L 7 AL 2996/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 5298/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AL 2996/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet die außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Minderung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld (Alg) wegen verspäteter Meldung.

Der 1981 geborene Kläger war nach Abschluss seiner Ausbildung zum Metzger im Juli 2003 im Wechsel versicherungspflichtig beschäftigt und arbeitslos, letzteres zuletzt vom 25. Mai bis 30. Juni 2004. Am 29. Juni 2004 schloss der Kläger einen vom 1. Juli 2004 bis 30. Juni 2005 befristeten Arbeitsvertrag ab und zeigte der Beklagten am gleichen Tag an, das er ab 1. Juli 2004 eine Tätigkeit aufnehmen werde.

Am 10. Juni 2005 meldete sich der Kläger mit Wirkung zum 1. Juli 2005 arbeitslos. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 bewilligte die Beklagte ab 1. Juli 2005 Alg nach einem Bemessungsentgelt von täglich 70,54 EUR (Leistungssatz 27,23 EUR). Mit einem Schreiben vom gleichen Tag "Erläuterungen zum Bewilligungsbescheid - Minderung gemäß § 140 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III)" teilte die Beklagte dem Kläger mit, er habe sich spätestens am 1. April 2005 arbeitsuchend melden müssen, die Meldung sei jedoch erst am 10. Juni 2005 und damit um 70 Tage zu spät erfolgt. Nach § 140 SGB III mindere sich der Anspruch auf Leistungen um 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung (längstens jedoch für 30 Tage). Daraus errechne sich ein Minderungsbetrag in Höhe von 1.050,00 EUR. Der Minderungsbetrag werde auf die halbe Leistung angerechnet, woraus sich ein Abzug von der täglichen Leistung in Höhe von 13,61 EUR ergebe. Die Anrechnung beginne am 1. Juli 2005 und ende voraussichtlich mit der Zahlung des Alg für 78 Leistungstage.

Der Kläger erhob Widerspruch und machte geltend, es sei ihm nicht bekannt gewesen, dass er sich bereits am 1. April 2005 hätte arbeitsuchend melden müssen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei mit dem Aufhebungsbescheid vom 26. April 2004 ausdrücklich über die Notwendigkeit der unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung informiert worden. Auf der Rückseite des Bescheides habe sich folgende Belehrung gefunden: Ab dem 01.07.2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitsuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Versicherungspflichtverhältnisses kennen. Die Meldepflicht entsteht z.B. bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis unverzüglich nach Zugang der Kündigung oder nach Abschluss des Aufhebungsvertrages. Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis oder in einem anderen Versicherungspflichtverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden. Bitte beachten Sie, dass eine verspätete Meldung zu einer Verringerung der Höhe Ihres zukünftigen Leistungsanspruches führen kann. Die Meldung sei nach alledem um 70 Tage (vom 1. April 2005 bis 9. Juni 2005) zu spät erfolgt.

Am 28. Oktober 2004 hat der Kläger zum Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Mit Gerichtsbescheid vom 19. April 2006 hat das SG den Bescheid vom 24. Oktober 2005 (einschließlich Erläuterung vom 24. Oktober 2005) in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. November 2005 insoweit aufgehoben, als die Beklagte darin den Anspruch des Klägers ab 1. Juli 2005 um 1.050,00 EUR gemindert hat. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, sowohl in § 37b SGB III wie auch in § 140 Satz 1 SGB III sei von einer "unverzüglichen" Meldung die Rede. Unverzüglich bedeute "ohne schuldhaftes Zögern". Habe jemand von der Verpflichtung des § 37b SGB III unverschuldet keine Kenntnis, könne er diese auch nicht schuldhaft verletzt haben (unter Hinweis auf BSG, Urteile vom 18. August 2005 - B 7/7a AL 80/04 R, B 7/7a AL 94/04 R und B 7/7a AL 4/05 R). Der Kläger trage vor, er habe von der in § 37b SGB III normierten Verpflichtung keine Kenntnis gehabt. Auch sei er durch die frühere Arbeitgeberin über die genannte Verpflichtung nicht informiert worden. Entsprechende Belehrungen in Merkblättern, die dem Kläger aus Anlass von früheren Arbeitslosmeldungen ausgehändigt worden seien, reichten nicht aus. Das Merkblatt solle den Arbeitslosen bezogen auf den jetzt anstehenden konkreten Versicherungsfall hinsichtlich all seiner Rechte und Pflichten im Rahmen dieses Versicherungsfalles umfassend informieren. Nicht verbunden sei damit (aus dem Empfängerhorizont des Arbeitslosen) die Verpflichtung, Hinweise, die für künftig möglicherweise erneut eintretende Versicherungsfälle gelten könnten, in der Weise wahrzunehmen und zu verinnerlichen, dass diese auch hierfür präsent blieben. Es sei kaum vorstellbar, dass derartige Hinweise gegebenenfalls zeitlich unbegrenzt in die Zukunft wirken könnten. Gleiches gelte auch hinsichtlich des Hinweises im Aufhebungsbescheid, den ein Betroffener aus Anlass der Beendigung eines früheren Versicherungsfalles erhalten habe. Aus Sicht des Empfängers stelle sich ein solcher Bescheid als Abschlussdokument des konkret zu Ende gegangenen Versicherungsfalles dar. Erfahrungsgemäß werde ein solcher Bescheid lediglich einer kurzen Prüfung auf dessen inhaltliche Richtigkeit unterzogen. Im Übrigen sei der lediglich auf der Rückseite des Aufhebungsbescheides ohne besondere Hervorhebung im allgemeinen Textteil aufgenommene Hinweis nicht ausreichend, um die erforderliche Warnfunktion, die hiermit verbunden sein solle, zu erfüllen.

Hiergegen hat die Beklagte am 14. Juni 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt. Sie macht geltend, auch wenn der Kläger keine Kenntnis von der Verpflichtung gehabt habe, sei er dennoch klar und eindeutig sowohl im Merkblatt, das er im Zuge einer früheren Arbeitslosigkeit (vom 18. Juli 2003) erhalten und den Erhalt mit seiner Unterschrift bestätigt habe, als auch durch die Hinweise der Beklagten im Aufhebungsbescheid vom 26. April 2004 über die Zeit ab 1. April 2004 ausreichend über seine Verpflichtung und den Zeitpunkt der rechtzeitigen Arbeitslosmeldung unterrichtet worden. Der Kläger sei mithin zumindest fahrlässig in Unkenntnis über die ihm auferlegte Obliegenheit nach § 37b SGB III und habe sich daher fahrlässig nicht rechtzeitig arbeitsuchend gemeldet. Am 29. Juni 2004 habe der Kläger mitgeteilt, dass er ab 1. Juli 2004 eine Beschäftigung aufnehme, nicht jedoch die Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Daraufhin habe er wiederum einen Aufhebungsbescheid für die Zeit ab 1. Juli 2004 erhalten, der auf der Rückseite den ausdrücklichen Hinweis, sich unverzüglich arbeitsuchend zu melden, enthielt. Die Hinweise spiegelten zwar nicht den reinen Gesetzestext wieder, enthielten jedoch eindeutige Hinweise, dass sich ein Antragsteller bei einem befristeten Arbeitsverhältnis drei Monate vor dessen Beendigung arbeitsuchend melden muss, um eine Minderung des Leitungsanspruchs zu vermeiden, was dem Sinn und Zweck der Regelung in § 37b SGB III eindeutig entsprochen habe. Die Hinweise seien richtig und genügten der Informationspflicht im Sinne der höchstrichterlichen Rechtsprechung (unter Hinweis auf Urteil des LSG vom 25. April 2006 - L 12 AL 3283/05 mit Zitat von BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04). In dem Aufhebungsbescheid sei auf der ersten Seite mittels Fettdruck und Unterstreichung mit dem Wortlaut: "Beachten Sie bitte die wichtigen Hinweise auf der Rückseite" auf die besondere Bedeutung der nachstehenden Ausführungen hingewiesen worden. Dass es sich bei dem Aufhebungsbescheid um ein "Abschlussdokument" handele, der bei den Betroffenen keine besondere Bedeutung entfalte und daher nicht im Detail gelesen werde, möge in der Praxis zutreffend sein, entbinde den Betroffenen jedoch nicht von der Verpflichtung, diesen Bescheid ebenso sorgfältig zu lesen wie jeden anderen Bescheid. Dass der Aufhebungsbescheid und die Aushändigung des Merkblattes nicht in konkretem Zusammenhang mit dem vorliegenden Versicherungsfall stünden, spiele keine Rolle. Leistungsempfänger, welche ein Merkblatt erhalten hätten, in dem auf leistungsrechtliche Auswirkungen und Mitwirkungspflichten hingewiesen werde, könnten sich nicht mit Erfolg darauf berufen, den Inhalt des Merkblattes nach Monaten und Jahren nicht mehr zu kennen (LSG, Urteil vom 17. November 2005 - L 12 AL 2565/05 und Urteil vom 23. März 2005 - L 5 AL 1420/04). Die Auffassung, dass diese frühere Aufklärung nur auf den damals konkret anstehenden Versicherungsfall bezogen und für den neuen ein Jahr später eingetretenen Versicherungsfall nicht mehr gelten solle, halte die Beklagte für verfehlt. Jedenfalls gelte der Hinweis im Merkblatt einer frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung nach Beendigung eines neuen Arbeitsverhältnisses auch für die Zeit danach, da dieser Hinweis sonst ins Leere laufen würde. Eine konkrete am Einzelfall orientierte Rechtsfolgenbelehrung sei der Beklagten im Falle des § 37b SGB III ansonsten schwer möglich und führte in der Praxis zu einer vollständigen Unterwanderung des § 37b SGB III, was vom Gesetzgeber nicht gewollt sein könne. Es liege auch keineswegs eine längere Zeit zwischen dem Erhalt des Merkblattes bzw. dem Aufhebungsbescheid und dem Eintritt der erneuten Arbeitslosigkeit, sondern nur ca. ein Jahr. Es sei nicht zu viel verlangt, dass sich der Kläger diese spezielle Regelung einer späteren Arbeitssuchendmeldung mindestens für ein Jahr im Gedächtnis behalte.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19. April 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

die Berufung zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass eine schuldhafte Unkenntnis hinsichtlich seiner Verpflichtung der frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung nicht vorliege. Im Arbeitsvertrag seines früheren Arbeitgebers sei er nicht über ein solches Meldeerfordernis informiert worden. Zudem sei er bis zuletzt der Überzeugung gewesen, dass er nach Ablauf des Arbeitsvertrages in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen werde. Er sei von der Beklagten auch nicht explizit über die besondere Regelung bei befristeten Arbeitsverhältnissen aufgeklärt worden. Das Merkblatt habe nicht in konkretem Zusammenhang mit seinem Fall gestanden. Bei befristeten Arbeitsverträgen habe eine Arbeitssuchendmeldung "frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen" (§ 37b SGB III). Da der Gesetzgeber § 37b SGB III nicht eindeutig formuliert habe und sich aus dem Gesetz nicht ergebe, bis zu welchem Zeitpunkt die Arbeitssuchendmeldung erfolgen müsse, habe er nicht erkennen können, dass sein Verhalten Folgen nach sich ziehe.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Leistungsakte der Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Gemäß § 95 SGG ist Gegenstand des Verfahrens - wie das SG zutreffend erkannt hat - neben dem Bewilligungsbescheid vom 24. Oktober 2005 und dem Widerspruchsbescheid vom 22. November 2005 auch das Erläuterungsschreiben der Beklagten vom 24. Oktober 2005. Dabei kann dahinstehen, ob dieses Schreiben überhaupt eine Regelung im Sinne des § 31 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) enthält, da der Bewilligungsbescheid mit dem Schreiben zusammen eine rechtliche Einheit über die (verringerte) Bewilligung von Alg enthält (BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -; so bereits Urteile des Senats vom 12. Mai 2005 - L 7 AL 753/05 - und vom 12. Januar 2006 - L 7 AL 4270/05 -). Streitig ist im vorliegendem Verfahren lediglich die Minderung, da die Klage hierauf beschränkt war (vgl. BSG a.a.O.).

Anspruch auf Alg haben nach § 117 SGB III (in der hier anzuwenden Fassung des Dritten Gesetztes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2003, BGBl I 2828 - SGB III a.F.) Arbeitnehmer, die 1. arbeitslos sind, 2. sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet (§ 122 Abs. 1 SGB III) und 3. die Anwartschaftszeit erfüllt haben (vgl. §§ 123 Satz 1, 124 Abs. 1 SGB III a.F.). Diese Voraussetzungen waren im Fall des Klägers in der streitbefangenen Zeit gegeben. Er hatte mithin ab dem 1. Juli 2005 Anspruch auf Alg. Die Beklagte war nicht berechtigt, diesen Anspruch um den hier streitigen Gesamtminderungsbetrag von 1.050,00 EUR in der Form der Anrechnung auf das halbe Alg pro Tag zu kürzen. Der Kläger hatte vielmehr Anspruch auf ungemindertes Alg. Die Voraussetzungen für eine Minderung nach § 140 SGB III a.F. lagen nicht vor.

Hat sich der Arbeitslose entgegen § 37b SGB III nicht unverzüglich arbeitsuchend gemeldet, so mindert sich nach § 140 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. das Alg, das dem Arbeitslosen aufgrund des Anspruchs zusteht, der nach der Pflichtverletzung entstanden ist. Die Minderung beträgt nach Satz 2 a.a.O. bei einem Bemessungsentgelt bis 100,00 EUR 35,00 EUR für jeden Tag der verspäteten Meldung. Die Minderung ist auf den Betrag begrenzt, der sich bei einer Verspätung von 30 Tagen errechnet (Satz 3 a.a.O.). Die Minderung erfolgt, indem der Minderungsbetrag, der sich nach den Sätzen 2 und 3 ergibt, auf das halbe Alg angerechnet wird. Die Vorschrift des § 37b SGB III a.F., auf welche § 140 SGB III a.F. Bezug nimmt, bestimmt Folgendes: Personen, deren Versicherungspflichtverhältnis endet, sind verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden. Im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses bestimmt Satz 2 der Vorschrift, dass die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen hat.

Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, ist § 37b Satz 2 SGB III a.F. in sich nicht so widersprüchlich und unbestimmt, dass er den rechtsstaatlichen Erfordernissen an eine Sanktionsandrohung nicht mehr genügen kann. Satz 2 der Vorschrift ist vielmehr als unselbständige Begrenzung des § 37b Satz 1 SGB III a.F. anzusehen. Dies bedeutet, dass eigentlich auch der befristet Beschäftigte unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunktes zur Meldung angehalten ist, er sich jedoch erst drei Monate vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses melden muss, auch wenn ihm der Beendigungszeitpunkt bereits vorher bekannt ist. Nach Sinn und Zweck der Regelung ist die Norm bei befristeten Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mehr als drei Monaten so auszulegen, dass "spätestens" drei Monate vor Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses eine Meldung zu erfolgen hat (BSG, Urteil vom 20. Oktober 2005 - B 7a AL 50/05 RBSGE 95, 191 = SozR 4-4300 § 37b Nr. 2).Vorliegend war das Arbeitsverhältnis von vornherein bis 30. Juni 2005 befristet, der Kläger hätte sich somit spätestens am 1. April 2005 arbeitsuchend melden müssen. Die Meldung am 10. Juni 2005 war folglich verspätet.

