L 6 U 4626/03

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 2819/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 4626/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Oktober 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob dem 1959 geborenen Kläger Übergangsleistungen nach der Berufskrankheitenverordnung (BKV) wegen wirbelsäulengefährdender Tätigkeiten zustehen.

Der Kläger erlernte von 1974 bis 1977 den Beruf des Fleischers. Er übte diesen Beruf von 1977 bis 1983 als Fleischergeselle aus, mit einer Unterbrechung von Oktober 1980 bis März 1982, in welcher er als Bagger- und LKW-Fahrer im Straßenbau beschäftigt war. Anschließend arbeitete er nach Ablegung der Meisterprüfung als Produktionsleiter bzw. stellvertretender Produktionsleiter bei der V. B. F. OHG in B. Seit Februar 2000 war er krankheitsbedingt arbeitsunfähig. Nach einer zweimonatigen Umschulung zum Luftsicherheitsassistenten übte er diesen Beruf aus. Seit Mai 2000 bezieht er eine Berufsunfähigkeitsrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Am 2. September 1998 ging bei der Beklagten ein beim Arbeitsamt Rastatt gestellter Antrag des Klägers auf berufliche Rehabilitationsmaßnahmen mit Gutachten und Befundunterlagen zur Prüfung in eigener Zuständigkeit ein. Aus dem arbeitsamtsärztlichen Gutachten von Dr. F. B. vom 16. Juni 1998 geht hervor, beim Kläger bestünden seit etwa 20 Jahren Kreuzschmerzen und es sei bereits frühzeitig eine Spondylolisthesis bekannt. Seit etwa März 1997 habe er zunehmende Schmerzen im Lendenwirbelsäulen(LWS) Bereich mit Ausstrahlung in das linke Bein. Im Jahr 1993 habe eine Spondylolisthesis Stadium I mit mediolateralem Bandscheibenprolaps und kompressiver Wirkung vorgelegen. Im Jahr 1997 seien eine Spondylolyse bilateral und eine Spondylolisthese Grad I, eine Wurzelkompression beidseits an der Hinterkante von S 1, ein kleiner medianer Bandscheibenvorfall Th 5/6 und im Jahr 1998 wiederum eine bilaterale Spondylolyse mit Spondylolisthesis Grad I im Segment L 5/S 1 sowie ein kleiner linkslateraler Bandscheibenvorfall erhoben worden. Dr. F. B. hielt den Kläger danach noch für fähig, im Freien, in Werkhallen, in temperierten Räumen, vollschichtig, auch im Schichtbetrieb, leichte und mittelschwere Arbeit überwiegend in jeder Körperhaltung zu verrichten. Ein Wechsel der Körperhaltung müsse zwischendurch möglich sein.

Auf Nachfrage der Beklagten gab der Kläger am 14. September 1998 an, er leide seit etwa 20 Jahren an Rückenschmerzen und ab dem Jahr 1994 auch an Nervenschmerzen, im Bereich L 5/S 1. Anfänglich seien die Schmerzen gelegentlich, später regelmäßig, jetzt ständig aufgetreten. Auch nach der Operation vom 29. September 1998 bestünden die Beschwerden weiter. Außerberuflich sei er Wirbelsäulenbelastungen beim Hausbau und der Gartenarbeit ausgesetzt gewesen. Von 1974 bis 1978 habe er bei der Metzgerei V. in Bühl und von 1978 bis 1980 bei der Metzgerei B. in Bühlertal als Schlachter gearbeitet und dabei etwa achtmal täglich Lasten von 20 bis 40 kg gehoben. Bei der Metzgerei V. habe er auch mehrmals täglich Lasten von 10 bis 120 kg heben müssen. Nachdem zwischen 1980 und 1984 bei Tätigkeiten im Straßenbau und als selbstständiger Lohnschlachter die zu tragenden Lasten nicht über 20 kg gewesen seien, arbeite er seit Juni 1984 bei der Metzgerei V. Dabei müsse er ca. vierzigmal täglich Lasten von 10 bis unter 15 kg, fünfzehnmal täglich solche von 15 bis unter 20 kg und etwa achtmal täglich Lasten zwischen 20 und 40 kg, teilweise bis zu 120 kg, tragen. Er müsse diese Lasten vor dem Körper und auf der Schulter tragen. Dies sei allein und in den letzten Jahren ausschließlich mit einem Aufzug geschehen. In der Produktion seien dabei durchschnittlich 22 Personen beschäftigt und die Wege, die er mit den Lasten habe zurücklegen müssen, betrügen 0 bis 20 m. Im gesamten Betrieb würden pro Woche durchschnittlich 80 Schweine, 10 Kälber und 15 Stück Großvieh geschlachtet.

In der gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 27. September 1998 verneinte Dr. E. die Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV, da die beim Kläger diagnostizierte linksseitige Lumboischialgie, die stellungs und belastungsabhängig ausgelöst werde, auf eine anlagebedingte Spondylolisthesis im Segment L 5/S 1 zurückzuführen sei, nicht aber auf seine seit dem Jahr 1978 ausgeübte Tätigkeit als Fleischer und Fleischermeister. Unabhängig davon sei von einer operativen Behandlung des genannten Krankheitsbildes eine entscheidende Besserung zu erwarten, sodass der Kläger seinen Beruf als Fleischermeister voraussichtlich weiterhin ausüben könne.

