S 11 (9) RA 121/03

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 11 (9) RA 121/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 200/06
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Versicherungspflicht der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Die 1943 geborene Klägerin ist Mitglied des Vereins B und K e. V. (im Folgenden: Verein), dessen satzungsmäßiges Ziel die Ermöglichung einer umfassenden Betreuung hilfe- und pflegeabhängiger, kranker, behinderter und alter Menschen in ihrer häuslichen Umgebung ist. Die Mitglieder des Vereins, die gleichzeitig freie Mitarbeiter desselben sind, sind in sog. ambulanten Pflegeteams organisiert, innerhalb derer verschiedene Pflegeleistungen bezogen auf einen bestimmten Zuständigkeitsbezirk koordiniert werden. Die Pflegeteams schließen mit dem Verein jeweils sog. Kooperationsverträge, welche die Versorgung der Pflegebedürftigen im Einzelnen regeln. Die Klägerin erbringt im Rahmen ihrer Tätigkeit für den Verein hauswirtschaftliche Verrichtungen für pflegebedürftige Menschen (im Folgenden: Kunden), sie geht mit diesen spazieren und hält Nachtwachen. Leistungen im Rahmen der sog. Behandlungspflege erbringt sie mangels Ausbildung zur Pflegefachkraft hingegen nicht. Die von der Klägerin erbrachten Leistungen werden in der Regel von dem Verein mit den zuständigen Kranken- und Pflegekassen entsprechend der zwischen dem Verein und den Kassen bestehenden Versorgungs- und Vergütungsverträge abgerechnet. In vereinzeltem Umfang rechnet die Klägerin selbst mit den Kunden ab. Der Verein übt Fachaufsicht über die freien Mitarbeiter aus und fungiert als Schlichtungsstelle zwischen freiem Mitarbeiter und Kunden. Neue Kunden gewinnt die Klägerin vornehmlich durch eigene Akquisition. Pflegeleistungen erbringt sie dann nach Genehmigung derselben durch die jeweilige Kranken- bzw. Pflegekasse.

Mit Bescheid vom 27.02.2002 stellte die damalige Landesversicherungsanstalt Westfalen (im Folgenden: LVA Westfalen) aufgrund einer Betriebsprüfung fest, dass die für den Verein tätigen freien Mitarbeiter nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stünden. Sie leitete den Bescheid an die Beklagte zur Prüfung der Versicherungspflicht nach § 2 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) weiter.

Am 16.05.2002 beantragte die Klägerin die Befreiung von der Versicherungspflicht für Selbständige mit einem Auftraggeber nach der Vorschrift des § 231 Abs. 5 SGB VI. Sie gab an, nicht nur für einen Auftraggeber tätig zu sein.

Unter dem 09.04.2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, dass dieser nicht bis zum 30.06.2000 und mithin zu spät gestellt worden sei. Weiter führte sie aus, dass die Klägerin nach ihren Feststellungen aufgrund der selbständigen Tätigkeit als freie Mitarbeiterin ab dem 01.01.1999 der Versicherungspflicht als Selbständige mit einem Auftraggeber unterfalle, wies auf die Befreiungsmöglichkeit des § 6 Abs. 1 a Satz 1 Nr. 1 SGB VI hin und stellte eine entsprechende Antragstellung anheim.

Hiergegen legte die Klägerin am 09.05.2003 Widerspruch ein und wies darauf hin, dass vorrangig das Bestehen der Rentenversicherungspflicht dem Grunde nach zu klären sei. Sie sei nicht überwiegend für einen Auftraggeber tätig; der Verein sei weder im zivil- noch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Auftraggeber zu qualifizieren. Vertragsbeziehungen bestünden ausschließlich zu den einzelnen Kunden. Neue Verträge kämen in der Regel über Empfehlungen zustande, hierbei würden sich die potentiellen Vertragspartner direkt an die Klägerin wenden und den Umfang der Leistungen sowie das zu entrichtende Entgelt vereinbaren. Der Verein werde hingegen nicht Vertragspartner, sondern habe reine Inkassofunktion. Die Klägerin legte eine Bescheinigung des Vereins vor, wonach dieser mit ihr keinen Arbeitsvertrag habe, sie Vereinsmitglied sei und sich damit an seine Qualitätsrichtlinien binde; er habe Inkassofunktion für die in der Pflege erbrachten Leistungen.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2003 als unbegründet zurück gewiesen. Die Klägerin übe ihre selbständige Tätigkeit im Auftrag des Vereins aus. Die mit den Kunden bestehenden Betreuungsverträge würden nicht von der Klägerin selbst, sondern zwischen dem Verein und dem Kunden geschlossen. Sie sei somit nur für einen Auftraggeber tätig und unterliege der Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI.

Mit der hiergegen erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Feststellung des Nichtvorliegens von Versicherungspflicht. Zur Begründung führt sie aus, als freie Mitarbeiterin grundsätzlich die Möglichkeit zur eigenen Abrechnung der von ihr erbrachten Leistungen zu haben. Sie sei zudem nicht verpflichtet, bestimmte Aufträge anzunehmen, vielmehr erhalte sie keine Aufträge über den Verein. Sie könne eigene Kunden werben, sei selbst verantwortlich und trete in direkten Kontakt zu den Kunden, mit denen sie Zeit und Ausmaß der zu erbringenden Leistung verhandele. Der Verein sei an der gesamten Vertragsanbahnung und -durchführung nicht beteiligt. Damit könne der Verein nicht als Auftraggeber angesehen werden. Hieran ändere es auch nichts, dass die von ihr erbrachten Leistungen tatsächlich über den Verein abgerechnet würden. Auch Ärzte mit Kassenzulassung seien keine Selbständigen mit einem Auftraggeber, obwohl ihre Leistungen nur über die kassenärztliche Verrechnungsstelle abgerechnet werden könnten. Der Verein verstehe sich als Berufsverband und biete im Rahmen der Qualitätssicherung eine Fachaufsicht über die von den Pflegekräften erbrachten Leistungen. Zudem sei in einer Vielzahl parallel gelagerter Fälle seitens der Beklagten keine Versicherungspflicht angenommen worden. Die Klägerin hat diverse Unterlagen anderer freier Mitarbeiter des Vereins im Hinblick auf die Feststellung des Nichtvorliegens von Versicherungspflicht durch die Beklagte sowie Ablichtungen der Vereinssatzung und des Kooperationsvertrages zwischen dem Verein und dem "Ambulanten Team E", dem sie angeschlossen ist, zu den Akten gereicht, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 09.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2003 abzuändern und festzustellen, dass sie in ihrer Tätigkeit als freie Mitarbeiterin des Vereins "Alt und Jung e. V." nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI unterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, dass eine Abrechnung der klägerischen Leistungen nach dem SGB V und SGB XI ohne den Verein weitgehend ausgeschlossen sei. Dies folge aus dem Kooperationsvertrag in Verbindung mit den zwischen den Kassen und dem Verein abgeschlossenen Versorgungs- und Rahmenverträgen. Da diese Verträge bestünden, sei für einen Vertragsschluss der Kassen mit einzelnen Pflegepersonen kein Raum mehr. Der Verein habe nicht nur die Funktion einer Abrechnungsstelle, sondern ermögliche überhaupt erst die Abrechnung mit den Kassen. Maßgeblich seien zudem die gegenwärtigen Umstände, wonach die Klägerin ihre Tätigkeit allein über den Verein abrechne. Der Verein sei – unabhängig davon, dass die Kundenakquisition durch die Klägerin selbst erfolge – im Gegensatz zu dem jeweiligen Kunden im zivil- und damit auch im sozialversicherungsrechtlichen Sinne als Auftraggeber der Klägerin zu qualifizieren. Zwar nehme diese bei der praktischen Ausübung ihrer selbständigen Tätigkeit sicherlich auch Weisungen ihrer Kunden entgegen. Die entscheidende Weisungsgebundenheit bestehe jedoch über den Kooperationsvertrag gegenüber dem Verein, der seinerseits als zugelassene Pflegeeinrichtung durch die mit den Kassen geschlossenen Versorgungs- und Rahmenverträge gebunden sei. Insoweit übe der Verein Fachaufsicht über die Pflegekräfte aus. Eine andere Bewertung ergebe sich aus nicht daraus, dass dem Kunden ein Wahlrecht hinsichtlich der Person des Pflegenden zustehe, denn dies ändere nichts daran, dass leistungsrechtliche Beziehungen aufgrund des Sachleistungsprinzips allein zwischen Pflegekraft und Kasse bestünden. Allein auf der Grundlage ihres Rechtsverhältnisses zum Verein sei es der Klägerin möglich, ihre selbständige Tätigkeit gegenüber den Pflegebedürftigen zu erbringen. Auch ihr Vergütungsanspruch für diese Leistungen bestehe ausschließlich gegenüber dem Verein. Dieser sei daher als Auftraggeber anzusehen. Das Verhältnis zwischen Arzt, Patient und kassenärztlicher Vereinigung weiche entscheidend von dem Verhältnis zwischen Klägerin, Kunde und Verein ab. So sei der Arzt im Gegensatz zur Pflegekraft selbst Adressat des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages einer qualitativ hochwertigen und ausreichenden Versorgung und habe eine unmittelbare Gewährleistungsverpflichtung. Die zugelassenen Pflegeeinrichtungen würden demgegenüber lediglich vertraglich in das Sozialleistungssystem eingebunden. Die ihnen auferlegten Pflichten müssten sie ihrerseits vertraglich an die einzelnen Pflegekräfte weitergeben. Hieraus ergäben sich entsprechende Weisungsrechte der Pflegeeinrichtungen gegenüber den Pflegekräften. Die Klägerin als Pflegekraft werde daher von dem Verein als zugelassener Pflegeeinrichtung zur Erfüllung vertraglicher Pflichten eingeschaltet und unterliege den für ein Auftragsverhältnis typischen Weisungen. Demgegenüber habe der Arzt als Leistungserbringer selbst unmittelbar einen gesetzlichen Sicherstellungsauftrag zu erfüllen und werden somit nicht im Rahmen eines Auftragsverhältnisses tätig.

Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass das diesbezügliche Vorbringen der Beklagten als verspätet zurück zu weisen sei.

Das Gericht hat in einem Termin zur Erörterung des Sachverhalts und zur Beweisaufnahme die zweite Vorsitzende des Vereins, Frau T. C., als Zeugin vernommen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19.11.2004 verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hatte ausschließlich über die Frage des Vorliegens von Versicherungspflicht i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI dem Grunde nach zu entscheiden, die ursprünglich begehrte Befreiung von der Versicherungspflicht war weder im Vor- noch im Klageverfahren Streitgegenstand.

Die Klage ist zulässig.

Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse gemäß § 55 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an der begehrten baldigen Feststellung des Nichtvorliegens von Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung hinsichtlich ihrer Tätigkeit als freie Mitarbeiterin des Vereins "B und K e. V.", eines Rechtsverhältnisses i. S. d. § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG.

Die Klage ist jedoch unbegründet.

Die Klägerin ist nicht beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, da der angefochtene Bescheid vom 09.04.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2003 im Hinblick auf die streitgegenständliche Feststellung der Versicherungspflicht rechtmäßig ist. Das Nichtvorliegen von Versicherungspflicht kann nicht gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG festgestellt werden. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid zu Recht – konkludent – das Vorliegen von Versicherungspflicht gemäß § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI angenommen.

Nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sind versicherungspflichtig selbständig tätige Personen, die a) im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit regelmäßig keinen versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigten, dessen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis regelmäßig 400 EUR im Monat übersteigt, und die b) auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind. Letzteres umfasst nicht nur den Fall, dass der Betreffende rechtlich (vertraglich) im Wesentlichen an einen Auftraggeber gebunden ist, sondern auch den Fall, dass er tatsächlich (wirtschaftlich) im Wesentlichen von einem Auftraggeber abhängig ist (BT-Drucks. 14/45 S. 26). Tätigkeiten in unbedeutendem Umfang für weitere Auftraggeber stehen der Versicherungspflicht nicht entgegen (BT-Drucks. 14/45 S. 37). Im Übrigen kommt es darauf an, ob der Auftragnehmer nach seinem Unternehmenskonzept die Zusammenarbeit mit mehreren Auftraggebern anstrebt und dies nach den tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten Erfolg verspricht (Kasseler Kommentar-Gürtner, § 2 SGB VI, Rn. 39). Mit § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI sollten ab dem 01.01.1999 sog. arbeitnehmerähnliche Selbständige der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterworfen werden. Der Gesetzgeber wollte für diesen Personenkreis – für den in anderen Zweigen der Sozialversicherung keine Versicherungspflicht normiert ist – der zunehmenden Erosion des versicherten Personenkreises durch die wachsende Überführung von Beschäftigten in arbeitnehmerähnliche selbständige Tätigkeiten für den Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung entgegenwirken (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 12.01.2005, Az. L 8 RA 6/03 m. w. N.). Der Personenkreis der arbeitnehmerähnlichen Selbständigen weist dementsprechend durch die in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI genannten Tatbestandsmerkmale typischerweise eine gewisse Nähe zu der Gruppe der Arbeitnehmer und damit eine generelle soziale Schutzbedürftigkeit auf (vgl. Kasseler Kommentar-Gürtner, a. a. O., Rn. 35). Die in § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI definierten arbeitnehmerähnlichen Selbständigen erschienen dem Gesetzgeber insoweit nicht weniger sozial schutzbedürftig als die bereits von Nr. 1 bis 7 erfassten Selbständigen (vgl. BT-Drucks. 14/45 S. 46).

Die damalige LVA Westfalen hat mit bestandskräftigem Bescheid vom 27.02.2002 festgestellt, dass die für den Verein tätigen freien Mitarbeiter nicht in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 Abs. 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) stehen, mithin selbständig tätig sind. Dies ist zwischen den Beteiligten ebenso unstreitig wie das Vorliegen der Tatbestandsmerkmale des § 2 Satz 1 Nr. 9 a) SGB VI in Person der Klägerin.

Zu Recht geht die Beklagte ferner davon aus, dass die Klägerin auf Dauer und im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber, nämlich den Verein B und K e. V., tätig ist.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sind nämlich nach einer Zusammenschau der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse die von ihr betreuten pflegebedürftigen Personen in der Regel keine Auftraggeber i. S. d. § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI. Zur Überzeugung der Kammer bestehen zwischen der Klägerin und ihren Kunden zum Großteil keinerlei Vertragsverhältnisse, sondern lediglich rein tatsächliche Beziehungen. Vielmehr erbringt letztlich die jeweilige Kranken- bzw. Pflegekasse (im Folgenden: Kasse) durch die Klägerin nach dem Sachleistungsprinzip eine Pflegeleistung, zu welcher sie dem Kunden aufgrund des Versicherungsverhältnisses verpflichtet ist. Danach könnten mangels rechtlicher Beziehungen zwischen Klägerin und Kunde lediglich die Kassen Auftraggeber der Klägerin sein. Auch dies ist nach Auffassung der Kammer allerdings nicht der Fall, da die Klägerin zu den Kassen ebenfalls keinerlei Vertragsverhältnisse unterhält. Der gesetzliche Auftrag der Kassen zur Sicherstellung der Pflege des Kunden wird ihr vielmehr durch den Verein, dessen Mitglied und damit Vertragspartnerin sie ist, welcher seinerseits Versorgungsverträge und Vergütungsvereinbarungen mit den Kassen schließt, vermittelt. Vertragliche Beziehungen der Klägerin bestehen danach allein zum Verein, so dass schon aufgrund dessen nur dieser Auftraggeber sein kann.

Dies ergibt sich auch daraus, dass die Klägerin die von ihr erbrachten Leistungen im Wesentlichen ausschließlich gegenüber dem Verein abrechnen kann und abrechnet. Dementsprechend ist sie von diesem sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich abhängig. Weigert sich der Verein (etwa bei Qualitätsmängeln), die Pflegeleistungen der Klägerin gegenüber den Kassen abzurechnen bzw. die Vergütung der Kassen an die Klägerin auszukehren, kann diese sich nicht etwa an ihre Kunden halten, sondern muss sich mit dem Verein auseinander setzen. Ein Unternehmenskonzept, das auf einer unabhängig vom Verein erfolgenden Leistungserbringung und -abrechnung gegenüber dem Kunden bzw. den Kassen beruht, verspricht schon deshalb keinen Erfolg, weil dies sowohl rechtlich als auch tatsächlich ausgeschlossen ist. So wird der Kunde, der gegenüber seiner Kasse hinsichtlich der unter das SGB V bzw. SGB XI fallenden Leistungen, zu denen auch die von der Klägerin erbrachte hauswirtschaftliche Versorgung wie Einkaufen, Kochen etc. gehört (vgl. § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB V, §§ 36 Abs. 1 Satz 1, 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI), einen Sachleistungsanspruch hat, die Leistungen nicht privat – ohne Beteiligung der Kasse – abrechnen wollen. Ferner dürfen die Pflegekassen ambulante Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen i. S. d. § 71 Abs. 1 SGB XI, also durch selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung pflegen und hauswirtschaftlich versorgen, gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (sog. zugelassene Pflegeeinrichtungen), § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XI. Mit einzelnen geeigneten Pflegekräften kann die zuständige Pflegekasse zur Sicherstellung der häuslichen Pflege und hauswirtschaftlichen Versorgung einen Vertrag schließen, soweit und solange die Versorgung nicht durch einen zugelassenen Pflegedienst gewährleistet werden kann. Abgesehen davon, dass die Klägerin keine ausgebildete Pflegefachkraft ist, ist die Versorgung der in ihrem "Einzugsgebiet" lebenden Kunden bereits u. a. durch den Verein als zugelassenen Pflegedienst gewährleistet. Für eigene Versorgungsverträge der Klägerin mit den Kassen bleibt somit kein Raum. Dementsprechend hat die Zeugin C bei ihrer Vernehmung für die Kammer nachvollziehbar angegeben, dass die Klägerin sich zwar grundsätzlich "selbständig machen" und ihre Leistungen unabhängig vom Verein erbringen könne, sie dann aber – soweit es die Leistungen nach dem SGB V und dem SGB XI betrifft – einen anderen Partner wie den Verein benötige, da ihr als Privatperson eine Abrechnung mit den Kassen grundsätzlich nicht möglich sei. Würde also beispielsweise ein Ausschluss der Klägerin aus dem Verein erfolgen, was nach § 3 Abs. 4 seiner Satzung grundsätzlich möglich ist, könnte die Klägerin ihre Tätigkeit zunächst nicht bzw. nicht entgeltlich weiterführen.

Etwas anderes ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch nicht für Leistungen, die nicht unter das SGB V oder SGB XI fallen, da insoweit nach den Angaben der Zeugin Brechmann in Übereinstimmung mit dem Vortrag der Klägerin zwar grundsätzlich eigenständige Abrechnungen der jeweiligen Pflegeteams möglich sind, die Abrechnung aber dennoch in der Regel auf Wunsch der Stadt zur Verwaltungsvereinfachung über den Verein erfolgt. Sofern die Klägerin in vereinzeltem Umfang z. B. Spaziergänge und Nachtwachen mit vermögenden Kunden ohne Vermittlung durch den Verein bzw. das Team selbst abrechnet, wie sie im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt hat, kann dies nichts daran ändern, dass sie im Wesentlichen für nur einen Auftraggeber, nämlich den Verein, tätig ist.

Der Aspekt der Abrechnungspraxis ist – entgegen der Auffassung der Klägerin – auch in die Entscheidungsfindung einzubeziehen, obwohl die Beklagte hierzu erstmals nach dem Termin zur Erörterung des Sachverhalts vorgetragen hat. Denn die Kammer ist im Gegensatz zum zivilgerichtlichen Verfahren aufgrund des Amtsermittlungsgrundsatzes verpflichtet, der Beurteilung sämtliche im Hinblick auf den Streitgegenstand relevanten tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten zugrunde zu legen, unabhängig davon, ob, von welchem Beteiligten und zu welchem Zeitpunkt diese vorgetragen wurden.

Dass die Kunden – in der Regel – nicht Auftraggeber der Klägerin sind, folgt auch daraus, dass sie die Leistungen sowie die entsprechende Vergütung nicht selbständig und unabhängig mit diesen aushandeln kann. So hat die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung zu Protokoll erklärt, dass die von ihr am Kunden zu erbringenden Leistungen, soweit sie unter das SGB V und SGB XI fallen, durch die Kassen genehmigt werden müssen. Sie setze sich insoweit mit dem Kunden und einem Vertreter des Medizinischen Dienstes der Kassen sowie ggf. der Pflegeleitung ihres Teams zusammen und erörtere die erforderlichen Pflegeleistungen. Wie sich aus § 6 des von der Klägerin zu den Akten gereichten "Kooperationsvertrages gemäß § 10 Abs. 1 des Rahmenvertrages für die ambulante Versorgung gemäß § 75 Abs. 1 SGB XI für Nordrhein-Westfalen" (im Folgenden: Kooperationsvertrag) ergibt, erhält das "Ambulante Team E", dem die Klägerin angeschlossen ist, zudem für seine Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach § 36 SGB XI die Vergütung, die zwischen dem Pflegedienst und den Kostenträgern (also den Kassen) im Rahmen einer Vergütungsvereinbarung nach § 89 SGB XI vereinbart wurde. Zuzahlungen zu den Vergütungen dürfen vom Pflegebedürftigen weder gefordert noch angenommen werden.

Die Eigenschaft des Vereins als Auftraggeber der Klägerin ergibt sich auch daraus, dass dieser Fachaufsicht über die von ihr zu erbringenden Leistungen ausübt und gegenüber den Kassen die ordnungsgemäße Erbringung der Pflegeleistungen durch Vorgabe von Qualitätsstandards und Pflegegrundsätzen, denen sich die freien Mitarbeiter durch ihre Vereinsmitgliedschaft unterwerfen, sowie durch Einflussnahme auf das Verhältnis zwischen freiem Mitarbeiter und Kunde gewährleistet. Dabei gibt der Verein die ihm gegenüber erteilten Weisungen der Kassen an die freien Mitarbeiter weiter. Insoweit macht der Verein über die Kooperationsverträge strenge Vorgaben an die verschiedenen Pflegeteams und damit auch an die Klägerin. Diese Kooperationsverträge regeln im Einzelnen die Versorgung Pflegebedürftiger mit ambulanten Pflegeleistungen. Der zwischen dem Verein und dem Ambulanten Team E geschlossene Kooperationsvertrag etwa berechtigt und verpflichtet in § 1 das Team und damit auch die Klägerin zur Versorgung Pflegebedürftiger. Schon darin, dass der Verein gegenüber der Klägerin in einer Position ist, die es ihm erlaubt, diese zur pflegerischen Versorgung zu berechtigen und zu verpflichten, zeigt sich aber die Auftraggebereigenschaft desselben. Der Kooperationsvertrag verpflichtet das Pflegeteam weiterhin zur Sicherstellung einer wirksamen und wirtschaftlichen Leistungserbringung unter ständiger Verantwortung einer Pflegekraft (§ 2) und bestimmt, unter welchen Voraussetzungen und nach welchen Grundsätzen Pflegeleistungen erbracht werden (§ 4). Weiterhin hat der Verein, wie sich auch aus der Aussage der Zeugin Brechmann ergibt, im Streitfall zwischen Kunde und Klägerin die Funktion einer Schlichtungsstelle. Kommt es somit zu Qualitätsmängeln oder ähnlichen Problemen, so wendet sich der Kunde zwar zunächst an die entsprechende Pflegekraft bzw. an das Team. Kann eine Einigung aber nicht erzielt werden, ist "in letzter Instanz" der Verein zuständig, der auch insoweit Fachaufsicht ausübt.

Dementsprechend ist der Verein – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht als reine Abrechnungsstelle anzusehen, dieser hat vielmehr über die Inkassofunktion hinaus weitgehende Einflussmöglichkeiten gegenüber seinen freien Mitarbeitern. Auch der Verein selbst sieht sich im Übrigen seiner Satzung nach nicht als bloße Abrechnungsstelle, sondern hat vielmehr – wie ein Pflegedienst – das Ziel, "hilfe- und pflegeabhängigen, kranken, behinderten und alten Menschen in ihrer häuslichen Umgebung umfassend Betreuung zu ermöglichen" (vgl. § 2 Abs. 1 der Satzung). Im Hinblick auf das Vorstehende unterscheidet sich der Verein auch von der kassenärztlichen Vereinigung, die – wie die Klägerin zutreffend ausführt – nicht Auftraggeber des Arztes ist. Im Gegensatz zur kassenärztlichen Vereinigung ist der Verein über seine Inkassofunktion hinaus selbst zugelassener Leistungserbringer, der Pflegeleistungen durch verschiedene Auftragnehmer, die freien Mitarbeiter, erbringt. Auch ist der Arzt im Gegensatz zu der Klägerin nach § 72 SGB V selbst Adressat des gesetzlichen Sicherstellungsauftrages, so dass es einer vertraglichen Weitergabe desselben nicht bedarf. Pflegekräfte hingegen werden nur vertraglich in das soziale Sicherungssystem einbezogen, der Auftrag zur Sicherstellung der Pflege wird ihnen über zugelassene Pflegeeinrichtungen wie den Verein vertraglich vermittelt, die den Sicherstellungsauftrag ihrerseits durch Versorgungsverträge von den Kassen erhalten haben, vgl. etwa § 69 SGB XI. Der Verein schaltet die Klägerin daher – im Gegensatz zur kassenärztlichen Vereinigung – zur Erfüllung seiner vertraglichen Pflichten ein und hat insoweit ein Weisungsrecht gegenüber derselben. Das Verhältnis zwischen Arzt und kassenärztlicher Vereinigung ist demjenigen zwischen Klägerin und Verein nach alledem nicht vergleichbar, es steht insbesondere einem Auftragsverhältnis zwischen Letzteren nicht entgegen.

Die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI steht auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift im Einklang, da die Klägerin nach einer Gesamtbetrachtung ihrer Tätigkeit ebenso schutzbedürftig ist wie die übrigen von § 2 Satz 1 SGB VI erfassten selbständig Tätigen. Der Rentenversicherungspflicht sollen nämlich solche Selbständigen unterfallen, die auf Grund der Größe ihres Betriebes des Schutzes der Solidargemeinschaft der Rentenversicherten bedürfen (vgl. Kreikebohm-Grintsch, SGB VI, 2. Aufl. 2003, § 2, Rn. 2). Auch die Klägerin ist aber allein auf ihre Arbeitskraft angewiesen; im Falle der Invalidität bzw. bei Erreichen des Rentenalters hat auch sie kein Unternehmenskapital, auf das sie zur Sicherung ihres Lebensunterhalts zurückgreifen kann.

Ein anderes Ergebnis folgt auch nicht – wie die Klägerin meint – daraus, dass diese selbst neue Kunden wirbt. Denn zum einen kann dies allenfalls Ausdruck der Selbständigkeit ihrer Tätigkeit sein (wobei auch abhängig beschäftigte Pflegekräfte zumindest gelegentlich selbst neue Kunden gewinnen dürften), nicht aber ein Indiz dafür, dass die neuen Kunden ihre Auftraggeber werden, was nach den obigen Ausführungen schon rechtlich ausgeschlossen ist. Zum anderen erfolgt die Erbringung von Pflegeleistungen – wie sich aus dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung ergibt – nicht, bevor die zuständige Kasse ihre Zustimmung erteilt hat. Selbst wenn daher die Klägerin den Erstkontakt mit dem Kunden herstellt, vermag sie nicht völlig unabhängig von Dritten mit diesem einen Pflegevertrag auszuhandeln. Dass der Kunde die Klägerin – ggf. aufgrund vorheriger Akquisetätigkeit – anspricht, macht diesen somit nicht zu ihrem Auftraggeber.

Auch dass der Verein keine Dienstpläne vorgibt, lässt allenfalls auf die Selbständigkeit der Klägerin schließen, nicht aber darauf, dass er nicht Auftraggeber derselben ist. Denn Voraussetzung für ein Auftragsverhältnis ist nicht etwa die Abhängigkeit des Auftragnehmers von Weisungen des Auftraggebers in zeitlicher Hinsicht.

Dasselbe gilt für die Berechtigung der Klägerin, Aufträge des Vereins abzulehnen. Abgesehen davon, dass sich hieraus bereits eine Auftragserteilung seitens des Vereins ergibt, schließt dies ein grundsätzliches Auftragsverhältnis zwischen Verein und Klägerin nicht aus. Im Übrigen ist der Verein – wie auch die Zeugin C ausgesagt hat – gegenüber den Kassen vertraglich verpflichtet, die Pflegesicherheit zu gewährleisten. Diese Verpflichtung gibt der Verein an seine Mitglieder weiter, so dass diese grundsätzlich zur Übernahme von Aufträgen verpflichtet sind. Sind sie hierzu aufgrund ihrer Auslastung nicht in der Lage, haben sie die Aufträge an andere Pflegedienstleister weiter zu leiten.

Nach alledem unterscheidet sich die Tätigkeit der Klägerin sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht nicht wesentlich von derjenigen einer bei einem ambulanten Pflegedienst abhängig beschäftigten Pflegekraft. Auch im Hinblick darauf ist von einer Arbeitnehmerähnlichkeit der Tätigkeit auszugehen. Der Verein tritt zudem nach außen als typischer Pflegedienst auf, so dass für die Kunden ein Unterschied zwischen Vereinsmitgliedern und abhängig beschäftigten Pflegekräften nicht erkennbar ist. So bezeichnet sich der Verein ausweislich seines Internetauftritts (www.xxx.org) als ambulanter Sozial- und Pflegedienst. Die Pflegedienstleitung ist danach beim Verein angesiedelt, dieser bietet neben Beratung und Anleitung selbst als Verein Hilfe zur Pflege, Behandlungspflege, psychiatrische Pflege, Hauswirtschaft etc. an und sichert den Kunden bestimmte Standards zu.

Schließlich kann ein Nichtvorliegen von Versicherungspflicht auch nicht aus einer Selbstbindung der Verwaltung im Rahmen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Grundgesetz hergeleitet werden. Denn selbst wenn die Beklagte in ähnlich gelagerten Fällen das Vorliegen von Versicherungspflicht nach § 2 Satz 1 Nr. 9 SGB VI verneint hat, handelt es sich insoweit um eine rechtswidrige Verwaltungspraxis, die einen Gleichbehandlungsanspruch nicht bedingt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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