S 4 EG 6/07

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
4
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 EG 6/07
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin unter Aufhebung entgegenstehender rechtskräftiger Bescheide Bayerisches Landeserziehungsgeld zu gewähren ist.

Die Klägerin ist türkische Staatsangehörige. Sie ist die Mutter, des am 1998 geborenen Kindes U. Am 19.11.2002 wandte sich die Klägerin an das damalige Amt für Versorgung und Familienförderung W. und stellte einen formlosen Antrag auf Landeserziehungsgeld. Der Antrag wurde mit Bescheid des Beklagten vom 15.01.2003 unter Darlegung der damaligen Rechtsauffassung, dass die Antragstellung verspätet erfolgt sei, abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin vom 14.02.2003 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2003 zurückgewiesen. Dieser enthielt eine Rechtsbehelfsbelehrung über Klagemöglichkeit und Klagefrist. Eine Klage wurde jedoch nicht erhoben.

Am 21.11.2006 stellte die Klägerin beim Zentrum Bayern Familie und Soziales, Region U., erneut einen Antrag auf Landeserziehungsgeld für ihr Kind U. Der Beklagte erblickte hierin einen Antrag auf Überprüfung der bereits rechtskräftigen Ablehnungsentscheidung. Mit Bescheid vom 08.01.2007, der am 25.01.2007 zur Post gegeben wurde, lehnte die Beklagte die Aufhebung der rechtskräftigen Bescheide und die Gewährung von Landeserziehungsgeld ab. Die Ausgangsbescheide seien nicht zu beanstanden und aufgrund der Ausschlussfrist des § 44 Abs. 4 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) käme eine nachträgliche Leistungsgewährung nicht mehr in Betracht.

Der Widerspruch der Klägerin vom 06.02.2007 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2007 - zur Post am 22.02.2007 - zurückgewiesen.

Die Klägerin erhob am 12.03.2007 Klage zum Sozialgericht Würzburg.

Das Gericht hat mit Schreiben vom 04.04.2007 eine Anhörung dazu durchgeführt, dass es beabsichtige, einen Gerichtsbescheid nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu erlassen.

Die Klägerin beantragt:
1. Den Bescheid vom 08.01.2007 in Gestalt des Widerspruchs bescheids vom 16.02.2007 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, antragsgemäß Landeserziehungsgeld zu gewähren.
2. Außergerichtliche Kosten sind zu erstatten

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 SGG). Der Klageantrag umfasst den Antrag auf Aufhebung der Ausgangsbescheide vom 15.01.2003 und vom 14.04.2003.

Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden, da es sich um einen einfach gelagerten Rechtsstreit handelte und das Gericht die Beteiligten zu seiner Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, angehört hatte.

Die Klage ist jedoch letztlich nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf nachträgliche Zahlung von Bayerischem Landeserziehungsgeld.

Zwar ist durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 26.01.2002 (B 10 EG 2/01 R) klar, dass materiell-rechtlich die Klägerin zu dem anspruchsberechtigten Personenkreis auf Zahlung von Bayerischem Landeserziehungsgeld gehören würde, weil ihr Anspruch auf eine Zeit nach dem 04.05.1999, dem Tag der einschlägigen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (SozR 3-6935 Allg Nr. 4), gerichtet ist.

Auch ist entgegen der Ansicht in den angefochtenen Bescheiden der Beklagten davon auszugehen, dass die Ausgangsbescheide im Jahr 2003 rechtsfehlerhaft waren, da nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (z.B. Urt. vom 18.02.2004, B 10 EG 9/03 R) der Klägerin grundsätzlich ein - allerdings wohl verfristeter - Anspruch auf Wiedereinsetzung und ergänzend ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch zuzubilligen gewesen wäre, der die Versäumung der Antragsfrist (Art. 3 Abs. 2 S. 1 BayLErzGG a.F.) hätte überwinden lassen.

Die Klägerin hat die Bescheide im Jahr 2003 jedoch rechtskräftig werden lassen, obwohl sie ausdrücklich auf die Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung hingewiesen worden war. Damit wäre in anderen Rechtsgebieten eine neuerliche Überprüfung ausgeschlossen. Das Sozialrecht ermöglicht in § 44 SGB X jedoch auch die Überprüfung von Bescheiden, die bereits rechtskräftig geworden sind, um den besonderen Gegebenheiten des Sozialrechts und der oft geringen Rechtskenntnis der Betroffenen Rechnung zu tragen.

Insofern wäre eine nachträgliche Aufhebung der früheren Ablehnungsbescheide rechtlich möglich und im Hinblick auf die genannte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch zu begründen. Der Klägerin fehlt es jedoch an einem Rechtsschutzinteresse für die isolierte Aufhebung; sie will vielmehr eine nachträgliche Zahlung von Landeserziehungsgeld erreichen. Hier hat allerdings auch die Sozialgesetzgebung nur eine beschränkte Durchbrechung des Grundsatzes der Bestandskraft unanfechtbarer Entscheidungen geschaffen: Eine Nachzahlung von Sozialleistungen aufgrund der nachträglichen Korrektur bereits bestandskräftiger Entscheidungen soll generell rückwirkend nur für einen begrenzten Zeitraum von vier Jahren möglich sein, weil ansonsten ein Bezug zu dem ursprünglichen Sozialleistungszweck kaum noch bestehen dürfte. Maßgeblich für die Fristberechnung ist dabei die Stellung des Überprüfungsantrags, hier also der November 2006. Leistungen sind rückwirkend bis zum Beginn des vierten Kalenderjahres davor zulässig und somit außer für das Jahr 2006 auch für die Jahre 2005, 2004, 2003 und 2002. In diesen Jahren kam jedoch keine Zahlung von Landeserziehungsgeld an die Klägerin mehr in Betracht, da das Kind schon den 36. Lebensmonat vollendet hatte. Zahlungen für die Jahre 2000 und 2001 sind in diesem Fall auf Grund der allgemeinen (Verjährungs-)Vorschrift des § 44 Abs. 4 SGB X jedoch ausgeschlossen (vgl. BSG, Urteil vom 21.01.1987, SozR 1300 § 44 Nr. 25).

Abgesehen davon, dass im Rahmen eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches die Frist des § 44 Abs. 4 SGB X analog anzuwenden gewesen wäre, fehlt es auch an den Voraussetzungen für einen solchen Anspruch. Die Klägerin war an der Einlegung von weiteren Rechtsmitteln im Jahr 2003 in keiner Weise gehindert gewesen. Ein zurechenbares Fehlverhalten des Beklagten hat nicht vorgelegen.

Dementsprechend sind die angefochtenen Bescheiden des Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Klage war abzuweisen.

Aus der Klageabweisung ergibt sich, dass der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (§ 193 SGG).
Rechtskraft
Aus
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