L 2 U 24/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 45/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 24/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2003 insoweit abgeändert, als ein fluktuierender Tinnitus und eine Gleichgewichtsstörung im Sinne eines taumeligen Gefühls als weitere Folgen des Unfalls vom 22. Januar 1998 anzuerkennen sind und der Klägerin ab 6. April 1998 bis 31. März 1999 Rente nach einer MdE um 20 v.H. zusteht.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Die Beklagte trägt 1/10 der außergerichtliche Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Verletztenrente über den 28. Februar 1998 hinaus.

Die 1955 geborene Klägerin erlitt am 22. Januar 1998 auf der Heimfahrt von der Arbeitsstätte einen Verkehrsunfall, als ein anderes Fahrzeug seitlich in ihren Wagen fuhr. Mit der linken Schädelhälfte prallte sie gegen das Seitenfenster. Sie begab sich zunächst nach Hause, suchte jedoch noch am selben Tag wegen zunehmender Beschwerden einen Arzt auf. Laut dem Durchgangsarztbericht der Dres. G./M. vom 22. Januar 1998 erlitt sie eine Halswirbelsäulen-(HWS-) Distorsion. Röntgenaufnahmen des Schädels und der HWS ergaben keine knöcherne Verletzung. In dem Bericht des Neurologen Dr. E. vom 16. Februar 1998 wird eine noch bestehende leichte Benommenheit im Kopf sowie eine Missempfindung in den Extremitäten festgehalten. Nach eigenen Angaben habe die Klägerin etwa eine halbe Stunde nach dem Unfall massiv Kopfschmerzen bekommen. Er diagnostizierte eine cervikocephales Syndrom leichten Ausmaßes bei Zustand nach HWS-Beschleunigungstrauma.

Ein Magnetresonanztomogramm (MRT) des Schädels und der HWS vom 17. Februar 1998 ergab keinen Hinweis auf eine posttraumatische Hirnschädigung. An der HWS zeigte sich noch eine Streckfehlhaltung und eine Bandscheibenprotrusion C5/C6. Dabei handele es sich aber nicht um einen posttraumatischen Bandscheibenvorfall.

Prof. Dr. W. (Neurolog. Klinik im BKH G.) ging in seinem Bericht vom 19. März 1998 von einer erheblichen Schädelprellung und einer komplexen HWS-Distorsion aus. Die geklagten Sensibilitätsstörungen in beiden Händen und vorübergehend auch in beiden Beinen sprächen für eine Mitbeteiligung des Rückenmarks im Sinne einer Commotio spinalis. Es sei nicht von einer strukturellen Läsion am peripheren bzw. zentralen Nervensystem auszugehen. Er diagnostizierte ferner funktionelle Beschwerden in Form einer Visusstörung und Gangunsicherheit. Am 27. Mai 1998 berichtete Prof. Dr. W. , das Cervikalsyndrom sei mittlerweile rückläufig.

Ein MRT vom 14. Mai 1998 ergab eine Steilstellung der HWS, eine geringe dorsomediane Diskusvorwölbung in Höhe C 5/6 sowie eine diskrete Protrusio im Segment C 6/7, jeweils ohne wirksame Beengung des Spinalkanals, eine fragliche Wurzelläsion in Höhe C 7/TH 1 links, reguläre Darstellung der knöchernen, discogenen und ZNS-Strukturen, keine intraspinale Einblutung und keinen Anhalt für eine Spinalkanalenge.

Die Beklagte holte ein unfallchirurgisches Gutachten nach Aktenlage durch Dr. G. vom 26. September 1998 ein. Bei der Klägerin hätten bereits zum Unfallzeitpunkt an der HWS leichte degenerative Veränderungen an den Bandscheiben der beiden untersten Segmente mit dadurch bedingter Bandscheibenprotrusion bestanden. Der Verkehrsunfall habe lediglich zu einer leichten Zerrung der HWS durch eine Querkollision ohne begleitende Verletzungen geführt. Unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit habe bis 28. Februar 1998 bestanden. Darüber hinaus bestünden keine bedeutsamen Unfallfolgen mehr. Das anhaltende Beschwerdebild sei nicht mehr Unfallfolge, sondern zum einen auf degenerative Vorschäden, zum anderen auf eine psychosomatische Komponente zurückzuführen.

Mit Bescheid vom 12. November 1998 erkannte die Beklagte das Vorliegen eines Arbeitsunfalls an, lehnte jedoch einen Anspruch auf Rente ab. Die über den 28. Februar 1998 hinaus bestehenden Beschwerden im Bereich der HWS seien nicht auf den Versicherungsfall zurückzuführen. Den Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13. Januar 1999 zurück. Bis 5. April 1998 bezog die Klägerin Verletztengeld.

Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Augsburg. Sie verspüre noch ein Knacken im HWS-Bereich bei bestimmten Bewegungen der HWS. Außerdem bestehe ein Drang zum Wasserlassen, wenn sie schwere Gegenstände trage. Schließlich schiele sie seit dem Unfall auf dem rechten Auge, da sie bei dem Unfall eine Prellung des Sehnervens erlitten habe. Das Sozialgericht holte Befundberichte und Röntgenaufnahmen ein, u.a. der Augenärztin Dr. S ... Diese berichtete, dass sie bei der Klägerin als Folge des Unfalls von 1998 keine ophthalmologischen Schäden habe feststellen könne. Der vom Sozialgericht beauftragte Orthopäde Dr. P. stellte in seinem Gutachten vom 6. August 1999 fest, dass die Klägerin eine leichte HWS-Distorsion erlitten habe. Im Verlauf hätten sich mannigfaltige subjektive Beschwerden eingestellt, ohne dass die klinischen, neurophysiologischen und radiologischen Untersuchungen je ein Korrelat für eine substantielle Schädigung der HWS ergeben hätten. Es müsse von einer leichten Beschleunigungsverletzung der HWS (Grad I und II in der Einteilung nach Erdmann 1973) ausgegangen werden. Zwei kernspintomographische Untersuchungen hätten bewiesen, dass es sich um keine mittelgradige Beschleunigungsverletzung mit Rissen des Bewegungsapparates gehandelt habe. An objektiven Gesundheitsstörungen fände sich eine endgradige schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der HWS. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) habe für die ersten zwei bis drei Monate 20 v.H., anschließend für ca. ein weiteres Jahr bzw. bis März 1999 10 v.H. betragen.

Gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) holte das Sozialgericht ein Gutachten des Orthopäden Prof. Dr. W. vom 17. Mai 2000 ein. Unstreitig sei es zu einer HWS-Distorsion gekommen. Nach Beginn der 27. Woche nach dem Unfall sei auf Grund des jetzigen Kenntnisstandes eine Unfallfolge nicht mehr anzunehmen. Die MdE betrage für den vierten, fünften und sechsten Monat 20 v.H., danach unter 20 v.H ... Ergänzend stellte der Gutachter fest, dass eine Verletzung im Bereich der Kopfgelenke als Unfallfolge nicht festzustellen sei. Zwar sei durch den Unfall eine HWS-Distorsion durch Abknickverletzung bei Kopfanprall eingetreten. Ein bleibender substantieller Schaden sei nicht nachzuweisen.

Auf einen weiteren klägerischen Antrag nach § 109 SGG holte das Sozialgericht ferner ein neurootologisches Gutachten des HNO-Arztes Dr. S. ein. In dem Gutachten vom 14. Juli 2003 stellte dieser fest, die geklagten Schwindelbeschwerden seien glaubhaft und objektiv gesichert. Er diagnostizierte eine messbare, kombinierte periphere und zentrale Gleichgewichtsfunktionsstörung. Das noch über fünf Jahren nach dem Unfall nachweisbare schwere äquilibriometrische Störungsmuster vom Typ einer kombinierten peripheren und zentralen Schädigung des Gleichgewichtsfunktionssystems weise darauf hin, dass bei der Klägerin im Zusammenhang mit dem HWS-Trauma eine cervico-encephale Schädigung eingetreten sei. Durch den Unfall sei es nicht nur zu einem HWS-Trauma, sondern auch zu einem degenerativen Prozess zahlreicher im Kopfsinnessystem und im Gehirn gelegener Strukturen gekommen. Aufgrund der Gleichgewichtsfunktionsbefunde werde der "Grad der Behinderung" mit 40 v.H. bewertet. Dabei werde den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz gefolgt. Zusätzlich werde unter Berücksichtigung des subjektiven Dyskomforts durch häufige Kopfschmerzen, Leistungsabfall, Erschöpfungszustände, allgemeiner Abgespanntheit und Antriebslosigkeit sowie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Wortfindungsstörungen und massive Störungen der Merkfähigkeit die prozentuale MdE mit 10 v.H bewertet. Die MdE betrage insgesamt 40 v.H.

Mit Urteil vom 16. Dezember 2003 wies das Sozialgericht die Klage ab. Es folgte dabei weitgehend dem gerichtlichen Sachverständigen Dr. P ... Es sei rechtlich nicht zu beanstanden, wenn dieser das Vorliegen einer HWS-Distorsion im Schweregrad I bis II annimmt. Zutreffend sei auch die Verneinung einer MdE für die Zeit ab Beginn der 27. Woche und entspreche der Rentenliteratur. Die Klägerin habe auch durch den Unfall keine Prellung des Sehnervens erlitten. Die behandelnde Augenärztin habe bereits im Juli 1999 dem Sozialgericht mitgeteilt, dass als Folge des Unfalls ophthalmologische Schäden nicht festzustellen waren. Hinsichtlich der nach dem Unfall angegebenen urologischen Beschwerden habe bereits im Juli 1998 der behandelnde Urologe die Diagnose einer beginnenden Senkungsproblematik gestellt. Dem Gutachten des Dr. S. sei bereits deshalb nicht zu folgen, da er bei der Bewertung der MdE die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" zugrunde gelegt habe. Darüber hinaus seien weder bei der Untersuchung im BKH G. noch bei einem MRT im Februar 1998 relevante neurologische Traumafolgen darstellbar gewesen.

Dagegen legte die Klägerin Berufung ein und beantragte mit Schriftsatz vom 11. November 2004, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2003 und unter Abänderung des Bescheides vom 12. November 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Januar 1999 zu verurteilen, ihr Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Verletztenrente nach einer MdE um 40 v.H. zu gewähren. Zur Begründung brachte sie vor, häufige, vom Nacken ausgehende Kopfschmerzen, eine eingeschränkte Kopfbeweglichkeit nach links, eine Konzentrationsstörung, Drehschwindelbeschwerden mit verbundenem Unsicherheitsgefühl, Sehstörungen, qualitatives und quantitatives Richtungsüberwiegen der nach links gerichteten Nystagmen, ein Zerivalnystagmus I. Grades und eine Störung der Gleichgewichtsfunktion seien auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE betrage nach dem Gutachten des Dr. S. 40 v.H. Ferner wird auf ein HNO-ärztliches Gutachten der Dr. F. (HNO-Klinik des Universitätsklinikums U.) vom 14. September 2004, eingeholt in einem Verfahren des Landgerichts M. , verwiesen, wonach die Gleichgewichtsfunktion der Klägerin unfallbedingt gestört sei. Die MdE auf neurootologischem Fachgebiet sowie die Gesamt-MdE betrage 40 v.H.

Das Gericht holte ein HNO-ärztliches Gutachten der Prof. Dr. S. vom 12. März 2006 ein. Bei der Untersuchung seien ein Tinnitus links und eine isolierte Innenohrschwerhörigkeit bei 2.000 Hz beidseits, eine knapp geringgradige Untererregbarkeit des rechten Labyrinthes, die nicht kompensiert sei, sowie ein Hinweis auf eine zentrale Gleichgewichtsstörung in Form einer eingeschränkten Optokinetik festgestellt worden. Durch den Unfall sei es zu einer HWS-Distorsion gekommen. Der Tinnitus sei charakteristisch nach einem Intervall aufgetreten. Er liege im Mittelton-Frequenzbereich, wie man es häufig bei einem HWS-Schleudertrauma finde, und habe zunächst gewechselt. Charakteristisch sei auch der Schwindel. Die jetzt nachgewiesenen Beschwerden könnten jedoch nicht in vollem Umfang auf den Unfall zurückgeführt werden, da zum einen nur eine leichte Beschleunigungsverletzung der HWS Grad I bis II nach Erdmann stattgefunden habe. Es bestehe zum anderen kein Zweifel, dass ein Vorschaden in Form einer Degeneration der untersten Segmente der HWS vorlag. Die Befunde hätten sich allerdings verschlechtert. Der nun ständig bestehende Tinnitus links und der Drehschwindel nach links könnten nur als unfallbedingt anerkannt werden, wenn in einem orthopädischen Gutachten nachgewiesen werde, dass die Progredienz der Beschwerden durch eine unfallbedingte Zunahme der HWS-Schädigung verursacht wurde. Insoweit sei jedoch auf die Gutachten des Dr. P. und des Dr. G. zu verweisen. Der nach dem Unfall aufgetretene fluktuierende Tinnitus und das taumelige Gefühl seien allerdings im Sinne einer abgrenzbaren Verschlimmerung anzusehen. Die MdE für den Tinnitus betrage unter 10 v.H., da er nur als störend wahrgenommen wird, wenn die Klägerin auf dem linken Ohr liegt. Hinsichtlich der Taumeligkeit liege eine abgrenzbare Verschlimmerung vor, die eine MdE von 10 v.H. rechtfertige.

Die Klägerin wandte ein, es habe sich bei dem Unfall um einen Seitenaufprall auf der Fahrerseite gehandelt, so dass eine Einteilung der HWS-Beschleunigungstraumata nach Erdmann nicht greife. Die bei ihr vorhandene kombinierte periphere und zentrale Gleichgewichtsstörung sei in vollem Umfang auf das Unfallereignis zurückzuführen. Die MdE betrage 40 v.H. Auf eine Stellungnahme der PD Dr. S. vom 27. Juli 2006 wird verwiesen.

Der Rechtsstreit wurde im Termin vom 6. September 2006 vertagt und eine ergänzende Stellungnahme der Prof. Dr. S. eingeholt. Durch ein Unfallereignis könne es sowohl zu einer zentralen als auch einer peripheren Gleichgewichtsstörung kommen. Vorliegend sei es aufgrund der Angaben der Klägerin und den nach dem Unfall erhobenen Untersuchungsbefunden überwiegend wahrscheinlich, dass unfallbedingt ein taumeliges Gefühl entstand. Es habe allerdings ein Vorschaden der HWS vorgelegen. Es sei offenbar längere Zeit nach dem Unfall zu einer Verschlechterung des Tinnitus gekommen. Dieser, der zunächst gewechselt habe, sei jetzt permanent vorhanden; auch die Gleichgewichtsstörung habe offensichtlich zugenommen. Eine Progredienz von Schwerhörigkeit, Tinnitus und Gleichgewichtsstörung lange Zeit nach dem Unfall sei grundsätzlich nur dann möglich, wenn auch der HWS-Schaden unfallbedingt progredient ist. Nach den orthopädischen Gutachten sei eine anhaltende Zunahme des HWS-Leidens durch den Unfall unwahrscheinlich. Somit könne auch die Progredienz von Tinnitus und Schwindel nicht auf den Unfall zurückgeführt werden. Unfallbedingt seien lediglich ein fluktuierender Tinnitus und eine Gleichgewichtsstörung. Die MdE betrage für den Tinnitus unter 10 v.H., für die Gleichgewichtsstörung (Taumeligkeit) 10 v.H. Eine MdE um 30 bis 40 v.H., wie von Dr. S. vorgenommen, sei nicht nachvollziehbar. Die Gutachterin besitze im Übrigen besonderes Fachwissen auf dem Fachgebiet der Neurootologie.

Prof. Dr. S. bestätigt auf Nachfrage telefonisch am 6. Februar 2007, dass die Einzel-MdE auf orthopädischem und ihrem Fachgebiet zu einer Gesamt-MdE zu addieren seien.

Mit Schriftsatz vom 13. Februar 2007 stellte die Klägerin die Beweisanträge, Frau Prof. Dr. S. zur Höhe der Gesamt-MdE zu vernehmen, Prof. Dr. S. mit der Erstellung eines Ergänzungsgutachtens auf neurologisch-neurootologischem Gebiet zu beauftragen und ein Gutachten auf orthopädischem Gebiet zu der Frage der MdE und der Gesamt-MdE einzuholen; hilfsweise beantragte sie die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch die HNO-Ärztin Dr. F. auf neurootologischem Gebiet und durch den Chirurgen Dr. A. auf orthopädischem Fachgebiet. Ferner übergab sie ein chirurgisches Gutachten des Dr. A. vom 4. Dezember 2002, das im Auftrag des Landgerichts M. gefertigt wurde.

Die Klägerin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 11. November 2004 mit der Maßgabe,

dass hilfsweise eine MdE von 20 v.H. begehrt wird und wiederholt im Übrigen die Beweisanträge aus dem Schriftsatz vom 13. Februar 2007.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 16. Dezember 2003 zurückzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Inhalt der Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 SGG) und teilweise begründet. Ein fluktuierender Tinnitus und eine Gleichgewichtsstörung im Sinne eines taumeligen Gefühls sind als weitere Folgen des Unfalls vom 22. Januar 1998 anzuerkennen, so dass der Klägerin für die Zeit vom 6. April 1998 bis 31. März 1999 eine Rente nach einer MdE um 20 v.H. zusteht. Im Übrigen ist die Berufung unbegründet.

Nicht streitig ist das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1 SGB VII, der in dem Ereignis vom 22. Januar 1998 zu sehen ist. Zu entscheiden ist jedoch über die Frage, ob sich hieraus ein Anspruch auf eine Rente nach einer MdE um 40 v.H. bzw. mindestens um 20 v.H. ergibt.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente, § 56 Abs. 1 S. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens, § 56 Abs. 2 S. 2 SGB VII. Es ist auf den Maßstab der individuellen Erwerbsfähigkeit des Verletzten vor Eintritt des Versicherungsfalls abzustellen (BSGE 21, 63, 66; v. 26. November 1987, SozR 2200 § 581 Nr. 27; v. 30. Mai 1988, a.a.O., Nr. 28).

Dabei muss die Gesundheitsbeeinträchtigung in einem notwendigen ursächlichen Zusammenhang mit der schädigenden Einwirkung stehen. Die Beurteilung, ob und in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Dabei ist allerdings die Beurteilung der Kausalität im Ergebnis eine Frage der richterlichen Würdigung. Verursacht sind die Gesundheitsstörungen, wenn der Unfall gegenüber sonstigen schädigungsfremden Faktoren wie z.B. Vorerkrankungen nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung von überragender Bedeutung für die Entstehung der Gesundheitsstörung war oder zumindest von annähernd gleichwertiger Bedeutung (wesentliche Mitursache). Eine wesentliche Mitursache liegt dann nicht vor, wenn beim Versicherten eine Anlage so stark und leicht ansprechbar war, dass es zur Auslösung akuter Erscheinungen keiner besonderen, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern jedes andere alltäglich vorkommende ähnlich gelagerte Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinungen ausgelöst hätte. Die für die Bejahung des Zusammenhangs der Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall notwendige Wahrscheinlichkeit liegt vor, wenn nach der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung zu Ätiologie und Pathogenese den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt.

Auch bei einer Seitenkollision kommt es durch die Relativbewegungen zwischen Kopf und Rumpf zu Belastungen der HWS (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Aufl., S. 554). Entgegen der klägerischen Auffassung findet die Klassifizierung nach Erdmann auch bei einem HWS-Beschleunigungstrauma bei Seitenaufprall Anwendung, da auch hier vergleichbare Beschleunigungskräfte einwirken (siehe z.B. Deutsche Gesellschaft für Neurologie, Beschleunigungstrauma der Halswirbelsäule - www.dgn.org). Der medizinische Sachverständige Dr. P. führte überzeugend aus, dass die Klägerin durch den Unfall eine Beschleunigungsverletzung der HWS (Grad I und II in der Einteilung nach Erdmann 1973) erlitten hat. Der Schweregrad I zeichnet sich dadurch aus, dass die Bänder und Teile des Kapselbandapparats lediglich gezerrt oder gedehnt sind, jedoch ihren mechanischen Zusammenhalt im Wesentlichen behalten haben. Im Rahmen des Schweregrades II findet sich als Beschwerdebild u.a. Gelenkkapseleinrisse, Gefäßverletzungen und eine Steilstellung der HWS. Bei Vorliegen des Schweregrades III sind hingegen die Bänder vollkommen durchgerissen und die Gelenkkapsel gesprengt; der mechanische Zusammenhalt des passiven Halteapparates ist vollständig liquidiert (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 554 und 556). Aufgrund der in der Röntgenaufnahme vom Unfalltag und im MRT vom 14. Mai 1998 dokumentierten Steilstellung der HWS kann zugunsten der Klägerin das Vorliegen einer leichten bis mittelschweren HWS-Distorsion Grad I bis II angenommen werden. Dies rechtfertigt sich auch aus dem Gesamtbild der Beschwerden nach dem Unfall. Der Unfall ereignete sich um 17.55 Uhr. Die Klägerin fuhr danach zunächst nach Hause. Da Kopfschmerzen auftraten, suchte sie den Durchgangsarzt um 19.50 Uhr auf. Gegenüber Dr. E. gab sie an, etwa eine halbe Stunde nach dem Unfallereignis starke Kopfschmerzen bekommen zu haben. Es ist deshalb von einem symptomfreien Intervall von unter einer Stunde auszugehen; dies deutet auf einen Schweregrad der HWS-Distorsion nach Grad II hin. Sie klagte ferner über bewegungsabhängige Schmerzen im Nackenbereich. Allerdings ergaben die kernspintomographische Untersuchungen keine Anzeichen für Risse des Bewegungsapparates etc. und insgesamt keine Anzeichen einer mittelgradigen Beschleunigungsverletzung wie einem Gelenkkapseleinriss.

