L 4 KR 3445/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 11 KR 4099/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 3445/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Mai 2006 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte verurteilt wird, dem Kläger Krankengeld vom 21. Mai bis 14. September 2005 zu gewähren.

Die Beklagte hat dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob dem Kläger Krankengeld (Krg) vom 21. Mai bis 14. September 2005 zusteht.

Der am 1957 geborene Kläger war zunächst aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei der Beklagten versichert. Er war bis zum 31. Januar 2004 als CNC-Dreher bei der Firma G. Metallverarbeitung vollschichtig beschäftigt. Dieses Beschäftigungsverhältnis endete aufgrund einer Kündigung durch den Arbeitgeber. Insoweit wurde auch in dem zwischen dem Kläger und dem Arbeitgeber am 27. Februar 2004 beim Arbeitsgericht (ArbG) Freiburg, Kammern Offenburg, anhängig gewesenen Klageverfahren (10 Ca 764/03) am 27. Februar 2004 geschlossenen Vergleich außer Streit gestellt, dass das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher betriebsbedingter Kündigung des Arbeitgebers mit Ablauf des 31. Januar 2004 geendet hat. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt der Kläger eine vereinbarte Sozialabfindung in Höhe von EUR 3.000,00. Der Kläger hatte sich bereits am 19. Dezember 2003 bei der Agentur für Arbeit in Lahr für eine vollschichtige Tätigkeit arbeitslos gemeldet. Ab 01. Februar 2004 gewährte ihm die Agentur für Arbeit Arbeitslosengeld (Alg). Damit war der Kläger ab 01. Februar 2004 bei der Beklagten im Rahmen der Krankenversicherung der Arbeitslosen (KVdA) versichert.

Ab 31. März 2004 bescheinigte dem Kläger zunächst die internistische Gemeinschaftspraxis Dres. H. und G. Arbeitsunfähigkeit (AU). Die Agentur für Arbeit zahlte daraufhin Alg bis zum 11. Mai 2004 fort. Ab 12. Mai 2004 gewährte die Beklagte dem Kläger Krg. Am 07. Mai 2004 bescheinigte der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin, Homöopathie-Psychiatrie K.-S. beim Kläger die Fortdauer der AU (Diagnose: F32.9G). Der genannte Arzt hatte dem Kläger auch am 03. Mai 2004 eine Verordnung von Krankenhausbehandlung wegen "Depression; emotional instabile Persönlichkeit" ausgestellt. Im Schreiben vom 03. Mai 2004 hatte der Arzt ausgeführt, um eine weitere Chronifizierung der AU zu vermeiden, sei dringend eine stationäre Behandlung in der Psychosomatischen Klinik B. H. notwendig. Die Beklagte erhob ein sozialmedizinisches Gutachten des Dr. Gr. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in O. vom 18. Mai 2004. Der Arzt stellte als Diagnosen eine Belastungsreaktion aufgrund sozialer Konfliktsituation (Arbeitsplatzverlust sowie familiäre Problematik, Suizid der Mutter Ende Februar und Tod des Vaters Ende März 2004) als überwiegend reaktive mittelgradige depressive Episode sowie eine bekannte Abhängigkeits-Suchterkrankung mit aktueller Rückfallgefahr. Er bejahte das Fortbestehen der AU, weil derzeit noch kein positives Leistungsbild bestehe. Die Erwerbsfähigkeit des Klägers sei erheblich gefährdet. Die Beklagte forderte den Kläger danach mit Schreiben vom 21. Mai 2004 auf, bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger einen Reha-Antrag zu stellen. Einen solchen Antrag reichte der Kläger bei der früheren Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg) ein. Diese gewährte ihm unter Zahlung von Übergangsgeld eine stationäre Heilbehandlung in der Klinik B. H. vom 15. Dezember 2004 bis 09. Februar 2005. Im Entlassungsbericht des Chefarztes Dr. O. vom 21. März 2005 wurden als Diagnosen Persönlichkeitsstörungen mit narzisstischen und abhängigen Zügen, eine mäßiggradige depressive Episode, eine Alkoholabhängigkeit, eine Politoxicomanie sowie eine Hepatitis-C (derzeit inaktiv) benannt. Der Kläger wurde als arbeitsunfähig (au) entlassen. Der Arzt K.-S. bestätigte danach am 12. Mai 2005 das Fortbestehen der AU wegen Depression und Hepatitis-C. Mitbehandler seien der Internist Dr. H. und der Diplompsychologe S.-R ... Seit 10. März 2005 bestand beim Kläger nach dem Neunten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB IX) ein Grad der Behinderung (GdB) von 60. In dem von der Beklagten eingeholten sozialmedizinischen Gutachten nach Aktenlage von Dr. Ke. vom MDK in O. vom 18. Mai 2005 kam der Arzt zu dem Ergebnis, der Kläger könne mittelschwere Tätigkeiten drei- bis unter sechsstündig leisten. Am 19. Mai 2005 bescheinigten Dres. H. und G., dass beim Kläger AU bis zur Erlangung der Rente wegen Erwerbsminderung vorliege. Insoweit beantragte der Kläger am 25. Mai 2005 bei der früheren Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung; diesen Rentenantrag lehnte die Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg nach Untersuchung und Begutachtung des Klägers in ihrer Klinischen Beobachtungsstation (Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 08. Juni 2005, Gutachten des Arztes für Orthopädie S. vom 31. Mai 2005 und zusammenfassendes Gutachten des Medizinaldirektors - Internist/Sozialmedizin - L. vom 11. Juli 2005) mit Bescheid vom 18. Juli 2005 ab. Der dagegen eingelegte Widerspruch des Klägers blieb nach Erhebung von Befundberichten des Diplompsychologen S.-R. sowie des Dr. H. erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 26. April 2006). Wegen des Rentenanspruchs ist ein Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) Freiburg unter dem Aktenzeichen S 4 R 2154/06 anhängig.

Im Hinblick auf das MDK-Gutachten des Dr. Ke. vom 18. Mai 2005 hatte die Beklagte dem Kläger bereits mit Bescheid vom 19. Mai 2005 darauf hingewiesen, dass bei ihm für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit die Zumutbarkeitsregeln nach dem Recht der Arbeitsförderung maßgebend seien. Die Begutachtung vom 18. Mai 2005 habe ergeben, dass er ab 21. Mai 2005 in der Lage sei, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. AU liege ab diesem Zeitpunkt nicht mehr vor. Krg werde nur bis zum 20. Mai 2005 gezahlt. Dem Kläger wurde geraten, sich umgehend erneut an die Agentur für Arbeit zu wenden. Insoweit gewährte die Beklagte dem Kläger Krg bis zum 20. Mai 2005, zuletzt in Höhe von EUR 31,02 (Auszahlungsbetrag) täglich.

Am 24. Mai 2005 hatte sich der Kläger erneut bei der Agentur für Arbeit in Lahr arbeitslos gemeldet und die Zahlung von Alg beantragt. Er hatte sich dort bereit erklärt, sich im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen; dabei verneinte er, nach Tätigkeit oder Arbeitsstunden nur noch eingeschränkt arbeiten zu wollen. Die Agentur für Arbeit gewährte dem Kläger daraufhin ab 21. Mai 2005 Alg in Höhe von täglich EUR 32,04. Die Agentur für Arbeit in Lahr teilte der Beklagten mit, dass insoweit hinsichtlich der Leistungsgewährung kein Fall des § 125 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB III) vorliege (telefonische Mitteilung vom 29. Juni 2006). Am 30. Mai 2005 bestätigten die Dres. H. und G ... das Fortbestehen der AU. Diese Ärzte stellten auch für die Zeit ab 01. Juli 2005 weitere AU-Bescheinigungen aus.

Gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. Mai 2005 legte der Kläger am 06. Juni 2005 Widerspruch ein. Er machte geltend, er sei weiterhin nicht arbeitsfähig und nicht in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Es bestehe eine schwere Depression, eine chronische Hepatitis-C und eine Abhängigkeitserkrankung. Insoweit befinde er sich in psychotherapeutischer Behandlung bei dem Diplompsychologen S.-R.; ferner behandle ihn Dr. H ... Mit Bescheid vom 08. Juni 2005 bestätigte die Beklagte die Ablehnung der Zahlung von Krg ab 21. Mai 2005. Auch diesem Bescheid widersprach der Kläger. Der Widerspruch blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten gebildeten Widerspruchsausschusses vom 16. September 2005) mit der folgenden Begründung: Nach den Arbeitsunfähigkeits-Richtlinien (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses sei derjenige Arbeitslose au, der aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage sei, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. Unerheblich sei es, welcher Tätigkeit der Versicherte vor der Arbeitslosigkeit nachgegangen sei. Durch den MDK sei am 18. Mai 2005 erstmals festgestellt worden, dass beim Kläger "vollschichtig ein positives Leistungsbild für mittelschwere Tätigkeiten für täglich drei bis unter sechs Stunden besteht".

Am 06. Oktober 2005 erhob der Kläger deswegen Klage beim SG Freiburg. Er benannte die ihn behandelnden Ärzte und machte erneut geltend, bei ihm habe ab 21. Mai 2005 weiterhin AU bestanden. Er habe nämlich zum Zeitpunkt der Erkrankung der Arbeitsvermittlung für eine vollschichtige Beschäftigung zur Verfügung gestanden und Alg bezogen. Auch nach der Einschätzung des MDK könne er krankheitsbedingt keiner vollschichtigen Beschäftigung nachgehen. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Mit Urteil vom 30. Mai 2006, das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 08. Juni 2006 zugestellt wurde, verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19. Mai 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juni 2005, dem Kläger Krg über den 20. Mai 2005 hinaus zu gewähren. Es führte aus, nach § 44 Abs. 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) hätten Versicherte Anspruch auf Krg, wenn die Krankheit sie au mache oder wenn sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt würden. AU liege vor, wenn ein Versicherter seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten könne. Sei ein Versicherter bei Eintritt der AU arbeitslos, so könne für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit jedenfalls nicht auf die spezifischen Anforderungen der vor der Arbeitslosigkeit ausgeübten konkreten Berufstätigkeit abgestellt werden. Bezugsrahmen für die Beurteilung seien in diesem Fall alle Tätigkeiten, in die er als Arbeitsloser zumutbar vermittelt werden könnte. Au sei ein Arbeitsloser dann, wenn er krankheitsbedingt seine Berufstätigkeit nicht mehr in dem zeitlichen Umfang verrichten könne, für die er sich der Arbeitsvermittlung zuvor zur Verfügung gestellt habe. Der der Vermittlung für vollschichtige Tätigkeiten zur Verfügung stehende Arbeitslose sei stets dann au, wenn ein vollschichtiges Leistungsvermögen für eine auf dem Arbeitsmarkt angebotene Beschäftigung nicht mehr bestehe. Danach habe beim Kläger über den 20. Mai 2005 hinaus weiterhin AU vorgelegen. Denn auch nach der Beurteilung im Gutachten des MDK vom 18. Mai 2005 sei das Leistungsvermögen auf einen zeitlichen Umfang von unter sechs Stunden reduziert gewesen. Diese Einschätzung stütze sich auf den Entlassungsbericht des Reha-Verfahrens, nach der für die letzte berufliche Tätigkeit des Klägers vor Eintritt der Arbeitslosigkeit als CNC-Dreher, aber auch für sonstige berufliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts lediglich ein zeitlich reduziertes Leistungsvermögen bestehe.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 07. Juli 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das Urteil des SG überzeuge nicht. Das von ihm herangezogene Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 07. Dezember 2004 (B 1 KR 5/03 R) sei zu den AU-RL in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung ergangen. Diese Fassung sei jedoch nicht mehr anwendbar. Vielmehr sei in den genannten Richtlinien ab 01. Januar 2004 in § 2 Abs. 3 Satz 1 AU-RL bestimmt, dass Arbeitslose au seien, wenn sie aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage seien, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. Nach dieser Definition sei der Kläger vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einsetzbar, auch wenn der MDK nur eine Leistungsfähigkeit für mittelschwere Tätigkeiten für drei bis unter sechs Stunden festgestellt habe. Ein begründeter ärztlicher Widerspruch nach den Richtlinien sei nicht erfolgt. Die Agentur für Arbeit habe seit 21. Mai 2005 Leistungen an den Kläger erneut gewährt. Die Agentur für Arbeit in Offenburg habe ihr gegenüber zwischenzeitlich telefonisch bestätigt, dass sich der Kläger nach der Einstellung der Zahlung von Krg für 40 Stunden in der Woche, also vollschichtig, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt und in dieser Höhe auch Leistungen erhalten habe. Dieses widerspreche jedoch dem eigenen Sachvortrag des Klägers, der sich offensichtlich für au halte. Er hätte sich dann bei der Arbeitsverwaltung nur melden dürfen mit dem Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeit von unter drei Stunden, damit eventuell bestehende Ansprüche gesichert gewesen seien. Höchstens hätte er sich dem Arbeitsmarkt für drei bis unter sechs Stunden zur Verfügung stellen dürfen. Sofern geltend gemacht werde, dass die Angabe gegenüber der Agentur für Arbeit nur zur Sicherung von Ansprüchen erfolgt sei, könne dem nicht gefolgt werden. Es hätte insoweit ausgereicht, sich dort persönlich zu melden. Mit der Annahme der Leistung durch die Agentur für Arbeit habe der Kläger selbst seine Arbeitsfähigkeit unter Beweis gestellt. Die Arbeitsverwaltung habe an der Arbeitsfähigkeit des Klägers offensichtlich auch keine Bedenken gehabt, da ansonsten keine Zahlungen aufgenommen worden wären. Im Übrigen müsste im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 04. April 2006 (B 1 KR 21/05 R) aufgeklärt werden, ob beim Kläger für leichte Tätigkeiten eine vollschichtige Arbeitsfähigkeit bestanden habe. Soweit dies jetzt nicht mehr zweifelsfrei geklärt werden könnte, ginge dieses im Hinblick auf das Urteil des BSG vom 08. November 2005 (B 1 KR 18/04 R) zu Lasten des Klägers. Der Anspruch auf Krg wäre im Übrigen am 14. September 2005 erschöpft. Die Beklagte hat auch die weiteren AU-Bescheinigungen der Dres. H. und G ... für die Zeit ab 01. Juli 2005 vorgelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 30. Mai 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das streitbefangene Urteil für zutreffend. Die Annahme der Beklagten, dass er in der Lage gewesen sei, vollschichtig Berufstätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt verrichten zu können, finde in keinem der Gutachten eine Stütze. Das MDK-Gutachten vom 18. Mai 2005 stelle lediglich ein drei- bis unter sechsstündiges Leistungsvermögen fest. Dieses Gutachten sei auch lediglich nach Aktenlage erstattet. Entscheidend seien hier die Feststellungen der behandelnden Ärzte und des behandelnden Psychotherapeuten, die aufgrund ihrer eigenen Untersuchungen das Vorliegen von AU festgestellt hätten. Zum gleichen Ergebnis sei der Reha-Entlassungsbericht gelangt. Daraus, dass er sich am 21. Mai 2005 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe, könne nicht geschlossen werden, dass ein vollschichtiges Leistungsvermögen vorgelegen habe. Es sei doch nachvollziehbar, dass er, da er keine anderweitigen Einnahmen zur Sicherung seines Lebensunterhalts gehabt habe, sich nach Einstellung der Zahlungen von Krg durch die Beklagte gezwungen gesehen habe, die Leistungen der Arbeitslosenversicherung in Anspruch zu nehmen. Die eingeholten Auskünfte des Dr. H. und des Diplompsychologen S.-R. hätten das Vorliegen durchgehender AU bestätigt.

Der Berichterstatter des Senats hat die Akten der Agentur für Arbeit Lahr beigezogen sowie schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Diplompsychologen S.-R. vom 29. Oktober 2006, des Dr. H. vom 08. November 2006 sowie des Facharztes für Orthopädie Dr. M.-S. vom 23. November 2006 eingeholt, auf die Bezug genommen wird.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Agentur für Arbeit Lahr, der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet. Denn dem Kläger steht dem Grunde nach Krg ab 21. Mai 2005 zu. Da das SG einen Endzeitpunkt im Urteil nicht festgestellt hat, ist jedoch im Hinblick auf § 48 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB V) im Rahmen einer Maßgabeentscheidung klarzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger Krg bis zum 14. September 2005 zu gewähren. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass Versicherte Krg ohne zeitliche Begrenzung, für den Fall der AU wegen derselben Krankheit jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von je drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der AU an, erhalten. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten, dass insoweit der Anspruch auf Krg am 14. September 2005 erschöpft ist, weshalb dieser Endzeitpunkt im Urteilstenor festzustellen ist. Zutreffend hat das SG den Anspruch auf Krg ab 21. Mai 2005 bejaht. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angegriffenen Urteils.

Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Für die streitige Zeit liegen AU-Bescheinigungen vor. Auch der Senat vermag nicht festzustellen, dass der Kläger in der streitigen Zeit vom 21. Mai bis 14. September 2005 in der Lage war, vollschichtig leichte Tätigkeiten auszuüben. Deswegen bestand AU. Der Kläger war ab 01. Februar 2004 und dann auch wieder ab 21. Mai 2005 im Rahmen der KVdA versichert. Sowohl ab 01. Februar 2004 als auch, was von der Beklagten nicht mehr bestritten wird, ab 21. Mai 2005 hatte sich der Kläger gegenüber der Agentur für Arbeit zeitlich unbeschränkt dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt, was durch die Anträge auf Alg in der beigezogenen Leistungsakte der Agentur für Arbeit Lahr bestätigt wird. Dass der Kläger in der streitigen Zeit nicht in der Lage war, leichte Tätigkeiten vollschichtig auszuüben, entnimmt der Senat den Auskünften des Dr. H. sowie des Diplompsychologen S.-R. im Hinblick auf die beim Kläger im Vordergrund stehende Diagnose einer mittelgradig bis schwergradigen Depression bei zugrunde liegender prämorbider Borderline-Persönlichkeitsstörung und einer polyvalenten Suchtentwicklung. Von einer vollschichtigen Leistungsfähigkeit sind im Übrigen auch die von der Beklagten herangezogenen Ärzte des MDK nicht ausgegangen. Dr. Ke. ging in seinem Gutachten vom 18. Mai 2005 von einem drei- bis unter sechsstündigen Leistungsvermögen aus. Er benannte in seinem Gutachten keine Gründe, die eine Veränderung der Verhältnisse seit der Entlassung des Klägers aus dem Heilverfahren als arbeitsunfähig ergeben könnten, insbesondere da die notwendigen psychotherapeutischen und internistischen Therapien noch liefen, die auch in dem Entlassungsbericht vom 21. März 2005, den er auch als schlüssig ansah, empfohlen wurden.

Das BSG hat entschieden, worauf sich auch das SG gestützt hat, dass ein in der KVdA versicherter Arbeitsloser au im Sinne der Krankenversicherung ist, wenn er krankheitsbedingt Arbeiten nicht mehr in dem zeitlichen Umfang verrichten kann, für den er sich der Arbeitsverwaltung zuvor zur Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat (BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 3; zuletzt auch BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 9). Hat sich ein Arbeitsloser der Arbeitsvermittlung ohne zeitliche Einschränkung, wie der Kläger, zur Verfügung gestellt, so liegt AU entgegen der Ansicht der Beklagten nicht erst dann vor, wenn der Arbeitslose aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage ist, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. Dabei ist nicht erkennbar, dass sich die Rechtsprechung des BSG auf die AU-RL in der bis zum 31. Dezember 2003 geltenden Fassung bezogen hat. Die AU-RL in der seit 01. Januar 2004 geltenden Fassung bestimmen zwar in § 2 Abs. 3 Satz 1, dass Arbeitslose au seien, wenn sie aufgrund einer Erkrankung nicht mehr in der Lage seien, leichte Tätigkeiten an mindestens 15 Wochenstunden zu verrichten. Es kann jedoch nicht davon ausgegangen werden, dass in den AU-RL auch für die Gerichte normverbindlich ab 01. Januar 2004 der Maßstab für die AU der Arbeitslosen festgestellt werden konnte, also gewissermaßen im Sinne des Umkehrschlusses aus § 119 Abs. 3 Nr. 1 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung, den das BSG für den krankenversicherungsrechtlichen Begriff der AU gerade ausdrücklich abgelehnt hat, weil er dem Zweck des Krg widerspreche und das Krankenversicherungsrecht eine Teil-AU oder eine prozentual bestimmte AU nicht kenne (vgl. BSG SozR 4-2500 § 44 Nr. 3 Bl. 18 Rdnrn. 19 und 20). Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aufgrund der Neufassung des § 119 SGB III ab 01. Januar 2005, denn auch die nunmehr geltende Bestimmung des § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III n.F., wonach den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht, wer eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, kann nicht für den krankenversicherungsrechtlichen Begriff der AU des Arbeitslosen herangezogen werden. Daher sind auch die Ärzte des MDK, die die Beklagte herangezogen hat, von einer unzutreffenden Definition der AU des Arbeitslosen ausgegangen, wenn sie Arbeitsfähigkeit des Arbeitslosen bei drei- bis unter sechsstündigem Leistungsvermögen angenommen haben. Damit ist entscheidend, dass sich der Kläger auch ab 21. Mai 2005 dem Arbeitsmarkt für eine zeitlich nicht eingeschränkte Tätigkeit zur Verfügung gestellt hat.

Dem Anspruch auf Krg für die streitige Zeit steht hier auch § 49 Abs. 1 Nr. 3a SGB V nicht entgegen. Danach ruht der Anspruch auf Krg, solange der Versicherte Alg bezieht. Diese Bestimmung gilt jedoch ausschließlich für den Fall der Fortzahlung des Alg im Krankheitsfall nach § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III, weil sonst das in § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III für die Zeit eines Krg-Anspruchs angeordnete Ruhen des Alg leerlaufen würde (BSG SozR 3-2500 § 49 Nr. 9 Bl. 28; BSGE 93, 59, 62). Ein solcher Fall des § 126 Abs. 1 Satz 1 SGB III, wonach ein Arbeitsloser, der während des Bezugs von Alg infolge Krankheit au wird, ohne dass ihn ein Verschulden trifft, dadurch nicht den Anspruch auf Alg für die Zeit der AU bis zur Dauer von sechs Wochen (Leistungsfortzahlung) verliert, liegt nicht vor. Diese Bestimmung verlangt insoweit, dass die AU im krankenversicherungsrechtlichen Sinn während des Bezugs von Alg eintritt, nicht jedoch bereits bei Beginn des Bezugs von Alg vorliegt. Damit führte hier der vom Senat bejahte Anspruch auf Krg lediglich zum (nachträglichen) Ruhen des Anspruchs au Alg nach § 142 Abs. 1 Nr. 2 SGB III. Im Hinblick auf die Anwendung des § 142 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB III und den Erstattungsanspruch der Bundesagentur für Arbeit, der eine doppelte Zahlung an den Kläger ausschließt, war die notwendige Beiladung der Bundesagentur für Arbeit nicht geboten.

Danach war die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved