapierefraktären Aktivwerdens der derzeit in Remission befindlichen Symptomatik.
b) Fraglich und bisher noch nicht abschließend geklärt ist die Frage, ob im Sinne der zweiten Voraussetzung keine andere Therapie verfügbar ist. Insofern hat sich ausweislich der Ausführungen des Prof. Dr. Z. auf Seite 8 seines Gutachtens unter Ziffer 6) eine Veränderung dahingehend ergeben, als eine Therapiemöglichkeit jedenfalls seit Mitte des Jahres 2006 mit dem Wirkstoff Infliximab (bzw. dem Medikament "Remicade") möglich ist. Seit diesem Zeitpunkt ist das Medikament für folgende Indikationen zugelassen: "Morbus Crohn - schwergradige, aktive Erkrankung mit Nichtansprechen bzw. Unverträglichkeit oder Kontraindikation für eine vollständige und adäquate Therapie mit einem Korticosteroid und einem Immunsuppressivum - aktive Erkrankung mit Fistelbildung mit Nichtansprechen auf eine vollständige und adäquate konventionelle Behandlung (einschließlich Antibiotika, Drainage und immunsuppressiver Therapie)". Dies unterscheidet den vorliegenden Fall im Übrigen auch von der Erkenntnislage in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen (Az. S 28 KR 86/06 ER), in dem es ebenfalls um die vorläufige Versorgung eines Patienten von Prof. Dr. M. mit Interferon-Beta zur Behandlung einer Colitis ulcerosa ging. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Vorsitzenden hat der an dem Gutachten mitwirkende Dr. P. noch einmal bestätigt, dass die in dem Gutachten vom 16.03.2006 dargelegten Erkenntnisse weiterhin aktuell sind und für ihn die Therapie der Antragstellerin mit Infliximab auf Grundlage der ihm vorliegenden Erkenntnisse "das Mittel der Wahl" sei. Einschränkend sei insoweit allerdings zu berücksichtigen, dass Infliximab nur unter bestimmten Einschränkungen gegeben werden dürfe. So seien besondere Regeln für die Ernährung einzuhalten. Ferner müsse vorab noch ein Tuberkulose-Screening durchgeführt werden, da insoweit eine Gegenindikation der Anwendung von Infliximab besteht. Außerdem empfahl Dr. P. vor Umstellung der Therapie eine Koloskopie durchzuführen. Ob insofern die grundsätzlich in Betracht zu ziehende Alternativbehandlung mit Infliximab tatsächlich möglich ist, bedarf daher noch der weiteren Abklärung.
Ganz offen gelassen wird bis zur Klärung der vorstehenden aus Sicht des Gerichts vorrangigen Frage, ob nicht auch die deutlich einschneidendere und für die Antragstellerin belastendere Kolektomie als Alternativmethode im Sinne der Rechtsprechung des BSG anzusehen ist.
c) Die unter b) angesprochene offene Frage kann auch nicht deswegen dahingestellt bleiben, weil schon das Vorliegen der dritten Voraussetzung nach der Rechtsprechung des BSG zur Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen des Off-Label-Use abschließend verneint werden könnte. Denn insoweit kommt es, da ein Zulassungsverfahren für "Fiblaferon" weiterhin nicht eingeleitet wurde, darauf an, ob wissenschaftliche Erkenntnisse veröffentlicht wurden, die über die Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in dem neuen Anwendungsgebiet zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne besteht (vgl. Urteil des BSG vom 26.09.2006, AZ.: B 1 KR 14/06 R, Randziffer 12). Dabei hat das BSG inzwischen klargestellt, dass die Wertigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse, die außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnen wurden, genauso hoch sein muss, wie in den Fallgestaltungen, in denen Zulassungsverfahren bereits angestrengt sind. Das heißt, es müssen wissenschaftliche Erkenntnisse über die Wirksamkeit des Arzneimittels vom Grad einer Phase III-Studie vorliegen (BSG a.a.O., Randziffer 16). Nach den Erkenntnissen, die in dem Gutachten des Prof. Dr. Z. vom 14.03.2006 gewonnen wurden, liegen solche Erkenntnisse bisher nicht vor. Dies wird auch von dem die Antragstellerin behandelnden Arzt Prof. Dr. M. bestätigt (vgl. hierzu seine Stellungnahme in dem Schreiben vom 03.06.2006, Bl. 141 der Gerichtsakte S 7 KR 13/05). Auf dieser Grundlage kann aber aus Sicht des Gerichts noch nicht abschließend davon ausgegangen werden, dass die Klage keinesfalls Aussicht auf Erfolg haben kann. Denn das BSG hat in der vorgenannten Entscheidung und auch in einer weiteren Entscheidung vom gleichen Tage (AZ.: B 1 KR 1/06 R) seine Rechtsauffassung vor dem Hintergrund der Entscheidung des BVerfG vom 06.12.2005 (AZ.: 1 BvR 347/98) differenziert. Danach bedürfen die Regelungen des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zur Arzneimittelversorgung aufgrund des Beschlusses des BVerfG einer verfassungskonformen Auslegung, wenn Versicherte an einer lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, bei der die Anwendung der üblichen Standardbehandlung aus medizinischen Gründen ausscheidet und andere Behandlungsmöglichkeiten nicht zur Verfügung stehen. Was dabei genau unter dem Begriff der Lebensbedrohlickeit zu verstehen ist, ist bisher noch nicht im Einzelnden konkretisiert worden. Aus Sicht des Gerichts gibt es gute Gründe, aufgrund der schwerwiegenden Beeinträchtigung der körperlichen Integrität, die mit einem aktuten Colitis-Schub bzw. einer Kolektomie mit anschließender Anlage eines ilioanalen Pouchs einhergeht, die Erkrankung der Antragstellerin als "lebensbedrohlich" im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung anzusehen, selbst wenn von einer akuten Lebensbedrohlichkeit im engeren Sinne aufgrund der Möglichkeit der Kolektomie mit anschließender Pouchanlage entgegen der Angaben des Prof. Dr. M. wohl nicht auszugehen sein dürfte. Daher kommt es auch im Rahmen der Überprüfung der letzten Voraussetzung der Rechtsprechung des BSG zur Anwendung von Arzneimitteln im Rahmen des Off-Label-Use darauf an, ob eine alternative Standardbehandlung oder eine andere Behandlungsmöglichkeit tatsächlich zur Verfügung steht, was, wie bereits oben dargestellt, weiterer Abklärungsuntersuchungen bedarf.
2) Vor diesem Hintergrund hat die Entscheidung in diesem Eilverfahren letztlich im Rahmen einer Interessenabwägung zu erfolgen, die sich an dem Grundrecht der Antragstellerin aus Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip zu orientieren hat. Insofern kann es aus Sicht des Gerichts der Antragstellerin nicht zugemutet werden, unmittelbar auf die inzwischen seit Dezember 2003 auf Kosten der Antragsgegnerin bei ihr durchgeführten Therapie mit "Fiblaferon" zu verzichten, da sie die Kosten aus wirtschaftlichen Gründen nicht für einen längeren Zeitraum selber tragen kann und bei einem unkontrollierten Therapieabbruch die Möglichkeit nicht fernliegt, dass die Erkrankung unumkehrbar wieder auflebt und kein adäquates Gegenmittel zur Verfügung steht. Andererseits muss es ihr unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG und auch des BVerfG in dem Beschluss vom 06.02.2007 aber zugemutet werden, alle zur Verfügung stehenden Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten innerhalb des Versorgungssystems der GKV auszuschöpfen. Das heißt, es ist zeitnah abzuklären, ob der alternativen Behandlung der Antragstellerin mit Infliximab konkrete stichhaltige medizinische Bedenken entgegenstehen, die die Wahrnehmung dieser Möglichkeit ausschließen. Für die erforderliche Abkärungsuntersuchung im Sinne eines Tuberkulose-Screenings werden nach Auskunft des Dr. P. maximal 3 Tage benötigt. Inklusive Wartezeit sei für eine Koloskopie etwa ein Zeitraum von 4 Wochen anzusetzen. In die Abwägung hat auch Eingang gefunden, dass eine indikationsgemäße Anwendung von Infliximab nur dann möglich ist, wenn die Antragstellerin wieder (nach Absetzen des "Fiblaferon") eine aktiviertes Krankheitsbild zeigt. Nach Auskunft des Dr. P. ist das Medikament grundsätzlich schnell wirksam und kann unmittelbar bei Feststellung der ersten Veränderungen gegeben werden. Sollte sich die Unwirksamkeit der Anwendung von Infliximab beim Krankheitsbild der Antragstellerin herausstellen, könnte wiederum, wie schon im Sommer 2004, eine Wiederaufnahme der Therapie mit "Fiblaferon" erfolgen. Nach den Angaben des Dr. P. spricht nichts dagegen, dass das Medikament "Fiblaferon" bei erneutem Wiedereinsatz Wirksamkeit bei der Antragstellerin zeigt.
Vor diesem Hintergrund hat es das Gericht als angemessen angesehen, der Antragstellerin für einen Übergangszeitraum von 6 Wochen nach Verbrauch der noch zur Verfügung stehenden Vorräte des Medikamentse bzw. nach Kenntnisnahme von diesem Beschluss, die Übernahme der Kosten für die Weiterbehandlung mit dem Medikament zuzusprechen, um ihr die Möglichkeit zu geben, die vorbereitenden bzw. abklärenden Untersuchungen zu organisieren und durchführen zu lassen. Anders als das Sozialgericht Gelsenkirchen in seiner Entscheidung vom 13.07.2006 sieht das Gericht hier vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen und der in diesem Fall abweichenden Erkenntnislage betreffend die alternative Behandlungsmöglichkeit mit Infliximab keine Möglichkeit, die Weiterbehandlung mit "Fiblaferon" für einen längeren Zeitraum vorläufig zuzusprechen.
3) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. In diesem Rahmen hat das Gericht berücksichtigt, dass die Antragstellerin einerseits dem Grunde nach zwar mit ihrem Antrag durchgedrungen ist. Andererseits die einstweilige Anordung vom Umfang her aber deutlich hinter dem Antragsbegehren zurückbleibt.
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