L 4 KR 3898/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 4 KR 6004/01
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3898/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 26. August 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den der Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Kosten einer privatärztlichen Behandlung der Klägerin zu übernehmen.

Die 1965 geborene Klägerin war bis 31. Dezember 2000 bei der Beklagten versichert. Sie leidet an einer Umwelterkrankung, die als Multiple Chemical Sensitivity (MCS) bezeichnet wird. Daneben wird die Klägerin wegen zahlreicher weiterer Symptome, wie zum Beispiel Befindlichkeitsstörungen, Atemwegsproblemen, Schwellungen, Knochenschmerzen, Gelenksschmerzen, Kreislaufstörungen, Übelkeit, Schwindel, Erschöpfung, Durchfall und Depressionen behandelt, wobei ärztlicherseits ein Zusammenhang mit der MCS postuliert wird.

Die Klägerin vereinbarte telefonisch mit der Privatpraxis Umweltmedizin des Arztes R., der zugleich Ärztlicher Leiter des Instituts für Umweltkrankheiten in B. E. (IFU) ist, telefonisch einen Arzttermin für den 04. September 2000, den die Praxis mit Schreiben vom 02. August 2000 bestätigte. Die Klägerin teilte der Beklagten mit Schreiben vom 04. August 2000 mit, auf Anraten ihres Hausarztes Dr. von Re. habe sie Kontakt mit dem aufgenommen. Dort habe sie einen Untersuchungstermin für Anfang September 2000 vereinbart. Sie bat um Prüfung, ob Kosten übernommen werden könnten. Mit einem zweiten Schreiben vom selben Tag bat sie um Übernahme der Kosten für Behandlungen bei Dr. S. und Dr. D. (Rechnung Dr. S. vom 02. Juli 2000, 200,- DM; Rechnung Dr. D. vom 02. Juni 2000, 90,- DM).

Mit Schreiben vom 08. September 2000 lehnte die Beklagte eine Übernahme der Behandlungskosten im IFU ab. Es handle sich um eine private Einrichtung. Es bestehe keine Möglichkeit der Kostenübernahme für die am 03. September 2000 begonnene Behandlung. Die eingereichte Rechnung von Dr. S. könne nicht erstattet werden. An der eingereichten Rechnung des Dr. D. könne sie (die Beklagte) sich in Höhe von DM 14,60 beteiligen.

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2000 reichte die Klägerin u.a. Rechnungen des Arztes R. vor (Rechnung vom 11. September 2000, 1.283,74 DM für in der Zeit vom 04. September bis 08. September 2000 erbrachte ärztliche Leistungen mit den Diagnosen MCS und Nahrungsmittelallergie; Rechnung vom 11. September 2000, 465,85 DM für im Auslagenersatz der Apotheke am 08. September 2000 gelieferte Hyposensibilisierung-Ampullen) und des IFU (Rechnung vom 12. September 2000, 120,- DM für am 08. September 2000 durchgeführte ernährungswissenschaftliche Beratung und Rotationsdiätplan; Laborrechnung vom 11. September 2000, 900,- DM für einen am 05. September 2000 erfolgten zellulären Allergenenstimulationstest; Zimmerrechnung vom 11. September 2000, 713,- DM für sechs Übernachtungen [480,- DM], sechsmal Kurtaxe [1,50 DM], Telefonkosten [224,- DM]; Laborrechnung vom 18. September 2000, 450,- DM für eine am 08. September 2000 erfolgte Untersuchung der Antikörper IgE und IgE; Laborrechnung vom 18. Oktober 2000, 912,00 DM für am 08. September 2000 durchgeführte Aryl-Hydrocarbon-Hydroxylase und Gluthation-S-Transferase) ein. Gleichzeitig legte sie Widerspruch gegen den Bescheid vom 08. September 2000 ein. Sie habe seit gut einem Jahr erfolglos zahlreiche zugelassene Ärzte aufgesucht. Erst die Behandlung im IFU habe eine gewisse Besserung gebracht. Mit Schreiben vom 28. Dezember 2000 legte die Klägerin u.a. eine weitere Rechnung des Arztes Runow vom 14. Dezember 2000 über 1.382,16 DM für in der Zeit vom 11. Dezember bis 13. Dezember 2000 erbrachte ärztliche Leistungen mit den Diagnosen MCS und Nahrungsmittelallergie sowie eine Laborrechnung des IFU vom 14. November 2000 über 385,- DM für einen am 24. Oktober 2000 erfolgten umweltmedizinischen Lebertests vor.

Die Beklagte verwies mit Schreiben vom 16. Januar 2001 auf ihre früheres Schreiben vom 08. September 2000 und bat die Klägerin um Auskunft, ob sie die durchgeführte Behandlung in eigener Initiative ergriffen habe oder ob die Behandlung von einem Vertragsarzt veranlasst worden sei. Die Klägerin teilte mit, ihr behandelnder Hausarzt Dr. von Re. in B. B. habe sie zur weiteren Behandlung und Diagnostik an das IFU verwiesen.

Mit Schreiben vom 17. Januar 2000 wandte sich die Beklagte mit der Bitte um Stellungnahme an den Medizinischen Dienst der Krankenkassen Baden-Württemberg (MDK) und die pharmazeutische Beratungsstelle ihrer Hauptverwaltung. Dr. L. führte in der Stellungnahme vom 22. Januar 2001 aus, eine ausreichende Diagnostik und Therapie sei im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung möglich. Die pharmazeutische Beratungsstelle, Herr R., führte mit Schreiben vom 29. Januar 2000 aus, eine Bewertung des therapeutischen Nutzens der Therapie und der Notwendigkeit der angewandten, recht ausgedehnten Diagnostik im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung könne von der pharmazeutische Beratungsstelle nicht erfolgen.

Mit Schreiben vom 26. Februar 2001 wies die Beklagte nochmals darauf hin, dass aus ihrer Sicht eine Kostenerstattung - mit Ausnahme einer Privatrechnung des Zahnarztes M. vom 26. September 2000 - nicht in Betracht komme. Die Klägerin hielt an ihrem Widerspruch fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den "mit Datum vom 08. September 2000 erteilten Bescheid" zurück. Ein Anspruch auf Erstattung der Kosten einer privatärztlichen Behandlung bestehe nicht. Bei den von der Klägerin in Eigeninitiative - vorwiegend im IFU - durchgeführten Behandlungen/Beratungen handle es sich ausschließlich um Behandlungen außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt werden dürften. Eine Kostenübernahme durch sie (die Beklagte) könne daher nicht erfolgen.