Die hier im Gesetz normierte Pflicht ist eine versicherungsrechtliche Obliegenheit, zu deren Konkretisierung auf die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern") zurückzugreifen ist. Die Unkenntnis über die Obliegenheit ist nicht ohne rechtliche Bedeutung, sondern es ist unter Anwendung eines subjektiven Maßstabs zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war (BSG, Urteil vom 18. August 2005 - B 7a/7 AL 80/04 R - (juris) m.w.N.). Ein Arbeitnehmer verletzt die genannte Obliegenheit, wenn er sich trotz ihrer Kenntnis nicht innerhalb der gebotenen Handlungsfrist bei der Agentur für Arbeit meldet. Er verletzt sie nicht, wenn er sich aufgrund unverschuldeter Rechtsunkenntnis nicht rechtzeitig meldet (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 25. April 2006 - L 12 AL 3283/05 - (juris)). Verschulden in diesem Sinn ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer unter Anwendung eines subjektiven Maßstabes zumindest fahrlässig in Unkenntnis seiner Verpflichtung war. Eine solche Kenntnis oder zumindest fahrlässige Unkenntnis der Obliegenheit ist grundsätzlich dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer zutreffend belehrt worden ist. Die Belehrung kann durch die Bundesagentur für Arbeit aber auch durch den Arbeitgeber auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III erfolgen. Eine zutreffende Belehrung beseitigt die unverschuldete Unkenntnis (BSG, Urteil vom 25. Mai 2005 - B 11a/11 AL 81/04 R -, BSGE 95, 8).

In Anwendung dieser Grundsätze kann dem Kläger keine verschuldete Unkenntnis vorgehalten werden. Zwar ist er in den Aufhebungsbescheiden sowie den ihm übergebenen Merkblättern darauf hingewiesen worden, dass er sich im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses drei Monate vor dessen Beendigung bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden müsse. Schon insoweit erscheint allerdings zweifelhaft, ob die Belehrung den Inhalt der Norm, wie er sich nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BSG darstellt (BSGE 95, 191), zutreffend wiedergibt. Denn nach der Belehrung ist die Meldung nur an einem konkreten Tag, genau drei Monate vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses, rechtzeitig. Tatsächlich ist jedoch die Meldung spätestens drei Monate vor Beendigung, damit auch zu einem Zeitpunkt vor Ablauf der Dreimonatsfrist, möglich. Jedenfalls ist der Kläger jedoch über die drohenden Nachteile nicht in einer den Anforderungen des Gesetzes entsprechenden Weise belehrt worden. Hierzu heißt es nämlich, dass eine verspätete Meldung zur Verringerung der Höhe des zukünftigen Leistungsanspruches führen könne. Damit wird der Normgehalt des Regelungskomplexes der §§ 37b, 140 SGB III a.F. nicht zutreffend wiedergegeben. Die gesetzliche Lage war vielmehr auch nach dem damaligen Rechtszustand so, dass die Minderung gerade nicht im Ermessen der Agentur für Arbeit steht, sondern zwingende gesetzliche Folge der Obliegenheitsverletzung ist. Der Hinweis in den Aufhebungsbescheiden, nahezu wörtlich übereinstimmend auch im Merkblatt für Arbeitslose, ist lediglich eine formelhafte, nicht ausreichende teilweise Wiedergabe des Gesetzestextes des § 140 Satz 1 SGB III a.F. und macht nicht deutlich, dass die Minderung zwingend erfolgen muss. Dem Kläger war damit nicht der korrekte Gehalt der gesetzlichen Regelung nahe gebracht worden (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 29. März 2006 - L 12 AL 27/05 - ;vom 5. April 2006 - L 12 AL 114/05 – und vom 8. November 2006 – L 12 AL 31/06; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. März 2006 – L 1 AL 42/05 - (alle in juris)). Auf die Frage, ob Hinweise in Aufhebungsbescheiden überhaupt ausreichen können, um einen Fahrlässigkeitsvorwurf zu begründen, kommt es daher nicht an. Schon wegen der inhaltlich nicht ausreichenden Belehrung kann dem Kläger nicht der Vorwurf einer schuldhaften Obliegenheitsverletzung gemacht werden, weshalb die angefochtenen Minderungsbescheide zu Unrecht ergangen sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierzu (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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