L 20 R 619/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 R 4358/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 R 619/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 27.04.2005 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Rückforderung überzahlter Rente für den Monat Juni 2001.

Der 1939 geborene Kläger hat nach seinen Angaben den Beruf des Einzelhandelskaufmanns erlernt (Prüfung 1959) und war später als Verkäufer, Vertreter und seit 1973 als selbstständiger Kaufmann erwerbstätig. Auf seinen Antrag vom 22.02.1999 bewilligte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 23.04.1999 Altersrente (für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige) ab 01.03.1999 mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.593,03 DM; die Rente wurde mit Bescheid vom 22.09.1999 neu festgestellt, nunmehr mit Rentenbeginn 01.02.1999. Die Stadt W. - Fachbereich Jugend und Familie - stellte am 20.07.2000 Antrag auf Abzweigung und Auszahlung angemessener Beträge aus der Rente wegen Verletzung der Unhaltspflicht des Klägers, betreffend das Kind S. G ... Mit Bescheid vom 14.09.2000 hat die Beklagte diesem Antrag stattgegeben. Die laufende Rentenzahlung wurde mit Ablauf des September 2000 eingestellt, die Rente für Oktober 2000 als Einmalzahlung angewiesen und ab 01.11.2000 die Zahlung einer um 220,00 DM gekürzten Rente verfügt. Mit Schreiben vom 27.10.2000 nahm die Stadt W. den Antrag auf Abzweigung von Rententeilen aufgrund eines zwischenzeitlich beantragten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurück. Nach Vorlage dieses Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses kündigte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 12.12.2000 an, dass ihm ab Dezember 2000 nur der pfandfreie Betrag der Rente zuzüglich des Beitragszuschusses zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von insgesamt 1.588,87 DM angewiesen werden könne; gleichzeitig wurde dem Kläger eine Einmalzahlung in Höhe von 515,53 DM angekündigt, die sich aus den bis dahin einbehaltenen Rentenanteilen für Oktober und November 2000 sowie einem Differenzbetrag für Dezember 2000 zusammensetze. Mit Schreiben vom 05.04.2001 beantragte die Stadt W. bei der Beklagten erneut die Abzweigung und Auszahlung des laufenden Unterhalts für das unterhaltsberechtigte Kind, da der Pfändungsbetrag geringer sei als der abzuzweigende Betrag. Die Beklagte hörte den Kläger mit Schreiben vom 03.05.2001 an und gab dem Antrag der Stadt W. auf Abzweigung nach § 48 SGB I mit Bescheid vom 18.05.2001 statt. Als monatlichen Unterhaltsanspruch des Kindes errechnete sie für die Zeit bis 30.06.2001 einen Betrag von 155,52 DM und für die Zeit ab 01.07.2001 einen Betrag von 169,30 DM. Die bisherige Rentenzahlung werde mit Ablauf des Monats Mai 2001 eingestellt, ab 01.06.2001 werde die um den Unterhaltsanspruch für S. gekürzte Rente gezahlt. Nach dem Inhalt der Beklagtenakte und den vom Kläger vorgelegten Kontoauszügen ist diesem am 30.05.2001 ein Betrag in Höhe von 1.588,87 DM gutgeschrieben worden (Rentenservice L. 06.2001) und am 08.06.2001 eine Einmalzahlung in Höhe von 1.577,82 DM (RS K.). Eine Rückbuchung der Rentenzahlung vom 30.05.2001 (1.588,87 DM) war lt. Auskunft der Deutschen Post - Rentenservice - unter Hinweis auf eine weitere Auskunft der Raiffeisenbank E. nicht möglich. Die Beklagte teilte dem Kläger am 21.06.2001 mit, dass sie beabsichtige, den Betrag von 1.588,87 DM gemäß § 50 Abs 2 SGB X zurückzufordern. Der Kläger hat sich zur Anhörung trotz Fristverlängerung sachlich nicht geäußert. Mit Bescheid vom 10.08.2001 forderte die Beklagte die für die Zeit vom 01.06.2001 bis 30.06.2001 entstandene Überzahlung der Rente in Höhe von 1.588,87 DM gemäß § 50 SGB X zurück, da der bis dahin gezahlte volle Rentenbetrag zu Unrecht für die vorgenannte Zeit ohne Rechtsgrund weitergezahlt worden sei. Der Kläger könne sich nicht auf Vertrauensschutz gemäß § 50 Abs 2 Satz 1 SGB X iVm § 45 SGB X berufen, da er die Rechtswidrigkeit der Doppelzahlung kannte oder ohne größere Überlegungen hätte erkennen können. Eine Ermessensentscheidung zugunsten des Klägers habe nicht getroffen werden können. Infolge der "Bösgläubigkeit" des Klägers sei das Ermessen der Beklagten "auf Null" reduziert, sodass für weitere Ermessenserwägungen kein Raum gegeben sei (BSG Urteil vom 25.01.1994 - 4 RA 16/92 -). Dagegen erhob der Kläger am 04.09.2001 Widerspruch. Für ihn sei der Zahlungseingang in Höhe von 1.588,87 DM sein monatlicher Rentenbetrag, wie bis dahin gezahlt, gewesen. Die Einmalzahlung von 1.577,82 DM habe er nicht nachvollziehen können, sei aber davon ausgegangen, dass es sich um die bis dahin aufgelaufenen Abzüge seit Oktober 2000 handele. Er habe das bei ihm eingegangene Geld in der Annahme ausgegeben, dass es ihm zustehe. Bei seiner spärlich bemessenen Rente sei er für jede Mark dankbar, die er zusätzlich bekomme. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 02.11.2001 zurück. Nach § 50 Abs 2 SGB X seien Leistungen auch dann zu erstatten, wenn sie zwar im sozialversicherungsrechtlichen Verhältnis erbracht worden seien, dieser Leistung aber ein Verwaltungsakt nicht zugrunde gelegen habe. Dass sei hier der Fall gewesen, da dem Kläger mit Bescheid vom 18.05.2001 mitgeteilt worden sei, dass die Rentenzahlung mit Ablauf des Monats Mai 2001 eingestellt werde und ihm ab 01.06.2001 nur noch die um den Unterhaltsanspruch für S. gekürzte Rente zustehe. Damit sei die Fehlerhaftigkeit der Doppelzahlung und damit die Unrechtmäßigkeit der Leistung für ihn voll erkennbar gewesen. Dem Kläger könnten auch keine billigenswerten Interessen zuerkannt werden, das schuldhaft zu Unrecht Erlangte ganz oder teilweise zu behalten.

Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 11.12.2001 Klage beim Sozialgericht Würzburg erhoben und im Wesentlichen verlangt, den überzahlten Rentenbetrag von 1.588,87 DM nicht zurückerstatten zu müssen. Ihm sei mit Schreiben vom 12.12.2000 eine Einmalzahlung angekündigt worden. Es sei für ihn nicht erkennbar gewesen, dass es sich vorliegend um eine Rentenzahlung gehandelt habe, zumal der Betrag nicht identisch gewesen sei. Den überwiesenen Betrag habe er bereits verbraucht. Die Beklagte übersandte dem Gericht einen Bescheid vom 06.01.2004, gerichtet an den Kläger. Eine Überprüfung der abgezweigten Beträge zugunsten des Jugendamtes habe ergeben, dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Für die Zeit vom 01.06.2001 bis 31.01.2004 seien an den Kläger insgesamt 941,61 EUR zu wenig ausgezahlt worden. Im Hinblick auf das anhängige Sozialgerichtsverfahren habe die Beklagte veranlasst, dass ein Betrag von 812,38 EUR - entsprechend der Höhe der streitigen Überzahlung - einbehalten werde.

Mit Urteil vom 27.04.2005 hat das SG die Klage gegen den Bescheid vom 10.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2001 abgewiesen. Die Klage sei als zulässig anzusehen, erweise sich jedoch als unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten sei im Ergebnis nicht zu beanstanden. Gemäß § 50 Abs 2 SGB X seien Leistungen zu erstatten, soweit sie ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, wobei die §§ 45 und 48 SGB X entsprechend anzuwenden seien. Im vorliegenden Fall habe der Kläger keinen Anspruch auf die Rentenzahlung in Höhe von 1.588,87 DM für Juni 2001 gehabt, da mit Bescheid vom 18.05.2001 die Zahlung einer geringeren, um den Unterhaltsanspruch für S. gekürzten Rente ab 01.06.2001 verfügt worden sei und die Zahlung der Rente in bisheriger Höhe mit Ablauf des Monats Mai eingestellt werden sollte. Somit habe der Rentenzahlung in Höhe des vorstehenden Betrags für Juni 2001 kein entsprechender Verwaltungsakt mehr zugrunde gelegen. Die Verpflichtung zur Erstattung der Rentenzahlung für Juni 2001 als eine in der Vergangenheit erbrachte Leistung sei auch nicht gemäß § 50 Abs 2 Satz 2 iVm § 45 Abs 4 SGB X ausgeschlossen, da der Kläger beim Bezug der Leistung zumindest grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit bzw vom fehlenden Rechtsgrund der Leistung gehabt habe. Der Kläger hätte nach Überzeugung der Kammer aufgrund einfachster und ganz naheliegender Überlegungen erkennen können, dass die Rentenzahlung in Höhe von 1.588,87 DM für Juni 2001 versehentlich auf sein Konto überwiesen worden sei. Bereits mit Anhörungsschreiben vom 03.05.2001 habe die Beklagte dem Kläger die Grundlagen für die künftige Rentenzahlung mitgeteilt. Mit Bescheid vom 18.05.2001 habe sie ausdrücklich erklärt, dass die bis dahin geleistete Rente mit Ablauf des Monats Mai 2001 eingestellt werde und dass ab 01.06.2001 eine um den Unterhaltsanspruch gekürzte Rente gezahlt werde. Trotzdem ist am 30.05.2001 eine Rentenzahlung wie bis dahin - nämlich in Höhe von 1.588,87 DM - für Juni 2001 beim Kläger eingegangen. Damit sei für ihn klar erkennbar gewesen, dass entgegen dem Bescheid vom 18.05.2001 eine Leistung gezahlt worden sei, die nicht mehr hätte gezahlt werden sollen und auf die kein Anspruch mehr bestanden habe; dies gelte um so mehr als am 08.06.2001 eine weitere Zahlung des Rentenservice in Höhe von 1.577,82 DM auf dem Konto des Klägers gutgeschrieben worden sei. Das Gericht habe keine Zweifel daran, dass der Kläger in der Lage gewesen sei, die Fehlerhaftigkeit der Überweisung zu erkennen. Zum einen sei dieser jahrelang selbstständig tätig gewesen, was gewisse Grundkenntnisse und Erfahrungen im kaufmännischen Bereich sowie im Umgang mit Abrechnungen und im Schriftverkehr voraussetze. Zum anderen habe sich der Kläger im Rahmen des Rentenverfahrens bereits wiederholt gegen die erlassenen Bescheide der Beklagten gewendet, wobei er ganz konkret Kritikpunkte vorgetragen habe, z.B. zur Frage des Rentenbeginns oder zum Beitragszuschuss zur freiwilligen Krankenversicherung. Es sei daher davon auszugehen, dass dem Kläger der Umgang mit Schriftstücken - auch behördlichen Schreiben - ausreichend vertraut gewesen sei und er deshalb ohne Weiteres in der Lage gewesen sei, die Fehlerhaftigkeit der Überweisung vom 30.05.2001 zu erkennen. Der Kläger sei insgesamt nach Überzeugung des Gerichts als bösgläubig iS von § 45 Abs 2 Satz 3 Nr 3 SGB X anzusehen und könne sich gegenüber der Beklagten nicht auf schutzwürdiges Vertrauen berufen. Der Rückforderungsbescheid vom 10.08.2001 sei schließlich auch nicht wegen fehlerhafter Ermessensausübung als rechtswidrig anzusehen. Aus dem Gesamtzusammenhang der Bescheide ergebe sich, dass die Beklagte eine zutreffende Ermessensausübung vorgenommen habe, wobei sie bereits im Bescheid vom 10.08.2001 von einer Ermessensreduzierung auf Null ausgegangen sei. Die Beklagte habe folglich ihr Ermessen mit dem Ergebnis betätigt, dass ausschließlich eine Rücknahme der (fiktiven) Bewilligung in Betracht komme. Schließlich hätten sich auch keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Rückforderung für den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht nicht zumutbar sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 26.08.2005 beim Sozialgericht Würzburg eingegangene Berufung des Klägers. Eine angekündigte Berufungsbegründung hat der Kläger trotz Fristsetzung nicht vorgelegt.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Würzburg vom 27.04.2005 und den Bescheid der Beklagten vom 10.08.2001 idF des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakte der Beklagten und die Prozessakte des SG Nürnberg vorgelegen. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG) und auch im Übrigen zulässig; der Beschwerdewert iS des § 144 SGG liegt über 500,00 EUR.

Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet. Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 10.08.2001 idF des Widerspruchsbescheides vom 02.11.2001 rechtmäßig ist; dies bedeutet, dass der Kläger von der Beklagten nicht verlangen kann, dass diese von der ausgesprochenen Rückforderung absieht. Zur Anwendung der hier einschlägigen Vorschriften der §§ 50 und 45 SGB X hat das SG zutreffende Ausführungen gemacht. Auch den Überlegungen des SG zum fehlenden Vertrauensschutz des Klägers (im Hinblick auf ein Behaltendürfen der überzahlten Rente) stimmt der Senat in vollem Umfang zu; es erscheint auch für den Senat naheliegend und überzeugend, dass der Kläger ohne Schwierigkeiten und ohne komplizierte Erwägungen die Rechtswidrigkeit der Doppelleistung hätte erkennen können und erkennen müssen. Wenn der Kläger - wie er ausgeführt hat - die Einmalzahlung vom 08.06.2001 (1.577,82 DM) nicht nachvollziehen konnte, hätte es nahe gelegen, diesbezüglich bei der Beklagten nachzufragen; auch hierauf hat das SG in seinem Urteil bereits zutreffend hingewiesen. Der Kläger selbst hat in der Berufung keine Gründe oder Argumente vorgebracht, die die angefochtene Entscheidung des SG infrage stellen könnten. Der Senat weist die Berufung aus den Gründen dieser Entscheidung zurück und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, § 153 Abs 2 SGG.

Da die Berufung des Klägers zurückzuweisen war, sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten, § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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