Die Klägerin hat am 26. November 2001 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, mit der sie eine Kostenerstattung von insgesamt 6.378,75 DM nur noch wegen der Rechnungen des Arztes R. bzw. des IFU vom 11. September 2000 (1.283,74 DM), vom 11. September 2000 (465,85 DM), vom 11. September 2000 (900,- DM), vom 11. September 2000 (480,- DM), vom 12. September 2000 (120,- DM), vom 18. September 2000 (450,- DM), vom 18. Oktober 2000 (912,- DM), vom 14. November 2000 (385,- DM) und vom 14. Dezember 2000 (1.382,16 DM) begehrt hat. Sie leide an MCS, wahrscheinlich verursacht durch eine Amalgamvergiftung. Es handle sich um eine Umwelterkrankung, die bei vielen Ärzten unerkannt bleibe. Sie sei wegen unterschiedlichster Allergien behandelt worden. Zudem habe sie unter extremer Geruchsempfindlichkeit, Atemwegsproblemen, Augenschwellungen und -brennen, Knochen- und Gelenksschmerzen, Hautleiden, Kreislaufstörungen, Übelkeit, Schwindel, Erschöpfung, Durchfall und Depressionen gelitten. Nahrungsmittel habe sie fast gar nicht mehr zu sich nehmen können. Durch die Behandlung in einer Allergieklinik habe sich der Gesundheitszustand zusätzlich verschlimmert. Dr. von Re. habe daraufhin MCS diagnostiziert. Es sei versucht worden, einen Termin im Fachkrankenhaus Nordfriesland zu erhalten. Dort habe sie sich am 02. Juni 2000 in der Institutsambulanz vorgestellt. Es sei die einzige Vertrags-Klinik in Deutschland, welche auf derartige Erkrankungen spezialisiert sei. Eine stationäre Behandlung wäre erst nach Ablauf einer dreijährigen Wartezeit möglich gewesen. Da sich der Gesundheitszustand ständig weiter verschlechtert habe, sei eine Einweisung in eine Spezialklinik in Neukirchen geplant gewesen. Dort bestehe eine Wartezeit von acht Monaten. In dieser Situation habe sie vom IFU erfahren, das auf die Behandlung von MCS spezialisiert sei. Dort habe sofort eine stationäre Behandlung durchgeführt werden können. Aufgrund dieser Behandlung habe sich ihr Leben wieder stabilisiert. Der Widerspruchsbescheid sei auch nicht ausreichend begründet. Der MDK habe nicht begründet, wie eine Behandlung im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung hätte aussehen können. Seine Stellungnahme sei deshalb wertlos. Es sei richtig, dass es sich beim IFU nicht um ein zugelassenes Krankenhaus handle. Die Verpflichtung zur Kostenübernahme ergebe sich aber aus dem Umstand, dass die Leistung zu Unrecht abgelehnt worden sei. Das Wirtschaftlichkeitsgebot erfordere eine solche Betrachtungsweise. Die Behandlung innerhalb des vertragsärztlichen Versorgungssystems verursache nur Kosten ohne einen konkreten Erfolg. Darüber hinaus seien die Behandlungsmaßnahmen im IFU unaufschiebbare Leistungen gewesen. Sie habe die Leistung auch vorab beantragt. Sie habe bereits am 04. August 2000 um eine entsprechende Kostenübernahme seitens der Beklagten nachgesucht. Die erste Behandlung es sei dann im IFU-Institut am 04. September 2000 erfolgt. Zwischen dem Antrag und der Behandlung habe ein Zeitraum von einem Monat gelegen. Ein längeres Abwarten sei nicht zumutbar gewesen. Ergänzend hat sie Unterlagen zur MCS und ärztliche Befundberichte eingereicht.

Die Beklagte hat dem entgegengehalten, eine unaufschiebbare Leistung und ein Notfall im Sinne des § 76 Abs. 1 Satz 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) habe nicht vorgelegen. Sie habe die beantragte Leistung auch nicht rechtswidrig abgelehnt.

Das SG hat den Arzt R. als sachverständigen Zeugen gehört. In seiner Stellungnahme vom 13. März 2003 hat er unter Bezugnahme auf einen Befundbericht des Fachkrankenhaus Nordfriesland vom 06. Juni 2000 mitgeteilt, er habe die Klägerin ab 04. September 2000 ambulant behandelt. Am 05. September 2000 sei ein zellulärer Bluttest durchgeführt worden. Dieser Test werde in Deutschland nur in seinem Institut durchgeführt. Dabei würden Blutzellen mit vermeintlichen Allergenen in Kontakt gebracht. Für jedes potenzielle Allergen werde ein Blutbild erstellt. Auf der Basis der Untersuchungsergebnisse werde ein Ernährungsplan nach einem von ihm entwickelten Computerprogramm erstellt. Ihm sei nicht bekannt, dass eine gleichwertige Behandlung zur Zeit in Deutschland möglich es sei. Die vom IFU angebotenen Untersuchungen würden zum größten Teil in dem US-amerikanischen Labor Great Smokies Diagnostic Laboratory durchgeführt. Das IFU sei einziger Lizenzpartner in Deutschland. Im gleichen Labor seinen im Juli 2002 Stuhl- und Verdauungsanalysen durchgeführt worden. Eine weitere Untersuchung des Darmtraktes sei im Dezember 2002 erfolgt. Es handle sich insgesamt um einzelne Abschnitte eines Behandlungskonzeptes, das sich auf den Darmtrakt konzentriere und im weiteren den Problemkreis der Unverträglichkeitsreaktionen untersuche.

Die Beklagte hat hierzu eine Stellungnahme des MDK durch Dr. Le. vom 29. April 2003 vorgelegt. Er ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gekommen, die Klägerin habe über einen Symptomkomplex geklagt, für den es im vertragsärztlichen Bereich in Deutschland ein vielfältiges Repertoire an Untersuchungsmöglichkeiten gebe. Eine Notfallsituation sei den Unterlagen nicht zu entnehmen.

Durch Urteil vom 26. August 2003 hat das SG die Klage abgewiesen. Ein Kostenerstattungsanspruch scheitere, weil die Klägerin die Leistung nicht vor Inanspruchnahme bei der Beklagten beantragt und die Ablehnung abgewartet habe. Die Beklagte habe die streitige Behandlung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Sie sei nicht verpflichtet gewesen, der Klägerin diese Behandlung als Sachleistung zu gewähren. Der Arzt R. nehme nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teil. Das IFU sei kein zugelassenes Krankenhaus. Eine Behandlungsanspruch ergebe sich nicht auf Grund eines Systemmangels, etwa weil keine anderen Behandlungsmöglichkeiten vorhanden gewesen wären. Der Verweis auf die dreijährigen Wartezeit im Fachkrankenhaus Nordfriesland greife nicht durch. Dort habe es sich um eine stationäre Behandlung gehandelt. Die Klägerin habe im IFU aber eine ambulante Behandlung in Anspruch genommen. Es sei davon auszugehen, dass auch andere Ärzte, die eine Kassenzulassung besäßen, sich auf die Behandlung der MCS spezialisiert hätten. Sollte es sich bei den im IFU durchgeführten Behandlungs- und Untersuchungsmethoden um neue Methoden handeln, so scheitere ein Anspruch auch daran, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bisher hierzu keine positive Empfehlung abgegeben habe.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 08. September 2003 zugestellte Urteil am 29. September 2003 Berufung eingelegt. Sie trägt ergänzend vor, die stationäre Behandlung im IFU sei eine unaufschiebbare Maßnahme gewesen. Sie habe die dort angebotene alternative Behandlungsmethode benötigt. Insbesondere die Schleimhautbarriere habe wieder aufgebaut werden müssen. Aus schulmedizinischer Sicht sei sie austherapiert gewesen. Der gesundheitliche Zustand habe sich extrem verschlechtert. Die Behandlungsmethode im IFU, bei der es sich um eine Methode der besonderen Therapierichtung handle, sei die einzige noch in Betracht kommende Möglichkeit einer Behandlung gewesen. Der sachverständige Zeuge R. habe angegeben, dass es sich bei den Therapiemaßnahmen des IFU nicht um eine Außenseitermethode, sondern um eine wissenschaftliche Methode handle. Das SG habe zu Unrecht darauf abgestellt, sie habe medizinische Leistungen in Anspruch genommen, ohne zunächst eine Ablehnung der Beklagten abzuwarten. Sie habe sich bereits am 04. August 2000 an die Beklagte mit der Bitte um Prüfung einer Kostenübernahme gewandt. Die Beklagte habe sich aber über einen Monat mit der Entscheidung Zeit gelassen. Es sei ihr so schlecht gegangen, dass sie nicht mehr weiter habe zuwarten können (Verweis auf ein von ihr für die Zeit vom 7. August bis 3. September 2000 geführtes "Tagebuch"). Aktuell habe keine andere Behandlungsmöglichkeit bestanden. Das IFU sei eine Bestellpraxis. Es sei aber auch möglich, Zimmer zu mieten, die für chemikaliensensible und allergische Personen ausgestattet seien. Sie habe sich während der gesamten Behandlungsdauer eine Woche lang in einem solchen Zimmer im IFU aufgehalten.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgericht Stuttgart vom 26. August 2003 und die Bescheide der Beklagten vom 08. September 2000 und 26. Februar 2001 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 22. Oktober 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 3.261,29 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, eine unaufschiebbare Maßnahme im Sinne eines Notfalls habe nicht vorgelegen. Eine Notfall sei gegeben, wenn die Leistung sofort, ohne die Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs erbracht werden müsse. Eine Notfallbehandlung sei bei der Klägerin nicht vorgenommen worden. Ob es sich bei den durchgeführten Maßnahmen um solche der besonderen Therapierichtungen handle, seit unerheblich. Auch in diesem Fall müsse zumindest einer interne Anerkennung durch den Bundesausschuss vorliegen. Eine Notfallbehandlung hätte im örtlichen Kreiskrankenhaus oder in der nächsten Universitätsklinik durchgeführt werden können. Im Vergleich dazu verfüge das IFU über keine überlegenen Therapiemaßnahmen. Eine Überweisung durch Dr. von Redwitz zur fachärztlichen klinischen Weiterbehandlung oder zur fachärztlichen Mitbehandlung habe nicht vorgelegen. Das IFU sei weder für die ambulante noch für die stationäre Versorgung zugelassen. Es habe sich letztendlich um eine Selbsteinweisung der Klägerin gehandelt.

