S 19 AS 629/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 19 AS 629/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ehegatten leben dauernd getrennt im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II, wenn die eheliche Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB) nicht nur vorübergehend aufgehoben ist. Dies setzt die Auflösung der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus.
I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Novem-ber 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 verurteilt, über den Antrag der Klägerin vom 21. Oktober 2004 für die Zeiten vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2006 neu zu entscheiden und ihr für die o. g. Zeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu erbringen, ohne das Einkommen und Vermögen des Ehemannes der Klägerin zu berücksichtigen.
II. Die Beklagte hat der Klägerin deren notwendige außergerichtliche Kosten zu er-statten.

Gründe:

I. Die Beteiligten streiten über ein Recht der Klägerin auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens ihres Ehegatten.

Die 1947 geborene Klägerin ist seit 1965 verheiratet.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 lehnte ein Träger der gesetzlichen Rentenversicherung den Antrag der Klägerin vom 21. März 2002 auf Leistung einer der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab. Diese Entscheidung wurde am 25. Februar 2005 bindend (Rücknahme der Berufung durch die Klägerin).

Ein entsprechender Antrag vom 7. Oktober 2005 blieb ebenso ohne Erfolg, Bescheid vom 23. November 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2006. Dagegen richtet sich eine Klage vom 23. August 2006 beim erkennenden Gericht (S 11 R 915/06).

Seit dem 30. März 1998 ist die Klägerin arbeitslos. Die Höhe der Arbeitslosenhilfe ab 3. April 2004 ist Gegenstand eines Verfahrens beim Sächsischen Landessozialgericht (LSG) (L 3 AL 6/06).

Der 1943 geborene Ehegatte der Klägerin (Ehemann) bezog vom 1. Dezember 2003 bis 22. Mai 2006 Arbeitslosengeld. Seit Juni 2006 erhält er Altersrente für schwerbehinderte Menschen.

Am 21. Oktober 2004 gab der Ehemann für die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab.

Mit Bescheid vom 22. November 2004 an den Ehemann lehnte die Beklagte den Antrag mangels Hilfebedürftigkeit ab.

Am 3. Januar 2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie lebe von ihrem Ehemann seit dem 1. Januar 2005 dauernd getrennt.

Am 24. Januar 2005 erhob die Klägerin Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. Oktober 2004. Die Angaben im Antragsformular seien gegen ihren Willen geändert worden. Die Anlage zum Bescheid habe sie erst am 12. Januar 2005 erhalten. Das Einkommen ihres Ehemannes sei nicht, hilfsweise nicht in voller Höhe zu berücksichtigen.

Am 8. Februar 2005 ging bei der Beklagten ein Widerspruch des Ehemannes gegen den o.g. Bescheid ein. Er habe keinen Antrag gestellt. Der Widerspruch wurde von einem Träger der gesetzlichen Krankenkasse weitergeleitet. Der Zeitpunkt des dortigen Einganges ist der Verwaltungsakte der Beklagten nicht zu entnehmen.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 22. November 2004 zurück.

Dagegen richtet sich die Klage vom 29. August 2005.

Mit Bescheid vom 14. September 2006 bewilligte die Beklagte beiden Ehegatten für Mai 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von insgesamt 203,25 EUR. Mit Bescheid vom 13. November 2006 lehnte die Beklagte die teilweise Rücknahme dieses Bescheides ab. Dagegen richtet sich ein Widerspruch des Ehemannes vom 5. Dezember 2006. Das Widerspruchsverfahren ruht.

Mit Bescheid vom 14. Dezember 2006 lehnte die Beklagte Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab Juni 2006 für die Klägerin ab. Dagegen erhob die Klägerin Wider-spruch, Schreiben vom 20. Dezember 2006. Dessen Eingang ist klärungsbedürftig.