Mit Bescheid vom 15. Dezember 1998 lehnte die Beklagte die Anerkennung der Wirbelsäulenerkrankung des Klägers als BK ab. Zur Begründung führte sie aus, nach den branchenspezifischen Erfahrungen und Kenntnissen aus dem Bereich der Fleischwirtschaft seien Hebe und Tragetätigkeiten jedenfalls dann nicht als wirbelsäulenschädigend anzusehen, wenn pro Arbeitsschicht nicht insgesamt Lasten von einigen Tonnen gehoben und/oder getragen würden. Bei den vom Kläger verrichteten üblichen Tätigkeiten im Fleischergewerbe könne nicht davon ausgegangen werden, dass ständig pro Arbeitsschicht Lasten in der geforderten Schwere gehoben oder getragen worden seien. Auch die medizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK seien nicht gegeben.

Dagegen erhob der Kläger am 6. Januar 1999 Widerspruch und gab auf Nachfrage der Beklagten an, dass er in seiner Lehrzeit von 1974 bis 1978 mehrfach täglich sehr schwere Lasten bis 100 kg auf den Schultern habe heben und tragen müssen. Von 1978 bis 1980 habe er täglich zwanzigmal Lasten von 20 bis 50 kg vor dem Körper getragen, vierzigmal Kisten von 5 bis 30 kg gehoben und auf den Schultern Gewichte von 30 bis 80 kg ca. fünfmal am Tag transportiert. Auch von 1984 bis 1987 habe er etwa sechzigmal am Tag Gewichte von 2 bis 30 kg vom Boden aufgehoben und etwa zehnmal Tierhälften mit Gewichten von 50 bis 80 kg getragen. Dabei sei pro Arbeitsdurchgang ein durchschnittlicher Zeitaufwand von 2 bis 3 Minuten zu Grunde zu legen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10. März 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, für die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV könnten entsprechend dem Alter des Klägers lediglich Lastgewichte über 25 kg berücksichtigt werden. Gehe man nach den Angaben des Klägers davon aus, dass der wesentliche Anteil der Lasten maximal 30 kg gewogen habe und hiervon ein sicherlich erheblicher Anteil wiederum weniger als 25 kg, so seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen unverändert nicht gegeben. Zeitanteile von 15 bis 30 % der täglichen Arbeitszeit, die mit Tragen von relevanten Lasten über 25 kg ausgefüllt sein müssten, lägen eindeutig nicht vor. Würde man noch die anderen Lasten zeitlich hinzurechnen, wären die allgemein nur als Nebentätigkeit anfallenden Hebe bzw. Tragearbeiten so überragend, dass für die eigentliche Metzgertätigkeit keine Zeit mehr bliebe. Auch könnten die Zeitanteile von 2 bis 3 Minuten pro Hebe bzw. Tragevorgang bei zurückzulegenden Wegen von maximal 20 m nicht zutreffen. Lege man großzügigerweise eine Geschwindigkeit von 1 m pro Sekunde für die Beurteilung zu Grunde, komme man bei etwa 70 Hüben, unabhängig vom Lastgewicht, auf eine mit Last zurückzulegende Wegstrecke von etwa 1,5 km. Eine solche Entfernung sei aber auch mit Last in durchaus weniger als 30 Minuten zurückzulegen, sodass der zeitliche Anteil an Hebe bzw. Tragebelastung weitaus weniger als 1/8 der täglichen Arbeitsschicht betragen haben müsse. Danach seien mit Sicherheit die arbeitstechnischen Voraussetzungen zur Anerkennung der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV auch unter Berücksichtigung der höheren Angaben zur beruflichen Belastung im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht erfüllt. Daneben seien unverändert auch die medizinischen Voraussetzungen nicht gegeben.

Hiergegen erhob der Kläger am 12. April 1999 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG). Zur Begründung hielt er an seiner Sach und Rechtsauffassung fest und benannte zum Beweis für das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen W. V. von der Metzgerei V. als Zeugen.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und führte aus, die arbeitstechnischen Voraussetzungen könnten letztlich dahingestellt bleiben, da es an einer Belastungskonformität des Schadensbildes im Bereich der LWS fehle.

Mit Gerichtsbescheid vom 3. August 1999 wies das SG die Klage ab; es verneinte die medizinischen Voraussetzungen der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV.

Dagegen legte der Kläger am 8. September 1999 Berufung beim LSG Baden-Württemberg ein. Zur Begründung hielt er an seiner Sach und Rechtsauffassung fest und vertrat ergänzend die Auffassung, dass seine berufliche Tätigkeit die Erkrankung in jedem Fall wesentlich negativ mitbeeinflusst habe und daher eine richtungweisende Verschlimmerung vorliege.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) wurde Beweis erhoben durch Einholung des Sachverständigengutachtens des Orthopäden Dr. A. vom 6. März 2000. Dieser bejahte eine BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV und schätzte die hierdurch bedingte MdE mit 50 v. H. ein.

Es wurde weiter Beweis erhoben durch Einholung von Auskünften bei der V. B. F. OHG vom 5. und 12. Januar 2001. Sie teilte insbesondere mit, dass der Kläger während der Ausbildungszeit von 1974 bis 1977 habe alle Arbeiten, die in einer Fleischerei anfielen, verrichten müssen. Die Tätigkeitsschwerpunkte während dieser Zeit hätten eindeutig im Bereich Schlachten und Zerlegen gelegen. An Schlachttagen hätten etwa bis zu 100 Schweine zuerst geschlachtet und dann ins Kühlhaus gebracht werden müssen. Am Folgetag seien die Schweinehälften dann in den LKW gebracht und weiter transportiert worden. Nach Wiedereinstellung des Klägers als Meister ab dem Jahr 1984 sei dieser in der Wurstproduktion eingesetzt gewesen. In dieser Zeit seien wöchentlich etwa 7 bis 8 t Wurst verarbeitet worden, inzwischen seien dies 15 t pro Woche. Dabei sehe die Tätigkeit so aus, dass jeweils mit einem anderen Mitarbeiter im Tageswechsel die Rezepturkisten zusammengestellt werden müssten oder aber die Verarbeitung der Rezepturkisten an der Maschine erfolge. Eine Rezepturkiste habe ein Gewicht von etwa 25 kg. Im Tagesdurchschnitt müssten die Kisten ca. sechzigmal gehoben und zu den entsprechenden Maschinen hingetragen werden. Der Kläger habe teilweise auch die Rauch- und Kesselanlagen sowie die Wurstfüllanlage bedienen müssen. Diese Tätigkeiten hätten jedoch eher untergeordnete Bedeutung gehabt. Die vom Kläger zu hebenden und zu tragenden Höchstlasten von 25 kg seien zunächst bückend vom Boden hochzuheben und würden dann gestapelt und danach vor dem Körper ins Kühlhaus getragen. Dafür stünden auch teilweise Rollwagen zur Verfügung, wobei nicht bekannt sei, in welchem Umfang diese benützt würden. Ein Rollwagen könne mit 10 Kisten beladen werden und habe dann ein Gesamtgewicht von 250 kg. Die durchschnittliche tägliche Arbeitszeit des Klägers betrage 9 Stunden, wobei der Zeitanteil für das Bewegen der Rezepturkisten sowie das etwa dreißigmal pro Tag durchzuführende Heben von Fleischstücken, die ein Gewicht von 2 bis 10 kg hätten, mit 15 bis 20% der Arbeitszeit einzuschätzen sei. Die Krankheitstage des Klägers zwischen 1989 und 1997 wurde mit dem Maximalwert von 32 Tagen im Jahr 1992 bei verschiedenen Jahren ohne jede Krankheitszeit, für das Jahr 1998 mit 224 und für das Jahr 1999 mit 315 Tagen angegeben.

Der Kläger bestätigte diese Angaben im Wesentlichen und legte noch dar, dass er während der Lehrzeit montags etwa 100 Schweine geschlachtet und mithin 200 Schweinehälften ohne Tragehilfe in den LKW verfrachtet und später in den Metzgereien wieder ausgeladen habe. Er sei zwischenzeitlich auch 1 ½ Jahre als Akkordkopfschlächter tätig gewesen, wobei er im Schnitt täglich 500 Schweine und etwa 150 Rinder geschlachtet habe und die Tierkörper auf Haken habe anheben müssen.

Mit Urteil vom 27. Februar 2002 (L 1 U 3669/99) wies das LSG Baden-Württemberg die Berufung zurück. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV, weshalb die Gewährung einer Verletztenrente ebenfalls nicht in Betracht komme.

Eine Prüfung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV erübrige sich, da dies erst dann erforderlich und sinnvoll sei, wenn aus medizinischer Sicht hinreichende Gründe, zumindest für die berufliche Mitverursachung einer bandscheibenbedingten Erkrankung vorlägen, was hier jedoch nicht der Fall sei. Es müsse damit nicht entscheiden werden, ob die beruflichen Voraussetzungen nach den Angaben des Klägers, den Auskünften der Firma V. bzw. den von der Beklagten vorgelegten Dosisberechnungen nach dem MDD gegeben seien.

Die gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG gerichtete Beschwerde verwarf das Bundessozialgericht (BSG) mit Beschluss vom 24. Juni 2002 als unzulässig.

Am 3. April 2002 beantragte der Kläger Leistungen nach § 3 BKV. Es bestehe die Gefahr, dass er bei Fortsetzung seiner zwischenzeitlich eingestellten Tätigkeit eine BK im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung der Erkrankung erleide. Es genüge bereits eine statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einer BK zu erkranken, um das Leistungsspektrum des § 3 BKV zu eröffnen. Aufgrund der starken beruflichen Beanspruchung und den bereits aufgetretenen Schädigungen sei zu befürchten, dass er bei Fortsetzung seiner Tätigkeit einem wesentlich höheren Risiko ausgesetzt sei, an einer BK zu erkranken, als andere Versicherte.

Mit Bescheid vom 25. April 2002 lehnte die Beklagte dieses Begehren ab. Da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und versicherter Tätigkeit nicht bestehe, seien auch Übergangsleistungen nicht zu gewähren. Es bestehe nicht die Gefahr, dass eine BK entstehe. Da die Gefahr des Entstehens einer BK nicht vorliege, bzw. ein ursächlicher Zusammenhang zwischen Erkrankung und versicherter Tätigkeit nicht bestehe, liege auch keine Gefahr der berufsbedingten Verschlimmerung des Leidens vor. Ursächlich für das Bestehen oder auch ein evtl. Verschlimmern der Erkrankung seien nicht die versicherte Tätigkeit, sondern vielmehr anlagebedingte, schicksalhafte Ursachen. Gleiches gelte für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben. Sofern aufgrund der anlagebedingten Erkrankung eine generelle Ungeeignetheit für die versicherte Tätigkeit angenommen werden sollte, ergebe sich auch hieraus kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Hier wären evtl. berufliche Rehabilitationsmaßnahmen bzw. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben durch andere Sozialversicherungsträger zu erbringen bzw. zu überprüfen.

Hiergegen erhob der Kläger am 27. Mai 2002 Widerspruch. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2002 zurück. Es müsse davon ausgegangen werden, dass ursächlich für derzeit bestehende Beschwerden bzw. zukünftige Verschlimmerungen das dem Krankheitsbild des Klägers eigene Fortschreiten entsprechender Symptome sei und Einflüsse aus der versicherten Tätigkeit in Form von schwerem Heben und Tragen hierfür keinen wesentlichen Ursachenbeitrag leisteten.

Dagegen erhob der Kläger am 19. August 2002 Klage zum SG. Soweit die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs zwischen der beruflichen Tätigkeit und den Gesundheitsschäden bestehe und er eine besondere Disposition zur Verwirklichung dieses Gesundheitsschadens aufweise, seien die Voraussetzungen zur Gewährung von Übergangsleistungen erfüllt. Des Weiteren wurde vorgetragen, bei multi-kausalen Zusammenhängen sei ein Mitverursachungsbeitrag von 1/3 ausreichend (Krasney, Was ist eine wesentliche Ursache in der Unfallversicherung bei polyätiologischen [multikausalen] Krankheiten?, Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin 1996, S. 209 bis 212).

Das SG holte auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG das Sachverständigengutachten des Priv.-Doz. (PD) Dr. G.-Z., Ärztlicher Direktor und Chefarzt in der S.-Klinik Z. GmbH in A., vom 14. Mai 2003 ein. Aus dem Gutachten geht hervor, dass der Kläger seit dem Jahr 2002 als Luftsicherheitsassistent in Teilzeit tätig ist, nebenher einen eigenen Partyservice mit ca. 2 Essen pro Woche betreibt sowie gelegentlich ca. 2 Mal pro Woche als Aushilfe bei einem Metzger tätig ist. Der Sachverständige führte aus, beim Kläger liege das Ergebnis nach einer erfolgreich durchgeführten Spondylodese L 5/S 1 bei radiologisch regelrechter Lage der eingebrachten Schrauben vor. Weiterhin erscheine das Segment L 5/S 1 knöchern überbrückt und die Spondylodese somit fest. In den angrenzenden darüber liegenden Segmenten zeigten sich bei der aktuellen radiologischen Untersuchung keine verschleißbedingten Erscheinungen. Die Höhe der Zwischenwirbelräume sei regelrecht. Es zeige sich keine Verschieblichkeit bzw. ein vermehrtes Aufklaffen der Lendenwirbel gegeneinander. Nach durchgeführten Versteifungsoperationen im Bereich der LWS komme es zu einer vermehrten Belastung der Bandscheibe, der kleinen Wirbelgelenke sowie der Bandverbindungen der angrenzenden darüberliegenden Wirbelsäulensegmente. Durch diese vermehrte Belastung könne es zu Zermürbungen der Bandscheibe und zu bandscheibenbedingten Erkrankungen kommen. Im Rahmen von ca. 10 Jahren nach der Operation würden solche Veränderungen beobachtet. Besonderes gefährdet seien über 55-jährige Patienten und Frauen mit verminderter Knochenstruktur. Es sei daher davon auszugehen, dass beim Kläger bei Fortführung seiner beruflichen Tätigkeit als Fleischer wieder ein deutlich höheres Risiko einer Schädigung der Bandscheibe bestehe, als bei einem nicht vorbelasteten vergleichbaren Beschäftigten. Da sich eine deutliche Häufung der verschleißbedingten Veränderungen der Anschlusssegmente jedoch auch unter Alltagsbelastung zeige, sei die vermehrte Anfälligkeit für Erkrankungen des Anschlusssegmentes ersichtlich. Die Frage, ob bei dem Kläger aufgrund seiner Vorerkrankungen im Vergleich zu einem Gesunden die Gefahr zumindest im Sinne einer erhöhten Wahrscheinlichkeit bestehe, an einer BK zu erkranken (wenigstens im Sinne einer richtungsweisenden Verschlimmerung), sei zu bejahen.

Der Kläger führte im Juli 2003 aus, dass er keine Aushilfstätigkeiten mehr ausübe und der Party-Service von seiner Ehegattin betrieben werde.

Die Beklagte führte aus, dass der Kläger aufgrund seiner außerberuflich erworbenen Erkrankung (möglicherweise) für Arbeiten ungeeignet sei, bei denen Lasten in einem gewissen Umfang gehoben und/oder getragen werden müssten. Dies begründe aber für sich allein noch keinen Anspruch auf Übergangsleistungen, selbst wenn im Rahmen der versicherten Tätigkeit solche Anforderungen bestünden. Wesentlich für den Zwang zur Aufgabe sei vorliegend nämlich gerade nicht die versicherte Tätigkeit, sondern vielmehr die außerberuflich erworbene Erkrankung.

Mit Urteil vom 9. Oktober 2003 wies das SG die Klage ab. Die - wegen rechtskräftiger Ablehnung der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV allein in Betracht kommende - Gefahr der Entstehung dieser BK bei Fortführung der versicherten Tätigkeit des Klägers sei nicht gegeben. Eine solche Gefahr könne angenommen werden, wenn das tatbestandliche Krankheitsbild zwar noch nicht vollständig erfüllt sei, aber Symptome vorlägen, die nach medizinischen Erkenntnissen unter Berücksichtigung der festgestellten gefährdenden Einwirkung das Risiko des Eintritts dieser Erkrankung im Vergleich zu anderen Versicherten bei vergleichbarer Beschäftigung erhöhten. Erforderlich sei, dass der Versicherte über die generelle Gefahr hinaus den besonderen schädigenden Einwirkungen durch seine Arbeit ausgesetzt sei und deswegen unter einer in zeitlich zunehmendem Maße anwachsenden, konkreten, individuellen Gefahr stehe, an einer BK zu erkranken. Notwendig sei danach, dass ein Risiko einer Schädigung für den Versicherten bestehe, das über den Grad hinausgehe, der bei anderen Versicherten in vergleichbarer Beschäftigung bestehe. Da angesichts des für die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV untypischen Schadensbildes die überwiegende Ursache für die Wirbelsäulenerkrankung des Klägers die bereits im 19. Lebensjahr diagnostizierte Spondylolisthese im Bereich L 5/S 1 sei, sei auch die konkrete individuelle Gefahr des Entstehens dieser BK zu verneinen. Denn trotz langjähriger belastender Tätigkeit sei es nicht zu einer für diese BK typischen Schädigung der Wirbelsäule gekommen. Daher sei auch für die Zukunft eine konkrete individuelle Gefahr des Entstehens dieser BK nicht anzunehmen. Auch die Verschlimmerung einer anlagebedingten Erkrankung durch belastende Tätigkeiten im Sinne dieser BK sei nicht ausreichend wahrscheinlich, weil die derzeitigen Schäden bereits im Alter von 19 Jahren vorgelegen hätten.

Gegen das ihm am 31. Oktober 2003 zugestellte Urteil des SG hat der Kläger am 19. November 2003 Berufung eingelegt. Das SG habe verkannt, dass die Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsleistungen nicht identisch seien mit den Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK. Bereits die statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit, an einer BK zu erkranken, reiche aus, um eine Gefahr im Sinne des § 3 BKV anzunehmen. Eine solche erhöhte Wahrscheinlichkeit sei vorliegend anzunehmen, denn bei den vorgeschädigten Strukturen und der die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllenden beruflichen Belastung bestehe geradezu ein hohes Maß an Wahrscheinlichkeit, dass die berufliche Tätigkeit das anlagebedingte Leiden verschlimmere. Im Rahmen des § 3 BKV sei eine Prognose für die Zukunft zu stellen. Es sei mithin nicht von entscheidender Bedeutung, ob nunmehr eine BK vorliege oder nicht. Nur, wenn gesagt werden könne, dass aufgrund des Schadensbildes auch in Zukunft eine BK definitiv nicht entstehen werde, könnten Leistungen nach § 3 BKV versagt werden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 9. Oktober 2003 abzuändern, den Bescheid vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Leistungen nach § 3 Abs. 2 BKV in gesetzlichem Umfange zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Allein eine generelle Gefahr reiche nicht aus, um Leistungen nach § 3 BKV beanspruchen zu können. Vielmehr bedürfe es der Feststellung einer in zeitlich zunehmendem Maße anwachsenden konkreten individuellen Gefahr, an einer BK zu erkranken. Insoweit sei es notwendig, dass das Risiko einer Schädigung für den Kläger über den Grad hinausgehe, der bei anderen Versicherten in vergleichbarer Beschäftigung bestehe.

Der Senat hat die Stellungnahme von PD Dr. G.-Z. vom 23. November 2004 eingeholt. Er hat ausgeführt, das Auftreten verschleißbedingter Veränderungen bzw. die Entstehung einer Instabilität im Anschlusssegment an eine Versteifungsoperation erfülle die in dem Merkblatt für die ärztliche Begutachtung geforderten bandscheibenbedingten Erkrankungen mit chronisch rezidivierenden Beschwerden und Funktionseinschränkungen. Dadurch, dass beim Kläger das Segment L 5/S 1 versteift worden sei, sei das darüberliegende Segment das am Weitesten distal liegende noch mobile Segment. Somit sei auch hier von belastungsadaptiven Veränderungen der LWS auszugehen, welche von oben nach unten zunähmen. Die Frage, ob die bisherige berufliche Tätigkeit aus medizinischer Sicht geeignet sei, solche belastungsadaptive Veränderungen zu verursachen, könne insbesondere aufgrund des nicht vorliegenden Ermittlungsberichtes des TAD nicht abschließend beantwortet werden.

Die Beklagte hat den Ermittlungsbericht ihres Präventionsdienstes vom 7. Februar 2005 vorgelegt. Darin hat Dipl.-Phys. M. ausgeführt, auf der Basis der aktenkundigen Belastungsangaben zur Hebe- und Tragetätigkeit habe nach Ermittlung der Belastungsabschätzungen nach dem MDD die berufliche Hebe- und Tragebelastung des Klägers an der überwiegenden Anzahl der Arbeitsschichten den Richtwert der Beurteilungsdosis nicht erreicht. Außerdem sei bezüglich der Merkmale der Arbeitsaufgaben und der Arbeitsabläufe im Bereich der Fleischwirtschaft festzuhalten, dass eine haltungsbedingte Wirbelsäulenbelastung infolge der Körperhaltung "extreme Rumpfbeugehaltung" im Sinne der BK der Nr. 2108 der Anlage zur BKV in der Regel nicht zutreffe. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen für diese BK seien daher zu verneinen. Die Gesamtbelastungsdosis betrage 5951.196 Nh und damit nur maximal 24 v. H. des geforderten Schwellenwerts von 25 x 106 Nh.

Hierzu hat der Kläger ausgeführt, bei der Beurteilung des Präventionsdienstes der Beklagten sei seine Tätigkeit als Straßenbauer vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1983 nicht berücksichtigt und die Tätigkeit als selbständiger Lohnschlachter zu Unrecht statt vom 1. April 1982 bis zum 30. Juni 1983 für die Jahre 1983 und 1984 angenommen worden. Völlig abwegig sei auch, dass der Präventionsdienst, um einen Zeitanteil von 30% rückenbelastender Tätigkeiten an der Gesamtschicht anzunehmen, eine effektive Belastungszeit von 144 Minuten, was 3.400 Hebevorgängen pro Arbeitsschicht entspreche, verlange. Der Kläger hat eine Aufstellung vorgelegt, wonach er vom 15. August 1974 bis zum 15. August 1977 den Beruf des Fleischers erlernt, vom 16. August 1977 bis zum 30. September 1980 als Fleischergeselle, vom 1. Oktober 1980 bis zum 31. März 1982 als Straßenbauer, vom 1. April 1982 bis zum 30. Juni 1983 als selbständiger Lohnschlachter, vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 1983 als Straßenbauer und vom 1. Januar 1984 bis zum 30. April 2002 als Fleischermeister bzw. als (stellvertretender) Produktionsleiter gearbeitet habe sowie seit 1. Mai 2002 als Luftsicherheitsassistent tätig sei.

Die Beklagte hat den Abschnitt 3 (berufliche Belastung) des BK-Reports "Wirbelsäulenerkrankungen" (S. 72 - 109) vorgelegt und ausgeführt, nach dem MDD sei die Belastung nicht nur von der Anzahl der Hebevorgänge, sondern auch von den Lastgewichten und den zurückgelegten Wegen, somit von der Dauer des Vorganges und den dadurch entstehenden Druckkräften auf die Bandscheiben, abhängig. In dem Bericht des Präventionsdienstes sei lediglich die Zeit der selbständigen Tätigkeit als Lohnschlachter falsch datiert und fehle die 6-monatige Tätigkeit als Straßenbauer. Es sei aber nicht anzunehmen, dass dieser kurze Zeitraum eine relevante Änderung der Gesamtbelastungsdosis ergeben könne. Des Weiteren hat die Beklagte ausgeführt, bei der über einen Zeitraum von mehr als 18 Jahren ausgeübten Tätigkeit als Fleischermeister handle es sich nicht um eine gefährdende Tätigkeit im Sinne der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV, da sie nach dem MDD nicht zu einer berücksichtigungsfähigen Teildosis geführt habe. Es lasse sich daher auch keine Wahrscheinlichkeit dafür begründen, dass bei Fortführung dieser Tätigkeit die Gefahr bestehe, dass sich eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Sinne dieser BK entwickle. Dies sei in sich schlüssig, da bei langjähriger gleich bleibender Tätigkeit keine Veränderungen im Bereich der LWS hätten festgestellt werden können, die sich durch Einflüsse aus versicherter Tätigkeit hätten erklären lassen. Wenn dies aber bei einer solch langjährigen Tätigkeit bisher nicht der Fall gewesen sei, liege es auf der Hand, dass bei gleichbleibender bzw. aufgrund zunehmender Technisierung zurückgehender Belastung durch Heben und/oder Tragen, dennoch aber fortschreitenden Veränderungen an der LWS den außerberuflich erworbenen Veränderungen ein wesentlicher Ursachenbeitrag für den weiteren Verlauf und den Unterlassungszwang zugesprochen werden müsse. Die Beklagte hat ergänzend ausgeführt, dass die Belastungen als Straßenbauer bei der Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen des § 3 BKV nicht von Bedeutung sein könnten, da diese Tätigkeit im Weiteren nicht mehr verrichtet worden sei.

Der Kläger hat ausgeführt, es treffe nicht zu, dass Voraussetzung für die Annahme einer konkreten Gefährdung sein solle, dass die haftungsbegründende Kausalität vollauf anzunehmen sei. Letztlich verbleibe es daher bei einer medizinischen Frage, ob eine solche Gefährdung anzunehmen sei oder nicht. Diesbezüglich sei das Gutachten von PD Dr. G.-Z. eindeutig, Hilfsweise werde die Einholung eines biophysikalischen Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die rückenbelastenden Tätigkeiten des Klägers während seines Berufslebens die kritische Lebensdosis nach dem MDD überschritten, beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übergangsleistungen. Zu Recht hat die Beklagte das hierauf gerichtete Begehren mit Bescheid vom 25. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2002 abgelehnt und das SG die hiergegen erhobene Klage abgewiesen.

Im vorliegenden Fall sind gemäß § 212 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) die zum 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VII sowie die aufgrund der Vorschriften des SGB VII erlassene BKV vom 31. Oktober 1997 anzuwenden.

Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken. Ist die Gefahr gleichwohl nicht zu beseitigen, haben die Unfallversicherungsträger darauf hinzuwirken, dass die Versicherten die gefährdende Tätigkeit unterlassen. Den für den medizinischen Arbeitsschutz zuständigen Stellen ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben (§ 3 Abs. 1 BKV). Versicherte, die die gefährdende Tätigkeit unterlassen, weil die Gefahr fortbesteht, haben zum Ausgleich hierdurch verursachter Minderungen des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile gegen den Unfallversicherungsträger Anspruch auf Übergangsleistungen. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Vollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt. Renten wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit sind nicht zu berücksichtigen (§ 3 Abs. 2 BKV).

Beim Kläger bestand im Zeitpunkt der Aufgabe seiner Beschäftigung am 30. April 2002 nicht die Gefahr, dass die BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert.

Da die Feststellung der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV rechtskräftig abgelehnt wurde, stellt sich die Frage eines Wiederauflebens oder einer Verschlimmerung dieser BK nicht.

Es bestand auch nicht die Gefahr des Entstehens dieser BK. Denn die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit als Fleischermeister bzw. als (stellvertretender) Produktionsleiter erfüllt nicht deren arbeitstechnische Voraussetzungen und stellt daher keine gefährdende Tätigkeit im Sinne dieser BK dar.

Nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, als BK anzuerkennen. Mit der hiermit festgelegten beruflichen Belastung wird verbindlich umschrieben, welche beruflichen Einwirkungen generell geeignet sind, bandscheibenbedingte Erkrankungen der LWS zu verursachen bzw. zu verschlimmern.

Dass die zuletzt vom Kläger ausgeübte Tätigkeit die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht erfüllt, ergibt sich für den Senat schlüssig und gut nachvollziehbar aus der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 7. Februar 2005, in welcher das MDD angewandt worden ist.

Bei dem MDD wird zur Beurteilung einer möglichen Gefährdung aus der Belastungshöhe und der Belastungsdauer eine schichtbezogene Beurteilungsdosis (Tagesdosis) errechnet. Als Belastungshöhe wird die Druckkraft auf das Bandscheibensegment L 5/S 1, als Belastungsdauer die Dauer für Hebe- oder Tragevorgänge herangezogen. Dabei geht die Druckkraft gegenüber der Belastungsdauer aufgrund des höheren Schädigungspotenzials überproportional in die Berechnung der Tagesdosis ein. Als täglicher Tagesdosis-Richtwert, bei dessen Erreichen oder Überschreiten mit einer Gefährdung für das Entstehen bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS zu rechnen ist, wird ein Wert von 5,5 x 103 Newton-Stunden (Nh) für Männer (entsprechend 5.500 Nh) und 3,5 x 103 Nh für Frauen (entsprechend 3.500 Nh) abgeleitet, das heißt Tätigkeiten mit Dosiswerten ab diesen Werten sind als gefährdend im Sinne der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV anzusehen. Nur wenn die Tagesdosis-Richtwerte erreicht oder überschritten werden, werden die Tagesdosen zu einer Gesamtdosis addiert. Als Richtwert, bei dessen Erreichen die arbeitstechnischen Voraussetzungen zum Entstehen dieser BK als gegeben angesehen werden können, werden 25 x106 Nh für Männer und 17 x 106 Nh für Frauen vorgeschlagen. Es stellt eine Zusammenfassung medizinischer Erfahrungstatsachen und damit eine Hilfe bei der Beurteilung des Kausalzusammenhangs dar. Das MDD stellt – zumindest derzeit – ein geeignetes Modell dar, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen (BSG, Urteil vom 18. März 2003 – B 2 U 13/02 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 1; BSG, Urteil vom 19. August 2003 – B 2 U 1/02 R – veröffentlicht in juris). Die Vorgaben, auf denen das MDD beruht, sind nicht frei gegriffen, sondern beruhen ihrerseits auf medizinischen Erfahrungstatsachen, die sich an den in epidemiologischen Studien über besonders belastete Berufe (Pflege, Bau und Transport) gewonnenen Werten orientieren. Mit dem MDD steht im Übrigen erstmalig eine von der überwiegenden Zahl der Unfallversicherungsträger einheitlich angewandte praktikable Arbeitsgrundlage für die Bemessung der belastungsbedingten Dosis im Bezug auf das Erkrankungsrisiko zur Verfügung. Im Hinblick darauf führt nach Auffassung des Senats derzeit kein Weg an der Anwendung des MDD vorbei, auch wenn man seine oben dargestellten Richtwerte nicht als Grenz-, sondern nur als Orientierungswerte ansieht, die eine Hilfe bei der Beurteilung des medizinischen Zusammenhangs zwischen versicherter Einwirkung und Erkrankung darstellen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2005 - L 6 U 2188/03 – veröffentlicht in juris).

Demnach lag in Bezug auf das Heben und Tragen schwerer Lasten keine BK-relevante Tätigkeit vor. So hat der Präventionsdienst unter Berücksichtigung der Angaben des Klägers im Erhebungsbogen vom 14. September 1998 und im Schriftsatz vom 16. Februar 1999 sowie der Angaben der V. B. F. OHG in ihrer Zeugenauskunft vom 5. Januar 2001 für den Tätigkeitszeitraum vom 1. Januar 1984 bis September 1998 keine gefährdende Tätigkeit ermitteln können. Dipl.-Phys. M. hat dargelegt, dass der Richtwert der Beurteilungsdosis nach dem MDD an keiner der Arbeitsschichten erreicht worden sei (S. 15). Auch ist die durch alltägliche Arbeitsabläufe auftretende und des Öfteren als "gebeugte Stellung" beschriebene und benannte Körperhaltung nicht im Sinne einer extremen Rumpfvorbeugung zu sehen und erfüllt daher nicht das Kriterium einer extremen Rumpfbeugung (S. 2).

Dass die Erfüllung der arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV erforderlich ist, ergibt sich für den Senat daraus, dass § 3 BKV die individuelle Prävention gegen eine BK bezweckt. Anlass für diese Prävention sind im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII nur die besonderen, schädigenden Einwirkungen durch die Arbeit, die die Gefahr einer BK begründen (BSG, Urteil vom 16. März 1995 - 2 RU 18/94 - HVBG-INFO 1995, 1505). Denn nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, nur solche Krankheiten als BK zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Dies bedeutet, dass der Versicherte im Rahmen der versicherten Tätigkeit schädigenden Einwirkungen im Sinne der BKV ausgesetzt gewesen sein muss, die geeignet sind, einen entsprechenden Gesundheitsschaden herbeizuführen. Nur dieser in § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII allgemein und in den je nach BK gegebenenfalls in der Anlage zur BKV näher definierten schädigenden Einwirkungen, die zur Aufnahme einer bestimmten Krankheit in die Anlage zur BKV geführt hat, haben die Träger der Unfallversicherung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 1 BKV mit allen geeigneten Mitteln vorzubeugen (BSG, Urteil vom 22. März 1983 - 2 RU 22/81 - HVGBG RdSchr. VB 3/84). Versicherte, die solchen besonderen schädigenden Einwirkungen durch ihre Arbeit ausgesetzt sind, können unter einer in zeitlich zunehmendem Maße anwachsenden, konkreten, individuellen Gefahr stehen, an einer BK zu erkranken. Nur eine solche konkrete, individuelle Gefahr meint § 9 Abs. 6 Nr. 1 SGB VII, der die Bundesregierung ermächtigt, mit Zustimmung des Bundesrates Voraussetzungen, Art und Umfang von Leistungen zur Verhütung des Entstehens, der Verschlimmerung oder des Wiederauflebens von BKen zu regeln (BSG, Urteil vom 16. März 1995 - 2 RU 18/94 - HVBG-INFO 1995, 1505).

Von dieser konkreten, individuellen Gefahr zu unterscheiden ist die unspezifische Erkrankungsgefahr, der der Kläger stattdessen ausgesetzt worden wäre, wenn er seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit fortgesetzt hätte. Zwar muss der Träger der Unfallversicherung im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehende Erkrankungsgefahren mit allen geeigneten Mitteln der Krankheitsvorbeugung bekämpfen. Aber sowohl alle Vorbeugungsmaßnahmen zur Bekämpfung solcher vom Arbeitsleben ausgehender Gesundheitsgefahren, die nicht zu einer BK führen, als auch allgemeine Maßnahmen, mit denen gesundheitlich Ungeeignete von bestimmten Tätigkeiten oder Bereichen des Arbeitslebens ferngehalten werden, liegen nicht im Rahmen des § 3 BKV und damit außerhalb seines Schutzbereiches. Weder der unzweideutige Wortlaut noch der Sinn und Zweck der BK-Prävention lassen es zu, den Anspruch auf eine Übergangsleistung im Rahmen der BK-Prävention auf die Fälle allgemeiner Unfallverhütung und Gesundheitsvorsorge zu übertragen. Solange nur eine besonders bezeichnete BK entschädigt werden kann, muss die BK-Prävention des § 3 BKV die Listengrenzen der BKV einhalten (BSG, Urteil vom 16. März 1995 - 2 RU 18/94 - HVBG-INFO 1995, 1505). Die für eine BK relevanten, besonderen, schädigenden Einwirkungen müssen also den Versicherten am konkreten Arbeitsplatz treffen und in seiner Person die individuelle Gefahr begründen, dass sie im Sinne der Kausalitätsanforderungen in der gesetzlichen Unfallversicherung eine BK entstehen, wiederaufleben oder verschlimmern lassen (BSG, Urteil vom 16. März 1995 - 2 RU 18/94 - HVBG-INFO 1995, 1505; BSG, Urteil vom 22. August 1975 - 5 RKnU 5/74 - SozR 5677 § 3 Nr. 1).

Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. In der Amtlichen Begründung zu § 6 der Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche BKen vom 12. Mai 1925 (RGBl I 69), der Vorläufervorschrift des § 3 BKV, ist ausgeführt, die Vorschrift diene der Vorbeugung und Krankheitsverhütung. Wenn bei einem Versicherten festgestellt werde, dass sich bei ihm Anzeichen einer beginnenden BK bemerkbar machten, so sei oft mit großer Wahrscheinlichkeit ein Ausbruch oder eine Verschlimmerung der Krankheit vorauszusehen, wenn der Versicherte die seine Gesundheit bedrohende Beschäftigung fortsetze. Auch bei einem Genesenden könne häufig einem Wiederausbruch der Krankheit nur dadurch vorgebeugt werden, dass er die Wiederaufnahme der ihm gefährlichen Arbeit unterlasse. Um zu vermeiden, dass die Aufgabe der Beschäftigung daran scheitere, dass der Versicherte wirtschaftliche Nachteile befürchte, solle der Versicherungsträger ihm durch Gewährung einer Übergangsrente helfen können (Reichsarbeitsblatt [Amtl.Teil] 1925 S. 262, 264 zu § 8 des Entwurfs = § 6 der VO). Die Amtliche Begründung zum Dritten Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung vom 20. Dezember 1928 (RGBl I 405) erläutert diese Vorschrift dahin, sie gelte zur Zeit nur für BKen im bisherigen Sinne und könne ohne Änderung des Gesetzes auf gleichartige Krankheiten, die auf einem Unfall beruhten, nicht ausgedehnt werden (RT-Drucks. IV/234 zu Art. 4 S. 18). Diese Regelung wurde im Grundsatz durch § 3 BKV übernommen. Soweit also in der Gesetzesbegründung von einer Vorbeugung durch Unterlassen einer "gefährlichen Arbeit" die Rede ist, meint er nach Ansicht des Senats Vorbeugung einer schädigenden Einwirkung und mithin einer Tätigkeit, die die arbeitstechnischen Voraussetzungen im Hinblick auf Art und Intensität vollständig erfüllt (so im Ergebnis auch Mehrtens/Perlebach, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand II /1999, G § 3, 2.5., Seite 6 und 7 sowie Stand I/2004, M 2108, 8., Seite 35). Entgegen der Ansicht des Klägers genügt es dagegen nicht, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen nur teilweise erfüllt sind. Denn für diesen Fall wäre die Gefahr der Entstehung eines der jeweiligen BK entsprechenden Krankheitsbildes nicht wesentlich ursächlich auf die versicherte Tätigkeit, sondern auf außerberufliche Ursachen zurückzuführen.

Da die vom Kläger zuletzt ausgeübte Tätigkeit nicht die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK nach der Nr. 2108 der Anlage zur BKV erfüllt und er mithin keinen Anspruch auf Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV hat, war die Berufung zurückzuweisen.

Dem Hilfsantrag auf Einholung eines biomechanischen Gutachtens war nicht zu entsprechen, da nach oben bereits dargelegter Rechtsprechung des Senats das MDD ein geeignetes Modell darstellt, um die kritische Belastungsdosis eines Versicherten durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten für eine Arbeitsschicht und für das Berufsleben zu ermitteln und in Beziehung zu einem Erkrankungsrisiko zu setzen.

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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