L 5 KR 3172/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 3242/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 3172/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1.7.2005 insoweit aufgehoben, als darin unter Abänderung des Bescheids vom 9.2.2004 und des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2004 die Familienversicherung der Klägerin ab 19.7.2004 festgestellt wird. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin im Rahmen der Familienversicherung Mitglied der Beklagten ist.

Die 1950 geborene Klägerin ist verheiratet. Ihr Ehemann ist (als pflichtversicherter Rentner) Mitglied der Beklagten. Von 1966 bis 2003 war die Klägerin bei der Dresdner Bank AG versicherungspflichtig beschäftigt und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Zuletzt (2003) bezog die Klägerin ein Jahresgehalt in Höhe von insgesamt 49.971 EUR. Die ordentliche Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses war tarifvertraglich ausgeschlossen.

Im Herbst 2003 schloss die Klägerin auf Veranlassung ihres Arbeitgebers einen Aufhebungsvertrag zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31.12.2003. Unter Nr. 3 des Vertrages ist vereinbart, dass sie von der Dresdner Bank AG für den Verlust des Arbeitsplatzes eine Abfindung in entsprechender Anwendung der §§ 9 und 10 KSchG in Höhe von 109.479 EUR erhält. Die Abfindung wird zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und am 15. des Folgemonats ausgezahlt. Vor Abschluss des Aufhebungsvertrages hatte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 20.6.2003 (Verwaltungsakte Seite 20) unter anderem folgendes mitgeteilt: "In Fällen, in denen von Seiten des Versicherten kein Arbeitslosengeld beantragt wird, bleibt die Abfindung unberücksichtigt. Hierbei sind allenfalls die aus der Abfindung gegebenenfalls erzielten (Zins-)Erträge bei der Beitragsbemessung zu berücksichtigen. In diesem Fall sollten Sie von der Krankenkasse ihres Ehemannes prüfen lassen, ob gegebenenfalls ein Anspruch auf Familienversicherung besteht".

Am 3.2.2004 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, das Bestehen von Familienversicherung festzustellen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 9.2.2004 ab. Zur Begründung führte sie aus, gem. § 10 Abs. 1 Nr. 5 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bestehe nur dann Anspruch auf Leistungen aus der Familienversicherung, wenn das Gesamteinkommen die maßgebliche Einkommensgrenze (1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch, SGB IV, im Jahr 2004: 345 EUR) nicht überschreite. Bei der Berechnung der Einkommensgrenze müsse die Abfindung anteilsmäßig berücksichtigt werden. Sie werde durch das zuletzt regelmäßig bezogene monatliche Arbeitsentgelt geteilt. Auf diese Weise errechne sich der Zeitraum, für den die Abfindung als regelmäßiges Einkommen zu Grunde zu legen sei. Dieser betrage hier 26 Monate (109.479 EUR: 4.164,25 EUR); der zu berücksichtigende steuerpflichtige Betrag sei mit 3.818,10 EUR anzusetzen (steuerfreier Teil der Abfindung 9.000 EUR: 26). Die maßgebende Einkommensgrenze des Jahres 2004 in Höhe von 345 EUR werde, ebenso wie die Einkommensgrenze der Folgejahre, daher klar überschritten.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug die Klägerin vor, die Beklagte habe im Schreiben vom 20.6.2003 zugesichert, die Abfindung nicht zu berücksichtigen. Dass dies nur dann gelten solle, wenn nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses sogleich wieder eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen werde, sei nicht erkennbar gewesen. Außerdem sei zur Prüfung aufgefordert worden, ob gegebenenfalls ein Anspruch auf kostenfreie Familienversicherung bestehe. Berücksichtige man die zu erwartende Abfindung von etwa 90.000 EUR, sei das aber von vornherein nicht in Betracht gekommen. Wäre sie ordnungsgemäß aufgeklärt worden, hätte sie sich die versicherungsrechtlichen Nachteile entweder vom Arbeitgeber ausgleichen lassen oder die Aufhebungsvereinbarung nicht abgeschlossen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21.9.2004 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Ergänzend führte sie aus, zum Gesamteinkommen des Versicherten gehörten auch einmalige Einnahmen, deren Gewährung mit hinreichender Sicherheit mindestens einmal jährlich zu erwarten sei, wie Weihnachtsgratifikation oder Urlaubsgeld; der jeweilige Betrag sei gleichmäßig auf alle Monate zu verteilen und den Monatsbezügen hinzuzurechnen (BSG, Urt. vom 17.8.1982, - 3 RK 68/80; Urt. v. 28.2.1984, - 12 RK 21/83 -). Im Hinblick darauf würden auch Abfindungen anteilsmäßig angesetzt; ausgenommen seien nur steuerfreie Beträge gem. § 3 Nr. 9 Einkommensteuergesetz. Die im Bescheid vom 9.2.2004 vorgenommene Berechnung sei danach fehlerfrei. Auf das Schreiben 20.6.2003 könne sich die Klägerin nicht berufen. Eine schriftliche Zusage gemäß § 34 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei darin nicht ausgesprochen worden.

Am 22.10.2004 erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Mannheim. Zur Begründung wiederholte sie ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren. Ergänzend trug sie vor, sie habe Anspruch auf kostenfreie Familienversicherung nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Mit der Abfindung wolle sie die Zeit bis zum Beginn ihrer Rente mit dem 60. Lebensjahr überbrücken. Zur Hälfte habe sie die Abfindung für die Renovierung ihrer Wohnung verwendet, ein Teilbetrag von 50.000 EUR sei als Termingeld angelegt. Daraus erziele sie Zinsen von ungefähr zwei Prozent jährlich (SG-Akte S. 31).

Mit Gerichtsbescheid vom 1.7.2005 stellte das Sozialgericht unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 9.2.2004 und des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2004 fest, dass die Klägerin ab 19.7.2004 familienversichertes Mitglied der Beklagten ist. Im Übrigen wies es die Klage ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, auf das Schreiben der Beklagten vom 20.6.2003 könne die Klägerin den geltend gemachten Anspruch nicht stützen, weil es sich dabei nicht um eine Zusicherung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X handele. Der Wille der Beklagten, die Klägerin in die Familienversicherung aufzunehmen, sei darin nicht zum Ausdruck gekommen. Vielmehr sei dies von einer noch ausstehenden Prüfung der Rechtslage abhängig gemacht worden. Man habe die Klägerin nur über die (aus Sicht der Beklagten zutreffende) Rechtslage aufgeklärt. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch bestehe nicht. Insbesondere könne die Beklagte eine höhere Abfindung nicht durch rechtmäßiges Verwaltungshandeln herstellen.

Ab 19.7.2004 sei die Klägerin aber bei der Beklagten familienversichert. Eine Abfindung, die wegen der Beendigung der versicherungspflichtigen Beschäftigung als Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt werde, sei dem Arbeitsentgelt für die Zeit während der Beschäftigung nicht hinzuzurechnen. Sie könne regelmäßig auch nicht als Gehaltsfortzahlung für die Zeit nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses angesehen werden. Vielmehr stelle sie lediglich eine Entschädigung für den Verlust eines sozialen Besitzstandes dar (LSG Brandenburg, Urt. v. 3.11.2004, - L 4 KR 25/03 -). Anderes gelte nur dann, wenn das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung des Arbeitgebers ohne Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist gelöst worden sei. In diesem Fall enthalte die Abfindung auch Lohnansprüche, die bei fristgerechter Kündigung noch angefallen wären. Hier sei die Kündigung des Arbeitsverhältnisses tarifvertraglich ausgeschlossen gewesen. Der mit der Abfindung abgegoltene Gehaltsfortzahlungsanspruch könne nach der Regelung des § 143a Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) bestimmt werden. Nach dieser Vorschrift seien bei einer mehr als 35-jährigen Betriebszugehörigkeit lediglich 25 vH des Betrages der Entlassungsentschädigung als Arbeitsentgelt anzurechnen, hier also 27.437,25 EUR. Dieser Betrag umfasse 200 Tage eines kalendertäglichen Arbeitsentgelts von 136,91 EUR (Jahresgehalt 2003:49.971 EUR: 365), weshalb das Arbeitsentgelt bis zum 18.7.2004 als fortgezahlt gelte. Danach verfüge die Klägerin über kein Einkommen mehr, das die Familienversicherung gem. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V ausschließen würde.

Auf den ihr am 8.7.2005 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 1.8.2005 Berufung eingelegt. Am 10.10.2005 hat die Klägerin Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, § 143a Abs.1 Satz 1 SGB III sei nicht entsprechend anwendbar. Die Vorschrift betreffe die Berücksichtigung von Abfindungen beim Bezug von Arbeitslosengeld und sei nicht analogiefähig. Ihre Verfahrensweise sei von der Aufsichtsbehörde ausdrücklich als rechtmäßig bestätigt worden; das gehe auch aus einem gemeinsamen Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 14.3.2002 hervor.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1.7.2005 insoweit aufzuheben, als darin unter Abänderung ihres Bescheids vom 9.2.2004 bzw. ihres Widerspruchsbescheids vom 21.9.2004 die Familienversicherung der Klägerin ab 19.7.2004 festgestellt wurde, und die Klage insgesamt abzuweisen,

außerdem,

die Anschlussberufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 1.7.2005 insoweit aufzuheben, als darin die Klage abgewiesen wurde, und unter Abänderung des Bescheids der Beklagten vom 9.2.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21.9.2004 festzustellen, dass sie (bereits) ab 1.1.2004 bei der Beklagten familienversichert ist,

außerdem.

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, entgegen der Auffassung des Sozialgerichts handele es sich bei dem Schreiben der Beklagten vom 20.6.2003 um eine rechtsverbindliche Zusicherung. Jedenfalls habe sie dieses Schreiben als solche verstanden, zumal sie vorher an die Beklagte entsprechende Fragen gerichtet habe. Um eine bloße Auskunft oder Beratung habe es sich nicht gehandelt. Daran ändere der Vorbehalt, bei der Krankenkasse ihres Ehemannes möge die Familienversicherung geprüft werden, nichts, zumal ihr Ehemann (ebenfalls) Mitglied der Beklagten gewesen sei.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gem. §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Beklagten ist gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthaft und auch sonst zulässig. Sie ist auch begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Das Sozialgericht hätte der Klage daher nicht (teilweise) stattgeben dürfen. Die gem. § 202 SGG i.V.m. § 524 ZPO statthafte und zulässige Anschlussberufung der Klägerin ist demzufolge unbegründet.

Die Klägerin war - wie die Beklagte richtig entschieden und fehlerfrei berechnet hat - während eines Zeitraums von 26 Monaten seit 1.1.2004 nicht familienversichert. Sie erfüllte die Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V nicht, weil ihr Gesamteinkommen in diesem Zeitraum die für die Familienversicherung geltenden Einkommensgrenzen überschritt. Die Abfindung, die die Klägerin anlässlich der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses erhalten hat, war bei der Ermittlung des Gesamteinkommens zu berücksichtigen. Für die Zurechnung der Abfindung zum Veranlagungszeitraum (Kalenderjahr) gilt § 25 EStG (i.V.m. § 16 SGB IV). § 143a SGB III ist entgegen der Auffassung des Sozialgerichts nicht entsprechend anzuwenden.

Nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr. 5 Halbsatz 1 SGB V setzt die Familienversicherung des Ehegatten eines Versicherten u.a. voraus, dass kein Gesamteinkommen erzielt wird, das regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV überschreitet. Das Gesamteinkommen i. S. dieser Vorschrift ist gem. der nach § 1 Abs. 1 SGB IV auch für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden Vorschrift des § 16 SGB IV die Summe der Einkünfte i.S. des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1); es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Nach § 2 Abs 1 Satz 1 EStG unterliegen u.a. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Nr. 4) der Einkommensteuer. Sie zählen abzüglich der Werbungskosten (§ 2 Abs. 2 Nr. 2, §§ 8 bis 9a EStG ) zur Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts und damit zum Gesamteinkommen (so und zum Folgenden: BSG, Urt. v. 25.1.2006, - B 12 KR 2/05 R - m.w.N. aus der Rechtsprechung des BSG ). Gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 EStG bestimmt sich nach den §§ 13 bis 24 EStG, zu welcher Einkunftsart die Einkünfte im einzelnen Fall gehören.

Die der Klägerin gezahlte Abfindung ist steuerrechtlich als Einnahme aus nichtselbstständiger Arbeit i.S. des § 19 EStG einzustufen. Dazu gehören nicht nur der laufende Lohn, sondern auch Einmalzahlungen, wie z.B. eine vom Arbeitgeber gezahlte Entlassungsentschädigung. Das folgt aus § 24 Nr. 1 EStG , wonach die Einkünfte i.S. des § 2 Abs 1 EStG auch Entschädigungen umfassen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind; die unter § 24 EStG zu subsumierenden Entschädigungen bilden keine selbstständige Einkunftsart (vgl. BFH, Urt. v. 16.10.2002 - XI R 71/00 -, BFHE 200,544 ,545 f. sowie BSG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O.). Als Abfindung wegen der Auflösung eines Dienstverhältnisses unterlag die Abfindungszahlung nach Ausschöpfung des Freibetrages gemäß § 3 Nr. 9 EStG auch der Besteuerung. Hiergegen wendet sich die Klägerin nicht.

Ob es sich bei der Abfindungszahlung (außerdem) um Arbeitsentgelt i.S. des § 14 SGB IV handelt oder ob diese Einnahmen bei der Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder gemäß § 240 SGB V zu Grunde zu legen wären, ist für ihre Berücksichtigung bei der Festlegung der Einkommensgrenze des § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V ebenso wenig von Belang wie der mit der Abfindungszahlung verfolgte Zweck. Denn das Bundessozialgericht hat das Gesamteinkommen i.S. der Regelungen über die Familienversicherung seit der Geltung des § 16 SGB IV grundsätzlich steuerrechtlich bestimmt (auch dazu BSG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O. m.w.N.). Die Vorgaben des EStG für die Bestimmung der Einkünfte i.S. des § 2 Abs. 2 EStG und damit auch des Gesamteinkommens können auch nicht unter Berufung auf eine bestimmte Zwecksetzung einer Zahlung außer Kraft gesetzt werden. Es ist nicht ersichtlich, wie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, die Grundlage auch für die Besteuerung als Einkommen ist, anders als durch Berücksichtigung der Vorschriften des EStG festgestellt werden kann. Die fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wiederum ist Bestimmungsgrund für die Versicherung nach § 10 SGB V, denn bei hinreichender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist eine Entlastung der Familie durch die Familienversicherung nicht geboten (BSG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O. unter Hinweis auf BVerfG, Beschl. v. 9.6.1978 - 1 BvR 53/78 - SozR 2200 § 205 Nr. 19 S 39).

Für die Bestimmung des Zeitraums, in dem die Einkünfte als Gesamteinkommen nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu berücksichtigen sind, gilt § 25 Abs. 1 EStG. Danach wird die Einkommensteuer nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraum) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Die Anwendung dieser Vorschrift ist (ebenfalls) Folge der in § 16 SGB IV angeordneten Berechnung des (sozialversicherungsrechtlichen) Gesamteinkommens (allein) nach den Festlegungen des Einkommensteuerrechts (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29.9.2005, - L 2 KN 11/01 KR -). Mit der Anknüpfung an das Einkommensteuerrecht wollte der Gesetzgeber das Verfahren vereinfachen und weiteren Verwaltungsaufwand vermeiden. Das gilt sowohl für die Bestimmung des Anrechungszeitraums wie für die Berechnung der Anrechnungsbeträge.

Die vom Sozialgericht befürwortete entsprechende Anwendung des § 143a SGB III kommt daher nicht in Betracht. Das Gesetz regelt mit § 16 SGB IV (i.V.m. § 1 Abs. 1 SGB IV) vielmehr abschließend, was unter dem Gesamteinkommen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu verstehen ist. Es nimmt hierfür allein auf das Einkommensteuerrecht Bezug. Auf Regelungen des Arbeitsförderungsrechts wird hingegen nicht verwiesen. Die Rechtsfolgen, die mit der Zahlung einer Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes hinsichtlich der Familienversicherung verbunden sind, richten sich daher ausschließlich nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes. Eine Regelungslücke, die durch die entsprechende Anwendung des § 143a SGB III geschlossen werden könnte, weist das Gesetz nicht auf. Mit der in § 10 SGB V vorgesehenen Familienversicherung soll dem besonderen Schutzbedürfnis solcher Familienangehörigen Rechnung getragen werden, die die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der Gesetzlichen Krankenversicherung selbst nicht erfüllen. Ihnen wird Krankenversicherungsschutz ohne zusätzliche Beitragsverpflichtung gewährt. Ob ein Familienangehöriger in diesem Sinne schutzbedürftig ist, hat der Gesetzgeber mit der Regelung des § 10 Abs.1 Nr. 5 SGB V von seinem Gesamteinkommen abhängig gemacht. Mit der Verweisung auf die Regelung des § 16 SGB IV hat er zugleich zum Ausdruck gebracht, dass die Einkommenssituation ausschließlich nach dem Steuerrecht beurteilt werden soll (so auch LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 29.9.2005, a. a. O.). Die Entscheidung des LSG Brandenburg vom 3.11.2004 (- L 4 KR 25/03 -), auf die sich das Sozialgericht für seine abweichende Auffassung gestützt hat, ist vom Bundessozialgericht aufgehoben worden (BSG, Urt. v. 25.1.2006, a. a. O.).

Davon ausgehend hat die Beklagte den Zeitraum, für den die der Klägerin gezahlte Abfindung als Gesamteinkommen i.S.d. § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V zu berücksichtigen ist, fehlerfrei mit 26 Monaten errechnet. Die Abfindung ist, unbeschadet dessen, dass sie der Klägerin im Jahr 2004 als Einmalzahlung zugeflossen ist, in Monatsbeträge aufzuteilen (vgl. dazu etwa BSG, Urt. v. 17.8.1982, - 3 RK 68/80 -; auch BSG, Urt. v. 28.2.1984, - 12 RK 21/83 - sowie BSG, Urt. v. 22.7.1981, - 3 RK 7/80 -). Der Bruttoabfindungsbetrag ist danach durch das zuletzt bezogene Bruttomonatsgehalt zu teilen (hier: 109.479 EUR / 4.164,25 EUR = abgerundet 26 Monate). Da der Klägerin die Abfindung nach Maßgabe des Aufhebungsvertrags im Januar 2004 zustand, beginnt der Anrechnungszeitraum am 1.1.2004 (§ 25 Abs. 1 EStG) und endet daher mit dem Februar 2006. Unter Berücksichtigung des gem. § 3 Nr. 9 EStG (§ 52 Abs. 4a EStG) steuerfreien Betrags in Höhe von 9.000 EUR ergibt sich ein Monatsbetrag von 3.818,10 EUR, der in diesem Zeitraum als Gesamteinkommen zu berücksichtigen ist und der für die Jahre 2004 bis 2006 1/7 der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (2006: 350 EUR) übersteigt.

Einen Rechtsanspruch auf Familienversicherung kann die Klägerin aus dem Schreiben der Beklagten vom 20.6.2003 nicht ableiten. Dabei handelt es sich, wie das Sozialgericht richtig erkannt hat, nicht um eine Zusicherung gem. § 34 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Hierfür wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Gerichtsbescheids (unter 1.) Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Das (Anschluss-)Berufungsvorbringen der Klägerin ändert nichts. Dem Schreiben ist für einen Bindungswillen der Behörde im Sinne einer Zusicherung nichts zu entnehmen. Vielmehr handelt es sich eindeutig - auch aus Sicht des Empfängers - um eine bloße Auskunft zur Rechtslage; sie bezog sich außerdem auf die Bemessung der Beiträge einer freiwilligen Versicherung. Der Wille, die Klägerin - ungeachtet der erhaltenen Abfindung und damit entgegen den gesetzlichen Regelungen in § 10 Abs. 1 Nr. 5 SGB V bzw. § 16 SGB IV - als familienversichertes Mitglied einstufen zu wollen, ist dem Schreiben nicht zu entnehmen. Auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch kann die Klägerin ihr Begehren ebenfalls nicht stützen; auch insoweit nimmt der Senat auf die zutreffenden Entscheidungsgründe (unter 2.) des angefochtenen Gerichtsbescheids Bezug.

Die Klägerin kann damit frühestens ab 1.3.2006 familienversichertes Mitglied der Beklagten sein. Ob sie zu diesem Zeitpunkt die dafür notwendigen Voraussetzungen erfüllt, wäre ggf. von der Beklagten zu prüfen. Hierüber hat das Sozialgericht in seinem Gerichtsbescheid vom 1.7.2005 nicht entschieden und dies ist auch nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens. Da das Sozialgericht zu Unrecht festgestellt hat, dass die Klägerin - schon - ab 19.7.2004 familienversichertes Mitglied der Beklagten ist, ist der Gerichtsbescheid auf die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten insoweit aufzuheben und die Klage insgesamt abzuweisen. Die Anschlussberufung der Klägerin ist demgegenüber zurückzuweisen.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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