Der Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten in der nichtöffentlichen Sitzung am 26. November 2003 erörtert. In diesem Termin wurden die Beteiligten darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung nach § 153 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) erwogen wird.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des Sozialgerichts und die Akten des Senats Bezug genommen.

II.

Da der Senat die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, entscheidet er im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.

Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 SGG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Bescheide der Beklagten vom 08. September 2000 und 26. Februar 2001 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

1. Das SG hat im Urteil vom 26. August 2003 die für den erhobenen Kostenerstattungsanspruch maßgeblichen Rechtsgrundlage des § 13 Abs. 3 SGB V benannt und mit zutreffender Begründung dargelegt, dass ein Kostenerstattungsanspruch nicht besteht, weil die Klägerin die von ihr auf der Grundlage einer privatärztlichen Behandlung im IFU bzw. bei dem Arzt R. in Anspruch genommenen Leistungen nicht rechtzeitig beantragt hat, d. h. sie vor einer Entscheidung der Beklagten in Anspruch genommen hat, eine unaufschiebbare Leistung nicht vorlag und eine grundsätzliche Verpflichtung der Beklagten zur Erbringung dieser Leistungen im Wege der Sachleistung nicht bestand. Zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen sieht der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und verweist auf die Ausführungen des SG im angefochtenen Urteil. Die Berufungsbegründung führt zu keiner anderen Beurteilung.

2. Ergänzend ist Folgendes hinzuzufügen:

2.1. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3, 1. Alternative SGB V greift nicht durch. Eine unaufschiebbare Leistung hat der Arzt R. im IFU nicht erbracht. Die Klägerin macht zwar geltend, ihr Zustand habe sich so verschlechtert, dass bereits die Anreise zum IFU nur unter großen Schwierigkeiten und nur unter Sauerstoffinhalation möglich gewesen sei. Die Behandlung hat aber an diesen akuten Krankheitszustand nicht angeknüpft. Die Auswertung der Rechnungen, die die Klägerin zur Erstattung vorgelegt hat, zeigt, dass der Arzt R. die Behandlung am 04. September 2000 mit der Erhebung einer ausführlichen Anamnese und der Durchführung eines Intracutantests begann. Am 05. September 2000 erfolgten eine Blutentnahme und - wie auch am 06. und 07. September 2000 - intravenöse Infusionen mit einer Dauer von über 30 Minuten. Am 07. und 08. September 2000 wurden auch nochmals Intracutantests durchgeführt. Des Weiteren wurde am 08. September 2001 eine Injektion verabreicht. Schließlich wurde am 08. September 2000 eine Hyposensibilisierung durchgeführt. Ein unverzügliches an den von der Klägerin geschilderten Symptomen orientiertes ärztliches Handeln zur Beseitigung einer gesundheitlichen Notlage im Sinne eines Notfalls vermag der Senat deshalb nicht festzustellen. Der Arzt Runow hat vielmehr auf der Grundlage der von ihm befürworteten Therapie die aus seiner Sicht maßgebenden Schritt zur Einleitung der Therapie ergriffen. Der Beklagten ist deshalb darin zuzustimmen, dass eine Notfallbehandlung im eigentlichen Sinne nicht vorlag und gegebenenfalls eine notärztliche Behandlung in einem zugelassenen Krankenhaus möglich gewesen wäre.

2.2. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass auch die Voraussetzungen des §§ 13 Abs. 3, 2. Alternative SGB V nicht erfüllt sind. Da eine Notfall im Sinne des § 13 Abs. 3, 1. Alternative SGB V nicht vorlag, war die Klägerin gehalten, zunächst eine Entscheidung der Beklagten über die von ihr geplante Behandlung im IFU abzuwarten (z.B. BSG SozR 4-2500 § 13 Nr. 1). Die Klägerin hat sich vor einer Entscheidung der Beklagten dazu entschlossen, die Behandlung im IFU durchzuführen. Sie beantragte zwar mit ihrem Schreiben vom 04. August 2000 die Prüfung, ob Kosten übernommen werden könnten. Der Bescheid, den die Klägerin hätte abwarten müssen, erließ die Beklagte unter dem 08. September 2000. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin jedenfalls den ersten Abschnitt der Behandlung bei dem Arzt R. bzw. im IFU bereits durchgeführt. Die ihr durch diese Behandlung entstandenen Kosten beruhen deshalb nicht auf einem Verhalten der Beklagten, sondern auf ihrer eigenen Entscheidung. Der Kostenerstattungsanspruch scheitert deshalb auch an der fehlenden Kausalität zwischen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten und der Kostenlast, die die Klägerin zu tragen hat.

Hinsichtlich der weiteren Behandlungen, die Oktober und Dezember 2000 erfolgten, lässt der Senat offen, ob es sich insoweit mit den September 2000 durchgeführten Behandlungen um eine einheitliche Behandlung handelt oder ob insoweit das formale Erfordernis der ablehnenden Entscheidung der Beklagten gegeben ist. Denn jedenfalls war die Beklagte nicht verpflichtet, die von dem Arzt R. bzw. dem IFU durchgeführten Behandlungen der Klägerin als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

2.3. Der Anspruch aus § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt daher im Regelfall voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 26. September 2006 - B 1 KR 3/06 R - m.w.N., ständige Rechtsprechung). Der Leistungsanspruch des Versicherten beurteilt sich nach der Rechtslage, die in dem Zeitraum galt, in welchem der Versicherte sich die Leistung selbst beschaffte, hier also nach dem September 2000 geltenden Recht.

Ein Sachleistungsanspruch der Klägerin bestand nicht. Denn weder der Arzt R. noch das IFU waren im Jahre 2000 für die vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, den bei ihr Versicherten privatärztliche Behandlungen oder Behandlungen von nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten und in nicht zugelassenen Krankenhäusern zu ermöglichen. Die Krankenkassen stellen gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Verfügung. Nach Absatz 2 dieser Vorschrift erhalten die Versicherten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht. Zwar stand der Klägerin wegen der bei ihrer vorliegenden Erkrankungen unstreitig ein Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V zu, der auch die ärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln umfasst. Die Versicherten können gemäß § 76 Abs. 1 Satz 1 SGB V unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten wählen. Nach § 76 Abs. 1 Satz 2 SGB V dürfen andere Ärzte nur in Notfällen in Anspruch genommen werden. Dass eine Notfall nicht vorlag, wurde bereits dargelegt. Der Behandlungsanspruch der Klägerin beschränkte sich deshalb auf die in Anspruchnahme von zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Ärzte. Er umfasst nicht die Inanspruchnahme von Ärzten, die auf privatärztlicher Basis tätigt werden.

2.4. Die Beklagte war auch nicht verpflichtet, die von dem Arzt R. bzw. dem IFU gewählte Behandlung als solche der Klägerin zur Verfügung zu stellen. Das SG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem der Vorbehalt einer Prüfung und positiven Bewertung der Behandlungsmethode durch den damaligen Bundesausschuss (jetzt Gemeinsamen Bundesausschuss) entgegensteht. Nach § 135 Abs. 1 Satz1 SGB V (in der im Jahre 2000 geltenden Fassung) dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in der vertragsärztlichen Versorgung zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn der Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V hierzu Empfehlungen abgegeben hat. Nach der eigenen Einschätzung des Arztes R. handelt es sich bei der vom ihm angewandten Untersuchungsmethode und der darauf aufbauenden Behandlungsmethode um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. Er hat hierzu angegeben, die Untersuchungsmethode werde nur von einem amerikanischen Institut durchgeführt. Daraus folgt, dass diese Untersuchungsmethode in der Bundesrepublik Deutschland oder in der Europäischen Union noch keinerlei Verbreitung gefunden hat. Dementsprechend hat er auch angegeben, allein er wende diese Untersuchungsmethode an. Diese kann deshalb erst nach einer positiven Prüfung und einer Empfehlung des Bundesausschusses den Versicherten als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden. Eine solche Prüfung und Empfehlung fehlte jedenfalls im Jahr 2000. Vor einer solchen Prüfung ist es den gesetzlichen Krankenkassen untersagt, diese Untersuchungs- und Behandlungsmethode als Sachleistung zu erbringen.

Dem kann nicht entgegengehalten werden, es habe ein Systemversagen vorgelegen und keine andere Behandlungsmethode habe zur Verfügung gestanden. Es ist nicht erkennbar, dass zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Ärzte sich nicht mit dem MCS beschäftigen. Diese Ärzte sind in der Lage, eine solche Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Dasselbe gilt für Nahrungsmittelunverträglichkeiten und andere Allergien. Eine Systemversagen kann auch nicht darin gesehen werden, dass in den Fachkliniken Wartezeiten von acht Monaten oder drei Jahren einzuhalten gewesen wären. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass derartige Wartezeiten für eine stationäre Behandlung gegolten hätten, die Klägerin aber eine ambulante Behandlung durchführte. Dass sie im IFU übernachtete, macht aus der ambulanten Behandlung noch keine stationäre Behandlung im Sinne des § 39 SGB V. Eine stationäre Behandlung liegt nur vor, wenn eine physische und organisatorische Eingliederung des Patienten in das spezifische Versorgungssystem des Krankenhauses gegeben ist, die sich zeitlich über mindestens einen Tag und eine Nacht erstreckt (BSG SozR 4-2500 § 39 Nrn. 1 und 3).

2.5. Ein Ausnahmefall, der es rechtfertigen würde, andere, nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassene Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen, liegt auch nach den Kriterien, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschluss vom 06. Dezember 2005, 1 BvR 347/98) und das BSG (Urteil vom 04. April 2006, B 1 KR 7/05 R mit weiteren Nachweisen) für die Behandlung schwerwiegender Erkrankungen aufgestellt haben, nicht vor. Eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene, erweiternde Auslegung der Anspruchsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 SGB V und der Begriffe der "Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit" einer Behandlung kann ausnahmsweise dann bejaht werden, wenn - neben weiteren Voraussetzungen - eine lebensbedrohliche Erkrankung, eine regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung oder eine wertungsmäßig damit vergleichbare Erkrankung vorliegt (BSG, a.a.O.) Allen drei Fallkonstellationen ist gemeinsam, dass es sich um eine Erkrankung handeln muss, die mehr als schwerwiegend ist. Vorauszusetzen ist, dass eine notstandsähnliche Situation vorliegt, die ein ärztliches Handeln unter einem gewissen Zeitdruck notwendig macht. Eine solche Situation kann angenommen werden bei einem für die Lebenserhaltung typischen Behandlungsbedarf. Es muss drohen, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit realisieren wird (BSG, a.a.O.). Bei dem MCS handelt es sich zwar um eine Erkrankung, die die Lebensqualität beeinträchtigt, jedoch ist nicht davon auszugehen, dass ein voraussichtlich sich innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums realisierender tödlicher Krankheitsverlauf vorliegt. Damit kommt eine aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotene, erweiternde Auslegungen der Leistungsvorschriften des SGB V im Falle der Klägerin nicht in Betracht.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved