Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 P 1947/02
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4574/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. Juli 2002 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I beanspruchen kann.
Die am 1989 geborene Klägerin, die fünf weitere Geschwister hat, leidet an im Dezember 1997 diagnostizierter Mukoviszidose. Deswegen fanden 1998 stationäre und ambulante Behandlungen in den Fachkliniken W. (Kinderklinik für Atemwegserkrankungen und Allergien) statt, ferner 2001 eine Rehabilitation auf Amrum und 2004 eine familienorientierte Rehabilitation in der Nachsorgeklinik T ... 2004 und 2005 erfolgten deswegen stationäre und ambulante Behandlungen in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums U ... Die Klägerin besucht die Waldorf-Schule in R ... Nachdem zunächst ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannt worden war (Bescheid vom 02. März 1998), wurde der GdB mit Bescheid des Landratsamts R. (Versorgungs- und Migrationsamt) vom 19. Juli 2005 ab 17. Januar 2005 auf 70 erhöht; ferner wurden die Merkzeichen G und H festgestellt. Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 2000 bei der DAK-Pflegekasse über ihren Vater familienpflegeversichert. Ab 01. Januar 2001 ist sie bei der Beklagten ebenfalls über ihren Vater familienpflegeversichert.
Die DAK-Pflegekasse gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 27. März 1998 ab 01. Januar 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe I. Die DAK-Pflegekasse leistete auch Beiträge zur Rentenversicherung für die Mutter der Klägerin als Pflegeperson. Grundlage für den Leistungsbescheid vom 27. März 1998 war das am 05. März 1998 (Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 02. März 1998) erstattete Gutachten des Dr. H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in F ... Darin wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 38 Minuten, der Ernährung von 14 Minuten und bei der Mobilität von 15 Minuten angenommen. Es wurde ausgeführt, er ergebe sich nach Diagnostik einer Mukoviszidose teils auch bedingt durch Verhaltensauffälligkeiten ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 67 Minuten, nach Abzug des erforderlichen Höchstbedarfs nach den Begutachtungs-Richtlinien ein Mehrbedarf von sieben Minuten. Anrechenbar seien zusätzlich "bei dem Erkrankungsbild die pflegeunterstützenden Maßnahmen zur Sekretverflüssigung von tgl. 15 Min. sowie 30 Min. zusätzlich erforderl. tgl. 10-minütiger Erfordernisdiskussion". Es bestehe bei der Grundpflege ein Mehraufwand von 62 Minuten; damit seien die Kriterien der Pflegestufe I erfüllt. Ein Mehraufwand in der hauswirtschaftlichen Versorgung durch die erforderlichen hygienischen Maßnahmen sei gegeben. Der Gutachter empfahl eine Nachuntersuchung mit Vollendung des zwölften Lebensjahres bei zu erwartender Verminderung des Hilfebedarfs durch altersentsprechende Erkenntnisnotwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen. Die Beklagte gewährte der Klägerin nach dem Kassenwechsel mit Bescheid vom 21. Mai 2001 ab 01. Januar 2001 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I. Eine erneute Untersuchung wurde nicht durchgeführt; die Beklagte zog die Unterlagen der DAK-Pflegekasse bei.
Mit Schreiben vom 14. September 2001 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Wiederholungsbegutachtung. Am 17. Januar 2002 (Untersuchung in der häuslichen Umgebung am 08. Januar 2002) erstatteten daraufhin Dr. S. und die Pflegefachkraft B. vom MDK in F. ein Gutachten. Darin wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Ernährung von sechs Minuten und bei der Mobilität von fünf Minuten festgestellt. Es habe lediglich ein geringfügiger Hilfebedarf beim Überwachen der Nahrungsaufnahme, zur Motivation beim Aufstehen und zum Verlassen des Hauses zur Atemgymnastik festgestellt werden können. Alle anderen Verrichtungen hätten altersgemäß selbstständig durchgeführt werden können. Ein Abklopfen sei nicht mehr durchgeführt worden, aber wohl auch nicht mehr notwendig. Der Hilfebedarf habe sich im Vergleich zum Vorgutachten deutlich vermindert. Die Klägerin habe sehr gut gelernt, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2002, das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten mit, danach sei nach einer Ende 2001 auf Amrum durchgeführten Rehabilitation eine Zustandsverbesserung eingetreten. Die Klägerin könne jetzt weitgehend selbstständig inhalieren. Sie besuche die Waldorf-Schule, fahre mit Nachbarn hin und zurück. Die Klägerin habe gelernt, selbstständig zu essen bzw. die Nahrungsmenge selbst zu kontrollieren, also mit der Erkrankung umzugehen, sei selbstständig und leiste Babysitting in der Nachbarschaft. Es seien lediglich geringe Hilfebedürfnisse bei der Nahrungsaufnahme, Motivation zum Aufstehen, beim Verlassen des Hauses zur Atemgymnastik festgestellt worden. Alle anderen Verrichtungen könnten altersgemäß selbstständig durchgeführt werden. Der jetzt festgestellte Hilfebedarf sei nicht mehr ausreichend für die Bejahung der Pflegestufe I. Diese liege ab 01. Februar 2002 nicht mehr vor. Die Pflegegeldzahlung werde mit dem Monat Januar 2002 eingestellt. Dem widersprach die Klägerin am 20. Februar 2002. Es fehle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Ihre pflegerische Situation sei nur unzureichend festgestellt worden. Es sei bekannt, dass es sich bei der Mukoviszidose um eine progredient verlaufende unheilbare Stoffwechselstörung handle. Die bestehende Nahrungsverwertungsstörung bedeute zugleich eine erhöhte Darmtätigkeit. Besonders schwierig sei die Nahrungsaufnahme. Zwar sei sie am 22. Dezember 2001 von einer Kur zurückgekehrt, bei der in den letzten zwei Wochen eine IV-Therapie, d.h. eine intravenöse Antibiotikabehandlung, stattgefunden habe; danach sei es ihr besser gegangen. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass dieser positive Effekt sehr schnell vergehe. Im Gutachten sei zu den Maßnahmen der Schleimentfernung nichts ausgeführt worden. Es fehle auch an der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung im Sinne des § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Auch eine Rechtsgrundlage sei nicht genannt worden. Die Feststellung, dass sie gut gelernt habe, mit ihrer Krankheit umzugehen, belege keine Verringerung des Hilfebedarfs in tatsächlicher Hinsicht. Danach hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Einstellung der Pflegegeldzahlung nach § 48 SGB X nun mit Ablauf des 30. Juni 2002 mit Schreiben vom 30. Mai 2002 an, nachdem Dr. B. vom MDK in F. im Kurzgutachten nach Aktenlage vom 13. Mai 2002 bestätigt hatte, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I bei weitem nicht mehr erreicht würden, weil sich der Hilfebedarf im Vergleich zum früheren Gutachten vom 05. März 1998 in allen pflegerischen Bereichen deutlich reduziert habe. Dazu äußerte sich die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 07. Juni 2002 unter Bezugnahme auf ihre früheren Einwendungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2002 wies der Widerspruchsausschuss Pflegekasse der Beklagten den Widerspruch zurück, weil der festgestellte Zeitaufwand der Grundpflege von elf Minuten den Zeitaufwand für die Bejahung der Pflegestufe I nicht mehr erreiche.
Deswegen erhob die Klägerin am 04. September 2002 Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm. Mit Beschluss vom 12. September 2002 verwies das SG Ulm die Klage an das zuständige SG Konstanz. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter einen Pflegeplan für die Zeit vom 10. bis 24. Mai 2003 und trug vor, eine wesentliche Verringerung des Pflegebedarfs im Vergleich zum Vorgutachten vom 05. März 1998 sei nicht dokumentiert. Dies würde auch verwundern, da es sich bei der Mukoviszidose um eine Erkrankung handle, die zu einem stetig steigenden Hilfebedarf führe. Eine überproportionale Entwicklung in Bezug auf Einsichtsfähigkeit und Selbstverantwortung habe sie nicht gemacht. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, was auch durch die Erhöhung des GdB dokumentiert werde. Seit November 2004 sei sie nachts sauerstoffpflichtig. Sie könne nur drei, selten vier Tage in der Woche zur Schule gehen. Die IV-Therapie müsse in immer geringeren zeitlichen Abständen wiederholt werden. Im Gutachten des Dr. H. seien die krankheitsbezogenen Maßnahmen zum Pflegebedarf hinzugerechnet worden. Die von dem Arzt mit 55 Minuten angesetzten pflegeunterstützenden Maßnahmen hätten schon damals wie auch heute nicht zur Grundpflege gerechnet. Auch die gerichtliche Sachverständige Dr. Be., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen, komme im Gutachten vom 18. Dezember 2003 zu der Feststellung, dass an sich schon 1998 die Voraussetzungen für die Bejahung der Pflegestufe I nicht vorgelegen hätten. Aufgrund der Mängel des Gutachtens vom Jahr 1998 könne jetzt der Nachweis einer wesentlichen Besserung nicht mehr geführt werden. Im Übrigen berücksichtige die Sachverständige Dr. Be. auch nicht die nach ihrer Untersuchung eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustands. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie verwies auf die MDK-Gutachten vom 17. Januar und 13. Mai 2002. Auch die Sachverständige Dr. Be. habe für die Grundpflege lediglich noch einen Zeitaufwand von täglich zwölf Minuten ermittelt. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin allenfalls für die Vergangenheit berufen, nicht jedoch für die Zukunft. Wenn sie erkannt habe, dass das Gutachten vom März 1998 keine Grundlage für die Gewährung von Leistungen nach Pflegestufe I biete, dann könne sie für die Zukunft nicht davon ausgehen, dass ihr Pflegegeld noch zustehe. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 14. April 2003 sowie des Kinderarztes Dr. F. vom 25. April 2003. Weiter zog das SG die SGB IX-Akten des Landratsamts R. sowie Unterlagen des Universitätsklinikums U. bei. Weiter erstattete im Auftrag des SG Dr. Be. am 18. Dezember 2003 (Untersuchung am 05. Dezember 2003) ein Gutachten, in dem sie bei der Klägerin einen aktuellen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von zwölf Minuten pro Tag feststellte. Sie wies darauf hin, aus heutiger Sicht lasse sich die tägliche Hilfebedarfsangabe des Dr. H. im Gutachten vom März 1998 für pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung nicht nachvollziehen. Mit Urteil vom 29. März 2006, das der Beklagten am 21. August 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2002 auf. Es führte aus, eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X im Vergleich zum März 1998 sei nicht erwiesen. Der berücksichtigungsfähige Mehrbedarf im Bereich der Grundpflege habe bereits im März 1998 lediglich sieben Minuten betragen. Die Aufhebungsentscheidung könne hier auch nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 07. September 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe die Rechtswidrigkeit des Bescheids der DAK-Pflegekasse nicht geprüft, sondern einfach unterstellt, ohne eine Beweisführung vorzunehmen. Es sei auch treuwidrig, sich darauf zu berufen, dass die Voraussetzungen für die Bejahung der Pflegestufe I von Anfang an nicht vorgelegen hätten. Der damalige Gutachter Dr. H. habe pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung angerechnet; außerdem sei ein Mehraufwand wegen "Erfordernisdiskussion" hinzugerechnet worden. Es sei jedoch erwartet worden, dass sich der Hilfebedarf mit Vollendung des zwölften Lebensjahres verringern werde, weshalb eine Wiederholungsuntersuchung empfohlen worden sei. Das Wiederholungsgutachten habe dann auch genau dieses Ergebnis bestätigt, dass nämlich eine wesentliche Änderung eingetreten sei und sich der Hilfebedarf erheblich verringert habe. Dies habe auch die gerichtliche Sachverständige Dr. Be. bestätigt. Über die Rücknahme eines Pflegegeld bewilligenden Verwaltungsakts wegen Verringerung des Pflegebedarfs, wenn nicht auszuschließen sei, dass schon zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung die zeitlichen Voraussetzungen der maßgebenden Pflegestufe nicht vorgelegen hätten, habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 7. Juli 2005 (B 3 P 8/04 R = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) entschieden. Auf dieses Urteil berufe sie sich. Sofern es zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands gekommen sei, wäre sie damit einverstanden, dass eine erneute Untersuchung stattfinde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Dem SG sei darin zuzustimmen, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten auf § 48 SGB X beruhe, der Nachweis einer wesentlichen Besserung jedoch nicht geführt worden sei. Der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens sei nicht berechtigt. Es könne ihr nicht angelastet werden, wenn die Rechtsprechung des BSG die Berücksichtigungsfähigkeit von therapieunterstützenden Maßnahmen anders bewerte, als die Beklagte es bei der Berechnung des Pflegebedarfs im Jahr 2001 getan habe. Zutreffend stelle das SG die Rechtswidrigkeit des früheren Bewilligungsbescheids fest. Dies gelte sowohl für den Bescheid der DAK-Pflegekasse als auch für den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2001. § 45 SGB X stütze die Aufhebungsentscheidung nicht. Eine Umdeutung scheide aus. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Ihr Gesundheitszustand habe sich im Laufe der Jahre kontinuierlich verschlechtert. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG beziehe sich auf einen Sachverhalt, bei dem das Krankheitsbild unverändert geblieben sei bzw. sich sogar das Allgemeinbefinden verbessert habe. Davon könne bei ihr nicht die Rede sein, denn die Mukoviszidose sei eine progredient verlaufende Erkrankung.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2002, mit dem die Beklagte unter Berücksichtigung der nachträglichen Anhörung mit Schreiben vom 30. Mai 2002 die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 ab 1. Januar 2001 ausgesprochene Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I zum 30. Juni 2002 nach § 48 SGB X zurückgenommen hat, aufgehoben, weil die Voraussetzungen der genannten Bestimmung, auf die sich die Beklagte allein gestützt hat, nicht vorliegen. Der Klägerin steht ab 01. Juli 2002 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I zu. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren Folgendes noch auszuführen:
Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte, nachdem sie jedenfalls im (nachträglichen) Anhörungsschreiben vom 30. März 2002 als Rechtsgrundlage für ihre Entscheidung § 48 SGB X genannt hat, der einen früheren Bewilligungsbescheid voraussetzt, mit dem Bescheid vom 22. Januar 2002 die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erfolgte Leistungsbewilligung aufgehoben hat, auch wenn weder in den angegriffenen Bescheiden noch im Anhörungsschreiben der frühere Bewilligungsbescheid ausdrücklich genannt und aufgehoben wurde. Die erforderliche Anhörung nach § 24 SGB X ist hier in zulässiger Weise nachgeholt worden. Das SG hat aber zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vorliegen. Diese Bestimmung verlangt, dass, bezogen auf den Zeitpunkt, für den der Aufhebungsbescheid Wirkung entfalten soll (hier 30. Juni 2002), in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung (hier Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2001, nachdem der vorausgegangene Bescheid der DAK Pflegekasse aufgrund des Kassenwechsels nicht mehr bindend war) vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgebend für die Feststellung einer solchen wesentlichen Änderung ist der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege, der im Januar bzw. Mai 2001 tatsächlich vorgelegen hat, einerseits und der im Juli 2002 insofern gegebene berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege andererseits. Die Beklagte trägt die Beweislast für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung, was auch den Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der früheren Bewilligung einschließt. Dieser Beweis einer wesentlichen Änderung im berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf bei der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI, den die Beklagte mit einer Verminderung von einem Zeitwert von 62 Minuten im Hinblick auf das MDK-Gutachten vom 05. März 1998, zumal sie vor Erlass des Bewilligungsbescheids vom 21. Mai 2001 eine erneute Begutachtung veranlasst hat, auf elf Minuten pro Tag bejahen will, ist nicht geführt. Denn dem Gutachten des Dr. H. vom 05.März 1998 entnimmt der Senat, worauf auch die Sachverständige Dr. Be. hingewiesen hat, dass bei der Klägerin 1998 im Bereich der Grundpflegeverrichtungen nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 SGB XI nur ein zeitlicher Mehrbedarf von sieben Minuten bestanden hat. Dass sich dieser berücksichtigungsfähige Mehrbedarf von nur sieben Minuten ab März 1998 bis Januar bzw. Mai 2001 auf mehr als 45 Minuten erhöht hätte, ist nicht nachgewiesen. Dies hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht. Soweit Dr. H. im Hinblick auf das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild einer Mukoviszidose noch pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung bejaht hat und somit von einem täglichen Hilfebedarf (Mehrbedarf) von insgesamt 62 Minuten pro Tag ausgegangen war, war dieser über sieben Minuten hinausgehende Hilfebedarf für Maßnahmen der Behandlungspflege nicht berücksichtigungsfähig. Denn es ergibt sich aus dem Gutachten nicht, was auch die Sachverständige Dr. Be. bestätigt hat, dass es sich bei den pflegeunterstützenden Maßnahmen Sekretverflüssigung um krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen gehandelt hatte, die jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung aus dem Bereich der Grundpflege durchgeführt werden mussten (vgl. dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 11). Somit erweist sich die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 21. Mai 2001 als von Anfang an rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X, weil der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf von 46 Minuten, der zur Bejahung der Pflegestufe I geführt hätte, eindeutig unterschritten war. Es liegt kein Fall vor, dass nur nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung der Beklagten rechtswidrig gewesen sein könnte. Die Unterschreitung des berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs der Pflegestufe I mit mehr als 45 Minuten war im Januar bzw. Juni 2001 nicht nur denkbar. Der tatsächlich vorliegende berücksichtigungsfähige Hilfebedarf von sieben Minuten stellte nicht nur eine geringfügige Unterschreitung des für die Pflegestufe I erforderlichen Zeitwerts dar. Da sowohl nach den MDK-Gutachten vom 17. Januar 2002 (Dr. S.) und vom 13. Mai 2002 (Dr. B.) als auch nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Be. im Januar bzw. Mai 2002 - ohne nicht berücksichtigungsfähige Behandlungspflege - lediglich ein Grundpflegebedarf von elf bzw. zwölf Minuten festgestellt worden ist, ist der Nachweis einer wesentlichen Änderung nicht geführt, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Umfang in diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigungsfähige Behandlungspflege im Hinblick auf das Krankheitsbild der Mukoviszidose erforderlich war. Mithin konnte die Aufhebung hier nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das von der Beklagten angeführte Urteil des BSG vom 07. Juli 2005, a.a.O., denn hier hatten die Begutachtungen einen unveränderten Gesundheitszustand ergeben und der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege war im Jahr 2001 mit sieben Minuten pro Tag nicht nur geringfügig unter der Zeitgrenze von mehr als 45 Minuten liegend beurteilt worden. Abgesehen davon war für die Klägerin aufgrund des Bewilligungsbescheids vom 21. Mai 2001 nicht ohne weiteres erkennbar, dass die Bewilligung der Leistungen nach Pflegestufe I lediglich aufgrund einer Verkennung des berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs beruhte.
Dass hier die Aufhebung der Leistungsbewilligung zum 30. Juni 2002 nicht im Wege der Umdeutung auf § 45 SGB X gestützt werden konnte, hat das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 01. Juli 2002 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I beanspruchen kann.
Die am 1989 geborene Klägerin, die fünf weitere Geschwister hat, leidet an im Dezember 1997 diagnostizierter Mukoviszidose. Deswegen fanden 1998 stationäre und ambulante Behandlungen in den Fachkliniken W. (Kinderklinik für Atemwegserkrankungen und Allergien) statt, ferner 2001 eine Rehabilitation auf Amrum und 2004 eine familienorientierte Rehabilitation in der Nachsorgeklinik T ... 2004 und 2005 erfolgten deswegen stationäre und ambulante Behandlungen in der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin des Universitätsklinikums U ... Die Klägerin besucht die Waldorf-Schule in R ... Nachdem zunächst ein Grad der Behinderung (GdB) von 40 nach dem früheren Schwerbehindertengesetz (SchwbG) anerkannt worden war (Bescheid vom 02. März 1998), wurde der GdB mit Bescheid des Landratsamts R. (Versorgungs- und Migrationsamt) vom 19. Juli 2005 ab 17. Januar 2005 auf 70 erhöht; ferner wurden die Merkzeichen G und H festgestellt. Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 2000 bei der DAK-Pflegekasse über ihren Vater familienpflegeversichert. Ab 01. Januar 2001 ist sie bei der Beklagten ebenfalls über ihren Vater familienpflegeversichert.
Die DAK-Pflegekasse gewährte der Klägerin mit Bescheid vom 27. März 1998 ab 01. Januar 1998 Pflegegeld nach Pflegestufe I. Die DAK-Pflegekasse leistete auch Beiträge zur Rentenversicherung für die Mutter der Klägerin als Pflegeperson. Grundlage für den Leistungsbescheid vom 27. März 1998 war das am 05. März 1998 (Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung am 02. März 1998) erstattete Gutachten des Dr. H. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) in F ... Darin wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Körperpflege von 38 Minuten, der Ernährung von 14 Minuten und bei der Mobilität von 15 Minuten angenommen. Es wurde ausgeführt, er ergebe sich nach Diagnostik einer Mukoviszidose teils auch bedingt durch Verhaltensauffälligkeiten ein grundpflegerischer Hilfebedarf von 67 Minuten, nach Abzug des erforderlichen Höchstbedarfs nach den Begutachtungs-Richtlinien ein Mehrbedarf von sieben Minuten. Anrechenbar seien zusätzlich "bei dem Erkrankungsbild die pflegeunterstützenden Maßnahmen zur Sekretverflüssigung von tgl. 15 Min. sowie 30 Min. zusätzlich erforderl. tgl. 10-minütiger Erfordernisdiskussion". Es bestehe bei der Grundpflege ein Mehraufwand von 62 Minuten; damit seien die Kriterien der Pflegestufe I erfüllt. Ein Mehraufwand in der hauswirtschaftlichen Versorgung durch die erforderlichen hygienischen Maßnahmen sei gegeben. Der Gutachter empfahl eine Nachuntersuchung mit Vollendung des zwölften Lebensjahres bei zu erwartender Verminderung des Hilfebedarfs durch altersentsprechende Erkenntnisnotwendigkeit der Behandlungsmaßnahmen. Die Beklagte gewährte der Klägerin nach dem Kassenwechsel mit Bescheid vom 21. Mai 2001 ab 01. Januar 2001 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I. Eine erneute Untersuchung wurde nicht durchgeführt; die Beklagte zog die Unterlagen der DAK-Pflegekasse bei.
Mit Schreiben vom 14. September 2001 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die beabsichtigte Wiederholungsbegutachtung. Am 17. Januar 2002 (Untersuchung in der häuslichen Umgebung am 08. Januar 2002) erstatteten daraufhin Dr. S. und die Pflegefachkraft B. vom MDK in F. ein Gutachten. Darin wurde ein täglicher Hilfebedarf bei der Ernährung von sechs Minuten und bei der Mobilität von fünf Minuten festgestellt. Es habe lediglich ein geringfügiger Hilfebedarf beim Überwachen der Nahrungsaufnahme, zur Motivation beim Aufstehen und zum Verlassen des Hauses zur Atemgymnastik festgestellt werden können. Alle anderen Verrichtungen hätten altersgemäß selbstständig durchgeführt werden können. Ein Abklopfen sei nicht mehr durchgeführt worden, aber wohl auch nicht mehr notwendig. Der Hilfebedarf habe sich im Vergleich zum Vorgutachten deutlich vermindert. Die Klägerin habe sehr gut gelernt, mit ihrer Erkrankung umzugehen. Mit Schreiben vom 22. Januar 2002, das nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen war, teilte die Beklagte der Klägerin unter Bezugnahme auf das Gutachten mit, danach sei nach einer Ende 2001 auf Amrum durchgeführten Rehabilitation eine Zustandsverbesserung eingetreten. Die Klägerin könne jetzt weitgehend selbstständig inhalieren. Sie besuche die Waldorf-Schule, fahre mit Nachbarn hin und zurück. Die Klägerin habe gelernt, selbstständig zu essen bzw. die Nahrungsmenge selbst zu kontrollieren, also mit der Erkrankung umzugehen, sei selbstständig und leiste Babysitting in der Nachbarschaft. Es seien lediglich geringe Hilfebedürfnisse bei der Nahrungsaufnahme, Motivation zum Aufstehen, beim Verlassen des Hauses zur Atemgymnastik festgestellt worden. Alle anderen Verrichtungen könnten altersgemäß selbstständig durchgeführt werden. Der jetzt festgestellte Hilfebedarf sei nicht mehr ausreichend für die Bejahung der Pflegestufe I. Diese liege ab 01. Februar 2002 nicht mehr vor. Die Pflegegeldzahlung werde mit dem Monat Januar 2002 eingestellt. Dem widersprach die Klägerin am 20. Februar 2002. Es fehle eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse. Ihre pflegerische Situation sei nur unzureichend festgestellt worden. Es sei bekannt, dass es sich bei der Mukoviszidose um eine progredient verlaufende unheilbare Stoffwechselstörung handle. Die bestehende Nahrungsverwertungsstörung bedeute zugleich eine erhöhte Darmtätigkeit. Besonders schwierig sei die Nahrungsaufnahme. Zwar sei sie am 22. Dezember 2001 von einer Kur zurückgekehrt, bei der in den letzten zwei Wochen eine IV-Therapie, d.h. eine intravenöse Antibiotikabehandlung, stattgefunden habe; danach sei es ihr besser gegangen. Es dürfe jedoch nicht übersehen werden, dass dieser positive Effekt sehr schnell vergehe. Im Gutachten sei zu den Maßnahmen der Schleimentfernung nichts ausgeführt worden. Es fehle auch an der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung im Sinne des § 24 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Auch eine Rechtsgrundlage sei nicht genannt worden. Die Feststellung, dass sie gut gelernt habe, mit ihrer Krankheit umzugehen, belege keine Verringerung des Hilfebedarfs in tatsächlicher Hinsicht. Danach hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Einstellung der Pflegegeldzahlung nach § 48 SGB X nun mit Ablauf des 30. Juni 2002 mit Schreiben vom 30. Mai 2002 an, nachdem Dr. B. vom MDK in F. im Kurzgutachten nach Aktenlage vom 13. Mai 2002 bestätigt hatte, dass die Voraussetzungen der Pflegestufe I bei weitem nicht mehr erreicht würden, weil sich der Hilfebedarf im Vergleich zum früheren Gutachten vom 05. März 1998 in allen pflegerischen Bereichen deutlich reduziert habe. Dazu äußerte sich die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 07. Juni 2002 unter Bezugnahme auf ihre früheren Einwendungen. Mit Widerspruchsbescheid vom 23. August 2002 wies der Widerspruchsausschuss Pflegekasse der Beklagten den Widerspruch zurück, weil der festgestellte Zeitaufwand der Grundpflege von elf Minuten den Zeitaufwand für die Bejahung der Pflegestufe I nicht mehr erreiche.
Deswegen erhob die Klägerin am 04. September 2002 Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm. Mit Beschluss vom 12. September 2002 verwies das SG Ulm die Klage an das zuständige SG Konstanz. Die Klägerin reichte verschiedene Unterlagen ein, darunter einen Pflegeplan für die Zeit vom 10. bis 24. Mai 2003 und trug vor, eine wesentliche Verringerung des Pflegebedarfs im Vergleich zum Vorgutachten vom 05. März 1998 sei nicht dokumentiert. Dies würde auch verwundern, da es sich bei der Mukoviszidose um eine Erkrankung handle, die zu einem stetig steigenden Hilfebedarf führe. Eine überproportionale Entwicklung in Bezug auf Einsichtsfähigkeit und Selbstverantwortung habe sie nicht gemacht. Ihr Gesundheitszustand habe sich verschlechtert, was auch durch die Erhöhung des GdB dokumentiert werde. Seit November 2004 sei sie nachts sauerstoffpflichtig. Sie könne nur drei, selten vier Tage in der Woche zur Schule gehen. Die IV-Therapie müsse in immer geringeren zeitlichen Abständen wiederholt werden. Im Gutachten des Dr. H. seien die krankheitsbezogenen Maßnahmen zum Pflegebedarf hinzugerechnet worden. Die von dem Arzt mit 55 Minuten angesetzten pflegeunterstützenden Maßnahmen hätten schon damals wie auch heute nicht zur Grundpflege gerechnet. Auch die gerichtliche Sachverständige Dr. Be., Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen, komme im Gutachten vom 18. Dezember 2003 zu der Feststellung, dass an sich schon 1998 die Voraussetzungen für die Bejahung der Pflegestufe I nicht vorgelegen hätten. Aufgrund der Mängel des Gutachtens vom Jahr 1998 könne jetzt der Nachweis einer wesentlichen Besserung nicht mehr geführt werden. Im Übrigen berücksichtige die Sachverständige Dr. Be. auch nicht die nach ihrer Untersuchung eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustands. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Sie verwies auf die MDK-Gutachten vom 17. Januar und 13. Mai 2002. Auch die Sachverständige Dr. Be. habe für die Grundpflege lediglich noch einen Zeitaufwand von täglich zwölf Minuten ermittelt. Auf Vertrauensschutz könne sich die Klägerin allenfalls für die Vergangenheit berufen, nicht jedoch für die Zukunft. Wenn sie erkannt habe, dass das Gutachten vom März 1998 keine Grundlage für die Gewährung von Leistungen nach Pflegestufe I biete, dann könne sie für die Zukunft nicht davon ausgehen, dass ihr Pflegegeld noch zustehe. Das SG erhob schriftliche Auskünfte als sachverständige Zeugen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 14. April 2003 sowie des Kinderarztes Dr. F. vom 25. April 2003. Weiter zog das SG die SGB IX-Akten des Landratsamts R. sowie Unterlagen des Universitätsklinikums U. bei. Weiter erstattete im Auftrag des SG Dr. Be. am 18. Dezember 2003 (Untersuchung am 05. Dezember 2003) ein Gutachten, in dem sie bei der Klägerin einen aktuellen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von zwölf Minuten pro Tag feststellte. Sie wies darauf hin, aus heutiger Sicht lasse sich die tägliche Hilfebedarfsangabe des Dr. H. im Gutachten vom März 1998 für pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung nicht nachvollziehen. Mit Urteil vom 29. März 2006, das der Beklagten am 21. August 2006 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt wurde, hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2002 auf. Es führte aus, eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im Sinne des § 48 SGB X im Vergleich zum März 1998 sei nicht erwiesen. Der berücksichtigungsfähige Mehrbedarf im Bereich der Grundpflege habe bereits im März 1998 lediglich sieben Minuten betragen. Die Aufhebungsentscheidung könne hier auch nicht auf § 45 SGB X gestützt werden. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen. Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 07. September 2006 schriftlich Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe die Rechtswidrigkeit des Bescheids der DAK-Pflegekasse nicht geprüft, sondern einfach unterstellt, ohne eine Beweisführung vorzunehmen. Es sei auch treuwidrig, sich darauf zu berufen, dass die Voraussetzungen für die Bejahung der Pflegestufe I von Anfang an nicht vorgelegen hätten. Der damalige Gutachter Dr. H. habe pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung angerechnet; außerdem sei ein Mehraufwand wegen "Erfordernisdiskussion" hinzugerechnet worden. Es sei jedoch erwartet worden, dass sich der Hilfebedarf mit Vollendung des zwölften Lebensjahres verringern werde, weshalb eine Wiederholungsuntersuchung empfohlen worden sei. Das Wiederholungsgutachten habe dann auch genau dieses Ergebnis bestätigt, dass nämlich eine wesentliche Änderung eingetreten sei und sich der Hilfebedarf erheblich verringert habe. Dies habe auch die gerichtliche Sachverständige Dr. Be. bestätigt. Über die Rücknahme eines Pflegegeld bewilligenden Verwaltungsakts wegen Verringerung des Pflegebedarfs, wenn nicht auszuschließen sei, dass schon zum Zeitpunkt der Leistungsbewilligung die zeitlichen Voraussetzungen der maßgebenden Pflegestufe nicht vorgelegen hätten, habe das Bundessozialgericht (BSG) im Urteil vom 7. Juli 2005 (B 3 P 8/04 R = SozR 4-1300 § 48 Nr. 6) entschieden. Auf dieses Urteil berufe sie sich. Sofern es zwischenzeitlich zu einer Verschlechterung des Gesundheitszustands gekommen sei, wäre sie damit einverstanden, dass eine erneute Untersuchung stattfinde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 29. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Dem SG sei darin zuzustimmen, dass der Aufhebungsbescheid der Beklagten auf § 48 SGB X beruhe, der Nachweis einer wesentlichen Besserung jedoch nicht geführt worden sei. Der Vorwurf treuwidrigen Verhaltens sei nicht berechtigt. Es könne ihr nicht angelastet werden, wenn die Rechtsprechung des BSG die Berücksichtigungsfähigkeit von therapieunterstützenden Maßnahmen anders bewerte, als die Beklagte es bei der Berechnung des Pflegebedarfs im Jahr 2001 getan habe. Zutreffend stelle das SG die Rechtswidrigkeit des früheren Bewilligungsbescheids fest. Dies gelte sowohl für den Bescheid der DAK-Pflegekasse als auch für den Bescheid der Beklagten vom 21. Mai 2001. § 45 SGB X stütze die Aufhebungsentscheidung nicht. Eine Umdeutung scheide aus. Eine Ermessensreduzierung auf Null liege nicht vor. Ihr Gesundheitszustand habe sich im Laufe der Jahre kontinuierlich verschlechtert. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des BSG beziehe sich auf einen Sachverhalt, bei dem das Krankheitsbild unverändert geblieben sei bzw. sich sogar das Allgemeinbefinden verbessert habe. Davon könne bei ihr nicht die Rede sein, denn die Mukoviszidose sei eine progredient verlaufende Erkrankung.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. August 2002, mit dem die Beklagte unter Berücksichtigung der nachträglichen Anhörung mit Schreiben vom 30. Mai 2002 die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 ab 1. Januar 2001 ausgesprochene Bewilligung von Pflegegeld nach Pflegestufe I zum 30. Juni 2002 nach § 48 SGB X zurückgenommen hat, aufgehoben, weil die Voraussetzungen der genannten Bestimmung, auf die sich die Beklagte allein gestützt hat, nicht vorliegen. Der Klägerin steht ab 01. Juli 2002 weiterhin Pflegegeld nach Pflegestufe I zu. Der Senat verweist zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des angegriffenen Urteils.
Ergänzend ist im Hinblick auf das Vorbringen der Beklagten im Berufungsverfahren Folgendes noch auszuführen:
Der Senat geht davon aus, dass die Beklagte, nachdem sie jedenfalls im (nachträglichen) Anhörungsschreiben vom 30. März 2002 als Rechtsgrundlage für ihre Entscheidung § 48 SGB X genannt hat, der einen früheren Bewilligungsbescheid voraussetzt, mit dem Bescheid vom 22. Januar 2002 die mit Bescheid vom 21. Mai 2001 als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung erfolgte Leistungsbewilligung aufgehoben hat, auch wenn weder in den angegriffenen Bescheiden noch im Anhörungsschreiben der frühere Bewilligungsbescheid ausdrücklich genannt und aufgehoben wurde. Die erforderliche Anhörung nach § 24 SGB X ist hier in zulässiger Weise nachgeholt worden. Das SG hat aber zutreffend dargelegt, dass die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vorliegen. Diese Bestimmung verlangt, dass, bezogen auf den Zeitpunkt, für den der Aufhebungsbescheid Wirkung entfalten soll (hier 30. Juni 2002), in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung (hier Bewilligungsbescheid vom 21. Mai 2001, nachdem der vorausgegangene Bescheid der DAK Pflegekasse aufgrund des Kassenwechsels nicht mehr bindend war) vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Maßgebend für die Feststellung einer solchen wesentlichen Änderung ist der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege, der im Januar bzw. Mai 2001 tatsächlich vorgelegen hat, einerseits und der im Juli 2002 insofern gegebene berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege andererseits. Die Beklagte trägt die Beweislast für das Vorliegen einer wesentlichen Änderung, was auch den Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der früheren Bewilligung einschließt. Dieser Beweis einer wesentlichen Änderung im berücksichtigungsfähigen Hilfebedarf bei der Grundpflege nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI, den die Beklagte mit einer Verminderung von einem Zeitwert von 62 Minuten im Hinblick auf das MDK-Gutachten vom 05. März 1998, zumal sie vor Erlass des Bewilligungsbescheids vom 21. Mai 2001 eine erneute Begutachtung veranlasst hat, auf elf Minuten pro Tag bejahen will, ist nicht geführt. Denn dem Gutachten des Dr. H. vom 05.März 1998 entnimmt der Senat, worauf auch die Sachverständige Dr. Be. hingewiesen hat, dass bei der Klägerin 1998 im Bereich der Grundpflegeverrichtungen nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI unter Berücksichtigung des § 15 Abs. 2 SGB XI nur ein zeitlicher Mehrbedarf von sieben Minuten bestanden hat. Dass sich dieser berücksichtigungsfähige Mehrbedarf von nur sieben Minuten ab März 1998 bis Januar bzw. Mai 2001 auf mehr als 45 Minuten erhöht hätte, ist nicht nachgewiesen. Dies hat die Beklagte auch nicht geltend gemacht. Soweit Dr. H. im Hinblick auf das bei der Klägerin vorliegende Krankheitsbild einer Mukoviszidose noch pflegeunterstützende Maßnahmen zur Sekretverflüssigung bejaht hat und somit von einem täglichen Hilfebedarf (Mehrbedarf) von insgesamt 62 Minuten pro Tag ausgegangen war, war dieser über sieben Minuten hinausgehende Hilfebedarf für Maßnahmen der Behandlungspflege nicht berücksichtigungsfähig. Denn es ergibt sich aus dem Gutachten nicht, was auch die Sachverständige Dr. Be. bestätigt hat, dass es sich bei den pflegeunterstützenden Maßnahmen Sekretverflüssigung um krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen gehandelt hatte, die jeweils im zeitlichen Zusammenhang mit einer Verrichtung aus dem Bereich der Grundpflege durchgeführt werden mussten (vgl. dazu BSG SozR 3-3300 § 14 Nr. 11). Somit erweist sich die Leistungsbewilligung mit Bescheid vom 21. Mai 2001 als von Anfang an rechtswidrig im Sinne des § 45 SGB X, weil der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf von 46 Minuten, der zur Bejahung der Pflegestufe I geführt hätte, eindeutig unterschritten war. Es liegt kein Fall vor, dass nur nicht ausgeschlossen werden kann, dass die ursprüngliche Leistungsbewilligung der Beklagten rechtswidrig gewesen sein könnte. Die Unterschreitung des berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs der Pflegestufe I mit mehr als 45 Minuten war im Januar bzw. Juni 2001 nicht nur denkbar. Der tatsächlich vorliegende berücksichtigungsfähige Hilfebedarf von sieben Minuten stellte nicht nur eine geringfügige Unterschreitung des für die Pflegestufe I erforderlichen Zeitwerts dar. Da sowohl nach den MDK-Gutachten vom 17. Januar 2002 (Dr. S.) und vom 13. Mai 2002 (Dr. B.) als auch nach dem Gutachten der Sachverständigen Dr. Be. im Januar bzw. Mai 2002 - ohne nicht berücksichtigungsfähige Behandlungspflege - lediglich ein Grundpflegebedarf von elf bzw. zwölf Minuten festgestellt worden ist, ist der Nachweis einer wesentlichen Änderung nicht geführt, ohne dass es darauf ankommt, in welchem Umfang in diesem Zeitpunkt noch nicht berücksichtigungsfähige Behandlungspflege im Hinblick auf das Krankheitsbild der Mukoviszidose erforderlich war. Mithin konnte die Aufhebung hier nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X gestützt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht im Hinblick auf das von der Beklagten angeführte Urteil des BSG vom 07. Juli 2005, a.a.O., denn hier hatten die Begutachtungen einen unveränderten Gesundheitszustand ergeben und der berücksichtigungsfähige Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege war im Jahr 2001 mit sieben Minuten pro Tag nicht nur geringfügig unter der Zeitgrenze von mehr als 45 Minuten liegend beurteilt worden. Abgesehen davon war für die Klägerin aufgrund des Bewilligungsbescheids vom 21. Mai 2001 nicht ohne weiteres erkennbar, dass die Bewilligung der Leistungen nach Pflegestufe I lediglich aufgrund einer Verkennung des berücksichtigungsfähigen Hilfebedarfs beruhte.
Dass hier die Aufhebung der Leistungsbewilligung zum 30. Juni 2002 nicht im Wege der Umdeutung auf § 45 SGB X gestützt werden konnte, hat das SG ebenfalls zutreffend ausgeführt.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
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