L 7 AL 1443/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 6 AL 298/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 1443/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grobe Fahrlässigkeit
Die Annahme einer groben Fahrlässigkeit i.S.v. § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X setzt eine besonders schwere Sorgfaltspflichtverletzung voraus. Maßgeblich ist die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit des Betroffenen. Bei Missachtung klarer und eindeutiger Hinweise in einem Bescheid oder einem Merkblatt liegt im Regelfall grobe Fahrlässigkeit vor.
Bei der Prüfung ist aber zu berücksichtigen, ob der Betroffene mit für ihn negativen Auswirkungen einer Veränderung in meldepflichtigen Umständen rechnen muss (BSG SozR 3-4300 § 137 Nr. 3). Hierbei ist ihm eine eigene rechtliche Wertung einzuräumen (BSGE 42, 184, 188; E 47, 28, 33 und SozR 4100 § 152 Nr. 10).
§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X ist auf Fälle eines unzulässigen Doppelbezuges zu beschränken.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Februar 2005 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) im Zeitraum vom 1. Mai 2002 bis 4. Dezember 2002 sowie eine sich hieraus ergebende Rückforderung für die Zeit vom 1. Mai 2002 bis 31. Oktober 2002 in Höhe von l.449,89 EUR.

Die am 1949 geborene Klägerin rumänischer Staatsangehörigkeit war seit 1995 mit dem mittlerweile verstorbenen Herrn Z. B. verheiratet. Dieser war Vater der am 1978 geborenen Tochter T. B. , die im Haushalt der leiblichen Mutter lebt. Die Klägerin war vom 26. Oktober 1998 bis 30. September 2000 und vom 1. Mai 2001 bis 31. August 2001 versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt beim L. amt als Zeichnerin. Sie bezog vom 1. Oktober 2000 bis 19. November 2000, vom 27. November 2000 bis 30. April 2001 und vom 1. September 2001 bis 4. Dezember 2001 Arbeitslosengeld (Alg) nach einem Bemessungsentgelt von 430,- DM wöchentlich in Höhe von 22,85 DM täglich (Leistungsgruppe D/Kindermerkmal 1). Im Anschluss daran beantragte die Klägerin die Bewilligung von Alhi und gab dazu an, ihr im Jahre 1942 geborener Ehegatte erziele Erwerbseinkommen und die 1978 geborene Tochter des Ehegatten beziehe BAföG in Höhe von monatlich 85,85 EUR.

Mit Bescheid vom 11. Februar 2002 bewilligte die Beklagte Alhi ab dem 5. Dezember 2001 nach einem Bemessungsentgelt von 390,- DM wöchentlich ohne einen Anrechnungsbetrag nach Leistungsgruppe D/Kindermerkmal 1. Ab dem Jahre 2002 betrug danach der wöchentliche Leistungssatz 66,43 EUR. Mit Bescheid vom 10. Juli 2002 gewährte die Beklagte Alhi ab 1. August 2002 ohne Kindermerkmal (und somit einen wöchentlichen Leistungssatz von 61,74 EUR).

Mit Stellung des Weiterbewilligungsantrags vom 1. November 2002 teilte die Klägerin mit, ihr Ehegatte beziehe nunmehr Rente, ab 1. Juli 2002 in Höhe von 875,75 EUR, davor in Höhe von 860,52 EUR. Hinzu kämen eine weitere Rente in Höhe von 466,09 EUR netto sowie Zinseinkünfte aus drei Bausparverträgen in Höhe von jährlich 288,29 EUR. An Versicherungsbeiträgen würden jährlich 1.792,03 EUR aufgewendet. Die Beklagte stellte die Zahlungen daraufhin vorläufig ab 1. November 2002 ein.

Mit Bescheid vom 6. November 2002 lehnte die Beklagte die Weiterbewilligung von Alhi ab und führte dazu aus, die Klägerin habe monatliche hälftige Zinseinkünfte von 12,01 EUR, zudem sei der Rentenbezug des Ehegatten in Höhe von 1.341,84 EUR zu berücksichtigen. Davon seien Beiträge für Unfall-, Lebens-, Haftpflicht-, Kfz-Haftpflicht-, Kasko- und Rechtsschutzversicherung in Höhe von 150,08 EUR monatlich abzusetzen sowie ein Freibetrag in Höhe der hypothetischen Alhi in Höhe von 717,54 EUR monatlich. Damit verbleibe ein monatlicher Gesamtanrechnungsbetrag von 498,24 EUR monatlich (wöchentlich 115,01 EUR), der die Alhi von 61,74 EUR übersteige.

Auf Nachfrage legte die Klägerin den Rentenbescheid der BfA für den Ehegatten vom 13. März 2002 vor, wonach die BfA dem Ehegatten ab 1. April 2002 Altersrente für schwerbehinderte Menschen gewährte und diese ab 1. Mai 2002 monatlich auszahlte.

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. November 2002 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit ab 1. Mai 2002 auf mit der Begründung, der Klägerin habe ab diesem Zeitpunkt infolge des veränderten Anrechnungsbetrages kein Anspruch auf Alhi mehr zugestanden. Die Klägerin sei ihrer Verpflichtung, alle Änderungen in ihren Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien, nicht nachgekommen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X)). Die zu Unrecht gezahlten Leistungen in Höhe von 1.684,52 EUR zuzüglich Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 470,77 EUR, insgesamt 2.155,29 EUR, seien daher zu erstatten. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein mit dem Vorbringen, beim Fortzahlungsantrag alle erforderlichen Angaben gemacht zu haben. Es könne nicht sein, dass sich durch den Rentenbezug keine Alhi mehr für sie ergebe.

Mit Änderungsbescheid vom 3. Dezember 2002 hob die Beklagte die Bewilligung von Alhi ab dem 1. Mai 2002 teilweise in Höhe von 43,96 EUR wöchentlich, ab 1. Juli 2002 teilweise in Höhe von 45,43 EUR wöchentlich und ab 1. August 2002 in voller Höhe auf. Zur Begründung wurde ausgeführt, es ergebe sich ein Überzahlungsbetrag in Höhe von 1.395,71 EUR. Hinzu kämen für die Zeit vom 1. August 2002 bis 31. Oktober 2002 Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 221,07 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 13,80 EUR. Dies entspreche einer Gesamtforderung von 1.630,58 EUR. Mit Erläuterungsschreiben vom 4. Dezember 2002 wies die Beklagte darauf hin, dass bis 31. Juli 2002 noch Anspruch auf Leistungen nach dem erhöhten Leistungssatz bestanden habe, da das Kind ihres Ehegatten bis zu diesem Zeitpunkt in Schulausbildung gewesen sei. Ab 1. Mai 2002 sei jedoch der Rentenbezug zu berücksichtigen, weshalb der Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen nicht mehr abgesetzt werden könne.

Hierzu teilte die Klägerin mit, die Tochter ihres Ehegatten besuche weiterhin bis 24. Juli 2003 die Schule und zwar ein einjähriges Berufskolleg und erhalte seit September monatlich 348,- EUR an BAföG-Leistungen (Bescheid des Landratsamtes A. Kreis vom 30. Oktober 2002). Zusätzlich seien besondere Ausgaben für die Krebsbehandlung ihres Ehemannes, monatlich im Durchschnitt ca. 300 EUR, zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2003 wurde der Widerspruch gegen den Bescheid vom 21. November 2002 zurückgewiesen mit der Begründung, ihr Ehemann habe ab dem 1. Mai 2002 Renteneinkommen erzielt, welches zur Minderung des Anspruchs auf Alhi geführt habe. Dieses Renteneinkommen habe die Klägerin entgegen ihrer Verpflichtung nicht mitgeteilt. Der monatlichen Rente des Ehegatten ab dem 1. Mai 2002 stehe ein Freibetrag in Höhe der hypothetischen Alhi von 756,17 EUR bzw. ab 1. Juli 2002 in Höhe von 764,85 EUR (jeweils 57 % der Nettorente) gegenüber. Weiterhin seien Zinseinnahmen bei der Klägerin von 12,01 EUR und beim Ehegatten (abzüglich eines Freibetrages von 57 % aus den Einnahmen) in Höhe von 6,85 EUR zu berücksichtigen. Nachgewiesene Versicherungsaufwendungen in Höhe von 150,08 EUR monatlich seien abzusetzen. Darüber hinaus sei aufgrund rechtlicher Unterhaltsverpflichtungen gegenüber dem Kind der Freibetrag zu erhöhen. Eigenes Einkommen des Kindes sei dabei zu berücksichtigen. Es verbleibe ein zu berücksichtigendes Einkommen von 190,39 EUR monatlich bzw. 43,96 EUR wöchentlich. Ab 1. Juli 2002 erhöhe sich der Anrechnungsbetrag auf wöchentlich 45,43 EUR aufgrund der Erhöhung der Rente. Ab 1. August 2002 übersteige der wöchentliche Anrechnungsbetrag den Leistungssatz. Durch den weiteren Schulbesuch der Tochter ergebe sich keine Änderung in dieser Beurteilung, denn die monatliche Zuschusszahlung durch das Amt für Ausbildungsförderung übersteige den monatlich zu berücksichtigenden Unterhaltsbeitrag von 333,- EUR. Die geltend gemachten Mehrausgaben im Zusammenhang mit der Erkrankung des Ehemanns könnten bei der Bedürftigkeitsprüfung nicht berücksichtigt werden, da sie nicht zu den abzugsfähigen Beiträgen des § 194 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) gehörten.

Am 12. Februar 2003 hat die Klägerin Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und dazu vorgetragen, in dem angegriffenen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid sei nicht dargelegt, welcher Bescheid mit welchem Datum aufgehoben werden solle. Damit seien alle Bescheide, durch welche ihr Alhi gewährt worden sei, weiterhin wirksam. Auch habe sie ihre Mitteilungspflicht nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig verletzt. Denn die Rentenzahlungen seien niedriger als die vorangegangenen Bruttoeinkünfte aus der abhängigen Beschäftigung gewesen. Als Laie habe sie deshalb davon ausgehen dürfen, dass die zu gewährende Alhi nicht niedriger ausfallen werde. Im Übrigen habe die Beklagte kein Ermessen ausgeübt, ein atypischer Fall sei nicht ersichtlich. Schließlich liege keine Bösgläubigkeit vor.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten mit dem Vorbringen, der Entscheidungssatz des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheids sei auch dann hinreichend bestimmt, wenn der aufgehobene Bewilligungsbescheid nicht mit seinem Datum benannt werde. Denn mit dem Verfügungssatz sei eindeutig erkennbar, dass die für den Zeitraum ab 1. Mai 2002 maßgebende Bewilligungsentscheidung ab dem 1. Mai 2002 teilweise und ab 1. August 2002 in vollem Umfang nicht mehr Rechtsgrund für den Bezug und das Behaltendürfen der bewilligten Alhi bleiben solle. Auch sei in der Sache keine andere Entscheidung möglich gewesen. Abgesehen davon sei im Widerspruchsbescheid im Zusammenhang mit der Begründung der Aufhebung darauf hingewiesen worden, dass die Alhi mit Bescheid vom 11. Februar 2002 bewilligt worden sei. Von der Aufhebung erfasst werde allerdings auch der Änderungsbescheid vom 10. Juli 2002. Die Klägerin habe die eindeutigen Hinweise im Merkblatt für Arbeitslose (Stand: April 2000), welches ihr zugänglich gemacht worden sei, nicht zur Kenntnis genommen. Dort werde auf den Seiten 52 bis 55 darauf hingewiesen, dass das Arbeitsamt benachrichtigt werden müsse, wenn sich Einkommen ändere, wozu auch Änderungen der tatsächlich gewährten Leistungen gehörten. Unabhängig von der subjektiven Einschätzung über die Rechtsfolgen der Einkommensänderung sei die Klägerin zur Mitteilung des Rentenbezugs verpflichtet gewesen, dem aber nicht nachgekommen. Die rechtliche Bewertung der Einkommensänderung hätte sie der Beklagten überlassen müssen. Ermessen sei insoweit gemäß § 330 Abs. 3 SGB III nicht auszuüben.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 23. Februar 2005 hat die Beklagte im Hinblick auf den weiteren Schulbesuch der T. B. und den sich hieraus ergebenden erhöhten Leistungssatz sowie den erhöhten Freibetrag die Rückforderung für den Bezugsmonat August 2002 um 180,69 EUR reduziert. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin angenommen.

Durch Urteil vom 23. Februar 2005 hat das SG die Bescheide vom 21. November 2002 und 3. Dezember 2002 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Januar 2003 und des Teilanerkenntnisses vom 23. Februar 2005 aufgehoben mit der Begründung, die Beklagte sei nicht berechtigt gewesen, die Bewilligung von Alhi auch für die Vergangenheit aufzuheben. Die Aufhebung könne nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X gestützt werden. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 5. Februar 2002 sei zwar ab 1. Mai 2002 rechtswidrig geworden. Denn Anspruch auf Alhi hätten gemäß § 190 Abs. l SGB III in der maßgeblichen Fassung nur Arbeitnehmer, die unter anderem bedürftig sind. Bedürftig sei gemäß § 193 Abs. l SGB III ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreite oder bestreiten könne und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreiche. Zu berücksichtigendes Einkommen sei insbesondere gemäß § 194 Abs. l Satz l Nr. 2 SGB III Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners oder einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebe, soweit es den Freibetrag übersteige. Der Freibetrag sei dabei gemäß § 194 Abs. l Satz 2 SGB III ein Betrag in Höhe der Alhi, die dem Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten entspreche, mindestens aber in Höhe von 80 % des Betrages, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommenssteuer nicht festzusetzen wäre. Der Freibetrag erhöhe sich um Unterhaltsleistungen, die der Ehegatte Dritten aufgrund einer rechtlichen Pflicht zu erbringen habe. Vom Einkommen abzusetzen seien unter anderem die auf das Einkommen entfallenden Steuern, § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. l SGB III. Während nach diesen Vorschriften vom Erwerbseinkommen des Ehegatten der Klägerin zusätzlich noch ein Pauschbetrag abzusetzen gewesen sei, sei die Nettorente ab 1. Mai 2002 voll zu berücksichtigen mit der Folge, dass der Klägerin, solange die Tochter des Ehegatten noch BAföG in Höhe von 85,85 EUR monatlich erhalten habe, nur noch geringere Alhi zugestanden habe als bisher und in der Zeit ab September 2002, in welcher die Tochter des Ehegatten BAföG in Höhe von 348,- EUR - und damit den "Erhöhungsbetrag" von 333,- EUR übersteigende Leistungen - bezogen habe, keine Alhi mehr zugestanden hätte.

Zwar habe die Klägerin ihre Mitteilungspflichten aus § 60 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) verletzt, wonach sie gehalten gewesen sei, sämtliche Änderungen mitzuteilen. Insbesondere seien nach § 60 Abs. l Satz l Nr. 2 SGB I Änderungen in den Verhältnissen, über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden seien, unverzüglich mitzuteilen. Die Klägerin habe danach die Änderung in den Einkommensverhältnissen ab dem 1. Mai 2002 mitteilen müssen. Allerdings sei ihr insoweit keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Zwar hätte sie aufgrund des erhaltenen Merkblatts erkennen können, dass sie die Änderung der Einkommensverhältnisse des Ehegatten der Beklagten hätte anzeigen müssen. Denn dort werde auf Seite 54 darauf hingewiesen, dass das Arbeitsamt benachrichtigt werden müsse, wenn sich das Einkommen des Arbeitslosen oder das seines Ehegatten ändere. Um die Voraussetzungen von § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 2 SGB X zu erfüllen, reiche es jedoch nicht aus, dass die Klägerin die Mitteilung der wesentlichen Änderung grob fahrlässig unterlassen habe. Die Klägerin müsste auch grob fahrlässig nicht erkannt haben, dass die Änderung der Verhältnisse für sie nachteilig sein könne. Vorliegend habe die Klägerin aber nicht aufgrund einfachster, naheliegender Überlegungen davon ausgehen können, dass der Rentenbezug ihres Ehemanns für sie nachteilig sei. Das Durchschnitts-Nettoeinkommen des Ehegatten für die Zeit von November 2001 bis Januar 2002 habe 1.671,73 EUR betragen, der Nettobetrag der Renten ab Mai 2002 hingegen nur 1.326,61 EUR. Bei dieser deutlichen Verringerung der Einkünfte des Ehegatten habe der Klägerin nicht ins Auge springen müssen, dass sie trotzdem nunmehr einen geringeren Anspruch auf Alhi haben würde. Im Merkblatt fänden sich hierzu nur pauschale Auskünfte. Die Klägerin habe im Termin zur mündlichen Verhandlung auch glaubhaft mitgeteilt, dass sie im Gegenteil davon ausgegangen sei, aufgrund der niedrigeren Renteneinkünfte möglicherweise einen höheren Anspruch auf Alhi zu haben, was nachvollziehbar sei. Selbst wenn man der Klägerin auferlegen würde, den Berechnungsbogen, den sie zur ursprünglichen Bewilligung übersandt bekommen habe, nachzuprüfen, hätte diese nicht erkennen können, dass weder Werbungskosten noch der Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen ab Rentenbeginn anrechenbar seien. Im Übrigen ergebe sich bei Abzug der dort aufgeführten Werbungskosten von monatlich 70,- DM und dem Pauschbetrag aus Erwerbsbezügen von monatlich 293,60 DM ein Abzug von nur 185,- EUR monatlich, der die Differenz von 345,12 EUR (durchschnittliche Erwerbsbezüge abzüglich des durchschnittlichen Rentenbetrags im Mai 2002) nicht abdecke. Auch die weitere Änderung in den Verhältnissen, nämlich der höhere BAföG-Bezug der Tochter des Ehegatten durch Bescheid vom 30. Oktober 2002 ab September 2002 habe aufgrund der hohen Differenz zwischen Erwerbs- und Rentenbezügen des Ehegatten nicht dazu geführt, dass die Klägerin ab Kenntnis des Bescheides vom 30. Oktober 2002 hätte erkennen können, dass diese Änderung für sie nachteilig sei. Damit habe die Klägerin weder erkennen können, dass der Anspruch auf Alhi zum Teil weggefallen sei (§ 48 Abs. l Satz 2 Nr. 4 SGB X) noch sei sie der Mitteilungspflicht wesentlicher für sie nachteiliger Änderungen grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs. l Satz 2 Nr. 2 SGB X).

Die Aufhebung könne auch nicht auf § 48 Abs. l Satz 2 Nr. 3 SGB X gestützt werden. Danach werde der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Es genüge zwar, dass nicht der Antragsteller selbst, sondern eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch rechtserheblich sind, Einkommen oder Vermögen erzielt habe. Sinn und Zweck der Regelung sei jedoch nur, den Betroffenen in dem Umfang, in dem er (oder die Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch maßgeblich sind) eine "doppelte" Zahlung erhalten habe, der Aufhebung einer Bewilligung und einer entsprechenden Erstattungspflicht auszusetzen. Ein derartiger Fall liege hier nicht vor, da der Ehemann der Klägerin ab 1. Mai 2002 eine Rente anstelle des bisherigen Erwerbseinkommens bezogen und nicht eine zusätzliche Leistung erhalten habe, die als solche den Alhi-Anspruch der Ehefrau zum Wegfall bringen oder mindern würde. Hinzu komme, dass die Rente nicht höher gewesen sei als das Erwerbseinkommen und sich die Änderung in den Einkommensverhältnissen nur deshalb nachteilig ausgewirkt habe, weil der Rentenbezug einen niedrigeren Freibetrag zur Folge habe und das auf die Alhi anzurechnende Einkommen des Ehegatten sich dadurch erhöht habe. Unter dem Gesichtspunkt der Durchbrechung des Vertrauensschutzes sei mithin eine rückwirkende Herabsetzung der Alhi der Klägerin nicht gerechtfertigt. Damit lägen die Voraussetzungen der Aufhebung nach § 48 SGB X nicht vor.

Gegen das ihr durch Empfangsbekenntnis am 24. März 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 12. April 2005 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt, mit welcher sie vorbringt, im Rahmen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X werde nur daran angeknüpft, ob der Betroffene vorsätzlich oder grob fahrlässig seiner Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Demgegenüber setze beispielsweise § 48 Abs. 1 Nr. 4 SGB X Kenntnis oder grobe Fahrlässigkeit vom (teilweisen) Wegfall des Anspruchs voraus. Vorliegend sei die Klägerin im Merkblatt deutlich darauf hingewiesen worden, alle Veränderungen, die für den Leistungsanspruch bedeutsam sein könnten, umgehend der Behörde mitzuteilen. Von den Leistungsempfängern werde als Laien gerade nicht verlangt zu beurteilen, ob diese Änderungen nachteiliger Natur seien. Hierauf müsse sich ihr Verschulden auch nicht zu beziehen. Diese Prüfung obliege der Beklagten. Die Klägerin sei nur verpflichtet, tatsächliche Änderungen anzuzeigen und nicht rechtliche Wertungen vorzunehmen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 23. Februar 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes mehr als 500,- EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Anspruch auf Alhi hat, wer u. a. bedürftig ist (§ 190 Abs. 1 Nr. 5 SGG). Bedürftig ist ein Arbeitsloser, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht (§ 193 Abs. 1 SGB III). Das zu berücksichtigende Einkommen bestimmt sich vorliegend nach § 194 SGB III in der ab 1. Januar 2002 geltenden Fassung des Altersvermögensgesetzes vom 26. Juni 2001 (BGBl I S. 1310) und des Gesetzes zur Reform des Wohnungsbaurechts vom 13. September 2001 (BGBl I S. 2376). Danach ist das Einkommen des vom Arbeitslosen nicht dauernd getrennt lebenden Ehegatten zu berücksichtigen, soweit es den Freibetrag in Höhe der Alhi, die seinem Einkommen entspricht, mindestens aber in Höhe des Betrages, bis zu dem auf Erwerbsbezüge eines Alleinstehenden Einkommensteuer nicht festzusetzen wäre (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Einkommensteuergesetz (EStG)), übersteigt (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2). Dabei sind im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung sämtliche Einnahmen in Geld oder Geldeswert, einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden können, heranzuziehen (Abs. 2 Satz 1). Ausgenommen sind allein die in § 194 Abs. 3 SGB III und in § 2 Arbeitslosenhilfe-Verordnung vom 13. Dezember 2001 (AlhiV 2002, BGBl. I S. 3734) aufgezählten Leistungen. Von den berücksichtigungsfähigen Einnahmen sind die in § 194 Abs. 2 Satz 2 SGB III genannten Beträge abzusetzen.

Nach Maßgabe dieser Regelungen stand der Klägerin zwischen 1. Mai 2002 und 31. August 2002 ein Anspruch auf Alhi zu, wenngleich nicht in der in dem Bewilligungsbescheid vom 11. Februar 2002 in der Gestalt des Änderungsbescheids vom 10. Juli 2002 festgesetzten Höhe; in der Zeit ab 1. September 2002 bestand mangels keine Bedürftigkeit kein Anspruch mehr. Die zutreffenden Berechnungen der Beklagten in den angegriffenen Bescheiden in Gestalt des Teilanerkenntnisses vom 23. Februar 2005 sind insoweit zwischen den Beteiligten unstreitig. Streitig sind allerdings die weiteren Voraussetzungen der Aufhebung und Rückforderung überzahlter Alhi. Indessen sind die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür auch nach der Auffassung des Senats nicht erfüllt.

Verfahrensrechtliche Grundlage der kassatorischen Entscheidung der Beklagten ist § 48 Abs 1 Satz 2 Nr. 2, 3 und 4 SGB X i.V.m. § 330 Abs 3 Satz 1 SGB III (i.d.F. des Arbeitsförderungsreformgesetzes (AFRG) vom 24. März 1997 - BGBl I 594 -). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung bei einer wesentlichen tatsächlichen oder rechtlichen Änderung der Verhältnisse, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2), nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3 ) oder der Betreffende wusste bzw. nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maß verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist (Nr. 4). Ermessen ist auch in so genannten atypischen Fällen nicht auszuüben (§ 330 Abs. 3 SGB III ). Eine Rücknahme der Bewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit scheidet danach nach sämtlichen Tatbeständen des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X aus.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sind nicht erfüllt. Zwar ist die Klägerin ihrer aus § 60 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB I folgenden Obliegenheit, alle Tatsachen anzugeben, die für die Leistung erheblich sind und auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers der Erteilung der erforderlichen Auskünfte durch Dritte zuzustimmen, nicht nachgekommen, obwohl sie im Zusammenhang mit ihrer Antragstellung auf Bewilligung von Alhi von der Beklagten das "Merkblatt für Arbeitslose" (Stand: April 2000) erhalten und unterschriftlich bestätigt hatte, von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Der Senat vermag allerdings nicht festzustellen, dass sich die Klägerin vorsätzlich oder grob fahrlässig i.S. der Nr. 2 verhalten hat. Eine grobe Fahrlässigkeit in diesem Sinne ist nach der Legeldefinition des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 Halbsatz 2 SGB X anzunehmen, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt im besonders schwerem Maße verletzt hat. Verlangt wird eine Sorgfaltspflichtverletzung in einem außergewöhnlich hohen Ausmaße, d.h. eine schlechthin unentschuldbare Pflichtverletzung; es müssen schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt, also nicht beachtet worden sein, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. BSGE 42, 184, 187 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSG SozR a.a.O. Nr. 10 S. 33). Insoweit ist das Maß der Fahrlässigkeit insbesondere an der persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit, dem Einsichtsvermögen der Betroffenen sowie den besonderen Umständen des Falles zu beurteilen (subjektiver Fahrlässigkeitsbegriff; vgl. BSGE 44, 264, 273 = SozR 5870 § 13 Nr. 2). Missachtet die Begünstigte die klaren und eindeutigen Hinweise im Bescheid oder in einem Merkblatt und konnte sie dies nach ihrer Persönlichkeitsstruktur und ihrem Bildungsstand erkennen, so begründet dies im Regelfall, wenn nicht gar Kenntnis, so zumindest grobe Fahrlässigkeit (vgl. BSGE 44, 264, 273; BSG, Urteil vom 24. April 1997 - 11 RAr 89/96 - (juris)).

Hiervon ausgehend hat die Klägerin es - entgegen den genannten Hinweisen im Merkblatt für Arbeitslose - zwar pflichtwidrig unterlassen, Änderungen in den (Einkommens-) Verhältnissen (ihres Ehemannes), die für die Leistung erheblich sind, unverzüglich anzuzeigen (vgl. BSGE 47, 28 ff = SozR 1500 § 86 Nr. 1; vgl. auch BSG SozR 4100 § 152 Nr. 10). Pflichtwidrigkeit und Schuldhaftigkeit einer unterlassenen Anzeige können aber nur bejaht werden, wenn der Verpflichtete die erforderliche Einsicht in die Erheblichkeit der betreffenden Tatsachen hatte oder haben konnte (BSGE 47, 28, 33 = SozR 4100 § 152 Nr. 6). Hieran fehlt es vorliegend. Denn es musste der Klägerin nicht schon aufgrund einfachster Überlegungen einleuchten, dass die vorliegende Änderung des Einkommens ihres Ehegatten für ihren eigenen Alhi-Anspruch erheblich war. Der Hinweis in dem genannten Merkblatt für Arbeitslose (Seite 55) auf die Mitteilungsobliegenheit bei Einkommensänderungen ist zutreffend und umfassend, zugleich aber sehr allgemein gehalten, indem eine Benachrichtigung verlangt wird, wenn sich "Ihr Einkommen oder Ihr Vermögen, das Einkommen oder das Vermögen Ihres Ehegatten/Partners einer eheähnlichen Gemeinschaft ändert oder dasjenige der Angehörigen, die zu Ihrem Unterhalt verpflichtet sind". Ein konkretisierender Hinweis, dass eine Benachrichtigungsobliegenheit nicht nur bei einer Einkommenserhöhung des Ehegatten besteht, sondern auch bei einer (erheblichen) Einkommensreduzierung infolge des Bezugs von Altersrente, da auch diese für die Leistungsgewährung erheblich sein kann, findet sich darin ebenso wenig wie in dem in Bezug genommenen Merkblatt "Arbeitslosenhilfe" (Stand: April 2001); das dortige Beispiel (Seite 21 f.) erläutert, wie sich aus dem Brutto(erwerbs)einkommen des Ehegatten der Anrechungsbetrag seines Einkommens ergibt, sagt aber nichts über die Auswirkungen des Bezugs von (Netto-) Renteneinkommen eines Ehegatten auf den Bezug von Alhi. Ein solcher Hinweis mag rechtlich nicht zwingend veranlasst sein. Auf der anderen Seite kann dessen Fehlen aber im Einzelfall dazu führen, dass der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht erhoben werden kann, z. B. wenn der Betreffende nicht damit rechnen musste, dass eine Änderung in den Einkommensverhältnissen negative Auswirkungen auf den Leistungsanspruch haben würde (BSG, Urteil vom 29. August 2002 - B 11 AL 87/01 R -, SozR 3-4300 § 137 Nr. 3). Vorliegend musste es der Klägerin - unter Zugrundelegung der ihr erteilten Hinweise - aufgrund der ihr eingeräumten eigenen rechtlichen Wertung (BSGE 42, 184, 188 = SozR 4100 § 152 Nr. 3; BSGE 47, 28, 33; BSG SozR 4100 § 152 Nr. 6) nicht ohne weitere Überlegung klar sein, dass der Eintritt ihres Ehemannes in den Ruhestand und die damit verbundene Reduzierung seines (anrechnungsrelevanten) Nettoeinkommens von (im letzten Jahr) durchschnittlich 1671 EUR auf 1326 EUR, also um ca. 350 EUR monatlich, sich - entgegen ihrer eigenen Erwartung - nicht nur nicht positiv, sondern über die Vorschrift des § 194 SGB III, insbesondere den Wegfall der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten und des Pauschbetrages des § 194 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 SGB III i.V.m. §§ 3 Abs. 1 AlhiV 2002 und 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG, sogar negativ auf ihren eigenen Leistungsanspruch auswirken würde. Diese rechtliche Wertung musste sich der Klägerin als juristisch nicht (vor)gebildeter Person nicht schon bei einfachster Anstrengung aufdrängen. Kann aber die rechtliche Einschätzung der Klägerin, insbesondere das Verkennen der negativen Auswirkungen der Einkommensreduzierung ihres Ehegatten auf ihren eigenen Leistungsanspruch, nicht als von Vornherein abwegig qualifiziert werden, so handelte sie jedenfalls nicht grob fahrlässig i.S. des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X. Unter diesen Umständen kann der Klägerin auch nicht vorgeworfen werden, nicht erkannt zu haben, dass infolge des Bezugs von (niedrigerem) Renteneinkommen durch ihren Ehegatten ihr eigener Alhi-Anspruch teilweise weggefallen war (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 11 AL 57/99 R, SozR 3-4100 § 138 Nr. 14).

Schließlich hat das SG zutreffend auch das Vorliegen der Voraussetzungen der § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X verneint. Zwar eröffnet diese - weit gefasste - Vorschrift die Aufhebung von Verwaltungsakten mit Wirkung für die Vergangenheit bei jedem nachträglichen Erzielen von leistungsschädlichem Einkommen oder Vermögen (vgl. Freischmidt in Hauck/Noftz, SGB X, § 48 Rdnr. 19; Waschull in LPK-SGB X, § 48 Rdnr. 65). Allerdings ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass die sehr weitgehende Möglichkeit der Aufhebung des Verwaltungsakts für die Vergangenheit nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nur in dem Umfang als sachgerecht anzusehen ist, als sie die "Abschöpfung" eines unzulässigen Doppelbezuges ermöglicht (BSG, Urteil vom 23. März 1995 - 13 RJ 39/94 -, SozR 3-1300 § 48 Nr. 37; SozR 3-4100 § 138 Nr. 14; B 11 AL 70/02 R (juris)). Gleiches muss dann gelten, wenn es - wie hier - nicht um einen Einkommensbezug auf Seiten des Leistungsempfängers geht, sondern um den des Ehegatten, welcher aber für die Alhi-Bemessung erheblich ist. Hiervon ausgehend, sind die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X vorliegend nicht erfüllt, da beim Ehegatten der Klägerin kein "Doppelbezug" im vorgenannten Sinne vorlag, sondern das seit 1. Mai 2002 bezogene Renteneinkommen an die Stelle des (höheren) Erwerbseinkommens getreten ist.

Liegen damit bereits aus diesem Grund die Voraussetzungen für die Rückforderung von Alhi in der Zeit von 1. Mai 2002 bis 31. Oktober 2002 nicht vor, bedarf keiner Entscheidung, ob der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 21. November 2002 (in Gestalt des Änderungsbescheids vom 3. Dezember 2002) und der Widerspruchsbescheid vom 20. Januar 2003 auch deswegen rechtlichen Bedenken unterliegen, weil darin zwar der Bewilligungsbescheid vom 11. Februar 2002 in Bezug genommen wird, nicht aber der Änderungsbescheid vom 10. Juli 2002 (s. entsprechend VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 2. Januar 2006 - 7 S 468/03 - (juris); vgl. aber BSG, Urteil vom 27. Juli 2000 - B 7 AL 88/99 -, SozR 3-1300 § 45 Nr. 42).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor. Die Rechtssache ist weder rechtsgrundsätzlich bedeutsam noch liegt eine Divergenz vor. Insbesondere ist die Beurteilung des Verschuldens im Rahmen von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und 4 SGB X nicht von rechtsgrundsätzlicher im Sinne allgemeiner Bedeutung, sondern eine Frage des Einzelfalles.
Rechtskraft
Aus
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