L 12 AS 1636/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AS 234/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1636/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Mannheim vom 20.02.2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Arbeitslosengeld II ab dem 01.12.2006 im Streit.

Der 1954 geborene Antragsteller (Ast.) bezog nach dem Bezug von Arbeitslosenhilfe ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld II von der Antragsgegnerin (Ag.). Hierbei hatte er angegeben, keine Bedarfsgemeinschaft mit anderen Personen zu bilden. Der Ast. bewohnt seit dem 01.06.2001 gemeinsam mit seiner am 15.08.2001 von ihm geschiedenen Ehefrau H. S. (die Heirat war 1990 erfolgt) sowie deren Kind J. S. (geb. am 09.11.1995) eine Maisonettewohnung auf zwei Etagen. Der Ast. behauptet, nicht der leibliche Vater von J. S. zu sein, was auch zu dem Zerwürfnis und schließlich zu der Scheidung von seiner Frau geführt habe. Derzeit bewohne er alleine aus wirtschaftlichen Gründen noch die gemeinsame Wohnung, wobei es sich um eine reine Zweckgemeinschaft und nicht mehr um eine Lebensgemeinschaft handele. Man wolle solange zusammen wohnen, bis er eine Arbeit gefunden oder das Privatinsolvenzverfahren seiner geschiedenen Frau abgeschlossen sei.

Zuletzt hatte die Ag. dem Ast. mit Bescheid vom 04.05.2006 Arbeitslosengeld II in Höhe von 345 EUR monatlich für die Zeit vom 01.06.2006 bis zum 30.11.2006 bewilligt.

Nach einem Hausbesuch am 29.08.2006 stellte die Ag. die Gewährung von Leistungen mit Bescheid vom 21.09.2006 zum 01.10.2006 ein, weil von einer Bedarfsgemeinschaft des Ast. mit Frau S. und J. S. auszugehen sei. Der Ast. hatte bei dem Hausbesuch behauptet, dass er auf der ersten Etage lebe und Frau S. mit dem Kind auf der zweiten Etage. Bei dem Hausbesuch war das Doppelbett auf der oberen Etage, die auch noch ein Kinderzimmer aufweist, bezogen, und Frau S. sah während des Hausbesuchs auf der unteren Etage der Wohnung, also im Wohnbereich des Ast., fern.

Das Sozialgericht M. (SG) hat in dem Verfahren S 8 AS 3280/06 ER mit Beschluss vom 12.10.2006 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen diesen Bescheid angeordnet, weil weder die einschlägigen Aufhebungsvorschriften geprüft oder genannt noch eine Anhörung durchgeführt worden sei. In dem Beschluss wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es der Ag. frei stehe, für die Zeit ab dem 01.12.2006 einen neuen Bescheid zu erlassen, wenn der Ast. einen entsprechenden Antrag stelle.

Daraufhin hat der Ast. am 31.10.2006 bei der Ag. einen Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem 01.12.2006 gestellt.

Die Ag. hat den Ast. mit Schreiben vom 06.11.2006 aufgefordert, weitere Angaben zu machen, insbesondere Angaben " seiner Frau " nachzureichen. Mit Schreiben vom 17.11.2006 hat sich der Ast. dagegen verwahrt, dass die Ag. im Hinblick von Frau S. von " seiner Frau " spreche, da er von Frau S. geschieden sei und er mit Frau S. keine Bedarfsgemeinschaft bilde. Von daher seien Angaben von Frau S. für die Bearbeitung seiner Leistungsangelegenheit nicht erforderlich. Er versichere nochmals, dass jeder seinen eigenen Wohnbereich in der Wohngemeinschaft habe. Geteilt würden lediglich Küche, Flur und Bad, nicht jedoch das Bett. Jeder trage die Kosten der Wohnung anteilig, ansonsten lebe man getrennt.

Bei einem zweiten Hausbesuch am 28.11.2006 weigerte sich der Ast., den Mitarbeitern der Ag. seine vollständige Wohnung zu zeigen.

Mit Bescheid vom 04.12.2006 hat die Ag. daraufhin die Bewilligung von Leistungen ab dem 01.12.2006 abgelehnt, weil der Ast. keine Angaben zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen von Frau S. gemacht habe. Nach den vorhandenen Hinweisen sei davon auszugehen, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege, weswegen die Angaben erforderlich seien.

Mit seinem Widerspruch von 15.12.2006 trat der Ast. der Annahme der Ag. entgegen, dass eine eheähnliche Lebensgemeinschaft vorliege.

Am 17.01.2007 beantragte der Ast. beim SG die Verpflichtung der Ag. zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.12.2007. Das Verhalten der Ag. sei schikanös, es hätten zwei widerrechtliche Wohnungsbesichtigungen stattgefunden. Aufgrund des rechtswidrigen Verhaltens der Ag. stehe dem Ast. keinerlei Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung.

Die Ag. hob anschließend den Bescheid vom 21.09.2006 auf und erließ einen neuen Bescheid vom 25.01.2007, mit dem sie die Leistungsbewilligung ab dem 01.10.2006 erneut aufhob.

Das SG hat mit dem hier angefochtenen Beschluss vom 20.02.2007 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt, weil bei der gebotenen summarischen Prüfung ein Anordnungsanspruch zu verneinen sei. Anders als in dem vorausgegangenen Verfahren habe noch keine wirksame Bewilligung der Leistung durch einen Verwaltungsakt vorgelegen, weswegen die frühere Leistungsbewilligung keine Folgewirkung für den nachfolgenden Leistungszeitraum ab dem 01.12.2006 habe. Die Leistungsvoraussetzungen seien daher erneut zu prüfen und hierbei alle nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 SGB I erforderlichen Tatsachen anzugeben, wozu auch die Hilfebedürftigkeit nach den §§ 7 und 9 SGB II gehöre. Die Angaben des Ast. reichten indes für eine Leistungsgewährung nicht aus, da Angaben zu dem Einkommen der Frau S. fehlten. Denn nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 c, Abs. 3 a SGB II habe die Ag. zu Recht eine Bedarfsgemeinschaft angenommen. Auch angesichts des Vortrages des Ast. spreche gerade auch für eine Bedarfsgemeinschaft, dass der Ast. nach eigenem Bekunden solange mit Frau S. zusammenleben wolle, bis die finanziellen Probleme gelöst seien. Der Beschluss des SG wurde den Bevollmächtigten des Ast. am 26.02.2007 zugestellt.

Der Ast. hat am 26.03.2007 beim SG Beschwerde eingelegt, mit er im wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt und Beweis antritt durch die Vernehmung von Frau S ... Außerdem werde die Vaterschaft des Ast. im Hinblick auf J. S. derzeit mittels eines Abstammungsgutachtens angefochten. Mit Beschluss vom 28.03.2007 (S 3 AS 1107/07 ER-B) hat das SG der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Landessozialgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten, die Akten des SG sowie die Akten des Landessozialgerichts Bezug genommen.

II.

Die nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde ist nicht begründet.

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag 1. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, 2. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, 3. in den Fällen des § 86 a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Soweit ein Fall des Abs. 1 der Vorschrift nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache nach § 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift sieht vor, dass einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig sind, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint.

Vorliegend kommt nur der Erlass einer einstweiligen Anordnung als Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Betracht. Eine Regelungsanordnung nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG setzt einen Anordnungsanspruch und einen Anordnungsgrund voraus. Der Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn bei der im Verfahren gebotenen summarischen Prüfung ein Erfolg in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, wobei auch wegen der mit der einstweiligen Regelung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen ist (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG - Buchholz 310 § 123 Nr. 15). Andererseits ist auch zu berücksichtigen, dass dabei die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger sind, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht - BVerfG - NJW 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927).

Nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB III in der seit dem 01.08.2006 geltenden Fassung gehört zur Bedarfsgemeinschaft als Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen a) der nicht dauernd getrennt lebende Ehegatte, b) der nicht dauernd getrennt lebende Lebenspartner sowie c) eine Person, die mit dem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in einem gemeinsamen Haushalt so zusammenlebt, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen.

Abs. 3 a der Vorschrift bestimmt hierzu zusätzlich, dass ein wechselseitiger Wille, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen, vermutet wird, wenn Partner länger als ein Jahr zusammenleben, mit einem gemeinsamen Kind zusammenleben, Kinder oder Angehörige im Haushalt versorgen oder befugt sind, über Einkommen oder Vermögen des anderen zu verfügen.

Hier sind gleich zwei der in Abs. 3 a der Vorschrift genannten Tatbestände ohne vernünftige Zweifel erfüllt, nämlich das Zusammenleben seit mehr als einem Jahr (der Ast. und Frau S. leben mindestens seit 2001 zusammen) sowie das Zusammenleben mit einem gemeinsamen Kind. Das Kind ist ein gemeinsames, weil es 1995 zu einem Zeitpunkt geboren worden ist, als der Ast. mit Frau S. noch verheiratet war, § 1592 Nr. 1 BGB. Sofern der Ast. und Frau S. nunmehr die Vaterschaft des Ast. bestreiten, ist dies jedenfalls zum derzeitigen Zeitpunkt unerheblich. Eine anderweitige gerichtliche Feststellung bzw. eine erfolgreiche Anfechtung der Vaterschaft sind nicht ersichtlich, weswegen die Regelung des § 1592 Nr. 1 BGB auch in der gesetzlichen Vermutung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB III Geltung beansprucht.

Es sind auch keine konkreten Gesichtspunkte ersichtlich, welche die Vermutung des § 7 Abs. 3 Nr. 3 SGB III vorliegend nachhaltig erschüttern könnten. Das Vorliegen eines Vermutungstatbestandes nach § 7 Abs 3 a SGB II bewirkt eine Beweislasterschwernis zu Lasten des Antragstellers. Zur Widerlegung der Vermutung genügt in der Regel nicht die schlichte Erklärung, nicht in einer Verantwortungsgemeinschaft zu leben (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.03.2007 - L 7 AS 640/07 ER-B -).

Insbesondere bei dem ersten Hausbesuch, der bereits nach der Scheidung erfolgte, hielt Frau S. sich im angeblichen Wohnbereich des Ast. auf, wohingegen der Ast. seine Bettwäsche aus der oberen Etage holen musste, in welcher angeblich Frau S. ihren Lebensmittelpunkt hat. Auch die Tatsache, dass trotz laufenden Scheidungsverfahrens im Jahr 2001 noch eine gemeinsame Wohnung gesucht und bezogen worden ist, in der seit nunmehr sechs Jahren gemeinsam gelebt wird, spricht für eine eheähnliche Lebensgemeinschaft im Sinne einer Einstandsgemeinschaft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in entsprechender Anwendung.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved