L 10 B 545/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
10
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 118 AS 2440/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 10 B 545/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 2. März 2007 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller (Ast) begehrt mit seiner Beschwerde die Abänderung des Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Berlin vom 2. März 2007 lediglich im Hinblick auf die Kostenentscheidung.

Die Antragsgegnerin (Ag) bewilligte dem Ast mit Bescheiden vom 20. Juli 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von 276,00 EUR für die Zeit vom 8. August bis 31. August 2005 sowie in Höhe von 345,00 EUR monatlich für die Zeit vom 1. September 2005 bis 28. Februar 2006 und vom 1. März 2006 bis 31. August 2006.

Der Ast hat am 31. Januar 2007 beim SG Berlin beantragt, die Ag im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen Betrag in Höhe von 3.766,00 EUR auszuzahlen. Da die Ag an ihn nur 650,00 EUR ausgezahlt habe, stehe ein Betrag von 3.766,00 EUR aus, den er zur Lebensführung benötige. Der Ast hat am 2. Februar 2007 eine Zahlung von 3.716,00 EUR erhalten. Daraufhin hat er unter Aufrechterhaltung seines Antrages im Übrigen das einstweilige Rechtsschutzverfahren hinsichtlich eines Betrages von 3.716,00 EUR für erledigt erklärt.

Mit Beschluss vom 2. März 2007, zugestellt am 8. März 2007, hat das SG Berlin den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Ein eiliges Regelungsbedürfnis sei hinsichtlich eines Betrages von 50,00 EUR nicht ersichtlich. Mit Rücksicht auf das an den Ast gerichtete Schreiben der Ag vom 24. Januar 2007, durch das dem Ast die Anweisung eines Betrages von 3.716,00 EUR auf sein aktuelles Konto mitgeteilt worden sei, erscheine eine Kostenbelastung der Ag auch unter Veranlassungsgesichtspunkten nicht gerechtfertigt.

Gegen die in dem Beschluss vom 2. März 2007 getroffene Kostenentscheidung richtet sich die am 10. April 2007 vom Ast erhobene Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen (§ 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 572 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO)), weil sie nicht statthaft ist.

Nach § 144 Abs. 4 Sozial¬gerichts¬gesetz (SGG) ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt. Diese Vorschrift ist auch (entsprechend) anwendbar, wenn im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG) allein die Kostenent¬scheidung angegriffen wird, auch wenn in diesem Verfahren nicht durch Urteil, sondern durch Beschluss entschieden wird (vgl. Beschluss des Senats vom 27. Oktober 2006, L 10 B 955/06 AS ER). Dass der Ast allein eine Änderung der Kostenent¬scheidung be¬gehrt, ergibt die Beschwerdeschrift von 10. April 2007 (vgl. § 123 SGG).

Nach § 142 Abs. 1 SGG gelten für Beschlüsse, die im sozialgerichtlichen Verfahren ergehen, die dort genannten Bestimmungen des Urteilsverfahren, zu denen § 144 Abs. 4 SGG nicht ge¬hört, ent¬sprechend. Diese Aufzählung ist nicht abschließend, vielmehr sind auch weitere für Urteile geltende Vorschriften entsprechend anwendbar (allgemeine Auffassung Pawlak in Hennig, SGG, § 142 RdNr 19; Peters/Sautter/Wolf, SGG, § 142 RdNr 3; Meyer-Lade¬wig/Keller/Leitherer, SGG, § 142 RdNr 2f; Hk-SGG/Bolay, § 142 RdNr 5f). Je nach Art des Beschlusses (prozessleitend, einem Urteil nahe kommend) kommen unterschiedliche Vor¬schriften in Betracht (Meyer-Ladewig, aaO, RdNr 3), in diesem Sinne gibt die entsprechende Anwendung Raum, den Bedürfnissen des konkreten Falles Rechnung zu tragen (Pawlak, aaO). Davon ausgehend ist § 144 Abs. 4 SGG im Ver¬fahren nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG ent¬sprechend anwendbar, denn es handelt sich um ein dem Urteilsverfahren ähnliches Erkenntnis¬verfahren, in dem "zu einer Hauptsache" (die in der Regelung des vorläufigen Zustandes be¬steht) endgültig durch eine eingeschränkt der Rechts¬kraft fähigen Entscheidung (dazu Hk-SGG/Binder, § 86b RdNr 59) entschieden wird. Diese Nähe zum Urteilsverfahren rechtfertigt die Übertragung des Rechtsmittelaus¬schlusses nach § 144 Abs. 4 SGG (so auch LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2004 – L 4 B 23/04 KR, Nds. Rpfl 2005 S 263f; ähnlich LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29. April 1987 – L 11 S 44/86, Breithaupt 1988, 78f).

Dem steht insbesondere nicht entgegen, dass die Fälle unzulässiger Berufung, die sich aus § 144 Abs. 1 SGG ergeben (der Beschwerde¬wert wird nicht erreicht), nicht auf das Beschluss¬verfahren im einst¬weiligen Rechtsschutz zu über¬tragen sind (allgemeine Auffassung, vgl. Meyer-Ladewig aaO § 144 RdNr 4f). Diese Be¬trach¬tungs¬weise geht auf den Umstand zurück, dass der Gesetzgeber des 6. SGGÄndG (vom 17. August 2001 (BGBl I 2144)) erwogen hatte, im Rahmen einer Neufassung des § 172 SGG die Berufungs¬aus¬schlussgründe des § 144 Abs. 1 SGG ausdrücklich auf das Verfahren nach § 86b SGG zu übertragen (vgl. BT-Drucks 14/6335 Art 1 Nr. 56 auch S 32), davon dann aber abgesehen hatte. § 144 Abs. 4 SGG war aber im Gegensatz zu Absatz 1 der Vorschrift nicht Gegen¬stand derartiger Überlegungen, so dass der auf das genannte Gesetzgebungs¬ver¬fahren gestützte Rückschluss auf die Nichtanwendbarkeit dieses Ausschlusses im Beschwerde¬verfahren (gegen Beschlüsse nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG) nicht greift. Vielmehr ergibt der sach¬liche Unter¬schied, der zwischen den Ausschlüssen nach § 144 Abs. 1 und Abs. 4 SGG be¬steht, ein weiteres Argument für die entsprechende Anwendung des § 144 Abs. 4 SGG im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung. § 144 Abs. 1 SGG ist ein Ausschluss, dessen Exis¬tenz und Umfang in Ansehung der Rechtsmaterien, die die Spruchrichtertätigkeit nach dem SGG umfasst, als angemessen betrachtet wird. Diese Grenze für das einstweilige Ver¬fahren anders zu setzen, ist nicht fern liegend, zumal der Aus¬schluss nach § 144 Abs. 1 SGG durch eine Berufungs¬zu¬lassung (für die ein eigenes Verfahren vorgesehen ist (vgl. § 145 sowie § 144 Abs. 2 und 3 SGG)) wiederum auf¬heb¬bar ist, wobei sich, wollte man diesen Ausschlusstatbe¬stand auf des Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz übertragen, die Frage stellen würde, ob eine derartige Regelung auch für ein summarisches Verfahren angemessen ist bzw. verzichtbar wäre. Anders verhält es sich bei dem Berufungsausschluss nach § 144 Abs. 4 SGG. Er kann nicht auf eine Nichtzulassungsbe¬schwerde hin beseitigt werden und – und gerade dies spricht für die generelle Geltung und mithin für die Anwendung im Beschwerdeverfahren des SGG – er ist Ausdruck eines all¬ge¬meinen Rechtsgedankens, der auch in anderen Verfahrens¬ord¬¬nun¬gen Geltung beansprucht (etwa § 99 Abs. 1 Zivilprozessordnung, § 158 Verwaltungs¬gerichtsord¬nung). Denn der § 144 Abs. 4 SGG und vergleichbaren Vorschriften allgemein zu Grunde liegende Zweck, die Rechts¬mittelinstanzen von Streitigkeiten geringerer Bedeutung zu entlasten und davor zu bewahren, allein der Kostenentscheidung wegen das Ergebnis eines zwischenzeitlich abgeschlossenen Hauptsacheverfahrens nachträglich überprüfen zu müssen (vgl. Stein/Jonas/Bork, ZPO, § 99 RdNr 1), trägt auch im vorliegenden Zu¬sammenhang.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nicht mit einer Beschwerde an das BSG anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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