L 1 R 248/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 5 RA 7422/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 R 248/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten, für ihn Zeiten der Zugehörigkeit zur Altersversorgung der technischen Intelligenz – AVItech – (Zusatzversorgungssystem nach Anlage 1 Nr. 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz [AAÜG]) und entsprechende Verdienste für die Zeit vom 8. April 1970 bis 20. Mai 1978 festzustellen.

Er ist 1945 geboren und darf seit 8. April 1970 die Berufsbezeichnung Ingenieur führen. Er war vom 16. März 1970 bis 30. April 1975 als M im Ingenieurbüro für Betriebswirtschaft und Rationalisierung des Haushaltswarengroßhandels, vom 1. Mai 1975 bis 31. März 1976 als L und B bei der Großhandelsgesellschaft Haushaltswaren B-L und vom 1. April 1976 bis 20. Mai 1978 als L beim Zentralen Warenkontor für Haushaltswaren beschäftigt.

Der Kläger beantragte im Dezember 1999, den Zeitraum vom 2. Februar 1970 bis 30. Juni 1990 als Zeit der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem anzuerkennen. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 die Zeiten vom 22. Mai 1978 bis zum 24. September 1979 und vom 21. November 1979 bis zum 30. Juni 1990 als Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen Einrichtungen und die tatsächlich erzielten Arbeitsentgelte fest. Die Anerkennung weiterer Zeiten lehnte sie ab. Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 22. Dezember 2001 Widerspruch und wies auf seine Ingenieurstätigkeit hin. Er habe in der Zeit vom 16. März 1970 bis 20. Mai 1978 als wissenschaftlicher Mitarbeiter bzw. Leittechnologe Lagerausrüstungen und Hebezeuge, neuartige Lagerregale und Flurförderzeuge sowie einen Lagerneubau konstruiert bzw. projektiert. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22. November 2002 zurück. Bei den Arbeitgebern des Klägers in der fraglichen Zeit, dem Büro für Betriebswirtschaft und Rationalisierung des Haushaltswarengroßhandels, der Großhandelsgesellschaft Haushaltswaren sowie beim Zentralen Warenkontor für Haushaltswaren, habe es sich nicht um volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie oder des Baues gehandelt.

Hiergegen hat der Kläger vor dem Sozialgericht Berlin (SG) geklagt. Das Zentrale Warenkontor für Haushaltswaren habe einen eigenständigen Bereich unterhalten, der selbständig die Projektierung, Konstruktion und Leitung der Bauprojekte für Lagerneu- und Lagerumbauten vorgenommen habe. Es habe sich deshalb um einen industriellen Produktionsbetrieb gehandelt, bei dem der Kläger ingenieurtechnisch tätig gewesen sei.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 11. Januar 2005 abgewiesen. Der Kläger sei in der fraglichen Zeit nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb tätig gewesen. Alle Indizien sprächen dafür, dass das Zentrale Warenkontor für Haushaltswaren nicht dem produzierenden Sektor, sondern dem Bereich Handel zuzurechnen sei. So sei der Betrieb innerhalb der Systematik der Volkswirtschaftszweige der DDR in der verbindlichen Systematik für die Planung und statistischen Abrechnungen dem Bereich Handel zugeordnet gewesen (konkret Wirtschaftsgruppe Nr. 61152, Wirtschaftsleitendes Organ des Binnenhandels). Es sei auch nicht einem Industrieministerium, sondern dem Ministerium für Handel und Versorgung unterstellt gewesen, wie sich aus der entsprechenden Eintragung im Handelsregister ergebe. Auch hätten die Arbeitsverträge des Klägers stets auf die Anwendbarkeit der Rahmenkollektivverträge des Binnenhandels verwiesen. Ob es sich beim Arbeitgeber in der Zeit überhaupt um einen volkseigenen Betrieb gehandelt habe, könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Das SG habe übersehen, dass er nachweislich eine Berufstätigkeit ausgeübt habe, welche im Wesentlichen dem Berufsbild eines Ingenieurs entsprochen habe. Er sei durchgängig im Bereich der Projektierung und Konstruktion sowie der Leitung von Baumaßnahmen in Lagerbauten und Lagerobjekten beschäftigt gewesen. Aus der Berufungsurkunde der Frau J zur D der Großhandelsgesellschaft Haushaltswaren B vom 1. 2. 1977, in der es u. a. heiße, dass sich Aufgaben, Rechte und Pflichten aus der Anordnung über die Anwendung der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes auf den Konsumgüterbinnenhandel vom 04.02.1967 ergäben, folge die Zuordnung zu den volkseigenen Produktionsbetrieben. Die Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung der technischen Intelligenz sei nicht auf Ingenieure speziell in Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens beschränkt gewesen. In der maßgeblichen Verordnung selbst über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz sei nämlich nur von volkseigenen Betrieben, nicht jedoch von Produktionsbetrieben, geschweige denn von Produktionsbetrieben der Industrie und des Bauwesens die Rede. Auch in § 1 Abs. 2 der 2. Durchführungsbestimmung vom 24. Mai 1951 (GBl. S. 487) (2. DB) zur Verordnung über die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben vom 17. August 1950 (GBl. S. 844) (VO AVItech) würden lediglich einzelne Betriebe gleichgestellt. Hilfsweise trägt der Kläger vor, dass es sich beim Büro für Betriebswirtschaft und Rationalisierung des Haushaltswarengroßhandels, der Großhandelsgesellschaft Haushaltswaren sowie beim Zentralen Warenkontor für Haushaltswaren um volkseigene Produktionsbetriebe der Industrie und des Bauwesens gehandelt habe. Sie hätten nämlich ihren Hauptzweck in der industriellen Fertigung, Fabrikation und Herstellung bzw. Produktion von sozialistischen Produktionsmodellen gehabt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 11. Januar 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 7. Dezember 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22. November 2002 zu verurteilen, die Zeit vom 8. April 1970 bis 20. Mai 1978 als Zeit der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesem Zeitraum erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Beklagtenakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Senat verweist auf die zutreffende Begründung des angegriffenen Urteils (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).

Der Kläger hat zunächst keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 AAÜG in direkter Anwendung. Er ist in der DDR niemals in das Versorgungssystem der AVItech einbezogen worden.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 Abs. 1 AAÜG auf Feststellung der beantragten Zeiten als solche der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG sowie der entsprechenden Arbeitsentgelte gemäß § 8 Abs. 2 AAÜG.

Für welche Zeiten konkret die Zugehörigkeit zu einem Versorgungswerk festzustellen ist, bemisst sich nach § 5 Abs. 1 AAÜG. Diese Norm ordnet die Gleichstellung mit Pflichtbeitragszeiten der Rentenversicherung an, in denen der "Versorgungsberechtigte" eine entgeltliche Beschäftigung zu irgendeinem Zeitpunkt (notwendig vor dem 1. Juli 1990) ausgeübt hat, wegen der ihrer Art nach eine zusätzliche Altersversorgung in einem System vorgesehen war, das in der Anlage 1 und 2 im AAÜG aufgelistet ist (so Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 26. 10. 2004 – B 4 RA 40/04 R – SozR 4 – 8570 § 5 Nr. 6 Rn. 15 m. w. N.). "Ihrer Art nach von einem Versorgungssystem" erfasst ist diejenige entgeltliche Beschäftigung, für die §§ 1 und 5 der VO AVItech einschlägig sind (BSG, aaO Rn. 16 ff.). Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, welcher der Senat folgt, und entgegen der Auffassung des Klägers, hängt der fiktive bundesrechtliche Anspruch auf Erteilung einer Versorgungsberechtigung im Bereich der AVItech gemäß § 1 VO AVItech und § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 der 2. DB von drei Voraussetzungen ab (vgl. u. a. BSG Urteil vom 12. Juni 2001 -B 4 RA 117/00 R-, SozR 3-8570 § 5 Nr. 6; Urteil vom 10. April 2002 -B 4 RA 10/02 R- SozR 3-8570 § 1 Nr. 5; Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R). Der Betroffene muss - berechtigt gewesen sein, eine der in § 1 Abs. 1 Satz 1 der 2. DB genannten Berufsbezeich¬nungen zu führen, und - eine diesem Beruf entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt haben und zwar - für einen Arbeitgeber, der ein volkseigener Produktionsbetrieb im Bereich der In¬dustrie oder des Bauwesens oder der einem solchen Betrieb durch § 1 Abs. 2 der 2. DB gleichgestellt worden war.

Die betriebliche Voraussetzung für eine fiktive Einbeziehung eines Betroffenen in die AVItech zum 1. August 1991 ist nur erfüllt, wenn der VEB ein Produktionsbetrieb der In¬dustrie oder des Bauwesens war. Materiell-rechtlich kommt es allein darauf an, ob der vom arbeitgebenden VEB tatsächlich verfolgte Hauptzweck auf die industrielle Fertigung (Fabrika¬tion, Herstellung, Produktion) von Sachgütern ausgerichtet war. Die Frage, was der tatsächliche Hauptzweck eines bestimmten VEB war, ist keine Rechtsfrage; sie betrifft vielmehr die Haupttatsache, von deren Vorliegen die Erfüllung der o.g. betrieblichen Voraussetzung abhängt. Welche Aufgabe dem VEB faktisch das Gepräge gegeben hat, kann allein aufgrund der konkreten tatsächlichen Verhältnisse im jeweiligen VEB beurteilt werden (BSG, Urteil vom 6. Mai 2004, Az: B 4 RA 44/03 R).

Das SG hat zutreffend ausgeführt, warum hier nicht von industriellen Produktionsbetrieben ausgegangen werden kann. Die vom Kläger angeführten Indizien vermögen eine Charakterisierung der Arbeitgeber des Klägers als volkseigene Produktionsbetriebe nicht zu rechtfertigen. So kann insbesondere aus der in Kopie eingereichten Berufungsurkunde der Frau J nichts hierfür entnommen werden. Zwar heißt es dort, "dass sich Aufgaben, Rechte und Pflichten aus der Anordnung über die Anwendung der Verordnung über die Aufgaben, Rechte und Pflichten des volkseigenen Produktionsbetriebes auf den Konsumgüterbinnenhandel vom 04.02.1967ergeben". Daraus folgt aber nur eine entsprechende Anwendung der Verordnung für Produktionsbetriebe und gerade nicht, dass die Großhandelsgesellschaft Haushaltswaren selbst ein Produktionsbetrieb gewesen ist. Für die Annahme, dass es sich um gleichgestellte Betriebe nach § 1 Abs. 1 der 2. DB (zum Beispiel eine Vereinigung volkseigener Betriebe oder gar ein Forschungsinstitut) gehandelt haben könnte, gibt es schließlich auch keine Anhaltspunkte.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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