L 6 B 22/06 SF

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 12 SF 2396/05
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 B 22/06 SF
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
1. Eine sog. ERGOS-Arbeitssimulation kann nicht als besondere Leistung nach § 10 JVEG vergütet werden. Auch eine entsprechende oder analoge Anwendung der GOÄ scheidet nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 JVEG und seinem Charakter als eng auszulegende Sondervorschrift aus (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 13. Juli 1999 - Az.: L 6 SF 17/98; OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Februar 1993 - Az.: 15 W 484/92; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 1991 - Az.: 3 Ws 318/89).

2. Die ärztliche Tätigkeit einschließlich einer ERGOS-Arbeitssimulation zur Feststellung einer Erwerbsminderung ist mit der Honorargruppe M 2 zu vergüten. Im Rahmen der Kostenerstattung ist die Bewertung eines Gutachtens nach Qualitätsgesichtspunkten nicht angebracht.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Altenburg vom 11. Januar 2006 abgeändert und die Entschädigung für das Gutachten des Beschwerdegegners vom 6. Mai 2005 auf 1.259,06 Euro festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Vergütung für ein Sachverständigengutachten streitig, bei dem die funktionelle Belastbarkeit der Klägerin mittels einer sog. ERGOS-Arbeitsplatzsimulation geprüft wurde.

In dem Rechtsstreit M. H .../. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (Az.: S 12 RA 1882/03) beauftragte der Vorsitzende der 12. Kammer des Sozialgerichts Altenburg den Beschwerdegegner mit Beweisanordnung vom 30. November 2004 mit der Erstellung eines Gutachtens aufgrund ambulanter Untersuchung "ggf. mit dem Einsatz des Arbeitssimulationsgeräts ERGOS". Übersandt wurden ihm insgesamt 377 Blatt Akten (294 Blatt Verwaltungsakten, 83 Blatt Gerichtsakte) und 11 Röntgenaufnahmen.

Der Beschwerdegegner fertigte sein Gutachten unter dem 6. Mai 2005 aufgrund einer Untersuchung und Diagnostik mittels des ERGOS-Arbeitssimulationsgeräts am 31. Januar 2005 auf insgesamt 18 Blatt sowie 36 Blatt Anlage (ERGOS Ergebnisse). In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tage machte er insgesamt 1.799,06 Euro geltend (14 Stunden zu einem Stundensatz von 85,00 Euro, besondere Leistungen 592,08 Euro (ERGOS-Arbeitsplatzsimulation 550,00 Euro, Assessment, umfassend 855 42,08 Euro), Portokosten 3,48 Euro, Schreibauslagen 13,50 Euro). Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 23 des Kostenhefts verwiesen. Unter dem 20. Mai 2005 fragte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle an, um welche Kosten es sich bei der Arbeitsplatzsimulation handle und wies mit Verfügung vom 27. Juni 2005 1.249,00 Euro "zunächst" zur Zahlung an.

Am 15. August 2005 hat der Beschwerdeführer die richterliche Festsetzung beantragt und vorgeschlagen, die ERGOS-Arbeitsplatzsimulation mit der Nummer 5735 (Höchstwert für Leistungen nach den Nummern 5700 bis 5730 (= Magnetresonanztherapie verschiedener Körperteile)) der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ) zu vergüten. Der Beschwerdeführer hat unter dem 13. Oktober 2005 eine solche Entschädigung abgelehnt, weil keine gesetzliche Grundlage hierfür vorhanden sei, und beantragt, die Vergütung auf 899,06 Euro festzusetzen.

Auf Anfrage des Sozialgerichts hat der Beschwerdegegner unter dem 7. November 2005 mitgeteilt, das Arbeitsaufkommen für ERGOS einschließlich Vor- und Nachbereitung unter direkter Anleitung für die medizinische Hilfskraft sei mit 6,5 Stunden anzusetzen. Die gesamte Untersuchung (3,5 Stunden) müsse unter ärztlicher Aufsicht laufen. Zusätzlich sei ein Zeitaufwand als Anleitung für die jeweiligen Panele und Auswertung von 3 Stunden erforderlich.

Mit Beschluss vom 11. Januar 2006 hat das Sozialgericht die Vergütung für das Gutachten vom 6. Mai 2005 auf 1.759,06 Euro festgesetzt. Die ERGOS-Arbeitsplatzsimulation und ihre Auswertung seien keine besondere Leistung i.S.v. § 10 JVEG. Ein Vergleich mit einer der im Katalog zu § 10 JVEG genannten ärztlichen Leistungen komme nicht in Betracht. Die ärztliche Präsens am Gerät sei nicht ständig notwendig gewesen; insofern schätze die Kammer den Arbeitsaufwand des Beschwerdegegners auf 1,95 Stunden (33 v.H. der Untersuchungszeit von 6,5 Stunden). Damit sei insgesamt ein Stundenaufwand von 19,95 Stunden, aufgerundet 20 Stunden, erforderlich gewesen. Die Vergütung sei nach der Honorargruppe M 3 mit 85,00 Euro zu bemessen, weil die Begutachtung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden gewesen sei. Bei der Einschätzung des Leistungsvermögens habe ein Schmerzsyndrom verifiziert werden müssen und für die Anwendung des ERGOS-Systems seien Spezialkenntnisse erforderlich gewesen, über die ein durchschnittlicher Sachverständiger nicht verfüge.

Gegen den Beschluss hat der Beschwerdeführer Beschwerde eingelegt und sich im Ergebnis zur Begründung auf seine Ausführungen gegenüber dem Sozialgericht bezogen.

Der Beschwerdeführer beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Nordhausen vom 11. Januar 2006 aufzuheben und die Vergütung für das Gutachten des Beschwerdegegners vom 6. Mai 2005 auf 899,06 Euro festzusetzen.

Der Beschwerdegegner beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Nach Ansicht seiner Prozessbevollmächtigten ist mangels Vollständigkeit der GOÄ deren analoge Anwendung sachgerecht und erforderlich. Zumindest sei der vom Sozialgericht angenommene Zeitaufwand von 20 Stunden anzusetzen. Es sei unbestritten, dass der Beschwerdegegner insgesamt 14 Stunden für vorbereitende Arbeiten, Erhebung der Vorgeschichte, körperliche Untersuchung, schriftliche Beurteilung und Diktat sowie Korrektur der Reinschrift benötigt habe. Einer weiteren Überprüfung der abgerechneten Stundenzahl durch den Senat werde aus Ermessens- und prozessökonomischen Gründen entgegen getreten. Ob die Kostenrechnung ermessensgerecht sei, könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob ein genereller Trend zur Kosteneinsparung bestehe. Ein geringerer Honorarsatz als 85,00 Euro sei unverhältnismäßig, denn andernfalls liege der Beschwerdegegner unter dem Satz von Handwerksmeistern und Lackierern in der Kfz-Branche. Zur Bedienung und Auswertung des ERGOS-Arbeitssimulators sei der weisungsgebundene Sporttherapeut C. eingesetzt gewesen, dessen Vergütung entsprechend BAT-Ost IIa durch die Klinik erfolgt sei. Aus tatsächlichen und Datenschutzgründen könne die genaue Entlohnung nicht angegeben werden. Darauf komme es auch nicht an, weil sowohl der Beschwerdegegner wie der Sporttherapeut Angestellte der Klinik seien.

Das Sozialgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen (Verfügung vom 16. Februar 2006) und die Akten dem Senat vorgelegt. Mit Beschluss vom 20. April 2006 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat übertragen.

II.

Die Beschwerde ist nach § 4 Abs. 3 des Gesetzes über die Vergütung von Sachverständigen, Dolmetscherinnen, Dolmetschern, Übersetzerinnen und Übersetzern sowie die Entschädigung von ehrenamtlichen Richterinnen, ehrenamtlichen Richtern, Zeuginnen, Zeugen und Dritten (Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz – JVEG -) zulässig. Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass die Rechtsmittelbelehrung im Beschluss des Sozialgerichts (vier Wochen) fehlerhaft war; eine Fristenregelung für die Beschwerde existiert tatsächlich nicht.

Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der erstinstanzliche Beschluss war deshalb teilweise abzuändern.

Bei der Beschwerdeentscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie der Beschwerdeführer angegriffen hat (vgl. u.a. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 10. Oktober 2005 – Az.: 1 B 97.1352, nach juris, Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005 – Az.: L 6 SF 83/05 in MedSach 2005, 137 ff., 27. Januar 2005 – Az.: L 6 SF 745/04, 17. Mai 2004 – Az.: L 6 SF 732/03, 1. August 2003 – Az.: L 6 SF 220/03 in MedSach 2004, 102 f.). Für das von dem Beschwerdegegner vorgetragene "Unstreitigstellen" existiert keine gesetzliche Grundlage. Im Übrigen sind die durchgeführten Ermittlungen von Amts wegen erforderlich; es ist nicht möglich, ihnen "aus Ermessensgründen" oder aus "prozessökonomischen Gründen entgegen" zu treten.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn sie mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Die ERGOS-Arbeitssimulation kann nicht als besondere Leistung nach § 10 JVEG vergütet werden. Nach dessen Absatz 1 Alt. 1 bemisst sich das Honorar oder die Entschädigung nach der Anlage 2, soweit ein Sachverständiger Leistungen erbringt, die dort bezeichnet sind. Für Leistungen der in Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses für ärztliche Leistungen (Anlage zur GOÄ) bezeichneten Art erhält der Sachverständige in entsprechender Anwendung dieses Gebührenverzeichnisses ein Honorar nach dem 1,3fachen Gebührensatz (Absatz 2 S. 1). Die Simulation ist weder in der Anlage 2 noch in Abschnitt O der GOÄ enthalten. Entgegen der Ansicht des Beschwerdegegners scheidet auch eine entsprechende oder analoge Anwendung der GOÄ aus. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 JVEG ("soweit") und dem Charakter als eng auszulegende Sondervorschrift (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Juli 1999 – Az.: L 6 SF 17/98; OLG Koblenz, Beschluss vom 12. Februar 1993 – Az.: 15 W 484/92 in FamRZ 1993, 1347; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26. Februar 1991 – Az.: 3 Ws 318/89, nach juris; Hartmann, Kostengesetze, 36. Auflage 2006, § 10 JVEG Rdnr. 3; Meyer/Höver/Bach, Die Vergütung und Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen, Dritten und von ehrenamtlichen Richtern nach dem JVEG, 23. Auflage 2005, § 10 Rdnr. 10.3). Nur zur Vollständigkeit sei darauf hingewiesen, dass eine Vergleichbarkeit mit der Leistung in Nummer 5735 GOÄ (Höchstwert für Leistungen nach den Nummern 5700 bis 5730 (Magnetresonanztomographie diverser Körperteile)), wie vom Beschwerdegegner angenommen, nicht ansatzweise ersichtlich ist. Insofern kann die ERGOS-Arbeitsssimulation hier nur über § 9 JVEG vergütet werden.

Der Senat kann dahingestellt lassen, ob eine gesetzliche Anspruchsgrundlage für das geltend gemachte Assessment existiert (die Nummer 855 GOÄ ist in der Anlage 2 zu § 10 Abs. 2 JVEG und in Abschnitt O der GOÄ nicht enthalten), denn in dem "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen", das dem Beschwerdegegner übersandt wurde, wird auf Blatt 2 ausdrücklich angegeben, "das Gesetz" (d.h. das JVEG) regle "die Entschädigung wie folgt: - Für weitere Leistungen die in der GOÄ bezeichnet sind, wird der 1,0fache Gebührensatz entschädigt". Damit muss der Beschwerdeführer schon aus Gründen des Vertrauensschutzes das zugesagte Honorar leisten (vgl. Senatsbeschluss vom 17. September 2003 – Az.: L 6 B 35/03 SF).

Im Übrigen errechnet sich das Honorar des Sachverständigen nach §§ 9 Abs. 1 S. 1, 8 Abs. 2 JVEG nach der erforderlichen Zeit. Wie bereits bei dem Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZuSEG) kommt es nicht darauf an, wie viele Stunden der Sachverständige tatsächlich aufgewendet hat, sondern welcher Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität erforderlich ist (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2005, a.a.O., m.w.N. und 11. März 2004 – Az.: L 6 980/03; Hartmann in Kostengesetze, a.a.O., § 8 Rdnr. 35). Es ist davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2005, a.a.O., Thüringer OVG, Beschluss vom 3. Juli 2006 – Az.: 4 VO 487/05, nach juris; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005 – Az.: L 2/9 SF 82/04, nach juris; LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 – Az.: L 12 RJ 3686/04 KO-A, nach juris). Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v.H. überschritten (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 4. April 2005, a.a.O.) oder bietet die Kostenrechnung keinen Anhalt für einen realistischen Ansatz (vgl. F. Keller in jurisPR-SozR 3/2006 Anm. 6), ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen.

Die Aufteilung der Sachverständigenleistung erfolgt entsprechend dem Thüringer "Merkblatt über die Entschädigung von medizinischen Sachverständigen" grundsätzlich in fünf Bereichen: a) Aktenstudium und vorbereitende Arbeiten, b) Erhebung der Vorgeschichte, c) notwendige Untersuchungen, d) Abfassung der Beurteilung, e) Diktat sowie Durchsicht des Gutachtens.

Hier hätte der Beschwerdegegner angesichts der ihm übersandten Unterlagen und unter Berücksichtigung der üblichen Erfahrungswerte nach der Senatsrechtsprechung einen Zeitaufwand von ca. 19,1 Stunden ansetzen können. Seinen (einschließlich der ERGOS-Arbeitssimulation) geltend gemachten Aufwand hat er mit Schriftsatz vom 13. April 2006 auf die von der Vorinstanz angenommenen 20 Stunden begrenzt; er übersteigt damit den üblichen Aufwand nicht um mehr als 15 v.H. und ist in dieser Höhe zu vergüten. Keine Bedeutung hat es, dass die einzelnen Ansätze in der Kostenrechnung die möglichen Ansätze teilweise unterschreiten; eine Bindung an die Höhe der einzelnen Berechnungselemente der Kostenrechnung besteht nicht (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 17. Februar 2004 – Az.: L 7 SF 757/03, 14. November 2002 – Az.: L 6 SF 83/02 und 1. März 2001 – Az.: L 6 B 55/00 SF). Die übrigen Erfahrungswerte errechnen sich wie folgt:

Für das Aktenstudium wäre ein Arbeitsaufwand bis zu ca. 5 Stunden akzeptabel gewesen (tatsächlicher Ansatz: 4 Stunden). Nachdem der Antragsgegner insgesamt 377 Blatt mit 130 (nicht wie von der Vorinstanz angenommen 164) Blatt mit medizinischem Inhalt durchzusehen hatte (ca. 34 v.H. der Akten), sind - in Abweichung vom Normalfall (ca. 25 v.H. medizinischer Inhalt: 80 Blatt/Stunde) – die Akten mit allgemeinem und mit medizinischem Inhalt getrennt zu erfassen und unterschiedlich zu bewerten (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 27. Januar 2005, a.a.O., 4. August 2003 – Az.: L 6 SF 275/03 und 1. August 2003, a.a.O.). Im Regelfall benötigt ein medizinischer Sachverständiger für die Durchsicht von 100 Aktenblättern mit allgemeinem Inhalt ca. 1 Stunde. Für die Durchsicht medizinischer Unterlagen ist der doppelte Zeitaufwand anzusetzen, d.h. für 50 Blatt etwa 1 Stunde.

Bedenken gegen die Ansätze für die Erhebung der Vorgeschichte (1 Stunde) und die Untersuchung (2 Stunden) bestehen nicht. An dieser Stelle ist der Zeitaufwand für die ERGOS-Arbeitssimulation zu berücksichtigen. Sie erfolgte nach Angaben des Beschwerdegegners unter seiner dauernden ärztlichen Aufsicht. Insofern kommt die von der Vorinstanz vorgenommene fiktive Stundenkürzung auf 33 v.H. nicht in Betracht. Voll zu berücksichtigen sind neben der Testung (3,5 Stunden) auch die erforderlichen 3 Stunden der Simulationsauswertung (vgl. Senatsbeschluss vom 23. August 1999 – Az.: L 6 B 23/99 SF), denn sie war Voraussetzung für die Abfassung der Beurteilung.

Für deren Abfassung sind von den angesetzten 5 Stunden angesichts der Schreibweise nur 1,6 Stunden zu berücksichtigen. Die Beurteilung umfasst grundsätzlich die Beantwortung der vom Gericht gestellten Beweisfragen und die nähere Begründung, also den Teil des Gutachtens, den das Gericht bei seiner Entscheidung verwerten kann, um ohne medizinischen Sachverstand seine Entscheidung begründen zu können, also die eigentlichen Ergebnisse des Gutachtens einschließlich ihrer argumentativen Begründung. Hierfür ist bei einem durchschnittlichen Gutachter nach der ständigen Senatsrechtsprechung ein Zeitaufwand von in der Regel 3 Seiten pro Stunde angemessen (vgl. u.a. Senatsbeschlüsse vom 4. April 2005, a.a.O., 4. August 2003, a.a.O., und 1. August 2003, a.a.O.). Im vorliegenden Fall sind Beurteilungen auf Blatt 10 bis 18 des Gutachtens vorhanden. Nicht zu berücksichtigen sind auf Blatt 10 bis 14 die allgemeinen und standartisierten Erklärungen über ERGOS und die einzelnen Units, die inhaltlich keine Beurteilungen beinhalten. Damit liegen insgesamt ca. 5 Blatt Beurteilungen vor. Die in der Rechtsprechung teilweise vertretenen weiteren Kürzungen wegen einer Umrechnung auf "Standardseiten mit 2.700 Anschlägen" (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 5. April 2005 – Az.: L 12 SB 795/05 KO-A, nach juris) kommen mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl. F. Keller in juris-PR 3/2006 Anm. 6).

Für Diktat, Durchsicht und Korrektur des Gutachtens hätte ein zeitlicher Aufwand bis zu ca. 3 Stunden berücksichtigt werden können (tatsächlicher Ansatz 2 Stunden), denn erfahrungsgemäß kommt für ca. 5 bis 6 Seiten etwa 1 Stunde Zeitaufwand in Betracht (vgl. u.a. Senatsbeschluss vom 1. August 2003, a.a.O.).

Im vorliegenden Fall ist der Vergütungsberechnung die Honorargruppe M 2 (60,00 Euro) zugrunde zu legen. Nach § 9 Abs. 1 S. 2 JVEG bestimmt sich die Zuordnung der Leistungen zu einer Honorargruppe nach der Anlage 1. Die Honorargruppe M 2 wird dort wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustands-)Begutachtung nach standartisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad. Zwar werden in den weiter aufgeführten Beispielsfallgruppen Gutachten zur Feststellung einer Erwerbsminderung nicht genannt. Diese Zustandsgutachten sind aber im Regelfall in die Honorargruppe M 2 einzuordnen (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2005, a.a.O.; Hessisches LSG, Beschluss vom 11. April 2005, a.a.O. mit Anmerkung F.Keller in jurisPR-SozR 3/2006 Anm. 6; F. Keller "Die Vergütung ärztlicher Sachverständigengutachten im sozialgerichtlichen Verfahren nach dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz" in MedSach 2005, 154, 156). Ein hoher Schwierigkeitsgrad, wie er in der Honorargruppe M 3 vor allem bei der Beurteilung von Kausalzusammenhängen angenommen wird, ist nicht ersichtlich. Bei der Einstufung in die Honorargruppen kommt es - entgegen der Ansicht der Vorinstanz – nicht darauf an, ob der Sachverständige das Leistungsvermögen der Klägerin erstmals korrekt "in beeindruckender Weise" beurteilt hat. Im Rahmen der Kostenerstattung sind Bewertungen der vorliegenden Gutachten nach Qualitätsgesichtspunkten – anders als im Hauptsacheverfahren – nicht angebracht (vgl. F. Keller in MedSach 2005, 154, 156).

Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung, die im Übrigen für alle Gerichtsbarkeiten gleichermaßen gilt, ist der Vortrag, bei diesem Stundensatz würde die Entlohnung des Beschwerdegegners unter der von "Handwerksmeistern" oder "Autolackierern" liegen, bedeutungslos.

Nicht zu erstatten sind Aufwendungen für den Sporttherapeuten C. Zwar werden nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG die für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens oder der Übersetzung aufgewendeten notwendigen Aufwendungen für Hilfskräfte sowie die für eine Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge erstattet. Der Sporttherapeut C. ist eine Hilfskraft, denn er wurde von dem ernannten Sachverständigen zur Durchführung zusätzlicher Arbeiten herangezogen und ist an seine Weisungen gebunden (vgl. Senatsbeschluss vom 4. April 2005, a.a.O.). Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich auch um notwendige Aufwendungen handelt, denn in ihrem Schriftsatz vom 28. September 2006 haben die Prozessbevollmächtigten des Beschwerdegegners "aus Datenschutzgründen und tatsächlichen Gründen" geweigert, Angaben zu seiner genauen Entlohnung zu machen. Die Vergütung des "Hilfspersonals" könne nicht von Belang sein, denn sowohl der Sachverständige wie auch der Sporttherapeut seien Angestellte der Klinik. Daraus kann nur geschlossen werden, dass der Sachverständige der Hilfskraft C. selbst keine Vergütung gezahlt hat. Nur dann hätte er aber ggf. eine Erstattung des genau bezifferten Betrags beanspruchen können (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O., § 12 Rdnr. 12.21).

Zusätzlich zu erstatten sind die verauslagten Portoauslagen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 JVEG) in Höhe von 3,48 Euro und die Schreibauslagen (§ 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 JVEG) in Höhe von 13,50 Euro.

Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt: 20 Stunden zu 60,00 Euro 1.200,00 Euro besondere Leistungen 42,08 Euro Portoauslagen 3,48 Euro Schreibauslagen 13,50 Euro 1.259,06 Euro

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 S. 2 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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