L 17 U 238/04

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
17
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 U 274/03
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 17 U 238/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 87/07 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.06.2004 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung des Skiunfalles vom 23.02.2003 als Arbeitsunfall streitig.

Der 1966 geborene Kläger war Angestellter der Firma Autohaus M. GmbH, N ... Im Februar 2003 veranstaltete die Firma einen Skiausflug der Belegschaft nach L. mittels Busfahrt durch ein Reisebüro. Die Veranstaltung wurde von einer Mitarbeiterin in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung organisiert. Kosten übernahm der Betrieb nicht. Diese wurden von den Mitarbeitern selbst getragen. Der Unternehmer nahm an der Veranstaltung ebenfalls teil. Eingeladen waren alle Mitarbeiter, teilgenommen hatten ca. 30 % der Belegschaft. Der Ausflug dauerte von Freitag, 15.30 Uhr bis Sonntag 22.30 Uhr. An der Fahrt selbst nahmen auch betriebsfremde Personen teil. Nach Mitteilung des Geschäftsführers F. (F) der Firma M. vom 11.07.2003 sei der Skiausflug "reines Privatvergnügen" gewesen.

Beim Skiausflug verletzte sich der Kläger am 23.02.2003 auf der Piste (Sturz auf den rechten Arm und die rechte Schulter mit Fraktur des Oberarmkopfes).

Mit Bescheid vom 14.07.2003 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Arbeitsunfalles im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Der Skiausflug sei rein privat gewesen, also keine versicherte Veranstaltung der Betriebsgemeinschaft.

Im Widerspruchsverfahren führte der Kläger aus, die Reise sei vom Arbeitgeber als Betriebsausflug organisiert worden. In den letzten Jahren sei sie regelmäßig durchgeführt worden, ausschließlich mit dem Ziel, die Betriebsverbundenheit und das Betriebsklima zu fördern. Zu der Skiveranstaltung habe der Arbeitgeber im Betriebsgelände auch durch Aushang eingeladen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 08.10.2003 mit der Begründung zurück, die Voraussetzungen für das Vorliegen einer Veranstaltung der Betriebsgemeinschaft lägen nicht vor. Dies zeige sich daran, dass durch die Unternehmensleitung keine Kostenbeteiligung oder sachliche Zuwendung erfolgt sei. Auch Nicht-Betriebsangehörige hätten am Skiwochenende teilnehmen können. Zwar habe eine Mitarbeiterin des Betriebs den Skiausflug in Zusammenarbeit mit der Geschäftsleitung organisiert. Die Busfahrt sei jedoch von einem Reisebüro angeboten worden.

Gegen diese Bescheide hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben mit dem Antrag, das Ereignis vom 23.02.2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Er hat vorgetragen, es habe sich um einen Ausflug der Belegschaft für das Mitgliedsunternehmen gehandelt. Der Ausflug sei in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung organisiert worden. Auch habe der Unternehmer an der Veranstaltung teilgenommen. Eingeladen gewesen seien alle Mitarbeiter, die Teilnahme sei aber freiwillig gewesen. Es habe sich um eine gemeinschaftliche betrieblich veranlasste Skifahrt gehandelt.

Die Beklagte hat dem mit der Maßgabe widersprochen, dass es an einem für den Versicherungsschutz notwendigen wesentlichen Betriebszusammenhang fehle. Die Gestaltung der Freizeit habe im Vordergrund gestanden.

Mit Urteil vom 16.06.2004 hat das SG die Klage abgewiesen und ausgeführt, es habe sich um einen privaten Skiausflug für Skifahrer und Bergfreunde gehandelt. Alle Teilnehmer hätten die Kosten des Ausfluges selbst bezahlen müssen. Der Ausflug sei reines Privatvergnügen gewesen. Die betriebliche Verbundenheit habe damit nicht gefördert werden sollen.

Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, der Unternehmer habe die Anerkennung eines Arbeitsunfalles vermeiden wollen. Im Falle einer Rentengewährung wäre der Beitragssatz der gesetzlichen Unfallversicherung zu Lasten des Arbeitgebers angehoben worden. Tatsächlich habe aber der Arbeitgeber vor der Fahrt den Teilnehmern freigegeben unter Fortzahlung ihrer Bezüge. Auch habe dieser "Runden" geschmissen.

Im Erörterungstermin vom 15.12.2006 hat der Geschäftsführer F als Zeuge ausgeführt, dass die Teilnahme an der Skiveranstaltung freiwillig gewesen sei. Von 45 Mitarbeitern hätten ca. 15 bis 20 teilgenommen. Bei der von einem Reisebüro durchgeführten Busfahrt selbst seien auch andere Personen mitgefahren. Die Veranstaltung sei von einer Mitarbeiterin in Abstimmung mit ihm organisiert worden. Sie sei teils betriebsbezogen, teils privater Natur gewesen. Betriebsbezogen insoweit, als die Veranstaltung den Gemeinschaftssinn und das Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitarbeiter habe fördern sollen. Für ihn habe der private Gedanke im Vordergrund gestanden, dies bedeute Freizeit, Erholung usw. Jeder Mitarbeiter habe die für ihn angefallenen Kosten der Veranstaltung selbst tragen müssen. Zuschüsse seitens des Betriebes seien nicht erfolgt. Der Kläger selbst sei nicht als sog. "aktiver Begleiter" dabei gewesen. Er habe keine besonderen Aufgaben wegen Organisation, Motivierung usw. der Mitarbeiter von ihm erhalten. Die Veranstaltung sowie die näheren Umstände der Reise seien im Betrieb auf einem Aushang dargestellt worden.

Der Kläger beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Nürnberg vom 16.06.2004 sowie des Bescheides vom 14.07.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 08.10.2003 zu verurteilen, das Ereignis vom 23.02.2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Nürnberg vom 16.06.2004 zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden.

Ergänzend wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, sachlich aber nicht begründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 23.02.2003 als Arbeitsunfall, da die Voraussetzungen nicht erfüllt sind (§§ 2, 8 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch -SGB VII-).

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3, 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles ist danach in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignete, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Dieser innere bzw. sachliche Zurechnungszusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und der zum Unfall führenden Verrichtung ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung (hier die Skifahrt) innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht.

Im sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit unter Versicherungsschutz stehen grundsätzlich auch betriebliche Gemeinschaftsveranstaltungen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG kann die Teilnahme von Beschäftigten an Gemeinschaftsveranstaltungen dem Unternehmen zugerechnet und der versicherten Tätigkeit gleichgesetzt werden. Dies ist aber nur zu rechtfertigen, soweit die betreffende Veranstaltung im Interesse des Unternehmens liegt und, wie die eigentliche Arbeitstätigkeit selbst, betrieblichen Zwecken dient. Sie muss grundsätzlich vom Unternehmer veranstaltet sein oder mit seiner Billigung stattfinden, von seiner Autorität getragen werden, im Wesentlichen nur von den Angehörigen des Unternehmens besucht werden und der Betriebsverbundenheit dienen (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 11; Lauterbach, Unfallvers -SGB VII- § 8 RdNr 151).

Zwar sind diese Voraussetzungen zum Teil erfüllt. Der Skiausflug wurde nämlich in Zusammenarbeit mit dem Unternehmer F organisiert, im Betrieb war ein Aushang für die Reise angebracht worden, F hatte selbst an der Veranstaltung teilgenommen, eingeladen waren alle Mitarbeiter. Eine Kostenbeteiligung des Unternehmers erfolgte nicht, dies ist nach der Rechtsprechung aber auch nicht erforderlich.

Der Skiausflug diente aber nicht speziell der Betriebsverbundenheit. Der Zeuge F sagte aus, dass der private Gedanke, nämlich Freizeit, Erholung usw., im Vordergrund gestanden habe. Wenn dem so ist, fehlt es an dem für den Versicherungsschutz wesentlichen Betriebszusammenhang (BSG aaO; Lauterbach aaO). Die Durchführung als betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung muss vom Unternehmer gewollt sein (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr 2). Nach der Aussage des Zeugen F kann hiervon nicht ausgegangen werden. Veranstaltungen zur Freizeitgestaltung oder Befriedigung sportlicher oder kultureller Interessen der Beschäftigten stehen nicht unter Versicherungsschutz, wenn sie nur im räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Betriebstätigkeit erfolgen, auch dann nicht, wenn sie von dem Unternehmen gebilligt oder unterstützt werden. Dafür, dass Freizeit, Unterhaltung, Erholung usw. im Vordergrund standen, spricht auch, dass an der Reise zum Skiort auch betriebsfremde Personen teilnahmen. Ein weiterer Gesichtspunkt, der gegen eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung spricht ist darin zu sehen, dass jeder der Teilnehmer die Kosten für Fahrt, Unterkunft und Essen sowie die Ausgaben für eventuelle Skifahrten selbst tragen musste und auch Zuschüsse seitens des Betriebes nicht erfolgt sind. Im Skiort fand auch keine konkrete Organisation durch den Unternehmer oder durch Mitarbeiter statt. Ein eigenes Programm für den dreitägigen Ausflug wurde nicht aufgestellt. Dem Kläger selbst war nicht die Aufgabe zugewiesen, etwa als "aktiver Begleiter" die Betriebsverbundenheit bzw. die Interessen des Unternehmens zu fördern.

Da also Freizeit und ähnliches im Vordergrund standen, kann der Skiausflug nicht als versicherte Gemeinschaftsveranstaltung angesehen werden. Dem Kläger stand kein Versicherungsschutz zu.

Für den Kläger fehlt es auch an einem möglichen Vertrauensschutz. Vertrauensschutz setzt voraus, dass der Versicherte aufgrund der Gesamtumstände davon ausgehen konnte, dass es sich entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Voraussetzungen um eine betriebliche Gemeinschaftsveranstaltung handeln würde. Die Gesamtumstände sprechen objektiv nicht für das Vorliegen einer solchen Veranstaltung. Die Vorstellung des Verletzten alleine, bei einer bestimmten Veranstaltung unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung zu stehen, kann nicht zum Versicherungsschutz führen (BSG aaO Nr 11). Das Urteil des SG Nürnberg vom 16.06.2004 ist daher nicht zu beanstanden. Die Berufung ist als unbegründet zurückzuweisen.

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 160 SGG).
Rechtskraft
Aus
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