L 12 AL 926/04

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 5 AL 127/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 926/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20.11.2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) streitig.

Der 1948 geborene Kläger steht seit dem 2.1.1973 in einem Arbeitsverhältnis bei der D. B. AG. Der Kläger bezog bis zum 3.2.2001 Krankengeld.

Am 8.12.2000 meldete sich der Kläger arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 22.2.2001 bewilligte die Beklagte Alg ab 4.2.2001, nachdem die Vertragsärztin des Arbeitsamtes Dr. W., in ihrem Gutachten vom 23.2.2001 ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte sitzende Tätigkeiten bescheinigt hatte.

Am 10.10.2002 teilte der Kläger mit, ab 1.10.2002 arbeite er im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung täglich sechs Stunden. Seit März 2002 sei er bereits vier Stunden täglich tätig gewesen. Hierzu legte er den Wiedereingliederungsplan vor.

Mit Bescheid vom 22.10.2002 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 1.10.2002 auf, weil er ab 1.10.2002 eine Arbeit aufgenommen habe und somit nicht mehr arbeitslos sei.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und gab an, im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme arbeite er 6 Stunden täglich bei der Bahn. Ihm sei nicht bekannt, ob er hierfür überhaupt ein Entgelt bekommen werde.

Mit Schreiben vom 13.11.2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Alg sei bis 30.9.2002 gezahlt worden. Ab 1.10.2002 sei er nicht mehr arbeitslos, weil er an einer Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben teilnehme. Dem Kläger wurde nochmals Gelegenheit gegeben, zu der Aufhebungsentscheidung Stellung zu nehmen.

Der Kläger teilte daraufhin mit, über den 1.10.2002 hinaus arbeitsunfähig krank geschrieben zu sein. Bei der Wiedereingliederung handele es sich um einen freiwilligen und vorzeitigen Versuch. Der Arbeitgeber habe mitgeteilt, jedenfalls für Oktober kein Gehalt zu zahlen.

Daraufhin informierte die Beklagte den Kläger dahingehend, dass er sich persönlich arbeitslos melden und einen neuen Antrag auf Bewilligung von Alg stellen müsse, wenn er die Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben nicht mehr durchführe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2002 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Kläger führe eine stufenweise Wiedereingliederung nach § 74 SGB V durch. Während der stufenweisen Wiedereingliederung betrage die tägliche Arbeitszeit sechs Stunden. Dies ergebe eine wöchentliche Arbeitszeit von 30 Stunden. Der Kläger sei somit ab 1.10.2002 nicht mehr arbeitslos und habe keinen Anspruch auf Alg. Die Bewilligung von Alg sei somit nach § 48 SGB X i. V. m. § 330 Abs. 3 Satz 1 SGB III aufzuheben.

Am Montag, den 20.01.2003 hat der Kläger zum Sozialgericht Konstanz (SG) Klage erhoben. Hierzu hat er vorgetragen, der Anspruch auf Krankengeld sei erschöpft. Ein Antrag auf Bewilligung von Übergangsgeld sei mit der Begründung abgelehnt worden, er habe bis Februar 2003 Anspruch auf Alg. Die Beklagte sei zur Leistung verpflichtet.

Das SG hat mit Beschluss vom 18.2.2003 die B. sowie die LVA Baden-Württemberg beigeladen. Die LVA Baden-Württemberg hat erklärt, sie sei nicht zuständig, sondern die B ... Diese hat mitgeteilt, der Kläger habe keine Leistungen beantragt. Die B. hat mitgeteilt, sie gewähre ebenfalls keine Leistungen. Für Übergangsleistungen seien die Krankenkassen nicht zuständig.

Auf Anfrage des SG hat die Arbeitgeberin des Klägers mitgeteilt, der Kläger sei vom 1.10.2002 bis 06.01.2003 im Rahmen einer Wiedereingliederung beschäftigt gewesen. Während dieser Zeit sei kein Lohn gezahlt worden. Seit dem 7.01.2003 sei der Kläger wieder vollschichtig tätig, zu diesem Zeitpunkt sei auch die Lohnzahlung wieder aufgenommen worden.

Mit Urteil vom 20.11.2003 hat das SG die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen, auf die im Übrigen Bezug genommen wird, hat es u. a. ausgeführt, die Aufhebung der Bewilligung des Alg ab 1.10.2002 sei zu Recht erfolgt, weil der Kläger ab diesem Zeitpunkt nicht mehr arbeitslos gewesen sei. Der Kläger sei mehr als geringfügig beschäftigt gewesen. Die Beklagte sei berechtigt gewesen, die Bewilligung von Alg ab 1.10.2002 aufzuheben, weil der Kläger erst am 10.10.2002 mitgeteilt habe, dass er ab 1.10.2002 sechs Stunden täglich beschäftigt sei.

Gegen das am 6.2.2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 4.3.2004 eingelegte Berufung des Klägers. Er habe aus eigenem Antrieb einen Wiedereingliederungsversuch am Arbeitsplatz vorgenommen. Dies habe er der Beklagten auch mitgeteilt. Völlig überraschend habe die Beklagte den Leistungsbezug zum 1.10.2002 beendet. Dies bedeute, dass er für mehrere Monate ohne jegliche Einkünfte geblieben sei. Im Übrigen habe er nicht jeden Tag faktisch sechs Stunden am Tag gearbeitet. Es habe sich vielmehr um eine entsprechende Anwesenheit in den Betriebsräumen gehandelt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgericht Konstanz vom 20.11.2003 und den Bescheid der Beklagten vom 22.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2002 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der Kläger sei ab dem 1.10.2002 nicht mehr arbeitslos gewesen, weil er mehr als 15 Stunden wöchentlich tätig gewesen sei. Die Frage, ob der Kläger tatsächlich sechs Stunden produktiv gearbeitet habe, sei nicht von Bedeutung.

Der Berichterstatter des Senats hat mit den Beteiligten in dem Termin vom 23.9.2004 die Sach- und Rechtslage erörtert. Mit Beschluss vom 28.9.2004 hat der Senat die Beiladungen aufgehoben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Der Bescheid der Beklagten vom 22.10.2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.12.2002 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Bewilligung von Alg zu Recht ab 1.10.2002 aufgehoben.

Formale Bedenken bestehen nicht. Die Beklagte hat zwar den Kläger nicht vor Erlass des Bescheides vom 22.10.2002 angehört, die Anhörung jedoch während des Widerspruchsverfahrens mit Schreiben vom 13.11.2002 wirksam nachgeholt (§ 41 SGB X).

Rechtsgrundlage der Entscheidung ist § 48 Absatz 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Hiernach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grobfahrlässig nicht nachgekommen ist. Eine Ermessensentscheidung hat hierbei nach § 330 Abs. 3 SGB III nicht zu ergehen.

Eine wesentliche Änderung gegenüber den Verhältnissen, die bei der Bewilligung von Alg vorgelegen haben, ist darin zu sehen, dass der Kläger wegen der Aufnahme einer über die Kurzzeitigkeitsgrenze (§ 118 SGB III) hinausgehenden Beschäftigung im zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich (30 Stunden wöchentlich) im Rahmen der stufenweisen Wiedereingliederung ab 1.10.2002 nicht mehr arbeitslos gewesen ist und damit diese Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Alg (§ 117 Abs. 1 Nr. 1 SGB III) entfallen ist.

Die Tatsache, dass der Kläger ein Arbeitsentgelt nicht erhalten hat, ist unbeachtlich. Maßgeblich bleibt, dass der Kläger im Betrieb seines Arbeitgebers eine Beschäftigung über die Kurzzeitigkeitsgrenze hinaus ausgeübt hat.

Der Gesetzgeber hat auch keine Ausnahmeregelung vorgesehen, vielmehr wird umgekehrt ein Versicherter, der nach den ärztlichen Feststellungen seine bisherige Tätigkeit wieder teilweise verrichten und dadurch stufenweise in das Erwerbsleben eingegliedert werden kann, trotz der möglicherweise unter die Kurzzeitigkeitsgrenze herabgesetzten Arbeitsleistung als Versicherter und nicht als Arbeitsloser angesehen (Niesel SGB III § 118 Rdnr. 38 m. w. N.) Erst recht kann dann der Kläger nicht als arbeitslos gelten, der mehr als kurzzeitig im Rahmen der Wiedereingliederung tätig wurde.

Ebenso nicht maßgebend ist, dass der Kläger von anderen Versicherungsträgern keine Leistungen für die Zeit während der stufenweisen Wiedereingliederung erhalten hat. Der Senat verweist im Übrigen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Urteil und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch die sonstigen Voraussetzungen für die Rücknahme der Bewilligung des Alg sind erfüllt. Der Kläger hat erstmals am 10.10.2002 unter Vorlage des Wiedereingliederungsplanes angegeben, dass er ab 1.10.2002 sechs Stunden täglich arbeitet. Zuvor hatte der Kläger am 1.10.2001 lediglich mitgeteilt, er habe einen Arbeitsversuch unternehmen wollen, dies sei jedoch wegen gesundheitlichen Beschwerden nicht möglich gewesen. Weiteren Mitteilungen, insbesondere über die stufenweisen Wiedereingliederung und deren zeitlichen Umfang hat der der Kläger nicht gemacht. Somit ist er seinen Mitteilungspflichten gegenüber der Beklagten zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen. Dem Kläger ist bei Arbeitslosmeldung das Merkblatt Nr. 1 für Arbeitslose ausgehändigt worden. Darin wird der Arbeitslose ausdrücklich aufgefordert, bei Aufnahme einer Beschäftigung oder Tätigkeit dies dem Arbeitsamt anzuzeigen. Der Kläger hat diese Hinweise nicht beachtet, sodass ihm insofern grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved