Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 66 AS 2408/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 227/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar 2007 aufgehoben.
Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 15. Januar 2007 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für das Verfahren erster und zweiter Instanz nicht zu erstatten.
I.
Im Rahmen eines Verfahrens wegen vorläufigen Rechtsschutzes ist umstritten, ob die Antragsgegnerin (Agg.) verpflichtet ist, eine berufliche Weiterbildung des Antragstellers (Ast.) zum Beruf eines Luftverkehrskaufmannes vorläufig zu fördern.
Der 1969 in Hamburg geborene, alleinstehende Ast., damals wohnhaft N Straße, B, bezog nach dem Inhalt der Verwaltungsakten vom 21. Februar 2005 bis 31. Dezember 2005 Alg-II-Leistungen vom JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf. Infolge Umzugs in die B Straße ab 18. Dezember 2005 gewährte ihm die Agg. Leistungen für die Zeit seit 01. Januar 2006 fortlaufend. Ab 19. April 2006 ist der Ast. in die D Straße verzogen, aber in der örtlichen Leistungszuständigkeit der Agg. verblieben.
Offenbar im Rahmen seines Antrages wegen Fortbewilligung vom 08. November 2006 für die Zeit ab 01. Dezember 2006 gelangte eine Mitteilung des Schulungsunternehmens T - T in GmbH - vom 16. Februar 2005 zur Akte. Danach sei der Ast. nach seinen Unterlagen wie auch nach seinem seitens des Unternehmens durchgeführten Test für die Umschulung zum Luftverkehrskaufmann mit IHK-Abschluss geeignet. Lehrgangszeiträume seien der 02. Februar 2005 bis 26. Januar 2007 sowie der 08. Februar 2005 bis 31. Januar 2007. Aus einem weiteren, ebenfalls an die N Straße gerichteten Schreiben vom 01. März 2005 konnte der Ast. entnehmen, bei Vorlage eines Bildungsgutscheines von seinem zuständigen Arbeitsberater oder einer anderen gesicherten Finanzierung werde er für Maßnahmen im Zeitraum 05. Juli 2005 bis 29. Juni 2007 oder 06. Juli 2005 bis 29. Juni 2007 vorgemerkt.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 bot T dem Ast. eine Maßnahme im Zeitraum vom 06. Februar 2006 bis 31. Januar 2008 an. Zur Vorlage bei der damals zuständigen ARGE JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf erläuterte die T unter dem 09. Mai 2005 u. a. die Aussichten arbeitsmarktlicher Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nach Abschluss der Qualifizierung. Hierauf wird Bezug genommen.
Einen 1. Förderantrag vom 14. Oktober 2005 gegenüber dem JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf, bezogen auf den Kurs, welcher am 06. Februar 2006 beginnen sollte, lehnte dieser Leistungsträger ab (Bescheid vom 25. Oktober 2005). Bei der Förderung der Weiterbildung handele es sich um eine Ermessensentscheidung der aktiven Arbeitsförderung, welche gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. den §§ 77 bis 87 SGB III erbracht werden könne. Gemäß § 4 SGB III habe die Vermittlung in Beschäftigung indes vor der zu erbringenden Förderungsleistung der aktiven Arbeitsförderung Vorrang. Bei der Auswahl der Ermessensleistungen gemäß § 3 SGB II sei unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu bestimmen. Dabei sei grundsätzlich auf die Fähigkeit der zu fördernden Person, die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf sowie die Dauerhaftigkeit der Eingliederung abzustellen.
Für das vom Ast. angestrebte Bildungsziel werde eine bedeutende Arbeitskräftenachfrage nach erfolgreichem Abschluss der angestrebten Weiterbildung nicht prognostiziert. Es seien in diesem Bereich keine gemeldeten offenen Stellen in nennenswertem Umfang vorhanden.
Die Ausgabe eines Bildungsgutscheines (§ 77 Abs. 3 SGB III) sei daher nicht möglich. Dieser Bescheid wurde durch Widerspruch nicht angegriffen.
Einem Beratungsvermerk vom 05. Januar 2006 zufolge brachte der Ast. sein Weiterbildungsbegehren bei der Agg. mündlich vor und erneuerte es am 28. Juni 2006 schriftlich. Den Beratungsvermerken zufolge hat der Ast. vom 01. Januar 1986 bis 31. Dezember 1989 eine Ausbildung ohne Abschluss zum Industriemechaniker zurückgelegt. Vom 01. Januar 1996 bis 31. Januar 2004 wurde er als Fuhrparkleiter bei Unternehmen der Autovermietung beschäftigt. Zu seinen Berufserfahrungen hätten Tourenplanung, Organisation, Kraftfahrzeugwartung, Kraftfahrzeugreparatur, Kraftfahrzeugpflege sowie Fahrzeugtechnik, Instandhaltung und Fuhrparkleitung gezählt. Vom 01. Februar 2004 bis 06. April 2004 habe er keinen Nachweis, vom 07. April 2004 bis 31. Mai 2004 sei er arbeitslos, vom 01. Juni 2004 bis 16. Juni 2004 sei er umgezogen. Vom 17. Juni 2004 bis 30. Juni 2005 sei er wieder arbeitslos, dabei in Nebenbeschäftigung als Fahrer seit 14. April 2005 tätig gewesen. Sodann sei er vom 01. Juli 2005 bis 31. August 2005 als Fahrer bei "M" beschäftigt, seit dem 22. September 2005 wiederum arbeitslos gewesen.
Durch mündliche Mitteilung vom 04. Juli 2006 seitens ihres Mitarbeiters T lehnte die Agg. den Antrag ab, da von hoher Integrationswahrscheinlichkeit in den ersten Arbeitsmarkt nicht auszugehen sei.
In seinem Widerspruch vom 19. Oktober 2006 wies der Ast. auf seine guten Englischkenntnisse sowie seinen beigefügten Lebenslauf hin. Demnach war er von 1990 bis 1994 als Fotoassistent in B, L, B und W beschäftigt gewesen. Von 1994 bis 1996 sei er als freiberuflicher Fotograf in Bund S tätig gewesen.
Einem Vermerk des Agg. vom 09. November 2006 zufolge habe der Ast. während des gesamten Zeitraumes seines Begehrens auf Weiterbildung lediglich 8 Bewerbungsnachweise ohne Reaktion des Arbeitgebers vorgelegt. Damit habe nicht nachgewiesen werden können, dass eine Integration in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich nicht mehr möglich sei. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im bisherigen Berufsbereich, in dem Kräftenachfrage bestehe, bestünden realistische Chancen einer Wiederbeschäftigung. Am 03. August 2006 habe der Ast. gemeldet, ein Vorstellungsgespräch am 18. August 2006 bei einem Mietwagenunternehmen zu haben. Ein Ergebnis dieses Bewerbungsgesprächs liege noch nicht vor.
Die arbeitsmarktliche Notwendigkeit für eine zweijährige Maßnahme könne daher nicht festgestellt werden.
Im Übrigen habe die Nachhaltigkeit (der Weiterbildungsmaßnahme) wegen der sehr wenig vorhandenen Stellenangebote gegenüber vielen arbeitsuchenden Luftverkehrskaufleuten - zumal in der Altersgruppe des Ast. - nicht festgestellt werden können.
Unter dem 21. November 2006 erließ die Agg. einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid. In den Gründen ging sie zwar von einer Notwendigkeit der Weiterbildung im Sinne des §§ 77 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SGB III wegen fehlenden Berufsabschlusses aus. In Ansehung der ungünstigen Eingliederungsprognose im angestrebten Zielberuf und des Vorrangs der Vermittlung gegenüber anderen Leistungen (§ 4 SGB III) habe der Ast. bei seinen langjährigen Berufserfahrungen (Fuhrparkleiter, Fahrer) realistische Chancen auf Eingliederung in das dortige Segment des 1. Arbeitsmarktes.
Mit seiner Klage vom 20. Dezember 2006 hat der Ast. sein Begehren weiterverfolgt (S 66 AS 11750/06). Darin trug der Ast. nunmehr vor, er sei behindert. Aus einem Attest vom 05. Dezember 2006 der Dr. med. S-, Ärztin für Neurologie, St, ergebe sich, dass er am 18. Juli 1996 wegen eines Plexus-Papillom des 4. Ventrikels und am 02. Februar 1998 wegen eines Rezidivs operiert wurde. Danach sei eine Reha-Behandlung in den S-Kliniken notwendig gewesen, anschließend eine teilstationäre neuro-rehabilitive Behandlung. Der Ast. sei durch die Folgen der Hirnoperation in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, es bestünden teilweise Gleichgewichtsstörungen. Er sei vermindert belastbar, solle nicht schwer heben und tragen.
Der Ast. meint, ihm stehe die Anwendung des Behindertenrechts zu. Diesem Umstand hätten bis dato weder das erstbefasste JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf als auch die Agg. in keinerlei Hinsicht Rechnung getragen.
Er, der Ast., habe seine Behinderung zwar mündlich erwähnt, aber diesem Umstand aus nicht notwendiger Scham vielleicht zu wenig Nachdruck verliehen. Im Hinblick auf das der Agg. mündlich am 07. Dezember 2006 vorgetragene Attest habe diese den Ast. mit Schreiben vom 08. Dezember 2006 über eine bevorstehende amtsärztliche Begutachtung zur Feststellung seiner gesundheitlichen Einschränkungen informiert.
Im Übrigen verfüge er aufgrund seiner kaufmännischen Vorbildung sowie wegen seiner hervorragenden Englischkenntnisse über eine beste Eignung für die in Aussicht genommene Weiterbildung. Die von der Agg. angestellte Arbeitsmarktprognose sei falsch.
Die Eilbedürftigkeit zur Bearbeitung der Klage liege in der Tatsache, dass der Kläger erneut mit Schreiben der T vom 11. Dezember 2006 zur Teilnahme an der Ausbildung ab 07. Februar 2007 eingeladen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2007 (eingegangen 15. Januar 2007), hat der Ast. sinngemäß Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Unter dem 05. Januar 2007 hat der Ast. "an Eides Statt" erklärt, dass er die "seinerzeit wegen seiner Kopfoperation behandelnden Ärzte" gegenüber der Agg. von der Schweigepflicht entbunden habe.
Sein Behinderungsgrad stehe seit 1998 fest, habe damals bei 60, nunmehr bei 40 v. H. gelegen. Mit Schreiben des Landratsamtes B -Versorgungsamt in S - vom 22. Dezember 2006 sei ihm, dem Ast., mitgeteilt worden, dass für seine Angelegenheiten nach dem SGB IX nunmehr das Landesamt für Gesundheit und Soziales -Versorgungsamt B zuständig sei.
Die Agg. sei aus § 10 Nr. 1 und 2 SGB I rechtsverpflichtet, seinen mühsam erlangten Stand der Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Das Sozialgericht hat den Antrag des Ast., die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Widerspruchsbescheid einstweilen aufzuheben, auf die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens zu verzichten und binnen 10 Tagen zur Klageschrift Stellung zu nehmen nach telefonischer Nachfrage beim Bevollmächtigten des Ast. dahin gefasst, der Ast. wolle begehren,
die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Bildungsgutschein zu erteilen, der ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Teilnahme an der begehrten Umschulungsmaßnahme (Luftverkehrskaufmann) gestatte.
Dem so verstandenen Begehren hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 05. Februar 2007 entsprochen. Es hat insbesondere keinen Anhalt für eine gesundheitliche Nichteignung des Klägers gesehen. Es handele sich vorliegend um eine kaufmännische Tätigkeit, welche körperlich leicht sei, ein schweres Heben und Tragen nicht erfordere. Der Ast. habe auch nach der Erkrankung mehrere Jahre als Fuhrparkmanager bei einer Autovermietung gearbeitet und erfolgreich einen Eignungstest für die begehrte Maßnahme absolviert. Im Übrigen sei der Ermessensspielraum der Agg. soweit eingeschränkt, dass ein regelungsfähiger Anordnungsanspruch bestehe (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2005, L 10 B 1024/05 AS ER).
Die Agg. hat am 08. Februar 2007 Beschwerde eingelegt, welcher das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Sie habe den Antrag vom 29. Januar 2007 (gemeint 15. Januar 2007) nicht so aufgefasst, dass gleichzeitig ein Bildungsgutschein beantragt werde.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar 2007 aufzuheben.
Der Ast. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat Abdruck des Bescheides vom 07. Dezember 1999 über die Änderung einer Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz des Versorgungsamtes Stuttgart zur Akte gereicht. Danach wurde als Behinderung festgestellt: "Cerebrale und körperliche Leistungseinschränkung nach zweimaliger Plexuspapillomoperation". Der GdB betrage weiterhin 40 und beruhe nicht überwiegend auf Alterserscheinung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Aktenunterlagen der Agg. sowie die Verfahrensunterlagen nebst Hauptsacheakte S 66 AS 1157/06 - SG Berlin Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar 2007 war aufzuheben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich vorliegend, soweit der Ast. mit seinem Antrag eine vorläufige Verpflichtung der Agg. zur Förderung begehrt, nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (das heißt ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Entscheidung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundes-verfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05).
Vorliegend drohen dem Ast. ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine schweren unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch das Hauptverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Denn es sind nicht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Sicherstellung des soziokulturellen Minimums (Regelleistung zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung) im Streit, sondern die Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme, genauer die Förderung einer beruflichen Rehabilitations(Reha-) Maßnahme, denn der Ast. macht nunmehr (erst) seit Klagerhebung vom 20. Dezember 2006 überhaupt geltend, die Agg. habe ihn diesbezüglich zu Unrecht nicht als Behinderten behandelt.
Indes ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Anordnungsanspruch des Klägers im Sinne einer Verpflichtetheit der Agg., die Weiterbildung zum Luftverkehrskaufmann zu fördern, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr stellt sich die Sachlage insoweit als noch völlig offen dar.
Im Einzelnen: Unmittelbar aus § 10 Nr. 1, 2 oder 3 SGB I kann der Ast. nichts für sich herleiten. Diese Vorschrift enthält lediglich interpretatorische Maßstäbe und Ermessenskriterien ohne selbst - im Ausgangspunkt - als Anspruchsgrundlage zu dienen (§ 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Diese kann sich nur nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches, hier des SGB II, bestimmen.
Nach § 16 Abs. 1 SGB II - neugefasst mit Wirkung vom 01. August 2006 durch Gesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl 1 S. 1706) - erbringt die Agg. zur Eingliederung in Arbeit Leistungen nach § 35 SGB III. Dies sind Vermittlungsleistungen.
Sie kann die im 6. Abschnitt des 4. Kapitels des Dritten Buches - SGB III - geregelten Leistungen erbringen. Danach können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder (auch), weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung - hier durch die Agg. - erfolgt ist, 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Nach den Gründen des Widerspruchsbescheides hatte die Agg. die Notwendigkeit unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Berufsabschlusses auch anerkannt, denn der Ast. hatte eine mindestens dreijährige berufliche Praxis zurückgelegt (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB III).
Gleichwohl hatte die Agg - nach den allgemeinen Vorschriften des § 3 Abs. 1 SGB II - und nach summarischer Prüfung zu Recht sowie nach der ihr seinerzeit bekannten Sachlage bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides eine Förderung abgelehnt:
Denn danach können Leistungen zur Eingliederung erbracht werden, soweit sie zur Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung (Nachhaltigkeit) zu berücksichtigen. Vorrangig sollen Maßnahmen eingesetzt werden, die eine unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen. Dies werden regelmäßig Maßnahmen der Vermittlung und zur Unterstützung der Vermittlung sein. Bei der Leistungserbringung sind die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
Hiernach ist vorderhand nicht zu beanstanden, wenn die Agg. anknüpfend an das bis dahin bekannte, unzureichende Bewerbungsverhalten des Ast. in dem ihm zugänglichen Berufsbereich und hinreichend großen Arbeitsmarktsegment (Fuhrparkleiter, Fahrer) eine Förderung in dem gewünschten Zielberuf abgelehnt hat. Damit wird den Grundsätzen des Forderns (§ 2 Satz 1 SGB II) Geltung verschafft. Der Ast. hat insofern alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit zu nutzen.
Nach Aktenlage hat der Ast. im Übrigen der Agg. erst mit dem Widerspruchsschreiben und dem darin beigefügten Lebenslauf mitgeteilt, dass er auch über berufliche Erfahrungen im Bereich der Fotografie (Fotoassistent, freiberuflicher Fotograf) verfügt. Auch diese könnten für eine berufliche Eingliederung im Wege der Vermittlung primär nutzbar gemacht werden.
Sofern mit der Klage vom Dezember 2006 nunmehr erstmals Leistungen unter dem Gesichtspunkt der arbeitsmarktlichen Eingliederung eines Behinderten geltend gemacht werden, gelten u. a. die §§ 97 bis 99, 100 Nr. 1 bis 3 und 6, § 101 Abs. 1, 2 und 5 SGB III entsprechend (§ 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung ein.
Ob danach eine Förderung einer Weiterbildung bezüglich des begehrten Zielberufs eine Luftverkehrskaufmanns nach § 100 Nr. 6, § 101 Abs. 2 Satz 1 möglich ist, kann erst beurteilt werden, wenn im Falle des Ast. dessen individueller Rehabilitationsbedarf ermittelt ist.
Dies sieht § 6 a SGB IX in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706) mit Wirkung vom 01. Januar 2005 insbesondere dahin vor, dass die Bundesagentur für Arbeit die zuständige Arbeitsgemeinschaft, hier die Agg., schriftlich über den festgestellten Rehabilitationsbedarf und ihren Eingliederungsvorschlag unterrichtet. Erst danach entscheidet die Agg. unter Berücksichtigung dieses Eingliederungsvorschlags innerhalb von drei Wochen über die Leistungen zur beruflichen Teilhabe im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (§ 6 a Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
Damit ist evident, dass die Feststellungen durch ein sozialmedizinisches Gutachten zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs des Ast. abzuwarten sind. Mit Hilfe dieser Feststellungen wird sich das konkrete sozialmedizinische Restleistungsvermögen und die Geeignetheit bestimmter Fördermaßnahmen erst näher bestimmen lassen. Entgegen der Meinung des Ast. lassen die Feststellungen im Verfahren vor dem Versorgungsamt Stuttgart die Beurteilung des Rehabilitationsbeschlusses auch nicht vorläufig zu.
Im Übrigen folgt aus der Tatsache, dass die Tätigkeit eines Luftverkehrskaufmannes sozialmedizinisch als "leicht" zu beurteilen ist, keineswegs, dass beim Kläger möglicherweise festzustellende Gleichgewichtsprobleme außer Betracht zu lassen wären. Schließlich kann auch nicht außer Bedacht bleiben, dass die Eignungsfeststellungen durch ein Schulungsunternehmen unter dessen fachlichen Gesichtspunkten eine allgemeine Eignungsfeststellung unter generell arbeitsmarktlichem Gesichtspunkt nicht entbehrlich machen.
Schließlich ist für eine explizit kaufmännische Vorerfahrung des Ast. nichts ersichtlich. Seine Erfahrungen dürften den technisch-organisatorischen Bereich eines Fuhrparkleiters sowie den Bereich der gewerblichen Fotografie betreffen.
Nach allem bleiben die arbeitsmarktlichen Aussichten nach Abschluss der gewünschten Qualifizierung zum Luftverkehrskaufmann erst noch abzuschätzen und Alternativen einer Eingliederung abzuwägen.
Aus Vorgenanntem folgt zugleich, dass für einen Anordnungsgrund nichts ersichtlich ist: Erst im Dezember 2006 ist vom Ast. ein möglicher Rehabilitationsbedarf als Behinderter geltend gemacht worden. Es hätte primär ihm oblegen, zunächst beim JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf und sodann bei der Agg. vorzutragen, dass er seit dem Jahre 1999 spätestens als Behinderter im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX anerkannt ist und offenbar bereits Rehabilitationsmaßnahmen im Stuttgarter Raum in medizinischer Hinsicht absolviert hat. Dem Ast. ist nicht in seinem Vortrag zu folgen, den Mitarbeitern der Agg. hätte von sich aus auffallen können, dass bestimmte Narben am Kopf des Ast. hierauf einen ausreichenden Hinweis bieten.
Nach allem musste die Beschwerde erfolgreich sein. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz eine Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht vor (§ 177 SGG).
Gründe:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 15. Januar 2007 wird abgelehnt.
Außergerichtliche Kosten sind für das Verfahren erster und zweiter Instanz nicht zu erstatten.
I.
Im Rahmen eines Verfahrens wegen vorläufigen Rechtsschutzes ist umstritten, ob die Antragsgegnerin (Agg.) verpflichtet ist, eine berufliche Weiterbildung des Antragstellers (Ast.) zum Beruf eines Luftverkehrskaufmannes vorläufig zu fördern.
Der 1969 in Hamburg geborene, alleinstehende Ast., damals wohnhaft N Straße, B, bezog nach dem Inhalt der Verwaltungsakten vom 21. Februar 2005 bis 31. Dezember 2005 Alg-II-Leistungen vom JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf. Infolge Umzugs in die B Straße ab 18. Dezember 2005 gewährte ihm die Agg. Leistungen für die Zeit seit 01. Januar 2006 fortlaufend. Ab 19. April 2006 ist der Ast. in die D Straße verzogen, aber in der örtlichen Leistungszuständigkeit der Agg. verblieben.
Offenbar im Rahmen seines Antrages wegen Fortbewilligung vom 08. November 2006 für die Zeit ab 01. Dezember 2006 gelangte eine Mitteilung des Schulungsunternehmens T - T in GmbH - vom 16. Februar 2005 zur Akte. Danach sei der Ast. nach seinen Unterlagen wie auch nach seinem seitens des Unternehmens durchgeführten Test für die Umschulung zum Luftverkehrskaufmann mit IHK-Abschluss geeignet. Lehrgangszeiträume seien der 02. Februar 2005 bis 26. Januar 2007 sowie der 08. Februar 2005 bis 31. Januar 2007. Aus einem weiteren, ebenfalls an die N Straße gerichteten Schreiben vom 01. März 2005 konnte der Ast. entnehmen, bei Vorlage eines Bildungsgutscheines von seinem zuständigen Arbeitsberater oder einer anderen gesicherten Finanzierung werde er für Maßnahmen im Zeitraum 05. Juli 2005 bis 29. Juni 2007 oder 06. Juli 2005 bis 29. Juni 2007 vorgemerkt.
Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 bot T dem Ast. eine Maßnahme im Zeitraum vom 06. Februar 2006 bis 31. Januar 2008 an. Zur Vorlage bei der damals zuständigen ARGE JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf erläuterte die T unter dem 09. Mai 2005 u. a. die Aussichten arbeitsmarktlicher Eingliederung in den ersten Arbeitsmarkt nach Abschluss der Qualifizierung. Hierauf wird Bezug genommen.
Einen 1. Förderantrag vom 14. Oktober 2005 gegenüber dem JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf, bezogen auf den Kurs, welcher am 06. Februar 2006 beginnen sollte, lehnte dieser Leistungsträger ab (Bescheid vom 25. Oktober 2005). Bei der Förderung der Weiterbildung handele es sich um eine Ermessensentscheidung der aktiven Arbeitsförderung, welche gemäß § 16 Abs. 1 SGB II i. V. m. den §§ 77 bis 87 SGB III erbracht werden könne. Gemäß § 4 SGB III habe die Vermittlung in Beschäftigung indes vor der zu erbringenden Förderungsleistung der aktiven Arbeitsförderung Vorrang. Bei der Auswahl der Ermessensleistungen gemäß § 3 SGB II sei unter Beachtung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu bestimmen. Dabei sei grundsätzlich auf die Fähigkeit der zu fördernden Person, die Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf sowie die Dauerhaftigkeit der Eingliederung abzustellen.
Für das vom Ast. angestrebte Bildungsziel werde eine bedeutende Arbeitskräftenachfrage nach erfolgreichem Abschluss der angestrebten Weiterbildung nicht prognostiziert. Es seien in diesem Bereich keine gemeldeten offenen Stellen in nennenswertem Umfang vorhanden.
Die Ausgabe eines Bildungsgutscheines (§ 77 Abs. 3 SGB III) sei daher nicht möglich. Dieser Bescheid wurde durch Widerspruch nicht angegriffen.
Einem Beratungsvermerk vom 05. Januar 2006 zufolge brachte der Ast. sein Weiterbildungsbegehren bei der Agg. mündlich vor und erneuerte es am 28. Juni 2006 schriftlich. Den Beratungsvermerken zufolge hat der Ast. vom 01. Januar 1986 bis 31. Dezember 1989 eine Ausbildung ohne Abschluss zum Industriemechaniker zurückgelegt. Vom 01. Januar 1996 bis 31. Januar 2004 wurde er als Fuhrparkleiter bei Unternehmen der Autovermietung beschäftigt. Zu seinen Berufserfahrungen hätten Tourenplanung, Organisation, Kraftfahrzeugwartung, Kraftfahrzeugreparatur, Kraftfahrzeugpflege sowie Fahrzeugtechnik, Instandhaltung und Fuhrparkleitung gezählt. Vom 01. Februar 2004 bis 06. April 2004 habe er keinen Nachweis, vom 07. April 2004 bis 31. Mai 2004 sei er arbeitslos, vom 01. Juni 2004 bis 16. Juni 2004 sei er umgezogen. Vom 17. Juni 2004 bis 30. Juni 2005 sei er wieder arbeitslos, dabei in Nebenbeschäftigung als Fahrer seit 14. April 2005 tätig gewesen. Sodann sei er vom 01. Juli 2005 bis 31. August 2005 als Fahrer bei "M" beschäftigt, seit dem 22. September 2005 wiederum arbeitslos gewesen.
Durch mündliche Mitteilung vom 04. Juli 2006 seitens ihres Mitarbeiters T lehnte die Agg. den Antrag ab, da von hoher Integrationswahrscheinlichkeit in den ersten Arbeitsmarkt nicht auszugehen sei.
In seinem Widerspruch vom 19. Oktober 2006 wies der Ast. auf seine guten Englischkenntnisse sowie seinen beigefügten Lebenslauf hin. Demnach war er von 1990 bis 1994 als Fotoassistent in B, L, B und W beschäftigt gewesen. Von 1994 bis 1996 sei er als freiberuflicher Fotograf in Bund S tätig gewesen.
Einem Vermerk des Agg. vom 09. November 2006 zufolge habe der Ast. während des gesamten Zeitraumes seines Begehrens auf Weiterbildung lediglich 8 Bewerbungsnachweise ohne Reaktion des Arbeitgebers vorgelegt. Damit habe nicht nachgewiesen werden können, dass eine Integration in seinem bisherigen Tätigkeitsbereich nicht mehr möglich sei. Aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit im bisherigen Berufsbereich, in dem Kräftenachfrage bestehe, bestünden realistische Chancen einer Wiederbeschäftigung. Am 03. August 2006 habe der Ast. gemeldet, ein Vorstellungsgespräch am 18. August 2006 bei einem Mietwagenunternehmen zu haben. Ein Ergebnis dieses Bewerbungsgesprächs liege noch nicht vor.
Die arbeitsmarktliche Notwendigkeit für eine zweijährige Maßnahme könne daher nicht festgestellt werden.
Im Übrigen habe die Nachhaltigkeit (der Weiterbildungsmaßnahme) wegen der sehr wenig vorhandenen Stellenangebote gegenüber vielen arbeitsuchenden Luftverkehrskaufleuten - zumal in der Altersgruppe des Ast. - nicht festgestellt werden können.
Unter dem 21. November 2006 erließ die Agg. einen zurückweisenden Widerspruchsbescheid. In den Gründen ging sie zwar von einer Notwendigkeit der Weiterbildung im Sinne des §§ 77 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 SGB III wegen fehlenden Berufsabschlusses aus. In Ansehung der ungünstigen Eingliederungsprognose im angestrebten Zielberuf und des Vorrangs der Vermittlung gegenüber anderen Leistungen (§ 4 SGB III) habe der Ast. bei seinen langjährigen Berufserfahrungen (Fuhrparkleiter, Fahrer) realistische Chancen auf Eingliederung in das dortige Segment des 1. Arbeitsmarktes.
Mit seiner Klage vom 20. Dezember 2006 hat der Ast. sein Begehren weiterverfolgt (S 66 AS 11750/06). Darin trug der Ast. nunmehr vor, er sei behindert. Aus einem Attest vom 05. Dezember 2006 der Dr. med. S-, Ärztin für Neurologie, St, ergebe sich, dass er am 18. Juli 1996 wegen eines Plexus-Papillom des 4. Ventrikels und am 02. Februar 1998 wegen eines Rezidivs operiert wurde. Danach sei eine Reha-Behandlung in den S-Kliniken notwendig gewesen, anschließend eine teilstationäre neuro-rehabilitive Behandlung. Der Ast. sei durch die Folgen der Hirnoperation in seiner Leistungsfähigkeit beeinträchtigt, es bestünden teilweise Gleichgewichtsstörungen. Er sei vermindert belastbar, solle nicht schwer heben und tragen.
Der Ast. meint, ihm stehe die Anwendung des Behindertenrechts zu. Diesem Umstand hätten bis dato weder das erstbefasste JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf als auch die Agg. in keinerlei Hinsicht Rechnung getragen.
Er, der Ast., habe seine Behinderung zwar mündlich erwähnt, aber diesem Umstand aus nicht notwendiger Scham vielleicht zu wenig Nachdruck verliehen. Im Hinblick auf das der Agg. mündlich am 07. Dezember 2006 vorgetragene Attest habe diese den Ast. mit Schreiben vom 08. Dezember 2006 über eine bevorstehende amtsärztliche Begutachtung zur Feststellung seiner gesundheitlichen Einschränkungen informiert.
Im Übrigen verfüge er aufgrund seiner kaufmännischen Vorbildung sowie wegen seiner hervorragenden Englischkenntnisse über eine beste Eignung für die in Aussicht genommene Weiterbildung. Die von der Agg. angestellte Arbeitsmarktprognose sei falsch.
Die Eilbedürftigkeit zur Bearbeitung der Klage liege in der Tatsache, dass der Kläger erneut mit Schreiben der T vom 11. Dezember 2006 zur Teilnahme an der Ausbildung ab 07. Februar 2007 eingeladen worden sei.
Mit Schriftsatz vom 11. Januar 2007 (eingegangen 15. Januar 2007), hat der Ast. sinngemäß Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt. Unter dem 05. Januar 2007 hat der Ast. "an Eides Statt" erklärt, dass er die "seinerzeit wegen seiner Kopfoperation behandelnden Ärzte" gegenüber der Agg. von der Schweigepflicht entbunden habe.
Sein Behinderungsgrad stehe seit 1998 fest, habe damals bei 60, nunmehr bei 40 v. H. gelegen. Mit Schreiben des Landratsamtes B -Versorgungsamt in S - vom 22. Dezember 2006 sei ihm, dem Ast., mitgeteilt worden, dass für seine Angelegenheiten nach dem SGB IX nunmehr das Landesamt für Gesundheit und Soziales -Versorgungsamt B zuständig sei.
Die Agg. sei aus § 10 Nr. 1 und 2 SGB I rechtsverpflichtet, seinen mühsam erlangten Stand der Erwerbsfähigkeit zu erhalten.
Das Sozialgericht hat den Antrag des Ast., die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Widerspruchsbescheid einstweilen aufzuheben, auf die Erstellung eines amtsärztlichen Gutachtens zu verzichten und binnen 10 Tagen zur Klageschrift Stellung zu nehmen nach telefonischer Nachfrage beim Bevollmächtigten des Ast. dahin gefasst, der Ast. wolle begehren,
die Agg. im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Bildungsgutschein zu erteilen, der ihm bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Teilnahme an der begehrten Umschulungsmaßnahme (Luftverkehrskaufmann) gestatte.
Dem so verstandenen Begehren hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 05. Februar 2007 entsprochen. Es hat insbesondere keinen Anhalt für eine gesundheitliche Nichteignung des Klägers gesehen. Es handele sich vorliegend um eine kaufmännische Tätigkeit, welche körperlich leicht sei, ein schweres Heben und Tragen nicht erfordere. Der Ast. habe auch nach der Erkrankung mehrere Jahre als Fuhrparkmanager bei einer Autovermietung gearbeitet und erfolgreich einen Eignungstest für die begehrte Maßnahme absolviert. Im Übrigen sei der Ermessensspielraum der Agg. soweit eingeschränkt, dass ein regelungsfähiger Anordnungsanspruch bestehe (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2005, L 10 B 1024/05 AS ER).
Die Agg. hat am 08. Februar 2007 Beschwerde eingelegt, welcher das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Sie habe den Antrag vom 29. Januar 2007 (gemeint 15. Januar 2007) nicht so aufgefasst, dass gleichzeitig ein Bildungsgutschein beantragt werde.
Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar 2007 aufzuheben.
Der Ast. beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat Abdruck des Bescheides vom 07. Dezember 1999 über die Änderung einer Feststellung nach dem Schwerbehindertengesetz des Versorgungsamtes Stuttgart zur Akte gereicht. Danach wurde als Behinderung festgestellt: "Cerebrale und körperliche Leistungseinschränkung nach zweimaliger Plexuspapillomoperation". Der GdB betrage weiterhin 40 und beruhe nicht überwiegend auf Alterserscheinung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Aktenunterlagen der Agg. sowie die Verfahrensunterlagen nebst Hauptsacheakte S 66 AS 1157/06 - SG Berlin Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 05. Februar 2007 war aufzuheben, der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.
Der einstweilige Rechtsschutz richtet sich vorliegend, soweit der Ast. mit seinem Antrag eine vorläufige Verpflichtung der Agg. zur Förderung begehrt, nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Danach sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (das heißt ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Entscheidung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundes-verfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05).
Vorliegend drohen dem Ast. ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keine schweren unzumutbaren, anders nicht abwendbaren Beeinträchtigungen, die durch das Hauptverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. Denn es sind nicht Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Sicherstellung des soziokulturellen Minimums (Regelleistung zuzüglich Kosten der Unterkunft und Heizung) im Streit, sondern die Förderung einer beruflichen Weiterbildungsmaßnahme, genauer die Förderung einer beruflichen Rehabilitations(Reha-) Maßnahme, denn der Ast. macht nunmehr (erst) seit Klagerhebung vom 20. Dezember 2006 überhaupt geltend, die Agg. habe ihn diesbezüglich zu Unrecht nicht als Behinderten behandelt.
Indes ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt ein Anordnungsanspruch des Klägers im Sinne einer Verpflichtetheit der Agg., die Weiterbildung zum Luftverkehrskaufmann zu fördern, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht glaubhaft gemacht. Vielmehr stellt sich die Sachlage insoweit als noch völlig offen dar.
Im Einzelnen: Unmittelbar aus § 10 Nr. 1, 2 oder 3 SGB I kann der Ast. nichts für sich herleiten. Diese Vorschrift enthält lediglich interpretatorische Maßstäbe und Ermessenskriterien ohne selbst - im Ausgangspunkt - als Anspruchsgrundlage zu dienen (§ 2 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 2 SGB I).
Diese kann sich nur nach den Vorschriften der besonderen Teile des Sozialgesetzbuches, hier des SGB II, bestimmen.
Nach § 16 Abs. 1 SGB II - neugefasst mit Wirkung vom 01. August 2006 durch Gesetz vom 20. Juli 2006 (BGBl 1 S. 1706) - erbringt die Agg. zur Eingliederung in Arbeit Leistungen nach § 35 SGB III. Dies sind Vermittlungsleistungen.
Sie kann die im 6. Abschnitt des 4. Kapitels des Dritten Buches - SGB III - geregelten Leistungen erbringen. Danach können Arbeitnehmer bei beruflicher Weiterbildung durch Übernahme der Weiterbildungskosten gefördert werden, wenn
1. die Weiterbildung notwendig ist, um sie bei Arbeitslosigkeit beruflich einzugliedern oder (auch), weil bei ihnen wegen fehlenden Berufsabschlusses die Notwendigkeit der Weiterbildung anerkannt ist, 2. vor Beginn der Teilnahme eine Beratung - hier durch die Agg. - erfolgt ist, 3. die Maßnahme und der Träger der Maßnahme für die Förderung zugelassen sind.
Nach den Gründen des Widerspruchsbescheides hatte die Agg. die Notwendigkeit unter dem Gesichtspunkt eines fehlenden Berufsabschlusses auch anerkannt, denn der Ast. hatte eine mindestens dreijährige berufliche Praxis zurückgelegt (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 SGB III).
Gleichwohl hatte die Agg - nach den allgemeinen Vorschriften des § 3 Abs. 1 SGB II - und nach summarischer Prüfung zu Recht sowie nach der ihr seinerzeit bekannten Sachlage bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides eine Förderung abgelehnt:
Denn danach können Leistungen zur Eingliederung erbracht werden, soweit sie zur Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit für die Eingliederung erforderlich sind. Bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit sind die Eignung, die individuelle Lebenssituation, die voraussichtliche Dauer der Hilfebedürftigkeit und die Dauerhaftigkeit der Eingliederung (Nachhaltigkeit) zu berücksichtigen. Vorrangig sollen Maßnahmen eingesetzt werden, die eine unmittelbare Aufnahme einer Erwerbstätigkeit ermöglichen. Dies werden regelmäßig Maßnahmen der Vermittlung und zur Unterstützung der Vermittlung sein. Bei der Leistungserbringung sind die Grundsätze von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten.
Hiernach ist vorderhand nicht zu beanstanden, wenn die Agg. anknüpfend an das bis dahin bekannte, unzureichende Bewerbungsverhalten des Ast. in dem ihm zugänglichen Berufsbereich und hinreichend großen Arbeitsmarktsegment (Fuhrparkleiter, Fahrer) eine Förderung in dem gewünschten Zielberuf abgelehnt hat. Damit wird den Grundsätzen des Forderns (§ 2 Satz 1 SGB II) Geltung verschafft. Der Ast. hat insofern alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit zu nutzen.
Nach Aktenlage hat der Ast. im Übrigen der Agg. erst mit dem Widerspruchsschreiben und dem darin beigefügten Lebenslauf mitgeteilt, dass er auch über berufliche Erfahrungen im Bereich der Fotografie (Fotoassistent, freiberuflicher Fotograf) verfügt. Auch diese könnten für eine berufliche Eingliederung im Wege der Vermittlung primär nutzbar gemacht werden.
Sofern mit der Klage vom Dezember 2006 nunmehr erstmals Leistungen unter dem Gesichtspunkt der arbeitsmarktlichen Eingliederung eines Behinderten geltend gemacht werden, gelten u. a. die §§ 97 bis 99, 100 Nr. 1 bis 3 und 6, § 101 Abs. 1, 2 und 5 SGB III entsprechend (§ 16 Abs. 1 Satz 3 SGB II).
Nach § 97 Abs. 1 SGB III können behinderte Menschen Leistungen zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben erbracht werden, die wegen Art und Schwere der Behinderung erforderlich sind, um ihre Erwerbsfähigkeit zu erhalten, zu bessern, herzustellen oder wiederherzustellen und ihre Teilhabe am Arbeitsleben zu sichern. Bei der Auswahl der Leistungen sind Eignung, Neigung, bisherige Tätigkeit sowie Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes angemessen zu berücksichtigen. Soweit es erforderlich ist, schließt das Verfahren zur Auswahl der Leistungen eine Abklärung der beruflichen Eignung ein.
Ob danach eine Förderung einer Weiterbildung bezüglich des begehrten Zielberufs eine Luftverkehrskaufmanns nach § 100 Nr. 6, § 101 Abs. 2 Satz 1 möglich ist, kann erst beurteilt werden, wenn im Falle des Ast. dessen individueller Rehabilitationsbedarf ermittelt ist.
Dies sieht § 6 a SGB IX in der Fassung des Gesetzes vom 20. Juli 2006 (BGBl I S. 1706) mit Wirkung vom 01. Januar 2005 insbesondere dahin vor, dass die Bundesagentur für Arbeit die zuständige Arbeitsgemeinschaft, hier die Agg., schriftlich über den festgestellten Rehabilitationsbedarf und ihren Eingliederungsvorschlag unterrichtet. Erst danach entscheidet die Agg. unter Berücksichtigung dieses Eingliederungsvorschlags innerhalb von drei Wochen über die Leistungen zur beruflichen Teilhabe im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 3 SGB IX (§ 6 a Abs. 1 Satz 4 SGB IX).
Damit ist evident, dass die Feststellungen durch ein sozialmedizinisches Gutachten zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs des Ast. abzuwarten sind. Mit Hilfe dieser Feststellungen wird sich das konkrete sozialmedizinische Restleistungsvermögen und die Geeignetheit bestimmter Fördermaßnahmen erst näher bestimmen lassen. Entgegen der Meinung des Ast. lassen die Feststellungen im Verfahren vor dem Versorgungsamt Stuttgart die Beurteilung des Rehabilitationsbeschlusses auch nicht vorläufig zu.
Im Übrigen folgt aus der Tatsache, dass die Tätigkeit eines Luftverkehrskaufmannes sozialmedizinisch als "leicht" zu beurteilen ist, keineswegs, dass beim Kläger möglicherweise festzustellende Gleichgewichtsprobleme außer Betracht zu lassen wären. Schließlich kann auch nicht außer Bedacht bleiben, dass die Eignungsfeststellungen durch ein Schulungsunternehmen unter dessen fachlichen Gesichtspunkten eine allgemeine Eignungsfeststellung unter generell arbeitsmarktlichem Gesichtspunkt nicht entbehrlich machen.
Schließlich ist für eine explizit kaufmännische Vorerfahrung des Ast. nichts ersichtlich. Seine Erfahrungen dürften den technisch-organisatorischen Bereich eines Fuhrparkleiters sowie den Bereich der gewerblichen Fotografie betreffen.
Nach allem bleiben die arbeitsmarktlichen Aussichten nach Abschluss der gewünschten Qualifizierung zum Luftverkehrskaufmann erst noch abzuschätzen und Alternativen einer Eingliederung abzuwägen.
Aus Vorgenanntem folgt zugleich, dass für einen Anordnungsgrund nichts ersichtlich ist: Erst im Dezember 2006 ist vom Ast. ein möglicher Rehabilitationsbedarf als Behinderter geltend gemacht worden. Es hätte primär ihm oblegen, zunächst beim JobCenter Charlottenburg-Wilmersdorf und sodann bei der Agg. vorzutragen, dass er seit dem Jahre 1999 spätestens als Behinderter im Sinne von § 2 Abs. 1 SGB IX anerkannt ist und offenbar bereits Rehabilitationsmaßnahmen im Stuttgarter Raum in medizinischer Hinsicht absolviert hat. Dem Ast. ist nicht in seinem Vortrag zu folgen, den Mitarbeitern der Agg. hätte von sich aus auffallen können, dass bestimmte Narben am Kopf des Ast. hierauf einen ausreichenden Hinweis bieten.
Nach allem musste die Beschwerde erfolgreich sein. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG analog.
Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz eine Beschwerde an das Bundessozialgericht nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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BRB
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