Am 18. Dezember 2006 erhob die Klägerin gegen die Beklagte und die Bundesagentur für Arbeit Klage beim erkennenden Gericht (S 19 AS 2125/06). Am 1. und 12. Februar 2007 nahm die Klägerin diese Klagen zurück.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 19. Februar 2007 hat das Gericht den Ehemann als Zeugen vernommen. Auf den Inhalt der Niederschrift wird wegen der Einzelheiten hierzu verwiesen (Blatt 83ff der Gerichtsakte).

Die Klägerin trägt vor, sie lebe seit Januar 2005 von ihrem Mann in der seit November 2003 gemeinsam gemieteten Wohnung getrennt. Daher sei dessen Einkommen nicht zu berücksichtigen. Hilfsweise sei dessen Einkommen nicht in voller Höhe zu berücksichtigen. Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Klägerin wird auf deren Schreiben vom 21. September, 8. Dezember 2005, 5. Januar 2006 und 8. Januar 2007 (nebst Anlagen hierzu) sowie Aussagen im o.g. Termin zur mündlichen Verhandlung verwiesen (Blatt 4ff, 25f, 28 und 33ff sowie 83ff der Gerichtsakte).

Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. November 2004 in der Ges-talt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 dem Grunde nach zu verurtei-len, ihr für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 30. April 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ohne Berücksichtigung des Einkommens und Ver-mögens ihres Ehemannes nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu erbringen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Die angefochtenen Entscheidungen seien rechtmäßig. Die Trennung sei rein wirtschaftlich begründet. Die Ehe bestehe weiter. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf die Schreiben vom 15. November 2005 und 7. Februar 2007 verwiesen (Blatt 23f und 76f der Gerichtsak-te).

II. Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005 ist rechtswidrig (geworden). Denn die Hil-febedürftigkeit der Klägerin ist ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens des Ehemannes festzustellen.

1. Gegenstand des Verfahrens im Sinne des § 95 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist der Be-scheid vom 22. November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juli 2005. Die Bescheide vom 14. September, 13. November und 14. Dezember 2006 wurden weder nach § 96 Abs. 1 SGG noch nach § 99 SGG Gegenstand des Verfahrens.

Die entsprechende Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG scheidet insoweit aus, vgl. Bundesso-zialgericht (BSG), Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/05 R (Rn 17). Ausnahmen hiervon sind nicht gegeben, vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R (Rn 30). Denn mit Bescheid vom 14. September 2006 wurden für die Klägerin und deren Ehemann Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ab dem 1. Mai 2006 bewilligt und erbracht. Somit endet jedenfalls mit Wirkung zum 30. April 2006 der von den streitgegenständlichen Bescheiden erfaßte und abgelehnte Zeitraum. Dies entspricht weiterhin dem (zeitlich beschränkten) Klagebegehren (§ 123 SGG), vgl. hierzu BSG, Ur-teil vom 23. November 2006 - B 11b AS 1/06 (Rn 19).

2. Der Bescheid vom 22. November 2004 wurde (zunächst) auch gegenüber der Klägerin wirksam. Denn sie ist von ihm jedenfalls betroffen im Sinne des § 39 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) Zehntes Buch. Dies ergibt sich aus dem Bezug ("Ihr Antrag vom 21.10.04") und der Anlage zum Bescheid (Berechnungsbogen). Antragstellerin im Sinne des § 37 Abs. 1 SGB Zweites Buch (II) war allerdings die Klägerin und nicht ihr Ehemann. Daran ändert § 38 SGB II nichts. Die Beklagte hätte danach allenfalls die Klägerin als Ver-treterin ihres Ehemannes behandeln können. Denn zum Zeitpunkt des Erlasses und der Bekanntgabe dieses Bescheides lebte die Klägerin bereits eigenen Angaben zufolge noch nicht von ihrem Ehemann getrennt.

3. Zwischen den Beteiligten besteht ein (Rechts-) Verhältnis der Grundsicherung für Ar-beitsuchende nach dem SGB II. Denn die Klägerin ist leistungsberechtigt im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II und die Beklagte zuständiger Träger der Grundsicherung für Arbeit-suchende nach § 6 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 44b SGB II. Aus diesem "Grundsi-cherungsverhältnis" leiten sich diverse Rechte und Pflichten der Beteiligten ab, vgl. aus-führlicher hierzu zB Waibel, Die Anspruchsgrundlage im SGB II, NZS, 2005, 512, 516 (IV. Rechte und Pflichten im Grundsicherungsverhältnis). Streitig sind Leistungen zur Si-cherung des Lebensunterhalts nach §§ 1 Abs. 2 Nr. 2, 19ff SGB II.

Nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II (in der vom 1. Januar 2005 bis 31. Juli 2006 geltenden und hier anwendbaren Fassung) erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung.

Erwerbsfähige Hilfebedürftige sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die 1. das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, 2. erwerbsfähig sind, 3. hilfebedürftig sind und 4. ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben.

Die Voraussetzungen nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 4 SGB II sind gegeben.

a) Die Klägerin ist weiterhin erwerbsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II. Denn sie ist nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande, un-ter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein, vgl. § 8 Abs. 1 SGB II. Dies ergibt sich aus dem für die Klä-gerin seit Februar 2005 bindenden (§ 77 SGG) Bescheid vom 10. Juni 2002 und wird bes-tätigt durch den Bescheid vom 23. November 2005.

Einer Entscheidung der gemeinsamen Einigungsstelle nach § 45 SGB II bedurfte es man-gels Streitigkeiten im Sinne der §§ 44a Satz 2, 45 Abs. 1 Satz 1 SGB II (jeweils in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung) nicht. Die Einigungsstelle galt ebenso nicht nach § 65c SGB II als angerufen. Der Klägerin wurde insbesondere am 31. Dezember 2004 nicht Arbeitslosenhilfe aufgrund von § 198 Satz 2 Nr. 3 in Verbindung mit § 125 SGB Drittes Buch (III) erbracht (§ 65c Nr. 1 SGB II). Denn der zuständige Träger der gesetzli-chen Rentenversicherung lehnte zuvor (Bescheid vom 10. Juni 2002) den Antrag auf Leis-tung einer der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit ab, ebenso (abstrakt-generell) Rixen in: Eicher / Spellbrink, SGB II, Kommentar, 1. Auflage 2005, § 65c Rn 3 und (indi-viduell-konkret) Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 23. November 2005 - S 5 AL 23/05 (Seite 5).

b) Schließlich ist die Klägerin hilfebedürftig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II, soweit dies beurteilt werden kann und wird.

Hilfebedürftig ist nach § 9 Abs. 1 SGB II, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Per-sonen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Leistungsträger erhält.

Bei Personen, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, sind gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen. Zur Bedarfsge-meinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II als Partner der erwerbsfähigen Hilfebe-dürftigen der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte.

Nach § 1567 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) leben Ehegatten getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Gemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemein-schaft besteht nach § 1567 Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.

Dieses Getrenntleben muß des weiteren "dauernd" sein. Dies entspricht dem Grunde nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Recht der Arbeitslosenhilfe, vgl. §§ 193 Abs. 2 und 194 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III. Im Recht der Sozialhilfe galt und gilt dies (zumindest dem Wortlaut nach) nicht, vgl. §§ 11 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 28 Abs. 1 Satz 1 Bundesso-zialhilfegesetz und §§ 19 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1, 43 Abs. 1 Halbsatz 1 SGB Zwölftes Buch.

Ehegatten leben dauernd getrennt im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II, wenn die eheli-che Lebensgemeinschaft (§ 1353 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 1 BGB) nicht nur vorübergehend aufgehoben ist. Dies setzt die Auflösung der Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft voraus, (im Ergebnis) ebenso LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. August 2005 - L 13 AS 3390/05 (in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu § 26 Abs. 1 Satz 1 Einkommensteuergesetz); Brühl / Schoch in: Münder, SGB II, Lehr- und Praxiskommen-tar, 2. Auflage 2007, § 7 Rn 54 (in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwal-tungsgerichts; abweichend hinsichtlich "nicht nur vorübergehend"); Löns / Herold-Tews, SGB II, 1. Auflage 2005, § 7 Rn 8; Peters in: Estelmann, SGB II, Kommentar, § 7 Rn 18 (in Anlehnung an eine Stellungnahme des Deutschen Vereins); Spellbrink in: Eicher / Spellbrink, aaO, § 7 Rn 26 und Valgolio in: Hauck / Noftz, SGB II, Kommentar, Band 1, K § 7 Rn 22. Bei dieser Feststellung ist das "Gesamtbild der Verhältnisse" entscheidend, vgl. LSG Baden-Württemberg und Spellbrink, jeweils aaO.

Unter Würdigung dessen ist die Kammer nach Anhörung der Klägerin und Vernehmung des Zeugens von einem dauernd getrennt leben der Ehegatten seit Januar 2005 überzeugt. Denn die Ehegatten haben die gemeinsame Wohnung räumlich aufgeteilt, um darin unge-stört vom jeweils anderen leben zu können. Gemeinsame Aktivitäten finden nicht mehr statt. Die gilt in jeglicher Hinsicht (zB bzgl. Einkauf, Freizeit, Kochen). Der Zeuge hält sich des weiteren regelmäßig (zB 2005 jedes Quartal) und jeweils für längere Zeit (mehre-re Wochen) ohne die Klägerin in Bayern auf. Dies wird im übrigen durch die Angaben des Zeugen im sog. Entschädigungsantrag bestätigt ("Am 18.02.07 von Leutershausen Zurück-fahrt"). Die Ehegatten verfügen weiterhin seit Januar 2005 über getrennte Girokonten (vgl. zB Blatt 88f der Gerichtsakte einerseits und Blatt 109ff der Verwaltungsakte andererseits). Sie "wirtschaften" somit getrennt.

Die Aussagen der Klägerin und ihres Ehemannes sind in sich schlüssig, stimmen mit denen des jeweils anderen überein und sind für die Kammer überzeugend. Der Ehemann ist glaubwürdig. Seine Aussagen sind glaubhaft. Die Klägerin und der Zeuge wirkten auf die Kammer wie Menschen, die sich einander fremd sind und nichts zu sagen haben. Beide saßen während der Vernehmung des Ehemannes zusammen auf einer Bank, ignorierten einander, würdigten sich kaum eines Blickes und kommunizierten nicht miteinander. Der zu Beginn seiner Vernehmung erkennbar vom Anlaß und Grund seiner Vernehmung ge-reizte, da sich von Angelegenheiten Dritter belästigt fühlende, Zeuge entfernte sich umge-hend nach seiner Entlassung.

Die Einwände der Beklagten ändern an diesem Ergebnis nichts. Bereits deren rechtlicher Ausgangspunkt (" ... der Auffassung, dass die Ehe weiter besteht.") ist mit dem Gesetz nicht zu vereinbaren. Denn die Auflösung der Ehe durch rechtskräftige Scheidung (§ 1564 Satz 2 BGB) verlangt § 7 Abs. 3 Nr. 3 a) SGB II nicht, sondern nur ein dauerndes Ge-trenntleben. Daher ist der derzeit übereinstimmend (ggf. noch) nicht bestehende Wille, sich scheiden zu lassen, nicht entscheidend. Tatsachen vor Januar 2005 (zB im Zusammenhang mit der Antragstellung im Oktober 2004) sind ebenso nicht entscheidungserheblich. Denn die Trennung erfolgte bereits eigenen Angaben der Klägerin zufolge frühestens Ende 2004. Nichts anderes gilt für die steuerliche Festsetzung, die aktenkundig ist (Bescheid für 2003 vom 12. August 2004, vgl. Blatt 13 der Verwaltungsakte). Über ein gemeinsames Girokon-to verfügen die Ehegatten entgegen des Vortrages der Beklagten nicht (mehr). Die teilwei-se erfolgte Absicherung der Klägerin über ihren Ehemann beruht auf deren mangelnden Einkommen seit Januar 2005. Die Zahlung von 200 EUR monatlich als Unterhalt ist mit § 1361 BGB (Unterhalt bei Getrenntleben) vereinbar. Die luxuriöse Größe der Wohnung (ca. 120 m²) wurde plausibel erläutert (entsprechende Aufwendungen in ... für höherwerti-ge Wohnung in ...). Mit der Einmalzahlung von 5.000 EUR an die Klägerin im Januar 2006 vollzog der Ehemann lediglich eine Auflage im Sinne des § 525 Abs. 1 BGB seiner Mut-ter.

Das zeitliche Zusammentreffen der o.g. Trennung mit dem Beginn der individuellen Aus-wirkungen des SGB II zum 1. Januar 2005 rechtfertigte allenfalls unter Würdigung der Aktenlage, insbesondere der Schreiben der Klägerin vom 3. Januar, 8. August und 12. Ok-tober 2005 (Blatt 31f, 69a und 77f der Verwaltungsakte), die Annahme einer Reaktion der Klägerin auf den Bescheid vom 22. November 2004, um sich eigene Leistungsansprüche ohne Rechtsgrund zu verschaffen. Unter Würdigung der Erkenntnisse im o.g. Termin der mündlichen Verhandlung gilt dies nicht (mehr). Dessen ungeachtet ist die Aufhebung einer vorab bereits in Ansätzen gescheiterten (ehelichen Lebens-) Gemeinschaft bei Hinzutreten eines weiteren Ereignisses mit erheblichen Auswirkungen ohne weiteres nachvollziehbar.

Ohne Berücksichtigung des Einkommens und Vermögens ihres Ehemannes ist die Kläge-rin grundsätzlich hilfebedürftig im Sinne des §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 Abs. 1 SGB II. Die Einzelheiten hierzu hat zunächst die Beklagte festzustellen und zu entscheiden. Das Gericht hat sich insoweit auf ein Grundurteil (§§ 54 Abs. 4, 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) be-schränkt. Hierfür genügt die Wahrscheinlichkeit der Zahlung eines bestimmten Geldbetra-ges, vgl. Meyer-Ladewig in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer, SGG, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 130 Rn 2a. Eine derartige Wahrscheinlichkeit ist gegeben. Denn der Be-darf der Klägerin ist (war) im streitigen Zeitraum (1. Januar 2005 bis 30. April 2006) ü-berwiegend nicht gesichert. Dabei ist von einer Regelleistung in Höhe von 331 EUR auszuge-hen. Denn die Klägerin bildet aufgrund der Trennung von ihrem Ehemann eine eigene Be-darfsgemeinschaft. Sie ist somit "allein stehend" im Sinne des § 20 Abs. 2 SGB II (in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung), vgl. Lang in: Eicher / Spellbrink, aaO, § 20 Rn 87 und BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 6/06 R (Rn 17). Tatsächliche An-haltspunkte für Mehrbedarfe, insbesondere nach § 21 Abs. 5 SGB II, bestehen derzeit nicht. Die Zahlungen des laufenden Unterhalts durch den Ehemann sind als Einkommen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II) bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Der tatsächliche (Zah-lungs-) Beginn ist noch festzustellen. Die sog. Einmalzahlung vom 14. September 2005 (1.500 EUR) und Schenkung am 25. Januar 2006 (5.000 EUR) sind ebenso zu berücksichtigen. Insoweit ist zunächst der jeweilige Rechtsgrund festzustellen, bevor über die Art und Wei-se der Berücksichtigung (§§ 11f SGB II) entschieden werden kann. Des weiteren sind evtl. sonstige Veränderungen in den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin seit der An-tragstellung im Oktober 2004 für o.g. Zeiten zu klären.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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