Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 48 SB 1123/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 SB 68/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. April 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht – erfüllt.
Der Beklagte hatte bei der 1936 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 20. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1999 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Den Antrag der Klägerin von März 2000 auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2001 ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Gutachten der Dr. N vom 26. Juli 2001 und des Dr. M vom 12. September 2001 stellte der Beklagte bei der Klägerin mit Bescheid vom 26. September 2001 folgende Behinderungen (die verwaltungsintern mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-GdB bewertet wurden) mit einem Gesamt-GdB von 100 fest:
a) mehrfach operiertes Brustdrüsenleiden, Rezidiv links im Stadium der Heilungsbewährung (GdB von 100), b) Wirbelsäulen-Fehlhaltung und Verschleiß, Bandscheibenschäden im Lendenwirbelsäulenbereich, Funktionsbehinderung der gesamten Wirbelsäule (GdB von 40), c) labiler Bluthochdruck mit Schwindel bei beginnender Herzleistungsminderung (GdB von 30), d) schmerzhafte Funktionsbehinderung der Beingelenke, Beinfehlstatik, Hüftgelenksverschleiß besonders links, Fußfehlform und Fehlstatik, Krampfadern (GdB von 20), e) medikamentös behandeltes Schilddrüsenleiden (GdB von 20) und f) Hörbehinderung, Ohrgeräusche (GdB von 30).
Ferner erkannte er das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" – erheblich gehbehindert – an. Hingegen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2002 den Widerspruch der Klägerin hinsichtlich des Merkzeichens "RF" zurück.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin unter Vorlage verschiedener Atteste der sie behandelnden Ärzte ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat insbesondere vorgetragen, dass sie wegen ihres Rückenleidens nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Neurologen Dr. R vom 13. November 2002 und des Orthopäden Dr. U vom 30. November 2002 eingeholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. April 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" habe. Die Klägerin sei, wie sich insbesondere aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. U ergebe, unter Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln wie eines Rollstuhls und einer Begleitperson in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und hierzu Befundberichte des Internisten Dr. K vom 14. Juni 2003 und des Lungenarztes Dr. V vom 3. Juni 2006, Neurographie-/Elektromyographiebefunde der Nervenärztin Ku vom 20. Mai 2003 und vom 3. Mai 2004, Entlassungsberichte des J Krankenhauses vom 14. November 2004 und vom 23. September 2006, des Klinikums U vom 31. Oktober 2003 und vom 28. November 2003 sowie der C – vom 5. April 2005 und den Untersuchungsbericht der Radiologen H, Dr. Y und Z vom 10. Juli 2006 zur Akte gereicht. Sie ist der Auffassung, ihr sei aufgrund ihres Gesamtkrankenbildes das Merkzeichen "RF" zuzuerkennen. Ihre Haupterkrankung liege im kardiologischen Bereich, wodurch sie derart beeinträchtigt sei, dass sie nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. April 2003 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2001, geändert durch den Bescheid vom 26. September 2001, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2002 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht – festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte des Lungenarztes Dr. V von März 2004 und der Ärztin C vom 17. März 2004 eingeholt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Internist M das Gutachten vom 31. August 2005 erstattet.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Sie hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des begehrten Nachteilsausgleichs, die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, vorliegen (vgl. § 4 Abs. 5 Schwerbehindertengesetz a.F.; ab 1. Juli 2001: § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuches, Neuntes Buch - SGB IX -). Die Klägerin gehört insbesondere nicht zu dem Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (a.F.) vom 2. Januar 1992 (GVBl. S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. März 2004 (GVBl. S. 179), bzw. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82). Hiernach sind behinderte Menschen von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, wenn sie nicht nur vorübergehend um mindestens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Nach Nr. 33 Abs. 2 (S. 141) der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in der Fassung des Jahres 2005 (AHP 2005), die als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten, sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt bei a) Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, b) Hörgeschädigten, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist und c) behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Hierzu gehören - behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen – auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) – bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - behinderte Menschen mit – nicht nur vorübergehend – ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, - behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der auch aus anderen Gründen zweifelhafte Nachteilsausgleich "RF" (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, worin die Auffassung vertreten wird, dass es wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fernsehgeräten zunehmend zweifelhaft erscheint, dass durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird) nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Der Senat vermag den vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die geschilderten Voraussetzungen erfüllt. Nach der überzeugenden Einschätzung des nach § 109 SGG gehörten Internisten M im Gutachten vom 31. August 2005, in dem die Feststellungen der die Klägerin behandelnden Ärztin Dr. C im Befundbericht vom 17. März 2004 bestätigt worden sind, bestehen bei der Klägerin keine schweren Bewegungsstörungen durch innere Leiden im Sinne der Nr. 33 Abs. 2 lit c (S. 141) der AHP 2005. Weder der Diabetes mellitus noch die arterielle Hypertonie führen zu dauerhaften Funktionseinschränkungen. Das Vorhofflimmern hat nach den Feststellungen des Gutachters nur passager, nicht dauerhaft bestanden und bedingt somit kein dauerhaftes Hindernis, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Zwar liegt bei der Klägerin daneben eine Herzinsuffizienz NYHA III vor, die zu Funktionsbeeinträchtigungen führt. Der Klägerin sind jedoch, worauf der Internist M ausdrücklich hinweist, leichte körperliche Belastungen möglich, weshalb die Herzinsuffizienz keinen Hinderungsgrund darstellt, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Zutreffend hat das Sozialgericht Berlin in der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass bei der Klägerin auch keine orthopädisch bedingten schweren Bewegungsstörungen im genannten Sinne bestehen. Die von dem Orthopäden Dr. U im Befundbericht vom 30. November 2002 aufgeführten Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke, der Hüftgelenke, der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten beeinträchtigen die Gehfähigkeit der Klägerin deutlich. Dies hat Dr. Uin seinem Attest vom 28. August 2002 nachvollziehbar ausgeführt. Allerdings ist die Klägerin, worauf im Befundbericht vom 30. November 2002 überzeugend hingewiesen worden ist, weiterhin in der Lage, mit technischen Hilfsmitteln wie einem Rollstuhl und der Unterstützung durch Begleitpersonen an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Auch ist der Klägerin nach dem Bericht ihres behandelnden Internisten längeres Sitzen möglich, wenn auch eingeschränkt. Da bei Inanspruchnahme dieser Hilfen das beeinträchtigte Gehvermögen ausgeglichen wird, kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin praktisch an die Wohnung gebunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht – erfüllt.
Der Beklagte hatte bei der 1936 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 20. April 1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 1999 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 festgestellt. Den Antrag der Klägerin von März 2000 auf Zuerkennung des Merkzeichens "RF" lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 17. Mai 2001 ab. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch. Auf der Grundlage der versorgungsärztlichen Gutachten der Dr. N vom 26. Juli 2001 und des Dr. M vom 12. September 2001 stellte der Beklagte bei der Klägerin mit Bescheid vom 26. September 2001 folgende Behinderungen (die verwaltungsintern mit den sich aus den Klammerzusätzen ergebenden Einzel-GdB bewertet wurden) mit einem Gesamt-GdB von 100 fest:
a) mehrfach operiertes Brustdrüsenleiden, Rezidiv links im Stadium der Heilungsbewährung (GdB von 100), b) Wirbelsäulen-Fehlhaltung und Verschleiß, Bandscheibenschäden im Lendenwirbelsäulenbereich, Funktionsbehinderung der gesamten Wirbelsäule (GdB von 40), c) labiler Bluthochdruck mit Schwindel bei beginnender Herzleistungsminderung (GdB von 30), d) schmerzhafte Funktionsbehinderung der Beingelenke, Beinfehlstatik, Hüftgelenksverschleiß besonders links, Fußfehlform und Fehlstatik, Krampfadern (GdB von 20), e) medikamentös behandeltes Schilddrüsenleiden (GdB von 20) und f) Hörbehinderung, Ohrgeräusche (GdB von 30).
Ferner erkannte er das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "G" – erheblich gehbehindert – an. Hingegen wies er mit Widerspruchsbescheid vom 23. April 2002 den Widerspruch der Klägerin hinsichtlich des Merkzeichens "RF" zurück.
Mit ihrer Klage vor dem Sozialgericht Berlin hat die Klägerin unter Vorlage verschiedener Atteste der sie behandelnden Ärzte ihr Begehren weiterverfolgt. Sie hat insbesondere vorgetragen, dass sie wegen ihres Rückenleidens nicht an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne. Das Sozialgericht hat Befundberichte des Neurologen Dr. R vom 13. November 2002 und des Orthopäden Dr. U vom 30. November 2002 eingeholt.
Mit Gerichtsbescheid vom 9. April 2003 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Feststellung des Vorliegens der gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen "RF" habe. Die Klägerin sei, wie sich insbesondere aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. U ergebe, unter Zuhilfenahme von technischen Hilfsmitteln wie eines Rollstuhls und einer Begleitperson in der Lage, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt und hierzu Befundberichte des Internisten Dr. K vom 14. Juni 2003 und des Lungenarztes Dr. V vom 3. Juni 2006, Neurographie-/Elektromyographiebefunde der Nervenärztin Ku vom 20. Mai 2003 und vom 3. Mai 2004, Entlassungsberichte des J Krankenhauses vom 14. November 2004 und vom 23. September 2006, des Klinikums U vom 31. Oktober 2003 und vom 28. November 2003 sowie der C – vom 5. April 2005 und den Untersuchungsbericht der Radiologen H, Dr. Y und Z vom 10. Juli 2006 zur Akte gereicht. Sie ist der Auffassung, ihr sei aufgrund ihres Gesamtkrankenbildes das Merkzeichen "RF" zuzuerkennen. Ihre Haupterkrankung liege im kardiologischen Bereich, wodurch sie derart beeinträchtigt sei, dass sie nicht mehr an öffentlichen Veranstaltungen teilnehmen könne.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 9. April 2003 aufzuheben und den Bescheid des Beklagten vom 17. Mai 2001, geändert durch den Bescheid vom 26. September 2001, in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 23. April 2002 zu ändern sowie den Beklagten zu verurteilen, bei ihr das Vorliegen der gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "RF" – Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht – festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält seine Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat Befundberichte des Lungenarztes Dr. V von März 2004 und der Ärztin C vom 17. März 2004 eingeholt.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat der Internist M das Gutachten vom 31. August 2005 erstattet.
Wegen der weiteren Ausführungen der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze Bezug genommen. Ferner wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs des Beklagten verwiesen, der vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte trotz Ausbleibens der Klägerin im Termin verhandeln und entscheiden (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Sie hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die gesundheitlichen Merkmale für die Inanspruchnahme des begehrten Nachteilsausgleichs, die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht, vorliegen (vgl. § 4 Abs. 5 Schwerbehindertengesetz a.F.; ab 1. Juli 2001: § 69 Abs. 4 Sozialgesetzbuches, Neuntes Buch - SGB IX -). Die Klägerin gehört insbesondere nicht zu dem Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Berliner Verordnung über die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht (a.F.) vom 2. Januar 1992 (GVBl. S. 3), zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. März 2004 (GVBl. S. 179), bzw. des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 des am 1. April 2005 in Kraft getretenen Achten Staatsvertrags zur Änderung rundfunkrechtlicher Staatsverträge (Achter Rundfunkänderungsstaatsvertrag) in Verbindung mit § 1 des Berliner Zustimmungsgesetzes vom 27. Januar 2005 (GVBl. S. 82). Hiernach sind behinderte Menschen von der Rundfunkgebührenpflicht zu befreien, wenn sie nicht nur vorübergehend um mindestens 80 v.H. in ihrer Erwerbsfähigkeit gemindert sind und wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können.
Nach Nr. 33 Abs. 2 (S. 141) der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung herausgegebenen "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" in der Fassung des Jahres 2005 (AHP 2005), die als antizipierte Sachverständigengutachten normähnlichen Charakters gelten, sind die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht erfüllt bei a) Blinden oder nicht nur vorübergehend wesentlich Sehbehinderten mit einem GdB von wenigstens 60 allein wegen der Sehbehinderung, b) Hörgeschädigten, die gehörlos sind oder denen eine ausreichende Verständigung über das Gehör auch mit Hörhilfen nicht möglich ist und c) behinderten Menschen mit einem GdB von wenigstens 80, die wegen ihres Leidens an öffentlichen Veranstaltungen ständig nicht teilnehmen können. Hierzu gehören - behinderte Menschen, bei denen schwere Bewegungsstörungen – auch durch innere Leiden (schwere Herzleistungsschwäche, schwere Lungenfunktionsstörung) – bestehen und die deshalb auf Dauer selbst mit Hilfe von Begleitpersonen oder mit technischen Hilfsmitteln (z.B. Rollstuhl) öffentliche Veranstaltungen in zumutbarer Weise nicht besuchen können, - behinderte Menschen, die durch ihre Behinderung auf ihre Umgebung unzumutbar abstoßend oder störend wirken (z.B. durch Entstellung, Geruchsbelästigung bei unzureichend verschließbarem Anus praeter, häufige hirnorganische Anfälle, grobe unwillkürliche Kopf- und Gliedmaßenbewegungen bei Spastikern, laute Atemgeräusche, wie sie etwa bei Asthmaanfällen und nach Tracheotomie vorkommen können), - behinderte Menschen mit – nicht nur vorübergehend – ansteckungsfähiger Lungentuberkulose, - behinderte Menschen nach Organtransplantation, wenn über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinaus die Therapie mit immunsuppressiven Medikamenten in einer so hohen Dosierung erfolgt, dass dem Betroffenen auferlegt wird, alle Menschenansammlungen zu meiden, - geistig oder seelisch behinderte Menschen, bei denen befürchtet werden muss, dass sie beim Besuch öffentlicher Veranstaltungen durch motorische Unruhe, lautes Sprechen oder aggressives Verhalten stören.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - BSG - sind als öffentliche Veranstaltungen Zusammenkünfte politischer, künstlerischer, wissenschaftlicher, kirchlicher, sportlicher und unterhaltender und wirtschaftlicher Art zu verstehen, die länger als 30 Minuten dauern, also nicht nur Ereignisse kultureller Art, sondern auch Sportveranstaltungen, Volksfeste, Messen, Märkte und Gottesdienste (vgl. BSG, Urteil vom 17. März 1982, 9a/9 RVs 6/81, SozR 3870 § 3 Nr. 15 = BSGE 53, 175). Die Unmöglichkeit der Teilnahme an solchen Veranstaltungen kann nur dann bejaht werden, wenn der Schwerbehinderte in einem derartigen Maße eingeschränkt ist, dass er praktisch von der Teilnahme am öffentlichen Gemeinschaftsleben ausgeschlossen und an das Haus gebunden ist. Mit dieser sehr engen Auslegung soll gewährleistet werden, dass der auch aus anderen Gründen zweifelhafte Nachteilsausgleich "RF" (vgl. insbesondere BSG, Urteile vom 10. August 1993, 9/9a RVs 7/91, in: Breith 1994, S. 230, und vom 16. März 1994, 9 RVs 3/93, bei Juris, worin die Auffassung vertreten wird, dass es wegen der nahezu vollständigen Ausstattung aller Haushalte in Deutschland mit Rundfunk- und Fernsehgeräten zunehmend zweifelhaft erscheint, dass durch den Nachteilsausgleich "RF" tatsächlich ein behinderungsbedingter Mehraufwand ausgeglichen wird) nur Personengruppen zugute kommt, die den gesetzlich ausdrücklich genannten Schwerbehinderten (Blinden und Hörgeschädigten) und den aus wirtschaftlicher Bedrängnis sozial Benachteiligten vergleichbar sind.
Der Senat vermag den vorliegenden ärztlichen Äußerungen nicht zu entnehmen, dass die Klägerin die geschilderten Voraussetzungen erfüllt. Nach der überzeugenden Einschätzung des nach § 109 SGG gehörten Internisten M im Gutachten vom 31. August 2005, in dem die Feststellungen der die Klägerin behandelnden Ärztin Dr. C im Befundbericht vom 17. März 2004 bestätigt worden sind, bestehen bei der Klägerin keine schweren Bewegungsstörungen durch innere Leiden im Sinne der Nr. 33 Abs. 2 lit c (S. 141) der AHP 2005. Weder der Diabetes mellitus noch die arterielle Hypertonie führen zu dauerhaften Funktionseinschränkungen. Das Vorhofflimmern hat nach den Feststellungen des Gutachters nur passager, nicht dauerhaft bestanden und bedingt somit kein dauerhaftes Hindernis, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Zwar liegt bei der Klägerin daneben eine Herzinsuffizienz NYHA III vor, die zu Funktionsbeeinträchtigungen führt. Der Klägerin sind jedoch, worauf der Internist M ausdrücklich hinweist, leichte körperliche Belastungen möglich, weshalb die Herzinsuffizienz keinen Hinderungsgrund darstellt, an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen.
Zutreffend hat das Sozialgericht Berlin in der angefochtenen Entscheidung dargelegt, dass bei der Klägerin auch keine orthopädisch bedingten schweren Bewegungsstörungen im genannten Sinne bestehen. Die von dem Orthopäden Dr. U im Befundbericht vom 30. November 2002 aufgeführten Funktionseinschränkungen im Bereich der Kniegelenke, der Hüftgelenke, der Wirbelsäule und der unteren Extremitäten beeinträchtigen die Gehfähigkeit der Klägerin deutlich. Dies hat Dr. Uin seinem Attest vom 28. August 2002 nachvollziehbar ausgeführt. Allerdings ist die Klägerin, worauf im Befundbericht vom 30. November 2002 überzeugend hingewiesen worden ist, weiterhin in der Lage, mit technischen Hilfsmitteln wie einem Rollstuhl und der Unterstützung durch Begleitpersonen an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Auch ist der Klägerin nach dem Bericht ihres behandelnden Internisten längeres Sitzen möglich, wenn auch eingeschränkt. Da bei Inanspruchnahme dieser Hilfen das beeinträchtigte Gehvermögen ausgeglichen wird, kann nicht festgestellt werden, dass die Klägerin praktisch an die Wohnung gebunden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht erfüllt.
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