Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 78 SO 1326/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 B 186/06 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juli 2006 wird abgeändert. Dem Antragsgegner wird im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zu einer Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 04. Juli 2006 untersagt, bei der Auszahlung der dem Antragsteller gewährten Leistungen der Grundsicherung über die anerkannten Energiekosten hinausgehende Beträge vom Regelsatz einzubehalten und direkt an den Energieversorger zu überweisen. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juli 2006 zurückgewiesen. Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die Hälfte seiner außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der ihm monatlich entstehenden Stromkosten in voller Höhe über den Regelsatzanteil hinaus.
Der 1939 geborene Antragsteller bezieht seit 1981 vom Antragsgegner Leistungen der Sozialhilfe, ab 01. Januar 2005 nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch SGB XII -. Er bewohnt allein eine 44,7 m² große Einzimmerwohnung. Seit vielen Jahren hat er einen sehr hohen Verbrauch an elektrischer Energie. Im Jahr 1999 war ein Verbrauch von 5 018 kWh, im Jahr 2000 von 6 618 kWh, im Jahr 2001 6 914 kWh, im Jahr 2004 7 243 kWh von der B abgerechnet worden. Im Verbrauchszeitraum 02/04 bis 02/05 verbrauchte der Antragsteller 7 349 kWh Strom, im Verbrauchszeitraum 03/05 bis 03/06 waren es 7 154 kWh. Ab dem 01. Juli 2006 beträgt die monatliche Abschlagsforderung des Energieversorgers 112,50 EUR.
Bereits mit Schreiben vom 31. März 2003 beantragte der Antragsteller die dauerhafte Übernahme seiner tatsächlichen Stromkosten, weil er seit Jahren an einem schmerzhaften Wirbelsäulentotalschaden und chronischer Schultergelenksentzündung laboriere, weswegen er zur Linderung seiner ärgsten Schmerzen zweimal am Tag baden müsse, darüber hinaus sei ihm wegen eines schwerwiegenden Augenleidens (Schleiersehen mit Doppelbildern) angeraten worden, nachts eine gedämmte Flurbeleuchtung brennen zu lassen, er sei daher auf einen höheren Stromverbrauch angewiesen.
Nach Aktenlage leidet der Antragsteller unter folgenden Erkrankungen: Osteochondrose, Spondylarthrose, Osteoporose, Omarthrose rechts (Arztbrief vom 11. Januar 2002), M. Basedow, Hypothyreose, endokrine Orbitopathie (Arztbrief vom 05. Januar 2006), koronare Herzerkrankung mit hochgradig eingeschränkter EF (25 30 %). Der Antragsteller ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50, ohne Merkzeichen. Einer amtsärztlichen Stellungnahme des Geschäftsbereichs Gesundheit beim Bezirksamt Pankow vom 18. Juni 2003 zufolge ist es aus ärztlicher Sicht empfehlenswert, dass der Antragsteller wegen der Beschwerden im Stütz- und Bewegungsapparat zur Schmerzlinderung ein- bis zweimal täglich badet.
Der Antragsgegner hatte die an die B - jetzt V AG - zu zahlenden Abschlagszahlungen zunächst in tatsächlicher Höhe anerkannt und überwiesen. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 forderte er den Antragsteller auf, seinen Energieverbrauch deutlich zu senken, und teilte ihm mit, dass ab der nächsten Abrechnung (März 2005) nur noch Stromkosten in angemessener Höhe als Bedarf berücksichtigt würden und der Antragsteller seinen darüber hinausgehenden Verbrauch aus seinem Regelsatz bestreiten müsse. Als angemessen werde ein krankheitsbedingt erhöhter Bedarf in Höhe von 3 000 kWh im Jahr angenommen. Dies sei das Doppelte des von der B als durchschnittlich angegebenen Verbrauchs eines Einpersonenhaushaltes von zirka 1 500 kWh pro Jahr. Ab Januar 2005 berücksichtigte der Antragsgegner demzufolge einen Mehrbedarf für Stromkosten in Höhe von 21,00 EUR.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2005 erkannte der Antragsgegner ab 01. Juni 2005 weiter einen ergänzenden monatlichen Strombedarf von 21,00 EUR an. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Mai 2005 Widerspruch ein, mit dem er eine Erhöhung seines Regelsatzes wegen des besonders hohen Energieverbrauches begehrte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 2006 zurückgewiesen.
In der Vergangenheit war es wiederholt zu Forderungen des Energieversorgungsunternehmens gekommen, die der Antragsgegner im Wege ergänzender Leistungen befriedigt hatte. Am 13. Juni 2006 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut die Übernahme rückständiger Stromkosten.
Am 19. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhoben, mit der er die Übernahme rückständiger Stromkosten sowie die Gewährung seiner laufenden krankheitsbedingt erhöhten Stromkosten in voller Höhe begehrt.
Der Antragsgegner hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens die rückständigen Stromkosten in voller Höhe übernommen und an den Energieversorger überwiesen. Im Übrigen hat er ausgeführt, mit dem von ihm als krankheitsbedingtem Mehrbedarf anerkannten Betrag von 21,00 EUR und der im Regelsatz enthaltenen Energiepauschale seien monatlich 48,00 EUR abgedeckt. Die verbleibenden 64,50 EUR habe der Antragsteller aus dem Regelsatz aufzubringen.
Mit Bescheid vom 04. Juli 2006 wurden dem Antragsteller ab dem Monat August 2006 monatliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 672,92 EUR bewilligt. Hierbei wurde ein Mehrbedarf für Stromkosten in Höhe von 21,00 EUR berücksichtigt. Von dem nach Einbehaltung wegen Überzahlung in Höhe von 21,00 EUR verbleibenden Betrag in Höhe von 651,92 EUR überweist der Antragsgegner laufend einen Betrag von 306,92 EUR für Kosten der Unterkunft unmittelbar an die Vermieterin sowie einen Betrag in Höhe von 112,50 EUR als monatliche Abschlagszahlung an das Energieversorgungsunternehmen. Dem Antragsteller wurde zunächst ein Betrag von 232,50 EUR ausgezahlt, nach Aussetzung der Einbehaltung wegen Überzahlung während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ein Betrag von 253,50 EUR.
Gegen den Bescheid vom 04. Juli 2006 hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und unter anderem geltend gemacht, dass von dem ihm bewilligten Eckregelsatz lediglich der Regelsatzanteil für Hausstrom in Höhe von 27,00 EUR einbehalten werden dürfe, während der Differenzbetrag von 318,00 EUR an ihn ausgezahlt werden müsse. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 16. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Soweit der Antrag auf Übernahme der gegenwärtigen Stromkosten gerichtet war, habe der Antragsteller einen vom Antragsgegner nicht gedeckten krankheitsbedingten Mehrbedarf an Stromkosten nicht glaubhaft gemacht. Dem Umstand, dass es empfehlenswert sei, dass der Antragsteller ein- bis zweimal täglich bade, werde der Antragsgegner durch Erhöhung des anerkannten Strombedarfs um monatlich 21,00 EUR gerecht. Dies sei bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Notwendigkeit nächtlicher Beleuchtung sei ärztlich nicht bescheinigt. Der Kammer sei auch nicht klar, warum einer nächtlichen Verletzungsgefahr nicht anderweitig begegnet werden könne (z. B. nur bedarfsweise Licht einschalten oder Benutzen einer Taschenlampe). Auch der Schwerbehindertenausweis enthalte insoweit keine Merkzeichen, die eine behinderungsbedingte fehlende Mobilität wegen des Augenleidens nahe legen könnten. Ob insoweit tatsächlich ein krankheitsbedingter Mehrbedarf vorliege, müsse im Hauptsacherechtsschutz erklärt werden. Die Handlungsweise des Antragsgegners, die mit Bescheid gewährte Leistung des Regelsatzes teilweise in Höhe des nicht als sozialhilferechtlich notwendigen Strombedarfes an einen Dritten, das Energieversorgungsunternehmen, auszuzahlen und nicht an den Antragsteller abzuführen und somit den Antragsteller zu zwingen, bei anderen im Regelsatz berücksichtigten Bedarfen zu sparen, sei zwar nicht unproblematisch, aber noch durch § 17 Abs. 2 SGB XII gerechtfertigt. Diese Vorschrift dürfte den Leistungsträger im Fall des Antragstellers ermächtigen, zur Sicherstellung des Zwecks der Hilfeleistung den Betrag von 64,50 EUR aus dem Regelsatz heraus auch gegen den Willen des Antragstellers einzusetzen. Der Zweck der Hilfeleistung scheine nicht anders erreichbar zu sein, denn der Antragsteller habe durch sein Verhalten wiederholt Stromschulden entstehen lassen und sei auch jetzt noch der Auffassung, dass sein Bedarf in der tatsächlichen Höhe anzuerkennen sei. Die Alternative wäre für den Träger der Sozialhilfe, den Regelsatz komplett an den Antragsteller auszuzahlen und sehenden Auges weitere Stromschulden entstehen zu lassen, die binnen drei bis vier Monaten eine Abschaltung nach sich ziehen könnten. Die Rechtmäßigkeit der Bewilligungspraxis des Antragstellers werde sich letztlich erst in einem Hauptsacheverfahren klären lassen.
Gegen den ihm am 21. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 04. August 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 07. August 2006). Zur Begründung trägt er vor, der Antragsgegner habe sich damit abzufinden, dass in seinem Haushalt eines chronisch Kranken sich die realen Kosten für Beleuchtung und Warmwasserbereitung für zweimal täglich Vollbäder sowie den Betrieb von Elektroherd, Kühlschrank, Waschmaschine und elektrischen Kleingeräten auf monatlich über 100,00 EUR beliefen. Die mit einer 24 W Birne erzeugte nächtliche Notbeleuchtung wegen seiner Augenerkrankung falle hierbei überhaupt nicht ins Gewicht. Diese krankheitsbedingten hohen Stromkosten müsse der Antragsteller übernehmen. Der ihm gewährte Regelsatz reiche hierfür nicht aus.
Der Antragsteller hat Aufstellungen seines täglichen Stromverbrauches in den Monaten September und Oktober 2006 sowie eine Aufstellung seiner Elektrogeräte zur Akte gereicht, seine gesundheitlichen Beschwerden dargestellt und angegeben, wegen der Komplexität seines Krankheitsbildes auf uneingeschränkten Stromverbrauch zwingend angewiesen zu sein.
Der Senat entnimmt seinem Vorbringen den Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juli 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine tatsächlich anfallenden Stromkosten durch Erhöhung des monatlichen Regelsatzes um 64,50 EUR zu übernehmen und den Regelsatz abzüglich der anerkannten Kosten der Energieversorgung in voller Höhe an ihn auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat während des Beschwerdeverfahrens ab Dezember 2006 auf die Einbehaltung des Überzahlungsbetrages in Höhe von 21,00 EUR vorübergehend verzichtet und auf Veranlassung des Senats am 30. November 2006 zur Feststellung der im Haushalt des Antragstellers befindlichen elektrischen Geräte bei diesem einen Hausbesuch durchgeführt; wegen des Ergebnisses wird auf Bl. 179 f. der Gerichtsakte – GA - verwiesen. Auf Anregung des Gerichts erfolgte am 08. und am 16. Januar 2007 eine amtsärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs an Stromversorgung. Mit Stellungnahme vom 02. März 2007 erklärte die Amtsärztin des Gesundheitsamtes des Bezirksamtes Pankow von Berlin, dass zur Linderung der degenerativ bedingten Beschwerden Schmerzen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sich die Notwendigkeit zweimal täglicher Wannenbäder begründen lasse. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse scheide aus, da eine zwingende Notwendigkeit für derartige therapeutische Maßnahmen nicht bestehe. Bei den bestehenden schwersten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule sowie den Schultergelenken seien Wannenbäder zur Schmerzlinderung zu empfehlen.
Der Antragsgegner hat im Hinblick auf die amtsärztlichen Feststellungen mit Schriftsatz vom 29. März 2007 mitgeteilt, dass ab Juli 2006 ein erhöhter krankheitsbedingter Bedarf für Energiekosten von 40,00 EUR monatlich anerkannt werde; wegen der Berechnung wird auf Bl. 206 GA verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen (4 Bände), die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Soweit der Antragsgegner mit Schreiben vom 29. März 2003 einen weiteren krankheitsbedingten Bedarf an zusätzlicher Stromversorgung in Höhe von – weiteren - 19,00 EUR anerkannt hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Der Antragsteller hat insoweit keine das Verfahren beendende Erklärung abgegeben.
Soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Übernahme weiterer zusätzlicher Kosten für die Stromversorgung, die der Antragsgegner nicht bereits mit Schreiben vom 29. März 2007 anerkannt hat, gerichtet ist, ist er unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Leistungspflicht des Antragsgegners auf Gewährung eines um weitere Energiekosten erhöhten Regelsatzes kommt nach § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative SGB XII nur dann in Betracht, wenn ein Bedarf im Einzelfall unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dass dies der Fall ist, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass für den Antragsteller tatsächlich Energiekosten in erheblichem Umfang anfallen, begründet keinen insoweit unabweisbar gebotenen Bedarf, denn dies kann auch auf unwirtschaftliches Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sein. Dass die erhöhten Energiekosten für einen jährlichen Stromverbrauch von über 7000 kWh auf einen für den Antragsteller unabweisbaren Bedarf zurückzuführen sind, ist auch nach den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auf Veranlassung des Senats durchgeführten weiteren Sachverhaltsermittlungen (Hausbesuch und amtsärztliche Untersuchung) nicht überwiegend wahrscheinlich.
Dass die vom Antragsteller benutzten Elektrogeräte aufgrund von Defekten zu einem erhöhten Stromverbrauch führen, konnte im Rahmen des vom Antragsgegner durchgeführten Hausbesuches nicht festgestellt werden, der Antragsteller hat dies auch nicht behauptet. Dass der Antragsteller außer durch die vom Antragsgegner anerkannten täglichen Wannenbäder krankheitsbedingt einen erhöhten Stromverbrauch hat, hat der Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft machen können. Dementsprechende aussagekräftige ärztliche Atteste hat er trotz ausdrücklichen Hinweises des Senates nicht zur Akte gereicht. Ein erhöhter Stromverbrauch aufgrund der körperlichen Beschwerden des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus den aktenkundigen älteren ärztlichen Stellungnahmen und Befunden. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Augen- und Herzerkrankung des Antragstellers einen erhöhten Strombedarf – etwa wegen der Notwendigkeit zusätzlicher Beleuchtung oder stärkerer Erwärmung der Wohnräume - medizinisch unabweisbar machen. Dies folgt insbesondere aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 2. März 2007. Wie der Antragsteller mit Schreiben vom 9. April 2007 moniert, ist die Amtsärztin in ihrer Stellungnahme mit keinem Wort auf einen insoweit erhöhten Strombedarf eingegangen, obwohl sie vom Antragsteller ausführlich auf seine insoweit bestehenden Beschwerden hingewiesen worden sei. Im Übrigen wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Berlin in dem angefochtenen Beschluss (Seite 8 des Umdrucks) verwiesen, denen der Senat folgt (§ 153 Abs. 2 SGG analog).
Der vom Antragsgegner wegen des täglichen Badens als erhöhter Bedarf an elektrischer Energie anerkannte Betrag von 40 Euro ist nicht zu beanstanden. Für die Erwärmung eines Wannenbades werden durchschnittlich ca. 0,60 Euro benötigt (Quelle Internet: http://www.strom-und-wassersparer.de/faq.htm). Dies ergibt bei 2 Wannenbädern pro Tag und 30 Tagen im Monat einen Betrag von 36 Euro; die Beklagte geht von einem Betrag von 40 Euro aus. Der Antragsteller wird sein Verhalten bezüglich des Energieverbrauchs umstellen müssen, insbesondere wird er seinen Ölradiator abzuschaffen haben, für dessen Betrieb er keine ärztlich begründete Notwendigkeit hat glaubhaft machen können. Sollten die gegenwärtig vom Antragsteller zu leistenden Vorauszahlungen in Höhe von 112,50 EUR monatlich - auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Bedarfs durch tägliche Vollbäder - nicht seinem tatsächlichen Verbrauch entsprechen, wird sich der Antragsteller bei der Fa. V AG um eine entsprechende Reduzierung der Raten oder um eine Feststellung der Ursachen für die hohen Abschlagszahlungen bemühen müssen. Dabei wird ihn allerdings der Antragsgegner - gegebenenfalls durch Einschaltung von Beratungsstellen - beratend zu unterstützen haben (vgl. § 10 Abs. 2 SGB XII).
Der Antragsteller hat jedoch teilweise Erfolg, soweit er sinngemäß begehrt, dem Antragsgegner zu untersagen, von dem ihm gewährten Regelsatz laufende Leistungen für die Übernahme der monatlichen Stromabschläge einzubehalten und unmittelbar an den Energieversorger zu überweisen. Der Antragsteller hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anordnungsanspruch jedenfalls insoweit glaubhaft gemacht, als der Antragsgegner für die Übernahme der monatlichen Stromabschläge einen höheren Betrag als den im Eckregelsatz enthaltenen Betrag für die Energiekostenpauschale in Höhe von 27,00 EUR von der an den Antragsteller auszuzahlenden Leistung der Grundsicherung einbehält.
Zwar musste der Antragsgegner in der Vergangenheit wiederholt Zahlungsrückstände wegen von dem Antragsteller nicht gezahlter Stromabschläge aus Sozialhilfemitteln übernehmen, diese Schwierigkeiten berechtigen ihn aber nicht, den für den monatlichen Stromabschlag an das Energieversorgungsunternehmen geleisteten Betrag in voller Höhe von der an den Antragsteller auszuzahlenden Grundsicherungsleistung einzubehalten. Durch die monatlichen Einbehalte von 45,50 EUR (bis zur Abgabe des Teilanerkenntnisses in Höhe von 64,50 EUR) kürzt der Antragsgegner den dem Antragsteller zustehenden Regelsatz. Für die Überweisung des vollen Stromabschlags an das Energieversorgungsunternehmen – unter faktischer Kürzung des Regelsatzes - besteht jedenfalls insoweit keine Ermächtigungsgrundlage, als vom Antragsgegner Beträge einbehalten werden, die über die im Regelsatz enthaltenen Energiekosten hinausgehen.
Die Verfahrensweise des Antragsgegners ist insbesondere nicht durch § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gedeckt, wonach der Leistungsträger über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Ein Ermessen bezüglich der Auszahlung des Sozialhilfebetrages an einen Dritten kommt allenfalls in Betracht, um die zweckentsprechende Mittelverwendung und somit letztlich die Bedarfsdeckung zu sichern (vgl. Seidel in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 17 SGB XII Rn. 50).
Eine Direktüberweisung von Bestandteilen des Regelsatzes gemäß § 17 SGB XII ist damit ausnahmsweise nur zulässig, um eine zweckwidrige Verwendung des jeweiligen Regelsatzanteils zu verhindern. Damit kommt eine Direktüberweisung von Bestandteilen des Regelsatzes an einen Dritten, hier den Energieversorger, allerdings nur in Höhe des Betrages in Betracht, der für diesen Bedarf im Regelsatz enthalten ist.
Ob der Leistungsberechtigte einzelne Bedarfe unbefriedigt lässt, um wie hier erhöhte Energiekosten abzudecken, obliegt seiner freien Entscheidung. Der Regelsatz steht ihm zur Befriedigung seiner notwendigen Bedürfnisse zur Verfügung. Ob der Leistungsberechtigte viel oder wenig Energie verbraucht, ist seine Sache. Ob er Ausgaben an einer Stelle stark einschränkt zugunsten höherer Ausgaben für andere Bedürfnisse, hier zugunsten seines Energieverbrauchs, kann er selbst bestimmen. Es besteht keine Rechtsgrundlage für den Sozialhilfeträger, dem Leistungsberechtigten diese Entscheidung abzunehmen und einen vom Regelsatz nicht erfassten Mehrbetrag an den Energieversorger zu überweisen und den für andere Zwecke bestimmten Auszahlungsbetrag entsprechend zu kürzen.
Dem Leistungsberechtigten soll nach § 1 Satz 1 SGB XII ermöglicht werden, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Dazu gehört grundsätzlich, dass dem erwachsenen Menschen die Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten (BVerwGE 72, 357 m.w.N.). Er hat also grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Regelsatz in der Regel unmittelbar als Geldleistung an ihn ausgezahlt wird, so dass er über ihn frei verfügen kann. Ist der Leistungsempfänger nicht ausdrücklich mit der Überweisung des vollen Energiekostenbetrages an den Energieversorger einverstanden, muss ihm damit es nicht zu einer faktischen Regelsatzkürzung kommt die Möglichkeit verbleiben, durch Erhalt der ihm zustehenden Beträge eigenverantwortlich über den Einsatz seiner Mittel zum Lebensunterhalt zu entscheiden, auch wenn dies möglicherweise im Ergebnis zu seinen Lasten geht, weil der Energieversorger bei weiterem Entstehen von Schulden die Energieversorgung einstellen wird und der Träger der Grundsicherungsleistungen zur erneuten Übernahme weiterer Stromschulden nicht verpflichtet sein wird (vgl. VG München, Beschluss vom 12. Januar 2004 - M 15 E 03.6509 -, juris, zu Kosten der Unterkunft; Beschluss des Bayerischen VGH vom 17. Juni 1997 - 12 CE 96.3938 - FEVS 48, 26 f.). Ein im Falle des Antragstellers zu befürchtendes Anwachsen neuer Schulden beim Energieversorger mit der Folge der völligen Einstellung der Energieversorgung fällt in den freien Verantwortungsbereich des Antragstellers und berechtigt den Antragsgegner nicht, dem Antragsteller diese Verantwortung abzunehmen und ihn durch die Auszahlungspraxis der Grundsicherungsleistungen zu entmündigen. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass eine erneute Übernahme von Stromschulden durch den Antragsgegner im vorliegenden Fall ausgeschlossen sein dürfte. Der Antragsteller ist also in besonderem Maße gehalten, die Zahlungen an den Energieversorger sicherzustellen, gegebenenfalls durch Zustimmung zu der bisher vom Antragsgegner praktizierten Verwahrensweise.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Gründe:
I.
Der Antragsteller begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der ihm monatlich entstehenden Stromkosten in voller Höhe über den Regelsatzanteil hinaus.
Der 1939 geborene Antragsteller bezieht seit 1981 vom Antragsgegner Leistungen der Sozialhilfe, ab 01. Januar 2005 nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch SGB XII -. Er bewohnt allein eine 44,7 m² große Einzimmerwohnung. Seit vielen Jahren hat er einen sehr hohen Verbrauch an elektrischer Energie. Im Jahr 1999 war ein Verbrauch von 5 018 kWh, im Jahr 2000 von 6 618 kWh, im Jahr 2001 6 914 kWh, im Jahr 2004 7 243 kWh von der B abgerechnet worden. Im Verbrauchszeitraum 02/04 bis 02/05 verbrauchte der Antragsteller 7 349 kWh Strom, im Verbrauchszeitraum 03/05 bis 03/06 waren es 7 154 kWh. Ab dem 01. Juli 2006 beträgt die monatliche Abschlagsforderung des Energieversorgers 112,50 EUR.
Bereits mit Schreiben vom 31. März 2003 beantragte der Antragsteller die dauerhafte Übernahme seiner tatsächlichen Stromkosten, weil er seit Jahren an einem schmerzhaften Wirbelsäulentotalschaden und chronischer Schultergelenksentzündung laboriere, weswegen er zur Linderung seiner ärgsten Schmerzen zweimal am Tag baden müsse, darüber hinaus sei ihm wegen eines schwerwiegenden Augenleidens (Schleiersehen mit Doppelbildern) angeraten worden, nachts eine gedämmte Flurbeleuchtung brennen zu lassen, er sei daher auf einen höheren Stromverbrauch angewiesen.
Nach Aktenlage leidet der Antragsteller unter folgenden Erkrankungen: Osteochondrose, Spondylarthrose, Osteoporose, Omarthrose rechts (Arztbrief vom 11. Januar 2002), M. Basedow, Hypothyreose, endokrine Orbitopathie (Arztbrief vom 05. Januar 2006), koronare Herzerkrankung mit hochgradig eingeschränkter EF (25 30 %). Der Antragsteller ist anerkannter Schwerbehinderter mit einem Grad der Behinderung von 50, ohne Merkzeichen. Einer amtsärztlichen Stellungnahme des Geschäftsbereichs Gesundheit beim Bezirksamt Pankow vom 18. Juni 2003 zufolge ist es aus ärztlicher Sicht empfehlenswert, dass der Antragsteller wegen der Beschwerden im Stütz- und Bewegungsapparat zur Schmerzlinderung ein- bis zweimal täglich badet.
Der Antragsgegner hatte die an die B - jetzt V AG - zu zahlenden Abschlagszahlungen zunächst in tatsächlicher Höhe anerkannt und überwiesen. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2004 forderte er den Antragsteller auf, seinen Energieverbrauch deutlich zu senken, und teilte ihm mit, dass ab der nächsten Abrechnung (März 2005) nur noch Stromkosten in angemessener Höhe als Bedarf berücksichtigt würden und der Antragsteller seinen darüber hinausgehenden Verbrauch aus seinem Regelsatz bestreiten müsse. Als angemessen werde ein krankheitsbedingt erhöhter Bedarf in Höhe von 3 000 kWh im Jahr angenommen. Dies sei das Doppelte des von der B als durchschnittlich angegebenen Verbrauchs eines Einpersonenhaushaltes von zirka 1 500 kWh pro Jahr. Ab Januar 2005 berücksichtigte der Antragsgegner demzufolge einen Mehrbedarf für Stromkosten in Höhe von 21,00 EUR.
Mit Bescheid vom 17. Mai 2005 erkannte der Antragsgegner ab 01. Juni 2005 weiter einen ergänzenden monatlichen Strombedarf von 21,00 EUR an. Gegen diesen Bescheid legte der Antragsteller mit Schreiben vom 22. Mai 2005 Widerspruch ein, mit dem er eine Erhöhung seines Regelsatzes wegen des besonders hohen Energieverbrauches begehrte. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07. Juli 2006 zurückgewiesen.
In der Vergangenheit war es wiederholt zu Forderungen des Energieversorgungsunternehmens gekommen, die der Antragsgegner im Wege ergänzender Leistungen befriedigt hatte. Am 13. Juni 2006 beantragte der Antragsteller bei dem Antragsgegner erneut die Übernahme rückständiger Stromkosten.
Am 19. Juni 2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erhoben, mit der er die Übernahme rückständiger Stromkosten sowie die Gewährung seiner laufenden krankheitsbedingt erhöhten Stromkosten in voller Höhe begehrt.
Der Antragsgegner hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens die rückständigen Stromkosten in voller Höhe übernommen und an den Energieversorger überwiesen. Im Übrigen hat er ausgeführt, mit dem von ihm als krankheitsbedingtem Mehrbedarf anerkannten Betrag von 21,00 EUR und der im Regelsatz enthaltenen Energiepauschale seien monatlich 48,00 EUR abgedeckt. Die verbleibenden 64,50 EUR habe der Antragsteller aus dem Regelsatz aufzubringen.
Mit Bescheid vom 04. Juli 2006 wurden dem Antragsteller ab dem Monat August 2006 monatliche Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 672,92 EUR bewilligt. Hierbei wurde ein Mehrbedarf für Stromkosten in Höhe von 21,00 EUR berücksichtigt. Von dem nach Einbehaltung wegen Überzahlung in Höhe von 21,00 EUR verbleibenden Betrag in Höhe von 651,92 EUR überweist der Antragsgegner laufend einen Betrag von 306,92 EUR für Kosten der Unterkunft unmittelbar an die Vermieterin sowie einen Betrag in Höhe von 112,50 EUR als monatliche Abschlagszahlung an das Energieversorgungsunternehmen. Dem Antragsteller wurde zunächst ein Betrag von 232,50 EUR ausgezahlt, nach Aussetzung der Einbehaltung wegen Überzahlung während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens ein Betrag von 253,50 EUR.
Gegen den Bescheid vom 04. Juli 2006 hat der Antragsteller Widerspruch eingelegt und unter anderem geltend gemacht, dass von dem ihm bewilligten Eckregelsatz lediglich der Regelsatzanteil für Hausstrom in Höhe von 27,00 EUR einbehalten werden dürfe, während der Differenzbetrag von 318,00 EUR an ihn ausgezahlt werden müsse. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden.
Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 16. Juli 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zurückgewiesen. Soweit der Antrag auf Übernahme der gegenwärtigen Stromkosten gerichtet war, habe der Antragsteller einen vom Antragsgegner nicht gedeckten krankheitsbedingten Mehrbedarf an Stromkosten nicht glaubhaft gemacht. Dem Umstand, dass es empfehlenswert sei, dass der Antragsteller ein- bis zweimal täglich bade, werde der Antragsgegner durch Erhöhung des anerkannten Strombedarfs um monatlich 21,00 EUR gerecht. Dies sei bei summarischer Prüfung nicht zu beanstanden. Die Notwendigkeit nächtlicher Beleuchtung sei ärztlich nicht bescheinigt. Der Kammer sei auch nicht klar, warum einer nächtlichen Verletzungsgefahr nicht anderweitig begegnet werden könne (z. B. nur bedarfsweise Licht einschalten oder Benutzen einer Taschenlampe). Auch der Schwerbehindertenausweis enthalte insoweit keine Merkzeichen, die eine behinderungsbedingte fehlende Mobilität wegen des Augenleidens nahe legen könnten. Ob insoweit tatsächlich ein krankheitsbedingter Mehrbedarf vorliege, müsse im Hauptsacherechtsschutz erklärt werden. Die Handlungsweise des Antragsgegners, die mit Bescheid gewährte Leistung des Regelsatzes teilweise in Höhe des nicht als sozialhilferechtlich notwendigen Strombedarfes an einen Dritten, das Energieversorgungsunternehmen, auszuzahlen und nicht an den Antragsteller abzuführen und somit den Antragsteller zu zwingen, bei anderen im Regelsatz berücksichtigten Bedarfen zu sparen, sei zwar nicht unproblematisch, aber noch durch § 17 Abs. 2 SGB XII gerechtfertigt. Diese Vorschrift dürfte den Leistungsträger im Fall des Antragstellers ermächtigen, zur Sicherstellung des Zwecks der Hilfeleistung den Betrag von 64,50 EUR aus dem Regelsatz heraus auch gegen den Willen des Antragstellers einzusetzen. Der Zweck der Hilfeleistung scheine nicht anders erreichbar zu sein, denn der Antragsteller habe durch sein Verhalten wiederholt Stromschulden entstehen lassen und sei auch jetzt noch der Auffassung, dass sein Bedarf in der tatsächlichen Höhe anzuerkennen sei. Die Alternative wäre für den Träger der Sozialhilfe, den Regelsatz komplett an den Antragsteller auszuzahlen und sehenden Auges weitere Stromschulden entstehen zu lassen, die binnen drei bis vier Monaten eine Abschaltung nach sich ziehen könnten. Die Rechtmäßigkeit der Bewilligungspraxis des Antragstellers werde sich letztlich erst in einem Hauptsacheverfahren klären lassen.
Gegen den ihm am 21. Juli 2006 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 04. August 2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Entscheidung vom 07. August 2006). Zur Begründung trägt er vor, der Antragsgegner habe sich damit abzufinden, dass in seinem Haushalt eines chronisch Kranken sich die realen Kosten für Beleuchtung und Warmwasserbereitung für zweimal täglich Vollbäder sowie den Betrieb von Elektroherd, Kühlschrank, Waschmaschine und elektrischen Kleingeräten auf monatlich über 100,00 EUR beliefen. Die mit einer 24 W Birne erzeugte nächtliche Notbeleuchtung wegen seiner Augenerkrankung falle hierbei überhaupt nicht ins Gewicht. Diese krankheitsbedingten hohen Stromkosten müsse der Antragsteller übernehmen. Der ihm gewährte Regelsatz reiche hierfür nicht aus.
Der Antragsteller hat Aufstellungen seines täglichen Stromverbrauches in den Monaten September und Oktober 2006 sowie eine Aufstellung seiner Elektrogeräte zur Akte gereicht, seine gesundheitlichen Beschwerden dargestellt und angegeben, wegen der Komplexität seines Krankheitsbildes auf uneingeschränkten Stromverbrauch zwingend angewiesen zu sein.
Der Senat entnimmt seinem Vorbringen den Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 16. Juli 2006 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, seine tatsächlich anfallenden Stromkosten durch Erhöhung des monatlichen Regelsatzes um 64,50 EUR zu übernehmen und den Regelsatz abzüglich der anerkannten Kosten der Energieversorgung in voller Höhe an ihn auszuzahlen.
Der Antragsgegner beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Der Antragsgegner hat während des Beschwerdeverfahrens ab Dezember 2006 auf die Einbehaltung des Überzahlungsbetrages in Höhe von 21,00 EUR vorübergehend verzichtet und auf Veranlassung des Senats am 30. November 2006 zur Feststellung der im Haushalt des Antragstellers befindlichen elektrischen Geräte bei diesem einen Hausbesuch durchgeführt; wegen des Ergebnisses wird auf Bl. 179 f. der Gerichtsakte – GA - verwiesen. Auf Anregung des Gerichts erfolgte am 08. und am 16. Januar 2007 eine amtsärztliche Untersuchung des Antragstellers zur Feststellung eines krankheitsbedingten Mehrbedarfs an Stromversorgung. Mit Stellungnahme vom 02. März 2007 erklärte die Amtsärztin des Gesundheitsamtes des Bezirksamtes Pankow von Berlin, dass zur Linderung der degenerativ bedingten Beschwerden Schmerzen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates sich die Notwendigkeit zweimal täglicher Wannenbäder begründen lasse. Eine Kostenübernahme durch die Krankenkasse scheide aus, da eine zwingende Notwendigkeit für derartige therapeutische Maßnahmen nicht bestehe. Bei den bestehenden schwersten degenerativen Veränderungen an der Wirbelsäule sowie den Schultergelenken seien Wannenbäder zur Schmerzlinderung zu empfehlen.
Der Antragsgegner hat im Hinblick auf die amtsärztlichen Feststellungen mit Schriftsatz vom 29. März 2007 mitgeteilt, dass ab Juli 2006 ein erhöhter krankheitsbedingter Bedarf für Energiekosten von 40,00 EUR monatlich anerkannt werde; wegen der Berechnung wird auf Bl. 206 GA verwiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Antragsgegners verwiesen (4 Bände), die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen ist sie unbegründet. Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht den Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.
Soweit der Antragsgegner mit Schreiben vom 29. März 2003 einen weiteren krankheitsbedingten Bedarf an zusätzlicher Stromversorgung in Höhe von – weiteren - 19,00 EUR anerkannt hat, ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig geworden. Der Antragsteller hat insoweit keine das Verfahren beendende Erklärung abgegeben.
Soweit der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung auf die Übernahme weiterer zusätzlicher Kosten für die Stromversorgung, die der Antragsgegner nicht bereits mit Schreiben vom 29. März 2007 anerkannt hat, gerichtet ist, ist er unbegründet.
Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 3 SGG i. V. m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung ZPO ).
Der Antragsteller hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Eine Leistungspflicht des Antragsgegners auf Gewährung eines um weitere Energiekosten erhöhten Regelsatzes kommt nach § 42 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 2 2. Alternative SGB XII nur dann in Betracht, wenn ein Bedarf im Einzelfall unabweisbar seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Dass dies der Fall ist, hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Allein der Umstand, dass für den Antragsteller tatsächlich Energiekosten in erheblichem Umfang anfallen, begründet keinen insoweit unabweisbar gebotenen Bedarf, denn dies kann auch auf unwirtschaftliches Verhalten des Antragstellers zurückzuführen sein. Dass die erhöhten Energiekosten für einen jährlichen Stromverbrauch von über 7000 kWh auf einen für den Antragsteller unabweisbaren Bedarf zurückzuführen sind, ist auch nach den im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auf Veranlassung des Senats durchgeführten weiteren Sachverhaltsermittlungen (Hausbesuch und amtsärztliche Untersuchung) nicht überwiegend wahrscheinlich.
Dass die vom Antragsteller benutzten Elektrogeräte aufgrund von Defekten zu einem erhöhten Stromverbrauch führen, konnte im Rahmen des vom Antragsgegner durchgeführten Hausbesuches nicht festgestellt werden, der Antragsteller hat dies auch nicht behauptet. Dass der Antragsteller außer durch die vom Antragsgegner anerkannten täglichen Wannenbäder krankheitsbedingt einen erhöhten Stromverbrauch hat, hat der Antragsteller ebenfalls nicht glaubhaft machen können. Dementsprechende aussagekräftige ärztliche Atteste hat er trotz ausdrücklichen Hinweises des Senates nicht zur Akte gereicht. Ein erhöhter Stromverbrauch aufgrund der körperlichen Beschwerden des Antragstellers ergibt sich auch nicht aus den aktenkundigen älteren ärztlichen Stellungnahmen und Befunden. Insbesondere ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Augen- und Herzerkrankung des Antragstellers einen erhöhten Strombedarf – etwa wegen der Notwendigkeit zusätzlicher Beleuchtung oder stärkerer Erwärmung der Wohnräume - medizinisch unabweisbar machen. Dies folgt insbesondere aus der amtsärztlichen Stellungnahme vom 2. März 2007. Wie der Antragsteller mit Schreiben vom 9. April 2007 moniert, ist die Amtsärztin in ihrer Stellungnahme mit keinem Wort auf einen insoweit erhöhten Strombedarf eingegangen, obwohl sie vom Antragsteller ausführlich auf seine insoweit bestehenden Beschwerden hingewiesen worden sei. Im Übrigen wird insoweit zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Berlin in dem angefochtenen Beschluss (Seite 8 des Umdrucks) verwiesen, denen der Senat folgt (§ 153 Abs. 2 SGG analog).
Der vom Antragsgegner wegen des täglichen Badens als erhöhter Bedarf an elektrischer Energie anerkannte Betrag von 40 Euro ist nicht zu beanstanden. Für die Erwärmung eines Wannenbades werden durchschnittlich ca. 0,60 Euro benötigt (Quelle Internet: http://www.strom-und-wassersparer.de/faq.htm). Dies ergibt bei 2 Wannenbädern pro Tag und 30 Tagen im Monat einen Betrag von 36 Euro; die Beklagte geht von einem Betrag von 40 Euro aus. Der Antragsteller wird sein Verhalten bezüglich des Energieverbrauchs umstellen müssen, insbesondere wird er seinen Ölradiator abzuschaffen haben, für dessen Betrieb er keine ärztlich begründete Notwendigkeit hat glaubhaft machen können. Sollten die gegenwärtig vom Antragsteller zu leistenden Vorauszahlungen in Höhe von 112,50 EUR monatlich - auch unter Berücksichtigung des zusätzlichen Bedarfs durch tägliche Vollbäder - nicht seinem tatsächlichen Verbrauch entsprechen, wird sich der Antragsteller bei der Fa. V AG um eine entsprechende Reduzierung der Raten oder um eine Feststellung der Ursachen für die hohen Abschlagszahlungen bemühen müssen. Dabei wird ihn allerdings der Antragsgegner - gegebenenfalls durch Einschaltung von Beratungsstellen - beratend zu unterstützen haben (vgl. § 10 Abs. 2 SGB XII).
Der Antragsteller hat jedoch teilweise Erfolg, soweit er sinngemäß begehrt, dem Antragsgegner zu untersagen, von dem ihm gewährten Regelsatz laufende Leistungen für die Übernahme der monatlichen Stromabschläge einzubehalten und unmittelbar an den Energieversorger zu überweisen. Der Antragsteller hat im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes einen Anordnungsanspruch jedenfalls insoweit glaubhaft gemacht, als der Antragsgegner für die Übernahme der monatlichen Stromabschläge einen höheren Betrag als den im Eckregelsatz enthaltenen Betrag für die Energiekostenpauschale in Höhe von 27,00 EUR von der an den Antragsteller auszuzahlenden Leistung der Grundsicherung einbehält.
Zwar musste der Antragsgegner in der Vergangenheit wiederholt Zahlungsrückstände wegen von dem Antragsteller nicht gezahlter Stromabschläge aus Sozialhilfemitteln übernehmen, diese Schwierigkeiten berechtigen ihn aber nicht, den für den monatlichen Stromabschlag an das Energieversorgungsunternehmen geleisteten Betrag in voller Höhe von der an den Antragsteller auszuzahlenden Grundsicherungsleistung einzubehalten. Durch die monatlichen Einbehalte von 45,50 EUR (bis zur Abgabe des Teilanerkenntnisses in Höhe von 64,50 EUR) kürzt der Antragsgegner den dem Antragsteller zustehenden Regelsatz. Für die Überweisung des vollen Stromabschlags an das Energieversorgungsunternehmen – unter faktischer Kürzung des Regelsatzes - besteht jedenfalls insoweit keine Ermächtigungsgrundlage, als vom Antragsgegner Beträge einbehalten werden, die über die im Regelsatz enthaltenen Energiekosten hinausgehen.
Die Verfahrensweise des Antragsgegners ist insbesondere nicht durch § 17 Abs. 2 Satz 1 SGB XII gedeckt, wonach der Leistungsträger über Art und Maß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen entscheidet. Ein Ermessen bezüglich der Auszahlung des Sozialhilfebetrages an einen Dritten kommt allenfalls in Betracht, um die zweckentsprechende Mittelverwendung und somit letztlich die Bedarfsdeckung zu sichern (vgl. Seidel in Oestreicher, SGB XII/SGB II, § 17 SGB XII Rn. 50).
Eine Direktüberweisung von Bestandteilen des Regelsatzes gemäß § 17 SGB XII ist damit ausnahmsweise nur zulässig, um eine zweckwidrige Verwendung des jeweiligen Regelsatzanteils zu verhindern. Damit kommt eine Direktüberweisung von Bestandteilen des Regelsatzes an einen Dritten, hier den Energieversorger, allerdings nur in Höhe des Betrages in Betracht, der für diesen Bedarf im Regelsatz enthalten ist.
Ob der Leistungsberechtigte einzelne Bedarfe unbefriedigt lässt, um wie hier erhöhte Energiekosten abzudecken, obliegt seiner freien Entscheidung. Der Regelsatz steht ihm zur Befriedigung seiner notwendigen Bedürfnisse zur Verfügung. Ob der Leistungsberechtigte viel oder wenig Energie verbraucht, ist seine Sache. Ob er Ausgaben an einer Stelle stark einschränkt zugunsten höherer Ausgaben für andere Bedürfnisse, hier zugunsten seines Energieverbrauchs, kann er selbst bestimmen. Es besteht keine Rechtsgrundlage für den Sozialhilfeträger, dem Leistungsberechtigten diese Entscheidung abzunehmen und einen vom Regelsatz nicht erfassten Mehrbetrag an den Energieversorger zu überweisen und den für andere Zwecke bestimmten Auszahlungsbetrag entsprechend zu kürzen.
Dem Leistungsberechtigten soll nach § 1 Satz 1 SGB XII ermöglicht werden, ein Leben zu führen, das der Würde des Menschen entspricht. Dazu gehört grundsätzlich, dass dem erwachsenen Menschen die Möglichkeit gelassen wird, im Rahmen der ihm zustehenden Mittel seine Bedarfsdeckung frei zu gestalten (BVerwGE 72, 357 m.w.N.). Er hat also grundsätzlich einen Anspruch darauf, dass der Regelsatz in der Regel unmittelbar als Geldleistung an ihn ausgezahlt wird, so dass er über ihn frei verfügen kann. Ist der Leistungsempfänger nicht ausdrücklich mit der Überweisung des vollen Energiekostenbetrages an den Energieversorger einverstanden, muss ihm damit es nicht zu einer faktischen Regelsatzkürzung kommt die Möglichkeit verbleiben, durch Erhalt der ihm zustehenden Beträge eigenverantwortlich über den Einsatz seiner Mittel zum Lebensunterhalt zu entscheiden, auch wenn dies möglicherweise im Ergebnis zu seinen Lasten geht, weil der Energieversorger bei weiterem Entstehen von Schulden die Energieversorgung einstellen wird und der Träger der Grundsicherungsleistungen zur erneuten Übernahme weiterer Stromschulden nicht verpflichtet sein wird (vgl. VG München, Beschluss vom 12. Januar 2004 - M 15 E 03.6509 -, juris, zu Kosten der Unterkunft; Beschluss des Bayerischen VGH vom 17. Juni 1997 - 12 CE 96.3938 - FEVS 48, 26 f.). Ein im Falle des Antragstellers zu befürchtendes Anwachsen neuer Schulden beim Energieversorger mit der Folge der völligen Einstellung der Energieversorgung fällt in den freien Verantwortungsbereich des Antragstellers und berechtigt den Antragsgegner nicht, dem Antragsteller diese Verantwortung abzunehmen und ihn durch die Auszahlungspraxis der Grundsicherungsleistungen zu entmündigen. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass eine erneute Übernahme von Stromschulden durch den Antragsgegner im vorliegenden Fall ausgeschlossen sein dürfte. Der Antragsteller ist also in besonderem Maße gehalten, die Zahlungen an den Energieversorger sicherzustellen, gegebenenfalls durch Zustimmung zu der bisher vom Antragsgegner praktizierten Verwahrensweise.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 193 Sozialgerichtsgesetz SGG.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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