Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
26
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 R 164/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 3 R 93/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1.Die Klage wird abgewiesen. 2.Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in X - N in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Juni 1945 in Belgien.
Sie beantragte am 27.06.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe von 1940 bis April 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Warschau Tätigkeiten als Arbeiterin verrichtet. Sie habe außerhalb des Ghettos für eine Textilfirma T als Näherin von Wehrmachtswäsche gearbeitet. Sie habe 10 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche gearbeitet. Sie sei auf dem Weg von und zur Arbeit bewacht worden. Die Arbeit sei freiwillig durch eigene Bemühungen zustande gekommen. Erhalten habe sie dafür von der Firma T mehrere Mahlzeiten täglich, Lebensmittel für zu Hause und Lebensmittelcoupons. Alle potentiellen Zeugen seien deportiert oder ermordet worden (Bl. 10, 11 der Verwaltungsakte). In einem Entschädigungsverfahren nach dem BEG hatte die Klägerin angegeben, nach Auflösung des Ghettos Warschau im April 1943 sei sie dann in die Konzentrationslager Maidanek, Auschwitz und Sachsenhausen gekommen und im April 1945 nach Theresienstadt. Am 08.05.1945 sei die befreit worden und einen Monat später nach Lüttich bzw. Belgien ausgewandert (Bl. 29 f der Rentenakte). Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der Bezirksregierung Düsseldorf bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto, und nahm Kopien davon zur Verwaltungsakte. In diesen Entschädigungsvorgängen hatte die Klägerin im Juli 1955 angegeben: " ... Am 10. Oktober 1940 ... gehörte auch ich zu den Ghetto-Insassen. Ich musste hier bei der Firma T Näharbeiten für die deutsche Wehrmacht ausführen ..." (Bl. 29 ff der Rentenakte) und: " ... Gleich nach Einzug der deutschen Truppen im September 1939 wurde ich mit zahlreichen anderen Juden zur Verrichtung von Zwangsarbeiten für die deutsche Wehrmacht herangezogen. Ich musste täglich von morgens bis abends Reinigungsdienste auf den Straße leisten, Schnee schippen und Kasernen und öffentliche Gebäude säubern ... Die vorerwähnten Zwangsarbeiten unter Anlegung des Judensterns erfolgten zunächst in Warschau selbst und ab 10. Oktober 1940 auch in dem in Warschau errichteten Ghetto ..." (Bl. 32 der Rentenakte). Eine Zeugin I bestätigte im April 1956 diese Darstellung (Bl. 33 der Rentenakte).
Mit Bescheid vom 20.07.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im einzelnen heißt es dort, die Beklagte gehe von von der Klägerin verrichteten Zwangsarbeiten aus, die nicht unter das ZRBG fielen. Für ein Zwangsarbeitsverhältnis sprächen die Angaben der Klägerin auch im Entschädigungsverfahren wie auch die Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit, wahrscheinlich sei auch, dass die Bewachung auch während des Arbeitseinsatzes angedauert habe.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.08.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, Zwangsarbeit habe nicht vorgelegen. Sie habe unter verschiedenen Arbeitstätigkeiten wählen können. In einer schriftlichen Erklärung vom 08.09.2004 führte sie aus, sie habe zunächst Scheearbeiten im Winter 1939/1940 verrichtet. Als sie 1942 im Ghetto gewesen sei, sei bereits die Rede von Deportation gewesen. Um dem zu entgehen, habe sie sich bei der Firma T beworben, die für die Wehrmacht gearbeitet habe. Für die Arbeit dort hätte man bezahlen müssen. Weil sie kein Geld gehabt habe, habe sie ihre Nähmaschine für das Recht dort zu arbeiten beigesteuert. Auch ihre Erfahrung an der Nähmaschine wäre ihr dafür zugute gekommen. Erhalten habe sie für ihre Tätigkeit Suppe, andere Nahrungsmittel und ein wenig Geld, an dessen Summe sie sich aber leider nicht mehr erinnern könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005, abgesandt am 18.02.2005, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, die Darstellungen der Klägerin seien schon widersprüchlich, was zu ihrem Nachteil gehe. Jetzt mache sie eine Tätigkeit bei der Textilfirma T geltend, während sie im Entschädigungsverfahren noch angegeben habe, zu verschiedenen Arbeiten hergezogen worden zu sein wie z. B. Straßenreinigung, Schnee fegen und Fenster putzen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 21.03.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, im Vordergrund habe ihre Beschäftigung bei der Textilfirma T gestanden. Diese Tätigkeit sei aufgrund eigener Bemühungen zustande gekommen und als Entlohnung habe sie dafür neben den täglichen Mahlzeiten zusätzliche Lebensmittel erhalten, die sie zum Tausch habe einsetzen können. In unregelmäßigen Abständen habe sie auch Textilien und Bargeld erhalten. Diese Tätigkeit habe von Februar 1942 bis April 1943, wahrscheinlich bis zum 15.04.1943 an gedauert. Davor habe sie von Dezember 1939 bis Februar 1940 Straßenreinigungsarbeiten verrichtet. Unter Bezugnahme auf das dem Gericht und der Beklagten bekannte historische Gutachten von Prof. Dr. Golczewski zum Generalgouvernement, das auch Tätigkeiten von Arbeitern für die Firma T dokumentiere, sei hier zumindest für die Tätigkeit als Näherin von einer nach dem ZRBG anzuerkennenden Beitragszeit auszugehen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto von Warschau von Dezember 1939 bis Februar 1940 verrichteten Straßenreinigungsarbeiten und von Februar 1942 bis April 1943 verrichteten Näharbeiten - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, die im Widerspruchsbescheid aufgezeigten Widersprüche seien ihrer Meinung nach auch mit der Klage nicht ausreichend entkräftet worden und stünden schon der Anerkennung von Zeiten entgegen. Allerdings wäre die Wartezeit dem Grunde nach erfüllt mit Ersatzzeiten, vorbehaltlich der Anerkennung von Zeiten nach § 1 ZRBG, entsprechend ihrem Schriftsatz vom 27.12.2005.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten der Bezirksregierung Düsseldorf beigezogen. Nach dem Inhalt dieser Entschädigungsakten erhält die Klägerin eine Rente nach dem BEG, die zuletzt aufgrund eines Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 05.09.2006 (00 O (E) 00/00) zugunsten der Klägerin neu festgestellt wurde.
Das Gericht hat ferner eine Auskunft der Claims Conference eingeholt. Diese hat mitgeteilt, dass die Klägerin aufgrund eines Antrages vom 27.03.2001 nach dem Stiftungsgesetz eine Entschädigung von der Claims Conference erhält aufgrund ihres Verfolgungsschicksals im Ghetto Warschau und in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Auschwitz in den Jahren 1939 bis 1945.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakten des Bezirksregierung Düsseldorf Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Der Widerspruchsbescheid wurde nach Bl. 45 der Verwaltungsakte der Beklagten frühestens am 18.02.2005 abgesandt und gilt damit als frühestens am 21.02.2005 den Bevollmächtigten der Klägerin zugegangen, § 37 SGB X. Die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 21.03.2005. An diesem Tag ist auch die Klage beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Die Klägerin hat hier gegen die Beklagte schon allein deshalb keinen Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des SGB VI in Verbindung mit Beitragszeiten in Warschau nach dem ZRBG, weil der Geltendmachung einer Rentenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung entgegensteht, dass die Klägerin für die Zeit im Ghetto Warschau bereits entschädigt wurde, und zwar nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes besagt in Abs. 1 Satz 1 und Satz 2: "Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutsche Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen". Diese Vorschriften schließen also hier, da die Klägerin bereits Leistungen nach dem EVZStiftG erhalten hat, weitere Ansprüche aus Tatbeständen im Zusammenhang mit der Verfolgung im Ghetto aus. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des LSG NRW im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung enthält bzw. ausschließt. Dieser Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Dies kommt indirekt zum Ausdruck auch in der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" (BT-Drucksache 16/1955 Seite 5). Dort hat die Bundesregierung klargestellt, es sei zu unterscheiden zwischen rentenrechtlichen Beschäftigungen und Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeit, die eben nach anderen Gesetzen erbracht würden. Ist die Klägerin somit wie hier gerade aufgrund ihres Antrages von 2001 für ihr Verfolgungsschicksal bzw. für Tätigkeit im Ghetto Warschau wegen Arbeiten entschädigt worden, die als Zwangsarbeiten nach dem EVZStiftG qualifiziert wurden, so hat dies den Ausschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzen wie hier nach dem ZRBG bzw. SGB VI zur Folge. Dass die Klägerin für ihre Tätigkeit bzw. ihren Aufenthalt im Ghetto Warschau als ehemalige Sklaven- bzw. Zwangsarbeiterin entschädigt wurde, lässt sich den Auskünften der Claims Conference entnehmen, denn die Klägerin ist auch für ihr Verfolgungsschicksal im Ghetto Warschau aus diesem Fond nach dem Stiftungsgesetz entschädigt worden. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer auch ohne Bedeutung, ob die nach dem EVZStiftG gewährte Zwangsarbeiterentschädigung für Tätigkeit im Ghetto auf einige Jahre oder Zeiträume beschränkt wurden oder nicht, denn es handelt sich um Pauschal-Entschädigungen für Tätigkeiten zwangsweise im Ghetto, sodass auch alle sonstigen Tätigkeiten im Ghetto vom Anspruchsausschluss erfasst werden, wenn es um Tätigkeiten geht, die bereits von der Claims Conference als Zwangsarbeit qualifiziert wurden. Ob und dass ggf. die Tätigkeit im Ghetto nicht auf bestimmte Jahre erstreckt wurde oder doch, im Rahmen der Anspruchsprüfung nach dem EVZStiftG, fällt in den Verantwortungsbereich der Klägerin.
Damit kann letztlich dahin stehen, ob die Klägerin überhaupt im Ghetto Tätigkeiten verrichtete, die auch als entgeltliche Beschäftigungen aus eigenem Willensentschluss zu werten gewesen wären. Allerdings ist hier zur Überzeugung der Kammer auch bisher nicht glaubhaft gemacht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten in Warschau - sei es Schnee schippen gewesen oder seien es Arbeiten im Schneidergewerbe gewesen - aus freiem Willensentschluss und entgeltlich erbracht hat. Denn schon im Entschädigungsverfahren wurde in den 50er Jahren wesentlich zeitnäher als heute von der Klägerin bzw. ihrer Zeugin angegeben, dass sie dort habe Näharbeiten ausführen müssen, dass sie dazu herangezogen worden sei und auch eine "gute" Verpflegung würde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) nicht ausreichen, um "Entgeltlichkeit" im Sinne des Gesetzes zu begründen. Vielmehr spricht gegen die Annahme einer im wesentlichen freiwillig ausgeübten Beschäftigung und für Zwangsarbeit auch ihre eigene Angabe im Rentenantrag, sie habe täglich 10 Stunden an sieben Tagen in der Woche gearbeitet; eine regelmäßige dauernde Beschäftigung an jedem Tag in der Woche ohne Ruhetage spricht auch für die Ausführung von Zwangsarbeit, die nicht unter das ZRBG fällt. Eine klare von der vorgenannten Entscheidung des 13. Senats des Bundessozialgerichts abweichende Sachentscheidung, die die Tätigkeit der Klägerin hier anders bewerten könnte, ist auch mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) nach der bisher vorliegenden Pressemitteilung nicht getroffen worden; es wurde dort nur aus formalen Gründen der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG und das EVZStiftG geben hier weitergehende Ansprüche für die Klägerin nicht her, sodass letztlich dahinstehen kann, ob überhaupt eine entgeltliche und aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung - was die Kammer auch verneint - überhaupt vorgelegen hat, wie § 1 ZRBG verlangt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1920 in X - N in Polen geborene Klägerin ist Jüdin und Verfolgte des Nazi-Regimes und lebt seit Juni 1945 in Belgien.
Sie beantragte am 27.06.2003 die Gewährung einer Regelaltersrente aus der deutschen Rentenversicherung, unter Berücksichtigung von Zeiten nach dem ZRBG. Sie gab dabei an, sie habe von 1940 bis April 1943 während ihres Aufenthaltes im Ghetto von Warschau Tätigkeiten als Arbeiterin verrichtet. Sie habe außerhalb des Ghettos für eine Textilfirma T als Näherin von Wehrmachtswäsche gearbeitet. Sie habe 10 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche gearbeitet. Sie sei auf dem Weg von und zur Arbeit bewacht worden. Die Arbeit sei freiwillig durch eigene Bemühungen zustande gekommen. Erhalten habe sie dafür von der Firma T mehrere Mahlzeiten täglich, Lebensmittel für zu Hause und Lebensmittelcoupons. Alle potentiellen Zeugen seien deportiert oder ermordet worden (Bl. 10, 11 der Verwaltungsakte). In einem Entschädigungsverfahren nach dem BEG hatte die Klägerin angegeben, nach Auflösung des Ghettos Warschau im April 1943 sei sie dann in die Konzentrationslager Maidanek, Auschwitz und Sachsenhausen gekommen und im April 1945 nach Theresienstadt. Am 08.05.1945 sei die befreit worden und einen Monat später nach Lüttich bzw. Belgien ausgewandert (Bl. 29 f der Rentenakte). Die Beklagte zog die Entschädigungsvorgänge nach dem BEG von der Bezirksregierung Düsseldorf bei, mit den früheren Angaben zu dem Aufenthalt im Ghetto, und nahm Kopien davon zur Verwaltungsakte. In diesen Entschädigungsvorgängen hatte die Klägerin im Juli 1955 angegeben: " ... Am 10. Oktober 1940 ... gehörte auch ich zu den Ghetto-Insassen. Ich musste hier bei der Firma T Näharbeiten für die deutsche Wehrmacht ausführen ..." (Bl. 29 ff der Rentenakte) und: " ... Gleich nach Einzug der deutschen Truppen im September 1939 wurde ich mit zahlreichen anderen Juden zur Verrichtung von Zwangsarbeiten für die deutsche Wehrmacht herangezogen. Ich musste täglich von morgens bis abends Reinigungsdienste auf den Straße leisten, Schnee schippen und Kasernen und öffentliche Gebäude säubern ... Die vorerwähnten Zwangsarbeiten unter Anlegung des Judensterns erfolgten zunächst in Warschau selbst und ab 10. Oktober 1940 auch in dem in Warschau errichteten Ghetto ..." (Bl. 32 der Rentenakte). Eine Zeugin I bestätigte im April 1956 diese Darstellung (Bl. 33 der Rentenakte).
Mit Bescheid vom 20.07.2004 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Zur Begründung führte sie aus, vom für eine Rente notwendigen Vorliegen einer entgeltlichen aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen freiwilligen Beschäftigung habe sich die Beklagte nicht überzeugen können. Eine solche Beschäftigung sei nicht glaubhaft gemacht. Im einzelnen heißt es dort, die Beklagte gehe von von der Klägerin verrichteten Zwangsarbeiten aus, die nicht unter das ZRBG fielen. Für ein Zwangsarbeitsverhältnis sprächen die Angaben der Klägerin auch im Entschädigungsverfahren wie auch die Bewachung auf dem Weg von und zur Arbeit, wahrscheinlich sei auch, dass die Bewachung auch während des Arbeitseinsatzes angedauert habe.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17.08.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im wesentlichen vor, Zwangsarbeit habe nicht vorgelegen. Sie habe unter verschiedenen Arbeitstätigkeiten wählen können. In einer schriftlichen Erklärung vom 08.09.2004 führte sie aus, sie habe zunächst Scheearbeiten im Winter 1939/1940 verrichtet. Als sie 1942 im Ghetto gewesen sei, sei bereits die Rede von Deportation gewesen. Um dem zu entgehen, habe sie sich bei der Firma T beworben, die für die Wehrmacht gearbeitet habe. Für die Arbeit dort hätte man bezahlen müssen. Weil sie kein Geld gehabt habe, habe sie ihre Nähmaschine für das Recht dort zu arbeiten beigesteuert. Auch ihre Erfahrung an der Nähmaschine wäre ihr dafür zugute gekommen. Erhalten habe sie für ihre Tätigkeit Suppe, andere Nahrungsmittel und ein wenig Geld, an dessen Summe sie sich aber leider nicht mehr erinnern könne.
Mit Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005, abgesandt am 18.02.2005, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung gab sie ihre bisherige Begründung ausführlicher wieder und führte noch ergänzend aus, die Darstellungen der Klägerin seien schon widersprüchlich, was zu ihrem Nachteil gehe. Jetzt mache sie eine Tätigkeit bei der Textilfirma T geltend, während sie im Entschädigungsverfahren noch angegeben habe, zu verschiedenen Arbeiten hergezogen worden zu sein wie z. B. Straßenreinigung, Schnee fegen und Fenster putzen.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin am 21.03.2005 Klage zum Sozialgericht Düsseldorf erhoben.
Zur Begründung nimmt die Klägerin sinngemäß Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und vertieft dieses. Ergänzend macht sie geltend, im Vordergrund habe ihre Beschäftigung bei der Textilfirma T gestanden. Diese Tätigkeit sei aufgrund eigener Bemühungen zustande gekommen und als Entlohnung habe sie dafür neben den täglichen Mahlzeiten zusätzliche Lebensmittel erhalten, die sie zum Tausch habe einsetzen können. In unregelmäßigen Abständen habe sie auch Textilien und Bargeld erhalten. Diese Tätigkeit habe von Februar 1942 bis April 1943, wahrscheinlich bis zum 15.04.1943 an gedauert. Davor habe sie von Dezember 1939 bis Februar 1940 Straßenreinigungsarbeiten verrichtet. Unter Bezugnahme auf das dem Gericht und der Beklagten bekannte historische Gutachten von Prof. Dr. Golczewski zum Generalgouvernement, das auch Tätigkeiten von Arbeitern für die Firma T dokumentiere, sei hier zumindest für die Tätigkeit als Näherin von einer nach dem ZRBG anzuerkennenden Beitragszeit auszugehen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 zu verurteilen, ihr unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach dem ZRBG - für die von ihr anlässlich des Aufenthaltes im Ghetto von Warschau von Dezember 1939 bis Februar 1940 verrichteten Straßenreinigungsarbeiten und von Februar 1942 bis April 1943 verrichteten Näharbeiten - und unter Berücksichtigung von wegen Verfolgung anzuerkennenden Ersatzzeiten nach Entrichtung ggf. noch erforderlicher freiwilliger Beiträge eine Regelaltersrente nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Ergänzend macht sie geltend, die im Widerspruchsbescheid aufgezeigten Widersprüche seien ihrer Meinung nach auch mit der Klage nicht ausreichend entkräftet worden und stünden schon der Anerkennung von Zeiten entgegen. Allerdings wäre die Wartezeit dem Grunde nach erfüllt mit Ersatzzeiten, vorbehaltlich der Anerkennung von Zeiten nach § 1 ZRBG, entsprechend ihrem Schriftsatz vom 27.12.2005.
Das Gericht hat die Entschädigungsakten der Bezirksregierung Düsseldorf beigezogen. Nach dem Inhalt dieser Entschädigungsakten erhält die Klägerin eine Rente nach dem BEG, die zuletzt aufgrund eines Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 05.09.2006 (00 O (E) 00/00) zugunsten der Klägerin neu festgestellt wurde.
Das Gericht hat ferner eine Auskunft der Claims Conference eingeholt. Diese hat mitgeteilt, dass die Klägerin aufgrund eines Antrages vom 27.03.2001 nach dem Stiftungsgesetz eine Entschädigung von der Claims Conference erhält aufgrund ihres Verfolgungsschicksals im Ghetto Warschau und in den Konzentrationslagern Sachsenhausen und Auschwitz in den Jahren 1939 bis 1945.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den Inhalt der Gerichtsakte sowie auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und den Inhalt der Entschädigungsakten des Bezirksregierung Düsseldorf Bezug genommen; alle diese Akten und Unterlagen waren Gegenstand der mündliche Verhandlung.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde insbesondere form- und fristgerecht erhoben. Der Widerspruchsbescheid wurde nach Bl. 45 der Verwaltungsakte der Beklagten frühestens am 18.02.2005 abgesandt und gilt damit als frühestens am 21.02.2005 den Bevollmächtigten der Klägerin zugegangen, § 37 SGB X. Die Klagefrist lief damit bis zum Ablauf des 21.03.2005. An diesem Tag ist auch die Klage beim Sozialgericht Düsseldorf eingegangen.
Die Klage ist jedoch unbegründet. Denn die angefochtenen Verwaltungsakte der Beklagten, nämlich der Bescheid vom 20.07.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005, sind nicht rechtswidrig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), weil die Beklagte mit diesen Bescheiden zu Recht die Gewährung einer Rente aus der deutschen Rentenversicherung abgelehnt hat. Der dahingehenden begehrten Verpflichtung der Beklagten (§ 54 Abs. 4 SGG) war damit nicht zu entsprechen.
Die Klägerin hat hier gegen die Beklagte schon allein deshalb keinen Anspruch auf eine Rente nach den Vorschriften des SGB VI in Verbindung mit Beitragszeiten in Warschau nach dem ZRBG, weil der Geltendmachung einer Rentenleistung aus der gesetzlichen Rentenversicherung entgegensteht, dass die Klägerin für die Zeit im Ghetto Warschau bereits entschädigt wurde, und zwar nach dem Gesetz zur Errichtung einer Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" (EVZStiftG). § 16 dieses Gesetzes besagt in Abs. 1 Satz 1 und Satz 2: "Leistungen aus Mitteln der öffentlichen Hand einschließlich der Sozialversicherung sowie deutsche Unternehmen für erlittenes nationalsozialistisches Unrecht im Sinne von § 11 können nur nach diesem Gesetz beantragt werden. Etwaige weitergehende Ansprüche im Zusammenhang mit nationalsozialistischem Unrecht sind ausgeschlossen". Diese Vorschriften schließen also hier, da die Klägerin bereits Leistungen nach dem EVZStiftG erhalten hat, weitere Ansprüche aus Tatbeständen im Zusammenhang mit der Verfolgung im Ghetto aus. Die 26. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf schließt sich damit der Auffassung des LSG NRW im Urteil vom 07.06.2005 (L 4 R 3/05) an, wonach der Ausschluss von Ansprüchen nach § 16 Abs. 1 Satz 2 EVZStiftG auch Forderungen gegenüber der Sozialversicherung enthält bzw. ausschließt. Dieser Leistungsausschluss hätte nämlich praktisch keinen Anwendungsbereich und würde ausgehebelt, wenn nach § 16 Abs. 3 EVZStiftG auf diesem Umweg doch wieder Ansprüche nach anderen Rechtsvorschriften möglich sein sollten. Dies kommt indirekt zum Ausdruck auch in der Antwort der Bundesregierung auf die kleine Anfrage der Fraktion "Die Linke" (BT-Drucksache 16/1955 Seite 5). Dort hat die Bundesregierung klargestellt, es sei zu unterscheiden zwischen rentenrechtlichen Beschäftigungen und Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeit, die eben nach anderen Gesetzen erbracht würden. Ist die Klägerin somit wie hier gerade aufgrund ihres Antrages von 2001 für ihr Verfolgungsschicksal bzw. für Tätigkeit im Ghetto Warschau wegen Arbeiten entschädigt worden, die als Zwangsarbeiten nach dem EVZStiftG qualifiziert wurden, so hat dies den Ausschluss von Abgeltungen nach anderen Gesetzen wie hier nach dem ZRBG bzw. SGB VI zur Folge. Dass die Klägerin für ihre Tätigkeit bzw. ihren Aufenthalt im Ghetto Warschau als ehemalige Sklaven- bzw. Zwangsarbeiterin entschädigt wurde, lässt sich den Auskünften der Claims Conference entnehmen, denn die Klägerin ist auch für ihr Verfolgungsschicksal im Ghetto Warschau aus diesem Fond nach dem Stiftungsgesetz entschädigt worden. Dabei ist es nach Auffassung der Kammer auch ohne Bedeutung, ob die nach dem EVZStiftG gewährte Zwangsarbeiterentschädigung für Tätigkeit im Ghetto auf einige Jahre oder Zeiträume beschränkt wurden oder nicht, denn es handelt sich um Pauschal-Entschädigungen für Tätigkeiten zwangsweise im Ghetto, sodass auch alle sonstigen Tätigkeiten im Ghetto vom Anspruchsausschluss erfasst werden, wenn es um Tätigkeiten geht, die bereits von der Claims Conference als Zwangsarbeit qualifiziert wurden. Ob und dass ggf. die Tätigkeit im Ghetto nicht auf bestimmte Jahre erstreckt wurde oder doch, im Rahmen der Anspruchsprüfung nach dem EVZStiftG, fällt in den Verantwortungsbereich der Klägerin.
Damit kann letztlich dahin stehen, ob die Klägerin überhaupt im Ghetto Tätigkeiten verrichtete, die auch als entgeltliche Beschäftigungen aus eigenem Willensentschluss zu werten gewesen wären. Allerdings ist hier zur Überzeugung der Kammer auch bisher nicht glaubhaft gemacht im Sinne einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit, dass die Klägerin ihre Tätigkeiten in Warschau - sei es Schnee schippen gewesen oder seien es Arbeiten im Schneidergewerbe gewesen - aus freiem Willensentschluss und entgeltlich erbracht hat. Denn schon im Entschädigungsverfahren wurde in den 50er Jahren wesentlich zeitnäher als heute von der Klägerin bzw. ihrer Zeugin angegeben, dass sie dort habe Näharbeiten ausführen müssen, dass sie dazu herangezogen worden sei und auch eine "gute" Verpflegung würde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004 (B 13 RJ 59/03 R) nicht ausreichen, um "Entgeltlichkeit" im Sinne des Gesetzes zu begründen. Vielmehr spricht gegen die Annahme einer im wesentlichen freiwillig ausgeübten Beschäftigung und für Zwangsarbeit auch ihre eigene Angabe im Rentenantrag, sie habe täglich 10 Stunden an sieben Tagen in der Woche gearbeitet; eine regelmäßige dauernde Beschäftigung an jedem Tag in der Woche ohne Ruhetage spricht auch für die Ausführung von Zwangsarbeit, die nicht unter das ZRBG fällt. Eine klare von der vorgenannten Entscheidung des 13. Senats des Bundessozialgerichts abweichende Sachentscheidung, die die Tätigkeit der Klägerin hier anders bewerten könnte, ist auch mit der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.12.2006 (B 0 R 00/00 R) nach der bisher vorliegenden Pressemitteilung nicht getroffen worden; es wurde dort nur aus formalen Gründen der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen.
Die Kammer verkennt nicht das Verfolgungsschicksal der Klägerin, sieht aber nach Lage der gesetzlichen Vorschriften keine Möglichkeit, dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin zu entsprechen. Das ZRBG und das EVZStiftG geben hier weitergehende Ansprüche für die Klägerin nicht her, sodass letztlich dahinstehen kann, ob überhaupt eine entgeltliche und aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung - was die Kammer auch verneint - überhaupt vorgelegen hat, wie § 1 ZRBG verlangt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1, 4 SGG.
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