Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Würzburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 4317/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Klage gegen den Bescheid vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 wird abgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
III. Der Streitwert wird auf 9.939,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungs- und Beitragspflicht von einbehaltenem Arbeitslohn als Kostenanteil für Arbeitskleidung.
Die Klägerin betreibt Steinbrüche, Steinbearbeitung und Montagen. Sie hat für alle Mitarbeiter, die auf Baustellen und im Werk arbeiten, eine einheitliche Arbeitskleidung bestehend aus Hose, Hemd und Jacke angemietet. Laut Betriebsvereinbarung vom 01.09.2001 werden die Kosten von den jeweiligen Mitarbeitern und der Klägerin gemeinsam getragen. Für die monatlichen Kosten der Versetzer wird jeweils am letzten Arbeitstag des Monats 30. bzw. 31. des Monats eine Arbeitsstunde als Kostenanteil einbehalten. Diese Vereinbarung gilt seit 01.09.2001.
Die Beklagte hatte vom 17.11. bis 19.11.2004 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei hatte sie unter anderem festgestellt, dass bei sämtlichen im Werk beschäftigten Arbeitnehmern ab September 2001 bis Oktober 2004 der jeweilige Stundenlohn als Aufwandsentschädigung für Gestellung und Reinigung der Arbeitskleidung vom sozialversicherungspflichtigen Brutto in Abzug gebracht worden war. Sozialversicherungsrechtlich sei eine solche Minderung des Bruttoarbeitslohnes nicht zulässig. Es sei daher beabsichtigt, die abgezogenen Stundenlöhne dem Beitragseinzug zu unterwerfen.
Mit Bescheid vom 02.12.2004 stellte die Beklagte fest, dass im Zeitraum vom 14.03.2001 bis 31.10.2004 der Abzug eines jeweiligen Stundenlohnes monatlich als Aufwandsentschädigung und Minderung des beitragspflichtigen Arbeitslohnes für Arbeitskleidung nicht zulässig sei. Die Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung würden nachberechnet. Die Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte habe aufgrund der großen Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht bzw. nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden können. Um die Beiträge zur Sozialversicherung ermitteln zu können, hätten die Arbeitsentgelte in Absprache mit dem Arbeitgeber geschätzt werden müssen. Dabei sei für das zu ermittelnde monatliche Arbeitsentgelt das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt worden. Insgesamt sei die Klägerin verpflichtet, 9.939,11 EUR Beiträge nachzuzahlen.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte geltend, das Finanzamt Z. habe im Bescheid vom 11.05.2005 den strittigen Sachverhalt Bereitstellung von Arbeitskleidung nicht aufgegriffen und am 15.06.2005 ausgeführt, dass nach Meinung des Finanzamtes die Gestellung und Reinigung typischer Berufskleidung lohnsteuerfrei sei. Der Kläger verwies auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 30.10.1964, wonach Gehaltskürzungen des Arbeitgebers den Arbeitslohn minderten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Denn gemäß der Lohnsteuer-Richtlinien seien Aufwandsentschädigung für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung nur dann beitragsfrei, wenn sie zusätzlich zum Lohn bzw. Gehalt gewährt würden. Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Einkommensteuergesetz seien grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst seien, Arbeitslohn. Dies sei der Fall, wenn die Einnahmen dem Empfänger nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zuflössen und Ertrag seiner nichtselbständigen Tätigkeit seien. Dazu reiche es aus, wenn die Einnahmen - wie im vorliegenden Fall - im weitesten Sinne Gegenleistung für die zur Verfügungstellung der individuellen Arbeitskraft seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.08.2005 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die von der Beklagten zitierte Lohnsteuer-Richtlinie 20 besage lediglich, dass es ein Indiz für typische Berufskleidung sei, wenn diese zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gestellt werden. Gemäß Hinweis 21 c der Lohnsteuer-Richtlinien sei die "Zusätzlichkeit" nur bei drei Einzelleistungen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Arbeitskleidung sei nicht erwähnt. Da es sich um typische uniformartige Berufskleidung mit Schriftzug handele, komme es auf die o.g. Frage gar nicht an. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass zur typischen Berufskleidung Kleidungsstücke gehörten, die erstens als Arbeitsschutzkleidung auf die jeweils ausgeübte Berufstätigkeit zugeschnitten seien oder zweitens nach ihrer z.B. uniformartigen Beschaffenheit oder dauerhaft angebrachten Kennzeichnung durch Firmenemblem objektiv eine berufliche Funktion erfüllten, wenn ihre private Nutzung so gut wie ausgeschlossen sei. Die getroffene Betriebsvereinbarung stelle einen Lohnverzicht für die Zukunft hinsichtlich einer Arbeitsstunde im Monat dar. Die Bescheide seien nicht angegriffen, soweit sie die Direktversicherung für P. H. und P. S. beträfen.
Der Bescheid vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 wird aufgehoben, soweit er über die für die Arbeitnehmer P. S. und P. H. getroffenen Feststellungen und Beitragsnachforderungen hinausgeht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar habe es sich bei der zur Verfügung gestellten Kleidung um typische Berufskleidung gehandelt. Nach Abschnitt 20 Lohnsteuer-Richtlinien sei von typischer Berufskleidung auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die Berufskleidung vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erhalte. Auch aus Abschnitt 21 c Lohnsteuer-Richtlinie sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass nur zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen die Zusätzlichkeitsvoraussetzung erfüllten. Eine zusätzliche Leistung liege nicht vor, wenn eine zweckbestimmte Leistung unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) vorliege. Die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer hätten im oben genannten Zeitraum keine zusätzliche Leistung erhalten. Das vereinbarte Bruttoentgelt sei lediglich gekürzt worden, mit der Folge, dass nur von dem so reduzierten Entgelt Sozialsversicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Eine zwingende Bindung an die Entscheidung der Finanzverwaltung sei nicht gegeben.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz erklärt.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Beklagte ist als Trägerin der Rentenversicherung gemäß § 28 b Sozialgesetzbuch Vier (SGB IV) befugt, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihrer Meldepflicht oder ihrer sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach Abs. 1 Satz 5 dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Streitig ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.939,11 EUR. Rechtsgrundlagen für die Beitragsnachforderung sind § 28 e Abs. 1 SGB IV sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung §§ 226 Abs. 1 Nr. 1, 249 Abs. 1, 253 SGB V, in der Rentenversicherung §§ 162 Nr.1, 168 Abs. 1 Nr. 1, 174 Abs. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung § 348 SGB III und in der Pflegeversicherung § 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Diesen Vorschriften ist gemeinsam, dass die Bemessungsgrundlage beim versicherungspflichtigen Beschäftigten das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist.
Wenn die Klägerin bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von dem Arbeitsentgelt ausgeht, das tatsächlich an die Arbeitnehmer gezahlt wurde, so beruft sich die Klägerin auf das sogenannte "Zuflussprinzip". Dieses gilt im Sozialrecht jedoch nicht uneingeschränkt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Urteilen festgestellt, dass die Entstehung des Beitragsanspruches nicht davon abhängt, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Diese Auffassung hatte schon das Reichsversicherungsamt in einer Entscheidung im Jahre 1931 vertreten, weil sich andernfalls Arbeitgeber, die ihre vertraglichen Pflichten verletzten, Vorteile gegenüber Arbeitgebern verschaffen könnten, die die Gehälter vertragsgemäß zahlten. Spätestens nach dem In-Kraft-Treten des SGB IV am 01.07.1997 ist nach der Rechtsprechung für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt hat. Nach § 22 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Höhe des Beitragsanspruches richtet sich nicht nur danach, welche Einnahmen die Versicherten aus ihrer Beschäftigung tatsächlich erhalten, sondern darüber hinaus nach den Einnahmen, die sie zwar nicht erhalten, die ihnen aber vom Arbeitgeber geschuldet werden. In Abkehr vom Zuflussprinzip im Beitragsrecht ist für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche also nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt hat oder ob der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers noch durchsetzbar ist. Hierfür ist insbesondere entscheidend, dass die Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit schon am Tage der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginnt, ferner dass nach § 23 Abs. 1 SGB IV Beiträge unabhängig von der Zahlung oder Fälligkeit des Arbeitsentgeltes fällig werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht vom 17.07.2003, L 4 KR 225/02 m.w.N.).
Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung hat das Zuflussprinzip aufgegeben und das Entstehungsprinzip vertreten. Für das Entstehungsprinzip sprechen außerdem, dass das zum Fälligkeitszeitpunkt geschuldete Arbeitsentgelt öffentlich-rechtliche Beitragsansprüche auslöst, die unabhängig sind vom rechtlichen Schicksal des privatrechtlichen Entgeltanspruchs. Grundlage der Mitgliedschaft, bzw. der Versicherung ist das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, das einen wirksamen Arbeitsvertrag nicht unbedingt voraussetzt.
Vorliegend handelt es sich bei dem streitigen Lohn um einen sogenannten "Phantomlohn", der mit den Arbeitsverträgen entstanden ist. Der Beitrag der Arbeitnehmer zur Berufskleidung (Abzug eines monatlichen Stundenlohnes) ist so zu bewerten, als hätten die Arbeitnehmer das volle tarifmäßig zustehende Arbeitseinkommen erhalten und dann dem Arbeitgeber als Beteiligung an der Arbeitskleidung eine Stunde Arbeitslohn pro Monat zurückgezahlt. Diesen Betrag können die Arbeitnehmer auch als Werbungskosten (Aufwendungen für typische Berufskleidung, § 9 Nr. 6 Einkommenssteuergesetz) absetzen.
Auch wenn der Grundsatz gilt, dass grundsätzlich sozialversicherungspflichtig ist, was auch steuerpflichtig ist, so gilt jedoch nicht der Umkehrschluss, dass alles was steuerfrei ist, auch der Sozialversicherungsfreiheit unterliegt.
Dies hat im Prinzip das Bundessozialgericht am 14.07.2004 (B 12 KR 10/02 R) bestätigt, als es ausgeführt hat, dass der Umstand, dass dem Arbeitnehmer nicht der volle Lohn ausgezahlt werde, sondern Teile davon zur Finanzierung der Prämien verwendet würden, die Beitragspflicht nicht entfallen ließe. Die öffentlich-rechtliche Beitragsforderung sei mit der entgeltlichen Beschäftigung entstanden. Sie erlösche nach dem hier anzuwendenden Recht nicht dadurch, dass das Arbeitsentgelt in besonderer Form oder zu bestimmten Zwecken verwendet werde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreites.
III. Der Streitwert wird auf 9.939,11 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Versicherungs- und Beitragspflicht von einbehaltenem Arbeitslohn als Kostenanteil für Arbeitskleidung.
Die Klägerin betreibt Steinbrüche, Steinbearbeitung und Montagen. Sie hat für alle Mitarbeiter, die auf Baustellen und im Werk arbeiten, eine einheitliche Arbeitskleidung bestehend aus Hose, Hemd und Jacke angemietet. Laut Betriebsvereinbarung vom 01.09.2001 werden die Kosten von den jeweiligen Mitarbeitern und der Klägerin gemeinsam getragen. Für die monatlichen Kosten der Versetzer wird jeweils am letzten Arbeitstag des Monats 30. bzw. 31. des Monats eine Arbeitsstunde als Kostenanteil einbehalten. Diese Vereinbarung gilt seit 01.09.2001.
Die Beklagte hatte vom 17.11. bis 19.11.2004 bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durchgeführt. Dabei hatte sie unter anderem festgestellt, dass bei sämtlichen im Werk beschäftigten Arbeitnehmern ab September 2001 bis Oktober 2004 der jeweilige Stundenlohn als Aufwandsentschädigung für Gestellung und Reinigung der Arbeitskleidung vom sozialversicherungspflichtigen Brutto in Abzug gebracht worden war. Sozialversicherungsrechtlich sei eine solche Minderung des Bruttoarbeitslohnes nicht zulässig. Es sei daher beabsichtigt, die abgezogenen Stundenlöhne dem Beitragseinzug zu unterwerfen.
Mit Bescheid vom 02.12.2004 stellte die Beklagte fest, dass im Zeitraum vom 14.03.2001 bis 31.10.2004 der Abzug eines jeweiligen Stundenlohnes monatlich als Aufwandsentschädigung und Minderung des beitragspflichtigen Arbeitslohnes für Arbeitskleidung nicht zulässig sei. Die Sozialversicherungsbeiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung würden nachberechnet. Die Höhe der gezahlten Arbeitsentgelte habe aufgrund der großen Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer nicht bzw. nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand ermittelt werden können. Um die Beiträge zur Sozialversicherung ermitteln zu können, hätten die Arbeitsentgelte in Absprache mit dem Arbeitgeber geschätzt werden müssen. Dabei sei für das zu ermittelnde monatliche Arbeitsentgelt das am Beschäftigungsort ortsübliche Arbeitsentgelt zu Grunde gelegt worden. Insgesamt sei die Klägerin verpflichtet, 9.939,11 EUR Beiträge nachzuzahlen.
Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Sie machte geltend, das Finanzamt Z. habe im Bescheid vom 11.05.2005 den strittigen Sachverhalt Bereitstellung von Arbeitskleidung nicht aufgegriffen und am 15.06.2005 ausgeführt, dass nach Meinung des Finanzamtes die Gestellung und Reinigung typischer Berufskleidung lohnsteuerfrei sei. Der Kläger verwies auf ein Urteil des Bundesfinanzhofes vom 30.10.1964, wonach Gehaltskürzungen des Arbeitgebers den Arbeitslohn minderten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28.07.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Denn gemäß der Lohnsteuer-Richtlinien seien Aufwandsentschädigung für Gestellung und Reinigung von Arbeitskleidung nur dann beitragsfrei, wenn sie zusätzlich zum Lohn bzw. Gehalt gewährt würden. Nach § 8 Abs. 1 i.V.m. § 19 Abs. 1 Einkommensteuergesetz seien grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert, die durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst seien, Arbeitslohn. Dies sei der Fall, wenn die Einnahmen dem Empfänger nur mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis zuflössen und Ertrag seiner nichtselbständigen Tätigkeit seien. Dazu reiche es aus, wenn die Einnahmen - wie im vorliegenden Fall - im weitesten Sinne Gegenleistung für die zur Verfügungstellung der individuellen Arbeitskraft seien.
Hiergegen hat die Klägerin am 24.08.2005 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Die von der Beklagten zitierte Lohnsteuer-Richtlinie 20 besage lediglich, dass es ein Indiz für typische Berufskleidung sei, wenn diese zusätzlich zum geschuldeten Arbeitslohn gestellt werden. Gemäß Hinweis 21 c der Lohnsteuer-Richtlinien sei die "Zusätzlichkeit" nur bei drei Einzelleistungen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit. Arbeitskleidung sei nicht erwähnt. Da es sich um typische uniformartige Berufskleidung mit Schriftzug handele, komme es auf die o.g. Frage gar nicht an. Außerdem habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass zur typischen Berufskleidung Kleidungsstücke gehörten, die erstens als Arbeitsschutzkleidung auf die jeweils ausgeübte Berufstätigkeit zugeschnitten seien oder zweitens nach ihrer z.B. uniformartigen Beschaffenheit oder dauerhaft angebrachten Kennzeichnung durch Firmenemblem objektiv eine berufliche Funktion erfüllten, wenn ihre private Nutzung so gut wie ausgeschlossen sei. Die getroffene Betriebsvereinbarung stelle einen Lohnverzicht für die Zukunft hinsichtlich einer Arbeitsstunde im Monat dar. Die Bescheide seien nicht angegriffen, soweit sie die Direktversicherung für P. H. und P. S. beträfen.
Der Bescheid vom 02.12.2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2005 wird aufgehoben, soweit er über die für die Arbeitnehmer P. S. und P. H. getroffenen Feststellungen und Beitragsnachforderungen hinausgeht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zwar habe es sich bei der zur Verfügung gestellten Kleidung um typische Berufskleidung gehandelt. Nach Abschnitt 20 Lohnsteuer-Richtlinien sei von typischer Berufskleidung auszugehen, wenn der Arbeitnehmer die Berufskleidung vom Arbeitgeber zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erhalte. Auch aus Abschnitt 21 c Lohnsteuer-Richtlinie sei zweifelsfrei zu entnehmen, dass nur zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn erbrachte Arbeitgeberleistungen die Zusätzlichkeitsvoraussetzung erfüllten. Eine zusätzliche Leistung liege nicht vor, wenn eine zweckbestimmte Leistung unter Anrechnung auf den vereinbarten Arbeitslohn oder durch Umwandlung (Umwidmung) vorliege. Die bei der Klägerin beschäftigten Arbeitnehmer hätten im oben genannten Zeitraum keine zusätzliche Leistung erhalten. Das vereinbarte Bruttoentgelt sei lediglich gekürzt worden, mit der Folge, dass nur von dem so reduzierten Entgelt Sozialsversicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Eine zwingende Bindung an die Entscheidung der Finanzverwaltung sei nicht gegeben.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz erklärt.
Ergänzend zum Sachverhalt wird auf den Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte und den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Klage ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Mit Einverständnis der Beteiligten konnte das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Die Beklagte ist als Trägerin der Rentenversicherung gemäß § 28 b Sozialgesetzbuch Vier (SGB IV) befugt, bei den Arbeitgebern zu prüfen, ob diese ihrer Meldepflicht oder ihrer sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Sozialversicherungsbeitrag stehen, ordnungsgemäß erfüllen. Nach Abs. 1 Satz 5 dieser Vorschrift erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern.
Streitig ist eine Beitragsnachforderung in Höhe von 9.939,11 EUR. Rechtsgrundlagen für die Beitragsnachforderung sind § 28 e Abs. 1 SGB IV sowie in der gesetzlichen Krankenversicherung §§ 226 Abs. 1 Nr. 1, 249 Abs. 1, 253 SGB V, in der Rentenversicherung §§ 162 Nr.1, 168 Abs. 1 Nr. 1, 174 Abs. 1 SGB VI, in der Arbeitslosenversicherung § 348 SGB III und in der Pflegeversicherung § 57 Abs. 1 SGB XI i.V.m. § 226 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Diesen Vorschriften ist gemeinsam, dass die Bemessungsgrundlage beim versicherungspflichtigen Beschäftigten das Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung ist.
Wenn die Klägerin bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von dem Arbeitsentgelt ausgeht, das tatsächlich an die Arbeitnehmer gezahlt wurde, so beruft sich die Klägerin auf das sogenannte "Zuflussprinzip". Dieses gilt im Sozialrecht jedoch nicht uneingeschränkt. Das Bundessozialgericht (BSG) hat in mehreren Urteilen festgestellt, dass die Entstehung des Beitragsanspruches nicht davon abhängt, ob das geschuldete Arbeitsentgelt tatsächlich gezahlt wurde, es dem Arbeitnehmer also zugeflossen ist. Diese Auffassung hatte schon das Reichsversicherungsamt in einer Entscheidung im Jahre 1931 vertreten, weil sich andernfalls Arbeitgeber, die ihre vertraglichen Pflichten verletzten, Vorteile gegenüber Arbeitgebern verschaffen könnten, die die Gehälter vertragsgemäß zahlten. Spätestens nach dem In-Kraft-Treten des SGB IV am 01.07.1997 ist nach der Rechtsprechung für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt hat. Nach § 22 SGB IV entstehen Beitragsansprüche der Versicherungsträger, sobald ihre im Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen erfüllt sind. Die Höhe des Beitragsanspruches richtet sich nicht nur danach, welche Einnahmen die Versicherten aus ihrer Beschäftigung tatsächlich erhalten, sondern darüber hinaus nach den Einnahmen, die sie zwar nicht erhalten, die ihnen aber vom Arbeitgeber geschuldet werden. In Abkehr vom Zuflussprinzip im Beitragsrecht ist für das Entstehen der jeweiligen Beitragsansprüche also nicht notwendig, dass der Arbeitgeber das geschuldete Arbeitsentgelt auch gezahlt hat oder ob der Entgeltanspruch des Arbeitnehmers noch durchsetzbar ist. Hierfür ist insbesondere entscheidend, dass die Versicherungspflicht in der Kranken- und Rentenversicherung sowie die Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit schon am Tage der Aufnahme der Beschäftigung gegen Entgelt und nicht erst mit dessen Zahlung beginnt, ferner dass nach § 23 Abs. 1 SGB IV Beiträge unabhängig von der Zahlung oder Fälligkeit des Arbeitsentgeltes fällig werden (vgl. Bayerisches Landessozialgericht vom 17.07.2003, L 4 KR 225/02 m.w.N.).
Die neuere höchstrichterliche Rechtsprechung hat das Zuflussprinzip aufgegeben und das Entstehungsprinzip vertreten. Für das Entstehungsprinzip sprechen außerdem, dass das zum Fälligkeitszeitpunkt geschuldete Arbeitsentgelt öffentlich-rechtliche Beitragsansprüche auslöst, die unabhängig sind vom rechtlichen Schicksal des privatrechtlichen Entgeltanspruchs. Grundlage der Mitgliedschaft, bzw. der Versicherung ist das Bestehen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses, das einen wirksamen Arbeitsvertrag nicht unbedingt voraussetzt.
Vorliegend handelt es sich bei dem streitigen Lohn um einen sogenannten "Phantomlohn", der mit den Arbeitsverträgen entstanden ist. Der Beitrag der Arbeitnehmer zur Berufskleidung (Abzug eines monatlichen Stundenlohnes) ist so zu bewerten, als hätten die Arbeitnehmer das volle tarifmäßig zustehende Arbeitseinkommen erhalten und dann dem Arbeitgeber als Beteiligung an der Arbeitskleidung eine Stunde Arbeitslohn pro Monat zurückgezahlt. Diesen Betrag können die Arbeitnehmer auch als Werbungskosten (Aufwendungen für typische Berufskleidung, § 9 Nr. 6 Einkommenssteuergesetz) absetzen.
Auch wenn der Grundsatz gilt, dass grundsätzlich sozialversicherungspflichtig ist, was auch steuerpflichtig ist, so gilt jedoch nicht der Umkehrschluss, dass alles was steuerfrei ist, auch der Sozialversicherungsfreiheit unterliegt.
Dies hat im Prinzip das Bundessozialgericht am 14.07.2004 (B 12 KR 10/02 R) bestätigt, als es ausgeführt hat, dass der Umstand, dass dem Arbeitnehmer nicht der volle Lohn ausgezahlt werde, sondern Teile davon zur Finanzierung der Prämien verwendet würden, die Beitragspflicht nicht entfallen ließe. Die öffentlich-rechtliche Beitragsforderung sei mit der entgeltlichen Beschäftigung entstanden. Sie erlösche nach dem hier anzuwendenden Recht nicht dadurch, dass das Arbeitsentgelt in besonderer Form oder zu bestimmten Zwecken verwendet werde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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