Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 10 R 62/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 178/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.06.2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten streitig.
Die Klägerin war mit K F verheiratet, der am 00.00.1930 in Warschau (Polen) geboren wurde und am 00.05.2005 verstarb. Der Ehemann der Klägerin war jüdischen Glaubens und Verfolgter des Nationalsozialismus.
Am 28.10.2002 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Im förmlichen Rentenantrag vom 15.12.2002 gab er an, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört zu haben. Er habe von Oktober 1940 bis März 1943 als Lehrjunge Zuschneiderarbeiten für Damentaschen im Ghetto Warschau im Umfang von ca. 4 Stunden täglich verrichtet. Hierfür habe er Lebensmittel erhalten. In einer Erklärung vom 16.12.2002 hat der Kläger vorgetragen, dass er in die Ghettoschule gegangen sei und sich aus eigenem Willen eine Arbeit gesucht habe, um das Leben zu verbessern. Der Judenrat habe ihm eine Beschäftigung als Lehrjunge in einer Damentaschenwerkstatt als Zuschneider vermittelt. Er habe täglich ca. 4 Stunden gearbeitet und dafür Lebensmittel bekommen. Er habe diese Arbeit ununterbrochen von Oktober 1940 bis März 1943 gemacht. Im Fragebogen zu Ghetto-Beitragszeiten gab er unter dem 16.03.2003 an, für seine Tätigkeit als Lehrjunge (Zuschneider von Damentaschen) im Ghetto Warschau Lebensmittel erhalten zu haben. Barlohn oder Sachbezüge habe er nicht erhalten; er könne auch keine Zeugen mehr benennen. Diesen Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2004 ab. Der Ehemann der Klägerin verfüge über keine Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung. Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) könnten nicht berücksichtigt werden, denn es sprächen mehr Anhaltspunkte für ein unentgeltliches Zwangsarbeitsverhältnis, als für ein aus freiem Willen aufgenommenes entlohntes Beschäftigungsverhältnis. Er habe im Ghetto Warschau nicht entgeltlich gearbeitet, da ihm lediglich Lebensmittel für den täglichen Bedarf gewährt worden seien. Ersatzzeiten könnten wegen fehlender Versicherteneigenschaft ebenfalls nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen erhob der Ehemann der Klägerin am 05.07.2004 Widerspruch. In einer Erklärung vom 19.08.2004 gab er an, er habe im Ghetto Warschau von Oktober 1940 bis März 1943 als Zuschneiderlehrjunge gearbeitet. Er habe während seiner Lehrzeit effektive Arbeit verrichtet. Die Lage im Ghetto sei schwer gewesen, und obwohl er noch Schüler gewesen sei, habe er Arbeit gesucht, um sich besser ernähren zu können. Mit Hilfe des Judenrates des Ghettos habe er im Oktober 1940 eine Beschäftigung als Zuschneiderlehrjunge in der Damentaschenwerkstatt des Ghettos angefangen und sie bis März 1943 ausgeübt. Für die größeren Mengen von Lebensmitteln, die er für seine Arbeit als Lehrjunge erhalten habe, habe er seinen Lebensunterhalt im Ghetto um vieles erleichtern können. Zu damaliger Zeit seien Lebensmittel wichtiger als Bargeld gewesen. Tatsache sei, dass er seine Arbeit als Zuschneiderlehrjunge aus freiem Willen aufgenommen und ausgeübt habe und dass er dank der dafür erhaltenen größeren und besseren Rationen von Lebensmitteln seine Lage sehentlich habe verbessern können.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 zurück. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis sei weiterhin nicht glaubhaft. Im Übrigen sei von einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss nicht auszugehen, da der Ehemann der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt erst 9 Jahre als gewesen sei.
Dagegen hat der Ehemann der Klägerin am 01.02.2005 zum Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Nachdem er am 10.05.2005 verstorben ist, hat die Klägerin erklärt, dass sie diesen Rechtsstreit fortführen möchte.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr verstorbener Ehemann verfüge über Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung. Er habe im Ghetto Warschau freiwillig und entgeltlich gearbeitet. Er sei dort von Oktober 1940 bis März 1943 gewesen und habe sich freiwillig über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Zuschneider gesucht. Die Organisation der Arbeit, Rekrutierung und Verteilung der Arbeitskräfte und Ausführung der Arbeitsaufträge habe in den Händen des Ältesten der Juden gelegen. Für den Verstorbenen sei der Judenrat der Arbeitgeber gewesen, der in wirtschaftlicher Hinsicht praktisch ein staatlicher Betrieb gewesen sei. Laut eigener Erklärung des Verstorbenen habe er für die Tätigkeit einen Lohn in Form von Sachbezügen (wöchentlich Lebensmittel für zu Hause, Kleidung, bessere Unterkunft und Heizmaterial) erhalten. Es könnten auch Lebensmittelcoupons und Bargeld gewesen sein. Die Sachbezüge hätten dem Verstorbenen zur freien Verfügung gestanden. Das für die geleistete Arbeit erhaltene Entgelt habe die vom Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 07.10.2004, Az.: B 13 RJ 59/03 R, geforderte Geringfügigkeitsgrenze bzw. Mindesthöhe überschritten. Vor dem historischen Hintergrund könne es keinen Zweifel geben, dass es im eigenen Interesse der jüdischen Bevölkerung gelegen habe, einer Beschäftigung nachzugehen, um so den Lebensunterhalt zu sichern und sicher auch, um nicht beschäftigungslos aufgegriffen, deportiert und ermordet zu werden. Der Gutachter Bodek habe in seinem Gutachten zum Ghetto Lodz festgestellt, dass es erwiesen sei, dass alle, die in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, auch entlohnt worden seien. "Freiwilligkeit" und "Entgeltlichkeit" seien historisch belegt. Der Beklagten lägen allgemeine Informationen über die Verhältnisse im Generalgouvernement vor. Danach sei es der Arbeitsverwaltung offenbar gelungen, eine gewisse Normalität zu erreichen, indem Juden in freien Arbeitsverhältnissen und nicht in unentgeltlicher Zwangsarbeit beschäftigt worden seien. Die von der Beklagten unterstellte überwiegende Zwangsarbeit habe im Wesentlichen nur bei SS-Dienststellen oder kurzfristigen Arbeitseinsätzen vorgelegen. In seinem Gutachten über die Region Generalgouvernement habe Prof. Dr. Golczewski zur "Freiwilligkeit" ausgeführt, dass Arbeiten im Ghetto ein Privileg gewesen sei und die Bewohner sich selber hätten bemühen müssen, wenn sie eine der privilegierten Arbeitsstellen hätten erhalten wollen. Es habe meistens mehr Arbeitswillige als Arbeitsstellen gegeben, so dass die Ghettobewohner nicht umhin gekonnt hätten, sich selber um eine Arbeit zu bemühen. Zur "Entlohnung" sei ausgeführt worden, dass der Ertrag der Ghettoproduktion partiell als Lohn ausgeschüttet worden sei, für einen anderen Teil habe der Judenrat Lebensmittel gekauft und so allgemein das Ghetto versorgt. Der Judenrat habe die Funktion des Arbeitgebers, der Steuerbehörde, der Sozialbehörde und der die Versorgung in einer monopolisierten Struktur organisierenden Instanz gehabt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 zu verurteilen, ihres am 10.05.2005 verstorbenen Ehemannes Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten für die Zeit von Oktober 1940 bis März 1943 sowie unter weiterer Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 06.06.2006 ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstobenen Ehemannes gem. § 35 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Verbindung mit §§ 56 ff des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I). § 35 SGB VI erfordere die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI). Auf diese seien nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermonate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten seien nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden seien. Pflichtbeitragszeiten seien auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstobenen Ehemannes nicht. Ihr verstorbener Ehemann verfüge über keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung.
Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) schieden aus, da der verstorbene Ehemann der Klägerin zu Beginn der Verfolgung nicht dem dSK zugehörig gewesen sei, § 17 a FRG. Ferner schieden Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG aus. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach § 1 Abs. 1 ZRBG sei nicht eröffnet. Es sei nicht glaubhaft, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau entgeltlich tätig geworden sei. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 lit. b) ZRBG müsse die Ghettobeschäftigung entgeltlich ausgeübt worden sein. Eine Beschäftigung werde entgeltlich ausgeübt, wenn der Betroffene eine seiner Arbeitsleistung angemessene Gegenleistung erhalten habe und diese deswegen dem Grunde nach Rentenversicherungspflicht auslöse. Die Gegenleistung könne auch in Form von Sachbezügen gewährt worden sein. Dabei begründe aber die Gewährung freien Unterhalts keine Rentenversicherungspflicht, weil sie nach der Sondervorschrift des § 1227 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hiervon ausgenommen sei. Als freier Unterhalt im Sinne dieser Vorschrift sei dasjenige Maß an Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinaus gehe, beispielsweise weitergehende Sachbezüge oder auch geringfügige Geldbeträge. Anderes gelte aber hinsichtlich der Verpflegung des Betroffenen. Diese sei stets Teilbestandteil der freien Unterhaltsgewährung, selbst dann, wenn es sich um eine "gute Verpflegung" gehandelt habe. In diesem Zusammenhang folge auch nichts anderes aus den besonderen Bedingungen, die im Ghetto geherrscht haben. Diese besonderen Bedingungen könnten für die Beurteilung der Versicherungspflicht einer Beschäftigung nicht herangezogen werden, weil sonst für eine Differenzierung der Ghettoarbeiten nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und der nicht versicherten Zwangsarbeit andererseits kaum noch Raum wäre. Denn auch der Zwangsarbeiter habe Verpflegung erhalten und zwar zur Erhaltung seiner Arbeitskraft (BSG, Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R -; LSG NW, Urteile vom 03.06.2005 - L 4 R 1/05 und 3/05 -; Urteil vom 18.07.2005 - L 3 R 01I/04 -). Vor diesem Hintergrund sei es nicht glaubhaft, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau entgeltlich tätig geworden sei. Es sei am wahrscheinlichsten, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin lediglich Lebensmittel zur Eigenversorgung und damit freien Unterhalt im Sinne von § 1227 RVO erhalten habe. Denn der verstorbene Ehemann der Klägerin habe angegeben, lediglich Lebensmittel erhalten zu haben; Bargeld oder Sachbezüge seien ihm nicht gewährt worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Widerspruchsverfahren angegeben habe, eine große Menge an Lebensmitteln erhalten zu haben; hierdurch sei es ihm gelungen, seinen Lebensunterhalt um vieles erleichtern zu können. Auch aus dieser Erklärung ergebe sich nicht, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin über die Eigenversorgung hinaus Lebensmittel erhalten habe. Denn der verstorbene Ehemann habe selbst angegeben, über die ihm gewährten Lebensmittel habe er seinen Lebensunterhalt verbessern können. Jedenfalls reichten diese Angaben nicht aus, um die Angemessenheit der vom verstorbenen Ehemann der Klägerin behaupteten Lebensmittel zu seiner Arbeitsleistung von 4 Stunden Zuschneidearbeiten für Damenhandtaschen zu prüfen. Denn der verstorbene Ehemann der Klägerin habe die ihm gewährte Lebensmittelmenge nicht näher konkretisiert. Schließlich sei der Hinweis der Klägerin auf das den Beteiligten bekannte historische Gutachten von Prof. Golczewski (vom 09.09.2005) über das Generalgouvernement unerheblich. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf dieses Gutachten behaupte, der Ertrag der Ghettoproduktion sei partiell als Lohn ausgeschüttet worden, sei dies im Falle ihres verstorbenen Ehemannes gerade nicht passiert; dieser habe nach seinen Angaben weder Barlohn noch Sachbezüge erhalten. Im Übrigen reiche dieses allgemein gehaltene Gutachten nicht aus, um im konkreten Einzelfall ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis glaubhaft zu machen. Derart weitreichende Aussagen enthalte das Gutachten nicht.
Gegen das Urteil vom 06.06.2006 hat die Klägerin am 05.07.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, nach dem Gutachten von Prof. Dr. Golczewski habe es in der Region Generalgouvernement, ähnlich wie im Ghetto Lodz eine Arbeitsverwaltung des Judenrates gegeben. Die Entlohnung sei gesetzlich vorgeschrieben gewesen und der Verstorbene habe den gleichen Lohn wie alle anderen jüdischen Arbeiter erhalten. Nach den Ergebnissen des Gutachters könne es als historisch gesichert angesehen werden, dass die erforderlichen versicherungsrechtlichen Grundsätze, wie die Aufnahme einer Beschäftigung aus eigenem Entschluss und einer dem Beschäftigten selbst zufließenden Entlohnung erfüllt seien. Die Beschäftigung sei auch gegen Entgelt ausgeübt worden, denn für die im Generalgouvernement beschäftigten Juden habe es einen Lohnanspruch gegeben, der um 20 % unter den für Polen zu leistenden Löhnen gelegen habe. Aus der Verordnung vom 15.12.1941 (VOBlGG vom 05.01.1942) und dem Verweis auf die Durchführung der Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 31.10.1941 (RGBl. I S. 681) ergäben sich entsprechende Bestimmungen. Allein dieser Entgeltanspruch führe dazu, dass er für den Bereich der Rentenversicherung so zu stellen sei, als sei ihm das Monatsgehalt tatsächlich ausgezahlt worden sei. Bereits das Reichsversicherungsamt habe in seiner Entscheidung vom 29.10.1930 (AN 1931 IV, S. 34) entschieden, dass für die Berechnung des Beitrages nicht lediglich auf das gezahlte Monatsentgelt, sondern das Gehalt abzustellen sei, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit ein Rechtsanspruch bestehe, so dass für den Versicherten die vollen Pflichtbeiträge zu entrichten seien, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihre Bezüge voll, teilweise oder überhaupt nicht erhalten hätten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass im Verordnungswege für das Ghetto die angeordneten Lohnzahlungen an den Judenrat gegangen seien, da die Entgeltzahlung an Dritte das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht vernichte. Es habe auch keine Versicherungsfreiheit nach § 1227 RVO a.F. vorgelegen, da laut Kommentar, die Anwendung des § 1227 RVO regelmäßig ausgeschlossen sei, wenn außer freiem Unterhalt ein Barlohn nicht vereinbart sei und auch nicht gewährt werde, wenn aber ein Anspruch auf baren Lohn bestanden und der Beschäftigte nicht nach bürgerlichem Recht einen Verzicht auf den Geldlohn ausgesprochen habe. Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.06.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 10.05.2005 verstorbenen Ehemannes K F ab dem 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten von November 1940 bis März 1943 sowie unter weiterer Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat zur Ermittlung von Entschädigungsverfahren den verstorbenen Ehemann der Klägerin betreffend Anfragen an die Bezirksregierung Düsseldorf - Bundeszentralkartei - und an die Claims Conference gerichtet, die jedoch ergebnislos geblieben sind. Eine an die Klägerin gerichtete Anfrage des Senats, ob noch Zeugen benannt werden können, die zu den vom verstorbenen Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau verrichteten Arbeiten und ggf. der Entlohnung Angaben machen können, und ob weitere schriftliche Äußerungen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu seinem Verfolgungsschicksal (evtl. gegenüber dem israelischen Finanzministerium etc.) existieren und ggf. vorgelegt werden können, ist unbeantwortet geblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Regelaltersrente gem. § 35 SGB VI in Verbindung mit §§ 56 ff SGB I. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung der Regelungen des ZRBG, da der Anwendungsbereich dieses Gesetzes gem. § 1 Abs. 1 ZRBG nicht eröffnet ist.
Der erkennende Senat verweist gem. § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die Ausführungen zur Begründung in dem angefochtenen Urteil, die der Senat nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung für zutreffend hält. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin zur Begründung der Berufung ist eine gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1. lit. b) ZRBG gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung nicht glaubhaft gemacht. Nach den Kriterien des § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bzw. § 4 FRG, die auch im Rahmen des ZRBG Anwendung finden, ist die Glaubhaftmachung gelungen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für als gegen sie spricht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Weitere Beweismittel zur Aufklärung des Sachverhalts sind nicht vorhanden. Entschädigungsvorgänge, die hätten beigezogen werden können, konnten vom Senat bei der Bezirksregierung Düsseldorf - Dezernat 10 (Wiedergutmachung)/Bundeszentralkartei - und der Claims Conference nicht ermittelt werden. Zeugen sind nicht bekannt. Die Klägerin hat solche auch nicht benannt und keine weiteren schriftlichen Erklärungen ihres verstorbenen Ehemannes zu dessen Aufenthalt im Ghetto Warschau mehr beigebracht.
Der Hinweis in der Berufungsbegründung auf die historischen Gutachten, die auch freiwillige und entgeltliche Beschäftigungen in Ghettos im Generalgouvernement nachweisen, lässt für vorliegendes konkretes Verfahren keine Rückschlüsse auf die Art und insbesondere Höhe der Entlohnung zu. Die den Beteiligten bekannten Gutachten zur Region Generalgouvernement, insbesondere den Ghettos in Krakau, Warschau und Lemberg von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005 (erstellt für das Sozialgericht Hamburg, Az.: S 20 RJ 674/04) und vom 13.01.2007 (erstellt für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW - , Az.: L 13 R 80/06) enthalten für das konkrete Verfahren außer allgemeinen Ausführungen zur Arbeit und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen keine verwertbaren Angaben. Nach diesen gab es eine vom Judenrat organisierte Berufsausbildung von Kindern und Jugendlichen in den verschiedensten Berufsbereichen, allerdings auch Arbeitsleistungen unterschiedlicherster Ausgestaltungen. Eine hohe Zahl von Kindern musste auf andere Weise durch Schmuggel, Betteln etc. versuchen zu überleben. Die Gutachten enthalten daher nicht die Aussage, Kinder und Jugendliche seien im Ghetto Warschau regelhaft beschäftigt und in einer bestimmten Art und Höhe entlohnt worden. Es kann diesen Gutachten somit nicht entnommen werden, dass die Angaben des Klägers in seinen eigenen Erklärungen, als Arbeitsverdienst Lebensmittel, aber keinen Barlohn und keine sonstigen Sachbezüge erhalten zu haben, nicht den historischen Tatsachen entsprachen. Zudem gibt es keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu zweifeln.
Auch der Argumentation, bereits ein auf Grund damaliger gesetzlicher oder sonstiger Vorschriften bestehender Anspruch auf ein Entgelt in einer bestimmten Höhe führe zur Entgeltlichkeit einer Beschäftigung, ist nicht zu folgen. Dies gilt bereits deshalb, weil die sog. Anspruchstheorie sich lediglich zu der Beitragsschuld im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses verhält und insoweit nach dem tarifrechtlich geschuldeten und dem tatsächlich gezahlten Entgelt differenziert. Sie setzt das Bestehen eines dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses voraus und kann deshalb nicht zur Begründung eines solchen Versicherungsverhältnisses herangezogen werden (vgl. LSG NRW, Urteil vom 19.01.2007, Az.: L 14 R 11/06). Zudem spricht die Nichteinhaltung tarifrechtlicher Vorschriften durch die NS-Gewaltherrscher gerade gegen eine freiwillige und entgeltliche Beschäftigung im Sinne des Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (LSG NRW, Urteil vom 24.08.2005, Az.: L 8 RJ 49/03). Schließlich ist aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass überhaupt ein Anspruch auf ein Entgelt in einem Umfang bestand, das sich nicht in der Gewährung freien Unterhalts erschöpfte. Gegen einen derartigen Anspruch sprechen bereits die Angaben des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, der seine Tätigkeit als die eines Zuschneiderlehrjungen bezeichnete, die er ca. 4 Stunden täglich verrichtet habe. Sofern man unterstellt, der Verstorbene war Lehrling im Sinne der RVO (s. hierzu Beurskens/Grintsch, Amtl. Mitt. LVA Rheinpr. 1971, 310 ff), bestand nicht ohne weiteres Versicherungspflicht. Vor dem 01.03.1957 waren Lehrlinge gem. § 1226 Abs. 1 Nr. 4 RVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl. I 779) nur versicherungspflichtig, wenn sie gegen Entgelt beschäftigt waren, wobei nach § 1227 RVO a.F. bei Gewährung freien Unterhalts Versicherungsfreiheit bestand (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel, SGB VI, § 252, Rdnr. 12). Wie bereits ausgeführt konnte die Glaubhaftmachung einer entgeltlichen Beschäftigung gerade nicht gelingen. Glaubhaft ist allenfalls die Gewährung freien Unterhalts. Zu einem etwaigen Anspruch auf eine höhere Entlohnung fehlen bereits Angaben des Verstorbenen, so dass das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ebenfalls nicht glaubhaft ist. Wenn der Verstorbene nicht als Lehrling i. S. d. RVO anzusehen ist, fehlen jegliche Angaben zu den konkreten Arbeitsbedingungen, den konkreten Umständen der Arbeitsaufnahme, dem Betrieb etc., um daraus Rückschlüsse für einen etwaigen Entgeltanspruch herleiten zu können. Nach den historischen Erkenntnissen zur Berufsausbildung und Beschäftigung von Kindern bzw. Jugendlichen im Ghetto Warschau (s. die vorgenannten Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005 und 13.01.2007) war die Berufsausbildung durch den Judenrat im Rahmen der Sozialfürsorge organisiert. Ziel war es, die Heranwachsenden in Spezialberufen auszubilden und sie so einerseits in die Produktion einzugliedern, andererseits als Fachkräfte vor einer drohenden Ermordung zu bewahren (s. Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005, S. 17). Auszubildende in den ORT-Ausbildungsstätten (ORT = Abkürzung der russischen Bezeichnung der Gesellschaft für die Verbreitung handwerklicher und landwirtschaftlicher Arbeit unter den Juden Russlands) erhielten keine Bezüge, sondern wurden in der Regel in den Werkstätten verpflegt (s. Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 13.01.2007, S. 3). Die Gutachten enthalten daher nicht die Aussage, Kinder und Jugendliche seien im Ghetto Warschau regelhaft in Produktionsbetrieben ausgebildet worden und hätten Entgeltansprüche in einer bestimmten Art und Höhe erworben.
Eine entgeltliche Beschäftigung ist damit insgesamt nicht glaubhaft gemacht.
Die Frage, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a) ZRBG und damit freiwillig verrichtet hat, bedarf zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin keiner Beantwortung mehr, da bereits eine entgeltliche Beschäftigung nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Das Alter von nicht ganz 10 Jahren zum Zeitpunkt der angegebenen Aufnahme der Tätigkeit als Zuschneiderlehrjunge im Oktober 1940 spricht jedenfalls nicht zwingend gegen eine Aufnahme einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Es ist historisch belegt (s. auch das vorgenannte Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005, S. 16), dass unzutreffende Geburtstage angegeben wurden, um das formale Beschäftigungsverbot von Kindern zu umgehen.
Da der verstorbene Ehemann der Klägerin über keine Beitragszeiten verfügte, können wegen Fehlens der Versicherteneigenschaft keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt werden (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel, SGB VI, § 250, Rdnr. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe gem. § 160 Abs. 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten streitig.
Die Klägerin war mit K F verheiratet, der am 00.00.1930 in Warschau (Polen) geboren wurde und am 00.05.2005 verstarb. Der Ehemann der Klägerin war jüdischen Glaubens und Verfolgter des Nationalsozialismus.
Am 28.10.2002 beantragte er bei der Beklagten die Gewährung einer Altersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten. Im förmlichen Rentenantrag vom 15.12.2002 gab er an, nicht dem deutschen Sprach- und Kulturkreis (dSK) angehört zu haben. Er habe von Oktober 1940 bis März 1943 als Lehrjunge Zuschneiderarbeiten für Damentaschen im Ghetto Warschau im Umfang von ca. 4 Stunden täglich verrichtet. Hierfür habe er Lebensmittel erhalten. In einer Erklärung vom 16.12.2002 hat der Kläger vorgetragen, dass er in die Ghettoschule gegangen sei und sich aus eigenem Willen eine Arbeit gesucht habe, um das Leben zu verbessern. Der Judenrat habe ihm eine Beschäftigung als Lehrjunge in einer Damentaschenwerkstatt als Zuschneider vermittelt. Er habe täglich ca. 4 Stunden gearbeitet und dafür Lebensmittel bekommen. Er habe diese Arbeit ununterbrochen von Oktober 1940 bis März 1943 gemacht. Im Fragebogen zu Ghetto-Beitragszeiten gab er unter dem 16.03.2003 an, für seine Tätigkeit als Lehrjunge (Zuschneider von Damentaschen) im Ghetto Warschau Lebensmittel erhalten zu haben. Barlohn oder Sachbezüge habe er nicht erhalten; er könne auch keine Zeugen mehr benennen. Diesen Rentenantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 29.06.2004 ab. Der Ehemann der Klägerin verfüge über keine Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung. Zeiten nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG) könnten nicht berücksichtigt werden, denn es sprächen mehr Anhaltspunkte für ein unentgeltliches Zwangsarbeitsverhältnis, als für ein aus freiem Willen aufgenommenes entlohntes Beschäftigungsverhältnis. Er habe im Ghetto Warschau nicht entgeltlich gearbeitet, da ihm lediglich Lebensmittel für den täglichen Bedarf gewährt worden seien. Ersatzzeiten könnten wegen fehlender Versicherteneigenschaft ebenfalls nicht berücksichtigt werden.
Hiergegen erhob der Ehemann der Klägerin am 05.07.2004 Widerspruch. In einer Erklärung vom 19.08.2004 gab er an, er habe im Ghetto Warschau von Oktober 1940 bis März 1943 als Zuschneiderlehrjunge gearbeitet. Er habe während seiner Lehrzeit effektive Arbeit verrichtet. Die Lage im Ghetto sei schwer gewesen, und obwohl er noch Schüler gewesen sei, habe er Arbeit gesucht, um sich besser ernähren zu können. Mit Hilfe des Judenrates des Ghettos habe er im Oktober 1940 eine Beschäftigung als Zuschneiderlehrjunge in der Damentaschenwerkstatt des Ghettos angefangen und sie bis März 1943 ausgeübt. Für die größeren Mengen von Lebensmitteln, die er für seine Arbeit als Lehrjunge erhalten habe, habe er seinen Lebensunterhalt im Ghetto um vieles erleichtern können. Zu damaliger Zeit seien Lebensmittel wichtiger als Bargeld gewesen. Tatsache sei, dass er seine Arbeit als Zuschneiderlehrjunge aus freiem Willen aufgenommen und ausgeübt habe und dass er dank der dafür erhaltenen größeren und besseren Rationen von Lebensmitteln seine Lage sehentlich habe verbessern können.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.01.2005 zurück. Ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis sei weiterhin nicht glaubhaft. Im Übrigen sei von einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss nicht auszugehen, da der Ehemann der Klägerin zum damaligen Zeitpunkt erst 9 Jahre als gewesen sei.
Dagegen hat der Ehemann der Klägerin am 01.02.2005 zum Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben. Nachdem er am 10.05.2005 verstorben ist, hat die Klägerin erklärt, dass sie diesen Rechtsstreit fortführen möchte.
Die Klägerin hat vorgetragen, ihr verstorbener Ehemann verfüge über Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung. Er habe im Ghetto Warschau freiwillig und entgeltlich gearbeitet. Er sei dort von Oktober 1940 bis März 1943 gewesen und habe sich freiwillig über die Arbeitsverwaltung des Judenrates Tätigkeiten als Zuschneider gesucht. Die Organisation der Arbeit, Rekrutierung und Verteilung der Arbeitskräfte und Ausführung der Arbeitsaufträge habe in den Händen des Ältesten der Juden gelegen. Für den Verstorbenen sei der Judenrat der Arbeitgeber gewesen, der in wirtschaftlicher Hinsicht praktisch ein staatlicher Betrieb gewesen sei. Laut eigener Erklärung des Verstorbenen habe er für die Tätigkeit einen Lohn in Form von Sachbezügen (wöchentlich Lebensmittel für zu Hause, Kleidung, bessere Unterkunft und Heizmaterial) erhalten. Es könnten auch Lebensmittelcoupons und Bargeld gewesen sein. Die Sachbezüge hätten dem Verstorbenen zur freien Verfügung gestanden. Das für die geleistete Arbeit erhaltene Entgelt habe die vom Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 07.10.2004, Az.: B 13 RJ 59/03 R, geforderte Geringfügigkeitsgrenze bzw. Mindesthöhe überschritten. Vor dem historischen Hintergrund könne es keinen Zweifel geben, dass es im eigenen Interesse der jüdischen Bevölkerung gelegen habe, einer Beschäftigung nachzugehen, um so den Lebensunterhalt zu sichern und sicher auch, um nicht beschäftigungslos aufgegriffen, deportiert und ermordet zu werden. Der Gutachter Bodek habe in seinem Gutachten zum Ghetto Lodz festgestellt, dass es erwiesen sei, dass alle, die in einem Beschäftigungsverhältnis gestanden hätten, auch entlohnt worden seien. "Freiwilligkeit" und "Entgeltlichkeit" seien historisch belegt. Der Beklagten lägen allgemeine Informationen über die Verhältnisse im Generalgouvernement vor. Danach sei es der Arbeitsverwaltung offenbar gelungen, eine gewisse Normalität zu erreichen, indem Juden in freien Arbeitsverhältnissen und nicht in unentgeltlicher Zwangsarbeit beschäftigt worden seien. Die von der Beklagten unterstellte überwiegende Zwangsarbeit habe im Wesentlichen nur bei SS-Dienststellen oder kurzfristigen Arbeitseinsätzen vorgelegen. In seinem Gutachten über die Region Generalgouvernement habe Prof. Dr. Golczewski zur "Freiwilligkeit" ausgeführt, dass Arbeiten im Ghetto ein Privileg gewesen sei und die Bewohner sich selber hätten bemühen müssen, wenn sie eine der privilegierten Arbeitsstellen hätten erhalten wollen. Es habe meistens mehr Arbeitswillige als Arbeitsstellen gegeben, so dass die Ghettobewohner nicht umhin gekonnt hätten, sich selber um eine Arbeit zu bemühen. Zur "Entlohnung" sei ausgeführt worden, dass der Ertrag der Ghettoproduktion partiell als Lohn ausgeschüttet worden sei, für einen anderen Teil habe der Judenrat Lebensmittel gekauft und so allgemein das Ghetto versorgt. Der Judenrat habe die Funktion des Arbeitgebers, der Steuerbehörde, der Sozialbehörde und der die Versorgung in einer monopolisierten Struktur organisierenden Instanz gehabt.
Die Klägerin hat schriftsätzlich sinngemäß beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 zu verurteilen, ihres am 10.05.2005 verstorbenen Ehemannes Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghettobeitragszeiten für die Zeit von Oktober 1940 bis März 1943 sowie unter weiterer Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte hat schriftsätzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Mit Urteil vom 06.06.2006 ohne mündliche Verhandlung hat das Sozialgericht Düsseldorf die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Regelaltersrente als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstobenen Ehemannes gem. § 35 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VI) in Verbindung mit §§ 56 ff des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB I). § 35 SGB VI erfordere die Erfüllung der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 Abs. 1 SGB VI). Auf diese seien nach § 51 Abs. 1 und 4 SGB VI Kalendermonate mit Beitragszeiten und Kalendermonate mit Ersatzzeiten anzurechnen. Beitragszeiten seien nach § 55 Abs. 1 SGB VI Zeiten, für die nach Bundesrecht Pflichtbeiträge (Pflichtbeitragszeiten) oder freiwillige Beiträge gezahlt worden seien. Pflichtbeitragszeiten seien auch Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach besonderen Vorschriften als gezahlt gelten. Diese Voraussetzungen erfülle die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstobenen Ehemannes nicht. Ihr verstorbener Ehemann verfüge über keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zur Deutschen Rentenversicherung.
Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten nach §§ 15, 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) schieden aus, da der verstorbene Ehemann der Klägerin zu Beginn der Verfolgung nicht dem dSK zugehörig gewesen sei, § 17 a FRG. Ferner schieden Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG aus. Der Anwendungsbereich dieses Gesetzes nach § 1 Abs. 1 ZRBG sei nicht eröffnet. Es sei nicht glaubhaft, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau entgeltlich tätig geworden sei. Nach § 1 Abs. 1 S. 1 lit. b) ZRBG müsse die Ghettobeschäftigung entgeltlich ausgeübt worden sein. Eine Beschäftigung werde entgeltlich ausgeübt, wenn der Betroffene eine seiner Arbeitsleistung angemessene Gegenleistung erhalten habe und diese deswegen dem Grunde nach Rentenversicherungspflicht auslöse. Die Gegenleistung könne auch in Form von Sachbezügen gewährt worden sein. Dabei begründe aber die Gewährung freien Unterhalts keine Rentenversicherungspflicht, weil sie nach der Sondervorschrift des § 1227 der Reichsversicherungsordnung (RVO) hiervon ausgenommen sei. Als freier Unterhalt im Sinne dieser Vorschrift sei dasjenige Maß an Wirtschaftsgütern anzusehen, das zur unmittelbaren Befriedigung der notwendigen Bedürfnisse des Arbeitnehmers erforderlich sei, nicht aber das, was darüber hinaus gehe, beispielsweise weitergehende Sachbezüge oder auch geringfügige Geldbeträge. Anderes gelte aber hinsichtlich der Verpflegung des Betroffenen. Diese sei stets Teilbestandteil der freien Unterhaltsgewährung, selbst dann, wenn es sich um eine "gute Verpflegung" gehandelt habe. In diesem Zusammenhang folge auch nichts anderes aus den besonderen Bedingungen, die im Ghetto geherrscht haben. Diese besonderen Bedingungen könnten für die Beurteilung der Versicherungspflicht einer Beschäftigung nicht herangezogen werden, weil sonst für eine Differenzierung der Ghettoarbeiten nach dem Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung einerseits und der nicht versicherten Zwangsarbeit andererseits kaum noch Raum wäre. Denn auch der Zwangsarbeiter habe Verpflegung erhalten und zwar zur Erhaltung seiner Arbeitskraft (BSG, Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R -; LSG NW, Urteile vom 03.06.2005 - L 4 R 1/05 und 3/05 -; Urteil vom 18.07.2005 - L 3 R 01I/04 -). Vor diesem Hintergrund sei es nicht glaubhaft, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau entgeltlich tätig geworden sei. Es sei am wahrscheinlichsten, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin lediglich Lebensmittel zur Eigenversorgung und damit freien Unterhalt im Sinne von § 1227 RVO erhalten habe. Denn der verstorbene Ehemann der Klägerin habe angegeben, lediglich Lebensmittel erhalten zu haben; Bargeld oder Sachbezüge seien ihm nicht gewährt worden. Etwas anderes ergebe sich auch nicht daraus, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin im Widerspruchsverfahren angegeben habe, eine große Menge an Lebensmitteln erhalten zu haben; hierdurch sei es ihm gelungen, seinen Lebensunterhalt um vieles erleichtern zu können. Auch aus dieser Erklärung ergebe sich nicht, dass der verstorbene Ehemann der Klägerin über die Eigenversorgung hinaus Lebensmittel erhalten habe. Denn der verstorbene Ehemann habe selbst angegeben, über die ihm gewährten Lebensmittel habe er seinen Lebensunterhalt verbessern können. Jedenfalls reichten diese Angaben nicht aus, um die Angemessenheit der vom verstorbenen Ehemann der Klägerin behaupteten Lebensmittel zu seiner Arbeitsleistung von 4 Stunden Zuschneidearbeiten für Damenhandtaschen zu prüfen. Denn der verstorbene Ehemann der Klägerin habe die ihm gewährte Lebensmittelmenge nicht näher konkretisiert. Schließlich sei der Hinweis der Klägerin auf das den Beteiligten bekannte historische Gutachten von Prof. Golczewski (vom 09.09.2005) über das Generalgouvernement unerheblich. Soweit die Klägerin unter Hinweis auf dieses Gutachten behaupte, der Ertrag der Ghettoproduktion sei partiell als Lohn ausgeschüttet worden, sei dies im Falle ihres verstorbenen Ehemannes gerade nicht passiert; dieser habe nach seinen Angaben weder Barlohn noch Sachbezüge erhalten. Im Übrigen reiche dieses allgemein gehaltene Gutachten nicht aus, um im konkreten Einzelfall ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis glaubhaft zu machen. Derart weitreichende Aussagen enthalte das Gutachten nicht.
Gegen das Urteil vom 06.06.2006 hat die Klägerin am 05.07.2006 Berufung eingelegt. Sie trägt zur Begründung vor, nach dem Gutachten von Prof. Dr. Golczewski habe es in der Region Generalgouvernement, ähnlich wie im Ghetto Lodz eine Arbeitsverwaltung des Judenrates gegeben. Die Entlohnung sei gesetzlich vorgeschrieben gewesen und der Verstorbene habe den gleichen Lohn wie alle anderen jüdischen Arbeiter erhalten. Nach den Ergebnissen des Gutachters könne es als historisch gesichert angesehen werden, dass die erforderlichen versicherungsrechtlichen Grundsätze, wie die Aufnahme einer Beschäftigung aus eigenem Entschluss und einer dem Beschäftigten selbst zufließenden Entlohnung erfüllt seien. Die Beschäftigung sei auch gegen Entgelt ausgeübt worden, denn für die im Generalgouvernement beschäftigten Juden habe es einen Lohnanspruch gegeben, der um 20 % unter den für Polen zu leistenden Löhnen gelegen habe. Aus der Verordnung vom 15.12.1941 (VOBlGG vom 05.01.1942) und dem Verweis auf die Durchführung der Verordnung über die Beschäftigung von Juden vom 31.10.1941 (RGBl. I S. 681) ergäben sich entsprechende Bestimmungen. Allein dieser Entgeltanspruch führe dazu, dass er für den Bereich der Rentenversicherung so zu stellen sei, als sei ihm das Monatsgehalt tatsächlich ausgezahlt worden sei. Bereits das Reichsversicherungsamt habe in seiner Entscheidung vom 29.10.1930 (AN 1931 IV, S. 34) entschieden, dass für die Berechnung des Beitrages nicht lediglich auf das gezahlte Monatsentgelt, sondern das Gehalt abzustellen sei, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit ein Rechtsanspruch bestehe, so dass für den Versicherten die vollen Pflichtbeiträge zu entrichten seien, ohne Rücksicht darauf, ob sie ihre Bezüge voll, teilweise oder überhaupt nicht erhalten hätten. Dem stehe auch nicht entgegen, dass im Verordnungswege für das Ghetto die angeordneten Lohnzahlungen an den Judenrat gegangen seien, da die Entgeltzahlung an Dritte das Bestehen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht vernichte. Es habe auch keine Versicherungsfreiheit nach § 1227 RVO a.F. vorgelegen, da laut Kommentar, die Anwendung des § 1227 RVO regelmäßig ausgeschlossen sei, wenn außer freiem Unterhalt ein Barlohn nicht vereinbart sei und auch nicht gewährt werde, wenn aber ein Anspruch auf baren Lohn bestanden und der Beschäftigte nicht nach bürgerlichem Recht einen Verzicht auf den Geldlohn ausgesprochen habe. Im Übrigen wiederholt die Klägerin ihr erstinstanzliches Vorbringen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 06.06.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 29.06.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.01.2005 zu verurteilen, ihr als Sonderrechtsnachfolgerin ihres am 10.05.2005 verstorbenen Ehemannes K F ab dem 01.07.1997 Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Ghetto-Beitragszeiten von November 1940 bis März 1943 sowie unter weiterer Berücksichtigung von Ersatzzeiten nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.
Der Senat hat zur Ermittlung von Entschädigungsverfahren den verstorbenen Ehemann der Klägerin betreffend Anfragen an die Bezirksregierung Düsseldorf - Bundeszentralkartei - und an die Claims Conference gerichtet, die jedoch ergebnislos geblieben sind. Eine an die Klägerin gerichtete Anfrage des Senats, ob noch Zeugen benannt werden können, die zu den vom verstorbenen Ehemann der Klägerin im Ghetto Warschau verrichteten Arbeiten und ggf. der Entlohnung Angaben machen können, und ob weitere schriftliche Äußerungen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin zu seinem Verfolgungsschicksal (evtl. gegenüber dem israelischen Finanzministerium etc.) existieren und ggf. vorgelegt werden können, ist unbeantwortet geblieben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage abgewiesen. Denn die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Regelaltersrente gem. § 35 SGB VI in Verbindung mit §§ 56 ff SGB I. Ein Anspruch ergibt sich insbesondere nicht unter Berücksichtigung der Regelungen des ZRBG, da der Anwendungsbereich dieses Gesetzes gem. § 1 Abs. 1 ZRBG nicht eröffnet ist.
Der erkennende Senat verweist gem. § 153 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zur weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe auf die Ausführungen zur Begründung in dem angefochtenen Urteil, die der Senat nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung für zutreffend hält. Ergänzend weist der Senat auf Folgendes hin:
Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der Klägerin zur Begründung der Berufung ist eine gem. § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1. lit. b) ZRBG gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigung nicht glaubhaft gemacht. Nach den Kriterien des § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) bzw. § 4 FRG, die auch im Rahmen des ZRBG Anwendung finden, ist die Glaubhaftmachung gelungen, wenn die anspruchsbegründenden Tatsachen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. mehr für als gegen sie spricht. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Weitere Beweismittel zur Aufklärung des Sachverhalts sind nicht vorhanden. Entschädigungsvorgänge, die hätten beigezogen werden können, konnten vom Senat bei der Bezirksregierung Düsseldorf - Dezernat 10 (Wiedergutmachung)/Bundeszentralkartei - und der Claims Conference nicht ermittelt werden. Zeugen sind nicht bekannt. Die Klägerin hat solche auch nicht benannt und keine weiteren schriftlichen Erklärungen ihres verstorbenen Ehemannes zu dessen Aufenthalt im Ghetto Warschau mehr beigebracht.
Der Hinweis in der Berufungsbegründung auf die historischen Gutachten, die auch freiwillige und entgeltliche Beschäftigungen in Ghettos im Generalgouvernement nachweisen, lässt für vorliegendes konkretes Verfahren keine Rückschlüsse auf die Art und insbesondere Höhe der Entlohnung zu. Die den Beteiligten bekannten Gutachten zur Region Generalgouvernement, insbesondere den Ghettos in Krakau, Warschau und Lemberg von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005 (erstellt für das Sozialgericht Hamburg, Az.: S 20 RJ 674/04) und vom 13.01.2007 (erstellt für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen - LSG NRW - , Az.: L 13 R 80/06) enthalten für das konkrete Verfahren außer allgemeinen Ausführungen zur Arbeit und Ausbildung von Kindern und Jugendlichen keine verwertbaren Angaben. Nach diesen gab es eine vom Judenrat organisierte Berufsausbildung von Kindern und Jugendlichen in den verschiedensten Berufsbereichen, allerdings auch Arbeitsleistungen unterschiedlicherster Ausgestaltungen. Eine hohe Zahl von Kindern musste auf andere Weise durch Schmuggel, Betteln etc. versuchen zu überleben. Die Gutachten enthalten daher nicht die Aussage, Kinder und Jugendliche seien im Ghetto Warschau regelhaft beschäftigt und in einer bestimmten Art und Höhe entlohnt worden. Es kann diesen Gutachten somit nicht entnommen werden, dass die Angaben des Klägers in seinen eigenen Erklärungen, als Arbeitsverdienst Lebensmittel, aber keinen Barlohn und keine sonstigen Sachbezüge erhalten zu haben, nicht den historischen Tatsachen entsprachen. Zudem gibt es keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der Angaben des Klägers zu zweifeln.
Auch der Argumentation, bereits ein auf Grund damaliger gesetzlicher oder sonstiger Vorschriften bestehender Anspruch auf ein Entgelt in einer bestimmten Höhe führe zur Entgeltlichkeit einer Beschäftigung, ist nicht zu folgen. Dies gilt bereits deshalb, weil die sog. Anspruchstheorie sich lediglich zu der Beitragsschuld im Rahmen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses verhält und insoweit nach dem tarifrechtlich geschuldeten und dem tatsächlich gezahlten Entgelt differenziert. Sie setzt das Bestehen eines dem Grunde nach versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses voraus und kann deshalb nicht zur Begründung eines solchen Versicherungsverhältnisses herangezogen werden (vgl. LSG NRW, Urteil vom 19.01.2007, Az.: L 14 R 11/06). Zudem spricht die Nichteinhaltung tarifrechtlicher Vorschriften durch die NS-Gewaltherrscher gerade gegen eine freiwillige und entgeltliche Beschäftigung im Sinne des Typus einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung (LSG NRW, Urteil vom 24.08.2005, Az.: L 8 RJ 49/03). Schließlich ist aber auch nicht glaubhaft gemacht, dass überhaupt ein Anspruch auf ein Entgelt in einem Umfang bestand, das sich nicht in der Gewährung freien Unterhalts erschöpfte. Gegen einen derartigen Anspruch sprechen bereits die Angaben des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, der seine Tätigkeit als die eines Zuschneiderlehrjungen bezeichnete, die er ca. 4 Stunden täglich verrichtet habe. Sofern man unterstellt, der Verstorbene war Lehrling im Sinne der RVO (s. hierzu Beurskens/Grintsch, Amtl. Mitt. LVA Rheinpr. 1971, 310 ff), bestand nicht ohne weiteres Versicherungspflicht. Vor dem 01.03.1957 waren Lehrlinge gem. § 1226 Abs. 1 Nr. 4 RVO in der Fassung der Bekanntmachung vom 15.12.1924 (RGBl. I 779) nur versicherungspflichtig, wenn sie gegen Entgelt beschäftigt waren, wobei nach § 1227 RVO a.F. bei Gewährung freien Unterhalts Versicherungsfreiheit bestand (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel, SGB VI, § 252, Rdnr. 12). Wie bereits ausgeführt konnte die Glaubhaftmachung einer entgeltlichen Beschäftigung gerade nicht gelingen. Glaubhaft ist allenfalls die Gewährung freien Unterhalts. Zu einem etwaigen Anspruch auf eine höhere Entlohnung fehlen bereits Angaben des Verstorbenen, so dass das Bestehen eines entsprechenden Anspruchs ebenfalls nicht glaubhaft ist. Wenn der Verstorbene nicht als Lehrling i. S. d. RVO anzusehen ist, fehlen jegliche Angaben zu den konkreten Arbeitsbedingungen, den konkreten Umständen der Arbeitsaufnahme, dem Betrieb etc., um daraus Rückschlüsse für einen etwaigen Entgeltanspruch herleiten zu können. Nach den historischen Erkenntnissen zur Berufsausbildung und Beschäftigung von Kindern bzw. Jugendlichen im Ghetto Warschau (s. die vorgenannten Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005 und 13.01.2007) war die Berufsausbildung durch den Judenrat im Rahmen der Sozialfürsorge organisiert. Ziel war es, die Heranwachsenden in Spezialberufen auszubilden und sie so einerseits in die Produktion einzugliedern, andererseits als Fachkräfte vor einer drohenden Ermordung zu bewahren (s. Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005, S. 17). Auszubildende in den ORT-Ausbildungsstätten (ORT = Abkürzung der russischen Bezeichnung der Gesellschaft für die Verbreitung handwerklicher und landwirtschaftlicher Arbeit unter den Juden Russlands) erhielten keine Bezüge, sondern wurden in der Regel in den Werkstätten verpflegt (s. Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 13.01.2007, S. 3). Die Gutachten enthalten daher nicht die Aussage, Kinder und Jugendliche seien im Ghetto Warschau regelhaft in Produktionsbetrieben ausgebildet worden und hätten Entgeltansprüche in einer bestimmten Art und Höhe erworben.
Eine entgeltliche Beschäftigung ist damit insgesamt nicht glaubhaft gemacht.
Die Frage, ob der verstorbene Ehemann der Klägerin eine Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss gem. § 1 Abs. 1 Satz 1 lit. a) ZRBG und damit freiwillig verrichtet hat, bedarf zur Entscheidung über die Berufung der Klägerin keiner Beantwortung mehr, da bereits eine entgeltliche Beschäftigung nicht glaubhaft gemacht werden konnte. Das Alter von nicht ganz 10 Jahren zum Zeitpunkt der angegebenen Aufnahme der Tätigkeit als Zuschneiderlehrjunge im Oktober 1940 spricht jedenfalls nicht zwingend gegen eine Aufnahme einer Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss. Es ist historisch belegt (s. auch das vorgenannte Gutachten von Prof. Dr. Golczewski vom 09.09.2005, S. 16), dass unzutreffende Geburtstage angegeben wurden, um das formale Beschäftigungsverbot von Kindern zu umgehen.
Da der verstorbene Ehemann der Klägerin über keine Beitragszeiten verfügte, können wegen Fehlens der Versicherteneigenschaft keine Ersatzzeiten zur Erfüllung der Wartezeit berücksichtigt werden (vgl. Kasseler Kommentar-Niesel, SGB VI, § 250, Rdnr. 4).
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Das Gericht hat die Revision nicht zugelassen, da Zulassungsgründe gem. § 160 Abs. 2 SGG nicht vorgelegen haben.
Rechtskraft
Aus
Login
NRW
Saved