Prof. Dr. W. geht in der ergänzenden Stellungnahme ebenfalls davon aus, dass durch den Unfall eine HWS-Distorsion durch Abknickverletzung bei Kopfanprall eingetreten ist. Hierbei ist es zu einer vorübergehenden Gewebsschädigung im Bereich der HWS gekommen. Ein bleibender substantieller Schaden konnte jedoch auch nach erneutem MRT der HWS mit spezieller Untersuchung der Kopfgelenke nicht nachgewiesen werden. Eine diskrete Fehlstellung des 2. HWS-Körpers ist mit hoher Wahrscheinlichkeit anlagebedingt.

Dem für das Landgericht M. erstellten Gutachten des Chirurgen Dr. A liegen nicht die für die gesetzliche Unfallversicherung geltenden Grundsätze und Bewertungsmaßstäbe zugrunde, so dass insbesondere dessen MdE-Bewertung nicht herangezogen werden kann.

Die Gutachterin Prof. Dr. S. sieht als weitere Unfallfolgen einen fluktuierenden Tinnitus links und eine Taumeligkeit an. Für das Vorliegen eines stumpfen Schädeltrauma (contusio labyrinthi) fehlten die typischen Befunde wie eine einseitige Innenohrschädigung im Frequenzbereich zwischen 4.000 und 6.000 Hz sowie eine Untererregbarkeit des betroffenen Labyrinthes. Der Tinnitus steht allerdings im Zusammenhang mit dem HWS-Schleudertrauma, bei dem es häufig zu einem Tinnitus und vor allem zu Gleichgewichtsstörungen kommen kann. Der Tinnitus war zunächst - bis zum Jahr 2003 - nur fluktuierend. Zwar trat eine Verschlimmerung des Tinnitus ein, der jetzt permanent vorhanden ist. Da es jedoch nicht zu einer unfallbedingten Verschlimmerung der HWS-Schädigung gekommen ist, scheidet auch ein unfallbedingter Zusammenhang der Tinnitusverschlimmerung aus. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass der ständig bestehende Tinnitus links einem Vorschaden in Form degenerativer Veränderungen der HWS im Bereich der beiden untersten Segmente mit dadurch bedingter Bandscheibenprotrusion zuzuschreiben ist. Unter Berücksichtigung dieses Vorschadens beträgt die MdE für den Tinnitus, der insgesamt als nicht besonders störend beschrieben wird, nach Einschätzung der Sachverständigen unter 10 v.H.

Hinsichtlich eines Drehschwindels nach links bei bestimmten Kopf- und Körperbewegungen ist zu unterscheiden: Zwar bestätigte die Sachverständige das Vorliegen einer peripheren und zentralen Gleichgewichtsstörung, wie sie auch in dem Gutachten des Dr. S. sowie in dem Gutachten der Dr. F. für das Landgericht M. diskutiert wurden. Sie widerlegt jedoch die Annahme einer kombinierten peripheren und zentralen Gleichgewichtsfunktionsstörung als Unfallfolge. Eine zentrale Gleichgewichtsstörung kann als Unfallfolge ausgeschlossen werden, da keine Bewusstlosigkeit eingetreten war bzw. dokumentiert ist. Eine periphere Untererregbarkeit rechts ist erst über fünf Jahre nach dem Unfall aufgetreten. Sie wurde erstmals im Gutachten des Dr. S. vom 14. Juli 2003 erörtert. Deren Kompensation wird beeinflusst durch die zentrale Gleichgewichtsstörung. Ferner ergaben sich aus den Erstbefunden weder am zentralen noch am peripheren Nervensystem strukturelle Läsionen. Prof. Dr. W. machte im Bericht vom 19. März 1998 deutlich, dass der Neurostatus und alle elektrophysiologischen Zusatzuntersuchungen normal verlaufen sind. Auch in der Kernspintomographie von Schädel und HWS fand sich kein Nachweis relevanter Traumafolgen.

Allerdings ist eine Gleichgewichtsstörung im Sinne eines "taumeliges Gefühl" bereits frühzeitig dokumentiert. Die Klägerin berichtete z.B. gegenüber Prof. Dr. W. im März 1998, sie sei unsicher beim Gehen. Schwindelbeschwerden wie das beschriebene Unsicherheitsgefühl stellen häufig Beschwerden im Rahmen einer HWS-Distorsion dar (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 558 mit Hinweis auf Hülse, in: MedSach 97 (2001), 81, 84). Die Gutachterin führt jedoch aus, dieses "taumelige Gefühl" hätte bei einem HWS-Schleudertrauma Grad I und II nach Erdmann nach einigen Wochen besser werden oder verschwinden müssen, wenn nicht eine weitere zusätzliche Schädigung stattgefunden hätte, z.B. weitere Degeneration im Bereich der HWS, Funktionsschädigung der HWS durch schlechte manuelle Therapie oder nicht mit der HWS im Zusammenhang stehende Erkrankungen. Dies ist bei der Klägerin der Fall. Aufgrund von Durchblutungsstörungen ist es bei ihr zu Schädigungen an dem Hör- und Gleichgewichtsorgan gekommen. Selbst wenn nur ein Beschleunigungstrauma Grad I vorgelegen hätte, können diese Beschwerden fortbestehen, insbesondere wenn nicht sofort eine Hörsturztherapie eingeleitet wurde. Die MdE für diese Gleichgewichtsstörung beträgt 10 v.H., wobei ebenfalls ein Vorschaden der HWS berücksichtigt und die spätere Verschlimmerung nicht als unfallbedingt bewertet wurde.

Schließlich weist das Sozialgericht zutreffend darauf hin, dass eine MdE um 40 v.H. auch bei Zugrundelegung der Gutachten des Dr. S. und der Dr. F. nicht zuzubilligen wäre, da Dr. S. die Bewertung erkennbar nicht nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung, sondern nach den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" vornahm. Frau Dr. F. legte ebenfalls ihrem Gutachten nicht die strengeren Maßstäbe der gesetzlichen Unfallversicherung zu Grunde. Prof. Dr. S. wies darauf hin, dass eine MdE um 30 bis 40 v.H. für die Gleichgewichtsstörung nicht nachvollziehbar ist. Ein heftiger Schwindel mit vegetativen Erscheinungen trat nicht auf. Im Rahmen der Untersuchung bei Prof. Dr. S. konnten keine deutlichen Abweichungen bei den Geh- und Stehversuchen festgestellt werden. Die Klägerin zeigte bei den vorgenommenen Tests ein sicheres Standvermögen bzw. nur leichte Schwankungen. Im Übrigen stützt Dr. S. seine Kausalitätsbeurteilung vor allem auch darauf, dass die Klägerin vor dem Unfallereignis gesund und voll leistungsfähig gewesen ist. Allein der zeitliche Zusammenhang zwischen Gesundheitsbeeinträchtigungen und Unfallereignis ist jedoch für die Annahme der Kausalität nicht ausreichend, zumal Gleichgewichtsstörungen erst im Laufe der Zeit dokumentiert sind.

Soweit das Sozialgericht es ablehnte, geklagte Sehstörungen sowie urologische Beschwerden als Unfallfolgen anzuerkennen, wird von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, da der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 153 Abs. 2 SGG). Im Übrigen ergeben sich nach dem Gutachten des Dr. P. für die mannigfaltigen subjektiven Beschwerden der Klägerin nach den klinischen, neurophysiologischen und radiologischen Untersuchungen kein Korrelat für eine substantielle Schädigung der HWS.

Die orthopädischen und HNO-ärztlichen Gesundheitsbeeinträchtigungen sind als voneinander unabhängig anzusehen; zum einen bestand bis Ende März 1999 eine endgradig schmerzhaft eingeschränkte Beweglichkeit der HWS, zum anderen besteht neben einem leichten fluktuierenden Tinnitus eine Gleichgewichtsstörungen. Die jeweiligen Einzel-MdE von 10 v.H. können in diesem Fall ausnahmsweise addiert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin bis 5. April 1998 Verletztengeld bezog, so dass eine gleichzeitige Gewährung von Verletztenrente ausgeschlossen ist. Die Rente beginnt somit gemäß § 73 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII am 6. April 1998. Unter Zugrundelegung des auch insoweit schlüssigen Gutachtens des Dr. P. beträgt die MdE auf orthopädischem Fachgebiet wegen der endgradigen schmerzhaft eingeschränkten Beweglichkeit der HWS für die ersten zwei bis drei Monate 20 v.H., anschließend bis 31. März 1999 10 v.H. Zum Zeitpunkt des Beginns der Rente am 6. April 1998 ist deshalb von einer Einzel-MdE um 10. v.H. auszugehen; addiert mit der Einzel-MdE von 10 v.H. auf HNO-ärztlichem Fachgebiet beträgt die Gesamt-MdE deshalb bis 31. März 1999 20 v.H. Für die Zeit danach liegt die MdE auf orthopädischem Fachgebiet unter 10 v.H., so dass keine rentenberechtigende MdE von 20 v.H. mehr erreicht wird (§ 56 Abs. 1 S. 1 SGB VII). Die Einschätzung der Einzel-MdE durch Dr. P. entspricht dabei der in der Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., S. 562) gängigen Bewertung bei HWS-Distorsionen zwischen Schweregrad I (MdE in Höhe von 20 v.H. auf die Dauer von drei Monaten) und Schweregrad II (MdE in Höhe von 20 v.H. bis zum Ende des 1. Jahres, 10 v.H. bis zum Ende des 2. Unfalljahres). Der zumindest für die ersten sechs Monate höheren, gestaffelten MdE-Bewertung durch Prof. Dr. W. vermag der Senat deshalb nicht zu folgen; besondere Anhaltspunkte für eine von der Fachliteratur abweichenden Beurteilung sind nicht gegeben.

Für die Zeit nach dem 31. März 1999 beträgt die Gesamt-MdE nur mehr unter 20 v.H. Ein Stützrententatbestand ist nicht erkennbar.

Den gestellten Beweisanträgen der Klägerin brauchte der Senat nicht nachzukommen. Ein weiteres Gutachten, insbesondere durch einen Spezialisten auf neurootologischem Gebiet wie Prof. Dr. S. , war vom Senat nicht einzuholen. Die Gutachterin Prof. Dr. S. verfügt nach eigenen Angaben über besonderes Fachwissen auf diesem Gebiet, das sie in das Gutachten einbrachte. Nur vorsorglich benannte sie den Neurologen Prof. Dr. S. als einen (weiteren) Spezialisten. Auch sah sich der Senat nicht veranlasst, ein weiteres orthopädisches Gutachten einzuholen, da bereits vom Sozialgericht ein orthopädisches Gutachten von Amts wegen eingeholt wurde und im Übrigen nach § 109 SGG ein orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. W. vorliegt. Der medizinische Sachverhalt ist auf diesem Fachgebiet ausreichend aufgeklärt; entscheidungserhebliche neue Erkenntnisse sind nicht zu erwarten. Zur Feststellung der Gesamt-MdE sind weder eine schriftliche noch eine persönliche Vernehmung der Prof. Dr. S. noch die Einholung eines weiteren orthopädischen Gutachtens notwendig. Bei der Bewertung der MdE sind die von der Rechtsprechung und von dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten allgemeinen Erfahrungssätze zu beachten, die zwar nicht für die Entscheidung in jedem Einzelfall bindend sind, aber Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis bilden (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22 m.w.N.). Die Höhe der MdE betrifft eine Rechtsfrage, die das Gericht in eigener Verantwortung zu prüfen hat. Die Gerichte sind nicht an die Schätzung des Gutachters gebunden (BSGE 41, 99, 101). Die Sachverständigen haben jeweils eine Einschätzung der Einzel-MdE abgegeben. Prof. Dr. S. wurde im Rahmen des Gutachtensauftrages auch zur Höhe der Gesamt-MdE befragt. In Ergänzung ihres Gutachtens bzw. ihrer Stellungnahme beantwortete sie diese Frage auf Nachfrage des Gerichts telefonisch nach nochmaliger Durchsicht ihrer Akten und befürwortete - im Übrigen ausschließlich zum Vorteil der Klägerin - eine ausnahmsweise Addition der Einzel-MdE. Der Senat schloss sich aus o.g. Gründen nach eigener rechtlicher Würdigung dieser Auffassung an.

Schließlich ist den hilfsweise gestellten Anträgen auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG durch Frau Dr. F. auf neurootologischem Gebiet und durch Dr. A. auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu folgen. Sowohl auf neurootologischem Gebiet als auch auf orthopädischem Fachgebiet liegt bereits ein nach § 109 SGG eingeholtes Gutachten des Prof. Dr. W. bzw. Dr. S. vor. Das Antragsrecht nach § 109 SGG ist damit verbraucht. Besondere Umstände, die einen wiederholenden Antrag rechtfertigen könnten, liegen nicht vor und sind nicht geltend gemacht.

Die Kostenfolge stützt sich auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Gründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved