Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Landshut (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 1 KR 117/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Hilfsmittel, Kostenerstattung, Kraftknotensystem
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte den Rollstuhl des Klägers mit einem Rückhaltesystem für Behindertentransportkraftwagen (sogenanntes Kraftknotensystem) ausstatten muss. Die seit 01.Oktober 1999 geltende DIN 75078-2 gilt für Rückhaltesysteme in Behindertentransportkraftwagen und legt Anforderungen sowohl an Personen, als auch an Rollstuhlrückhaltesysteme für den Transport von Personen in Rollstühlen fest. Die DIN 75078-2 definiert den Kraftknoten als den Punkt, in dem idealerweise die Rückhaltekräfte des Personenrückhaltesystems in das Rollstuhlrückhaltesystem eingeleitet werden. Es handelt sich hierbei um einen theoretischen Punkt im Bereich der Hinterachse des Rollstuhls, von wo nach unten zum Fahrzeugboden der Rollstuhl verankert und von wo nach oben das Personenrückhaltesystem fixiert respektive angelenkt wird. Dieser optimale Punkt der Krafteinleitung (Kraftknoten) ist bei jedem Rollstuhl unterschiedlich. Der Kraftknoten soll im Falle eines Unfalls die etwaige Verformung des Rollstuhls verhindern (zitiert nach www.gis-service.de/befoerderung/sicherebefoerderung/derkraft- knoten/index.html).
Der 1953 geborene Kläger wohnt in einem Behindertenwohnheim und arbeitet in einer Werkstätte für behinderte Menschen in D ... Er ist mit einem normalen Rollstuhl ausgestattet. Nach Angabe seines Betreuers kann er sich im häuslichen Bereich mit dem Rollstuhl bewegen, außerhalb muss er geschoben werden. Die Entfernung zwischen Wohnheim und Werkstätte für behinderte Menschen beträgt 1,2 km einfach. Zur Arbeit und zurück wird der Kläger von einem Behindertenfahrdienst im Rollstuhl sitzend transportiert. Unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlages des Sanitätshauses Z. vom 15.02.2005 über 566,96 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) beantragte der Kläger bei der Beklagten Kostenübernahme für die Versorgung mit einem Kraftknotensystem und Kopfstütze.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da es sich hierbei um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handle. Das beantragte Kraftknotensystem leiste keinen unmittelbaren Behinderungsausgleich zur Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse. Dies gewährleiste der Rollstuhl, der auch unabhängig von der Ausstattung mit einem Kraftknotensystem diese Aufgabe erfülle. Somit handle es sich nicht um ein notwendiges Zubehör und stelle daher auch kein Hilfsmittel und keine Leistung im Sinne des § 33 SGB V dar.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Zur Begründung wurde vom Betreuer des Klägers im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kraftknoten der optimalen Sicherung des Rollstuhls und der darin sitzenden Personen während der Fahrt diene. Es handle sich um ein notwendiges Zubehör des Rollstuhls um den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen. In ihrer Klageerwiderung vom 19.05.2005 vertrat die Beklagte erneut die Auffassung, dass das beantragte Kraftknotensystem keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen, insbesondere kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V darstelle. Ebenso wie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder das Autofahren diene ein derartiger Transport der gesellschaftlichen oder der beruflichen Wiedereingliederung Behinderter, für die andere Sozialleistungsträger zuständig seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der gesetzliche Vertreter des Klägers den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung des klägerischen Rollstuhls mit einem Kraftknotensystem mit Kopfstütze gemäß Kostenvoranschlag Sanitätshaus Z. vom 15.02.2005 zu übernehmen.
Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Krankenkasse keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das streitige Rollstuhlrückhaltesystem. Der angefochtene Bescheid vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Versicherte haben nach § 33 Abs.1 Satz 1 SGB V (sowie nach § 31 Abs.1 SGB IX) Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs.4 SGB V ausgeschlossen sind.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend lediglich die dritte Alternative des § 33 Abs.1 Satz 1 SGB V (Behinderungsausgleich) in Betracht. Allerdings sind durch diese Vorschrift nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist nämlich nur die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen. Eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Die gesetzliche Krankenversicherung hat Hilfsmittel nach dieser Bestimmung nur dann zu leisten, wenn sie die Auswirkungen der Behinderungen im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (BSG, Urteil vom 06.08.1998 - B 3 KR 3/97 R - Breithaupt 1999, 408). Zu diesen Grundbedürfnissen gehören die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen geistigen und körperlichen Freiraumes. Der Kläger benötigt das Kraftknotensystem um möglichst sicher die Wege zwischen Wohnheim und Behindertenwerkstätte zurücklegen zu können. Hierbei handelt es sich nicht um ein Grundbedürfnis im obigen Sinn. Die Versorgung mit dem Kraftknotensystem gehört im vorliegenden Fall vielmehr zur beruflichen Eingliederung, für die die gesetzliche Krankenkasse nicht zuständig ist (im Ergebnis ebenso: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.01.2007; - L 5 KR 41/06; - LSG Rheinland Pfalz, Urteil vom 19.08.2005 - L 1 KR 42/04; Schleswigholsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.03.2006 - L 5 KR 16/05; - Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.11.2006 - L 4 KR 249/05).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte den Rollstuhl des Klägers mit einem Rückhaltesystem für Behindertentransportkraftwagen (sogenanntes Kraftknotensystem) ausstatten muss. Die seit 01.Oktober 1999 geltende DIN 75078-2 gilt für Rückhaltesysteme in Behindertentransportkraftwagen und legt Anforderungen sowohl an Personen, als auch an Rollstuhlrückhaltesysteme für den Transport von Personen in Rollstühlen fest. Die DIN 75078-2 definiert den Kraftknoten als den Punkt, in dem idealerweise die Rückhaltekräfte des Personenrückhaltesystems in das Rollstuhlrückhaltesystem eingeleitet werden. Es handelt sich hierbei um einen theoretischen Punkt im Bereich der Hinterachse des Rollstuhls, von wo nach unten zum Fahrzeugboden der Rollstuhl verankert und von wo nach oben das Personenrückhaltesystem fixiert respektive angelenkt wird. Dieser optimale Punkt der Krafteinleitung (Kraftknoten) ist bei jedem Rollstuhl unterschiedlich. Der Kraftknoten soll im Falle eines Unfalls die etwaige Verformung des Rollstuhls verhindern (zitiert nach www.gis-service.de/befoerderung/sicherebefoerderung/derkraft- knoten/index.html).
Der 1953 geborene Kläger wohnt in einem Behindertenwohnheim und arbeitet in einer Werkstätte für behinderte Menschen in D ... Er ist mit einem normalen Rollstuhl ausgestattet. Nach Angabe seines Betreuers kann er sich im häuslichen Bereich mit dem Rollstuhl bewegen, außerhalb muss er geschoben werden. Die Entfernung zwischen Wohnheim und Werkstätte für behinderte Menschen beträgt 1,2 km einfach. Zur Arbeit und zurück wird der Kläger von einem Behindertenfahrdienst im Rollstuhl sitzend transportiert. Unter Vorlage einer entsprechenden ärztlichen Verordnung sowie eines Kostenvoranschlages des Sanitätshauses Z. vom 15.02.2005 über 566,96 Euro (inklusive Mehrwertsteuer) beantragte der Kläger bei der Beklagten Kostenübernahme für die Versorgung mit einem Kraftknotensystem und Kopfstütze.
Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da es sich hierbei um keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung handle. Das beantragte Kraftknotensystem leiste keinen unmittelbaren Behinderungsausgleich zur Befriedigung allgemeiner Grundbedürfnisse. Dies gewährleiste der Rollstuhl, der auch unabhängig von der Ausstattung mit einem Kraftknotensystem diese Aufgabe erfülle. Somit handle es sich nicht um ein notwendiges Zubehör und stelle daher auch kein Hilfsmittel und keine Leistung im Sinne des § 33 SGB V dar.
Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage.
Zur Begründung wurde vom Betreuer des Klägers im Wesentlichen vorgetragen, dass der Kraftknoten der optimalen Sicherung des Rollstuhls und der darin sitzenden Personen während der Fahrt diene. Es handle sich um ein notwendiges Zubehör des Rollstuhls um den bestimmungsgemäßen Gebrauch zu ermöglichen. In ihrer Klageerwiderung vom 19.05.2005 vertrat die Beklagte erneut die Auffassung, dass das beantragte Kraftknotensystem keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherungen, insbesondere kein Hilfsmittel im Sinne des § 33 SGB V darstelle. Ebenso wie die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder das Autofahren diene ein derartiger Transport der gesellschaftlichen oder der beruflichen Wiedereingliederung Behinderter, für die andere Sozialleistungsträger zuständig seien.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung stellte der gesetzliche Vertreter des Klägers den Antrag, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 zu verurteilen, die Kosten für die Versorgung des klägerischen Rollstuhls mit einem Kraftknotensystem mit Kopfstütze gemäß Kostenvoranschlag Sanitätshaus Z. vom 15.02.2005 zu übernehmen.
Der Beklagtenvertreter stellte den Antrag, die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Beklagtenakte, auf die im Klageverfahren zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die beklagte Krankenkasse keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für das streitige Rollstuhlrückhaltesystem. Der angefochtene Bescheid vom 22.02.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.04.2005 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Versicherte haben nach § 33 Abs.1 Satz 1 SGB V (sowie nach § 31 Abs.1 SGB IX) Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs.4 SGB V ausgeschlossen sind.
Als Anspruchsgrundlage kommt vorliegend lediglich die dritte Alternative des § 33 Abs.1 Satz 1 SGB V (Behinderungsausgleich) in Betracht. Allerdings sind durch diese Vorschrift nicht sämtliche direkten und indirekten Folgen einer Behinderung auszugleichen. Aufgabe der gesetzlichen Krankenversicherung ist nämlich nur die medizinische Rehabilitation, also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen. Eine darüberhinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation, die auch die Versorgung mit einem Hilfsmittel umfassen kann, ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Die gesetzliche Krankenversicherung hat Hilfsmittel nach dieser Bestimmung nur dann zu leisten, wenn sie die Auswirkungen der Behinderungen im gesamten täglichen Leben beseitigen oder mildern und damit ein "Grundbedürfnis des täglichen Lebens" betreffen (BSG, Urteil vom 06.08.1998 - B 3 KR 3/97 R - Breithaupt 1999, 408). Zu diesen Grundbedürfnissen gehören die allgemeinen Verrichtungen des täglichen Lebens wie Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, Nahrungsaufnahme, Ausscheidung, elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen geistigen und körperlichen Freiraumes. Der Kläger benötigt das Kraftknotensystem um möglichst sicher die Wege zwischen Wohnheim und Behindertenwerkstätte zurücklegen zu können. Hierbei handelt es sich nicht um ein Grundbedürfnis im obigen Sinn. Die Versorgung mit dem Kraftknotensystem gehört im vorliegenden Fall vielmehr zur beruflichen Eingliederung, für die die gesetzliche Krankenkasse nicht zuständig ist (im Ergebnis ebenso: Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.01.2007; - L 5 KR 41/06; - LSG Rheinland Pfalz, Urteil vom 19.08.2005 - L 1 KR 42/04; Schleswigholsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 29.03.2006 - L 5 KR 16/05; - Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.11.2006 - L 4 KR 249/05).
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
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