Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 1830/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 6254/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. November 2006 abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 und des weiteren Bescheids vom 06. Oktober 2005 wird aufgehoben, soweit der Bescheid über die Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 22. November 2001 für die Monate Januar und Februar 2004 aufgehoben und die Rückzahlung der Rente für diese Zeit in Höhe von EUR 722,58 verlangt wurde.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens und ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und die Rückforderung überzahlter Renten wegen Hinzuverdienst für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31. Juli 2004 in Höhe von EUR 3.960,79.
Der am 1944 geborene verheiratete Kläger ist gelernter Flaschner und Installateur. Er war zuletzt als Baggerführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bis zu dessen Übergabe an seine Ehefrau am 26. Februar 2001 war auf den Namen des Klägers auch ein Betrieb, dessen Gegenstand die Vermietung von Toilettenwagen war, gewerberechtlich angemeldet. Auf einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligte die frühere Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 18. Mai 2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU), weil der Kläger ab 06. März 2000 berufsunfähig sei. Unter Angabe der Hinzuverdienstgrenzen wurde die Rente wegen BU zunächst in voller Höhe gezahlt, weil der Hinzuverdienst unter der zulässigen Hinzuverdienstgrenze lag. Mit Bescheid vom 04. September 2001 wurde diese Rente wegen BU im Hinblick auf die Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes für die Zeit vom 01. August bis 30. September 2001 neu berechnet und eine Überzahlung von DM 1.842,31 festgestellt. Insoweit ergab sich aufgrund eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für August 2001 nur noch ein Anspruch auf Rente wegen BU in Höhe von zwei Dritteln; ab 01. September 2001 ergab sich kein Anspruch auf Auszahlungsbeträge mehr. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er auch Anspruch auf Rente wegen EU geltend gemacht hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger dann mit Bescheid vom 22. November 2001 ab 28. April 2000 Rente wegen EU mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs DM 2.023,94 (ab 01. Juli 2003 EUR 1.083,95; ab 01. April 2004 EUR 1.073,90). Auf S. 3/4 des Rentenbescheids waren "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" aufgeführt. So hieß es wörtlich:
Für die Anerkennung des Rentenanspruchs sind die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Liegt bei Aufnahme bzw. Ausübung einer Beschäftigung weiterhin Erwerbsunfähigkeit vor, wird die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht oder in verminderter Höhe geleistet, sofern durch den Bruttoverdienst die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt monatlich 325,00 EUR. Wird diese Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht während eines gesamten Kalendermonats ausgeübt, gilt eine entsprechend anteilige, also verminderte Hinzuverdienstgrenze ... Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung bzw. den Bezug oder die Beantragung einer der genannten Sozialleistungen unverzüglich mitzuteilen.
Zur Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen wurde auf die Anlage 19 zum Rentenbescheid verwiesen. Darin wurden die Hinzuverdienstgrenzen dargestellt. Unter anderem hieß es:
Für die Zeit ab 01.01.2002 ...Die monatliche Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in voller Höhe monatlich 325,00 EUR ... Die Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 325,00 EUR verändert sich nicht ...
Der Kläger erhielt auch Leistungen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Der Kläger war seit 01. Januar 2003 noch als Arbeiter geringfügig bei der L. + M. Maschinen- und Zerspanungstechnik GmbH in H. beschäftigt. Er verdiente von Januar bis Juni 2003 monatlich EUR 325,00, von Juli 2003 bis Juli 2004 monatlich EUR 400,00 und ab August 2004 wieder monatlich EUR 325,00. Dieser Verdienst wegen geringfügiger Beschäftigung wurde ermittelt, nachdem der Kläger im am 08. Juli 2004 gestellten Altersrentenantrag angegeben hatte, geringfügig beschäftigt zu sein. Die Beklagte erhob entsprechende Bescheinigungen der GmbH. Mit Schreiben vom 09. Februar 2005 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) beabsichtigt sei, den Bescheid vom 22. November 2001 über die Gewährung von Rente wegen EU für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 teilweise aufzuheben, wobei sich eine Überzahlung in Höhe von EUR 4.683,37 ergebe, die nach § 50 SGB X zurückgefordert werden solle. Wegen des in der genannten Zeit erzielten Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von EUR 400,00 monatlich wäre in dieser Zeit nur EU-Rente in Höhe einer vollen BU-Rente (ab 01. Juli 2003 monatlich EUR 722,66 und ab 01. April 2004 monatlich EUR 715,96) zu zahlen gewesen. Die Hinzuverdienstgrenze für die EU-Rente habe ab 01. Juli 2003 bei EUR 340,00 und ab 01. Januar 2004 bei EUR 345,00 gelegen. Im Rahmen der Anhörung teilte zunächst der Arbeitgeber des Klägers mit, es sei seine Schuld, dass der Kläger in der genannten Zeit auf 400-Euro-Basis beschäftigt gewesen sei. Er hatte sich bereit erklärt, die Überzahlung zu begleichen, wobei ihm die Beklagte, dies auch schriftlich am 23. Februar 2005, Ratenzahlungen über 15 Monate, beginnend am 01. März 2005, angeboten hatte. Am 28. Februar 2005 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger den dem Anhörungsschreiben entsprechenden Teilaufhebungs- und Rückforderungsbescheid. Gegen diesen Bescheid erhob der Arbeitgeber am 08. März 2005 und der Kläger am 22. März 2005 Widerspruch. Der Kläger machte geltend, den Bescheid vom 28. Februar 2005 nicht zu verstehen. Er war vergleichsweise bereit, den Differenzbetrag zwischen dem Hinzuverdienst von EUR 400,00 und der Hinzuverdienstgrenze für die Zeit von 13 Monaten in monatlichen Raten von jeweils EUR 125,00 zurückzuzahlen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 18. Mai 2005 wurde ausgeführt, der Bescheid sei aufgrund des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Rückwirkung teilweise aufzuheben gewesen. Der Kläger sei seiner aus dieser Vorschrift ergebenden Pflicht bezüglich der Mitteilung von Einkommen, welches zur Minderung des Anspruchs auf Rente wegen EU geführt habe, weil es über der Hinzuverdienstgrenze gelegen habe, nicht nachgekommen. Soweit der Kläger die Meinung vertrete, dass nur die Differenz zwischen der Hinzuverdienstgrenze und dem eigenen Verdienst zu erstatten sei, liege eine Fehlinterpretation vor. Wegen der bestehenden Hinzuverdienstgrenze habe nur noch ein Anspruch auf Rente wegen BU in voller Höhe bestanden.
Deswegen erhob der Kläger am 15. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn. Während des Klageverfahrens nahm die Beklagte den Bescheid vom 28. Februar 2005 mit dem weiteren Bescheid vom 06. Oktober 2005 im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) teilweise zurück; da die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze für zwei Monate, d.h. im Juli und August 2003, nicht rentenschädlich gewesen sei, reduziere sich der Rückforderungsbetrag auf EUR 3.960,79 (= EUR 4.683,37 - 2 mal EUR 361,29).
Der Kläger machte geltend, im Ausgangsbescheid nicht ausreichend über seine Mitteilungspflichten informiert worden zu sein. Er habe keinen Anlass gehabt, sein Arbeitsentgelt, das die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze von EUR 400,00 nicht überschritten habe, der Beklagten zu melden. Zwar habe er den Rentenbescheid vom 22. November 2001 auch hinsichtlich der Passage über die Hinzuverdienstgrenze gelesen. Überall habe in der Zeitung etwas über 400-Euro-Jobs gestanden. Er habe gedacht, der Betrag von EUR 400,00 entspreche der Hinzuverdienstgrenze, sodass die Hinzuverdienstgrenze und der 400-Euro-Job das gleiche seien. Er habe allenfalls leicht fahrlässig gehandelt. Insoweit sei ein subjektiver Maßstab anzulegen. Die Beklagte habe selbst in einer Pressemitteilung vom 22. März 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Hinzuverdienstgrenze für Rentner unter 65 Jahren bisweilen mit der Verdienstgrenze für Minijobber verwechselt werde, die bei EUR 400,00 liege. Da die Beklagte selbst auf diese Verwechslungsgefahr hingewiesen habe, sei sein Begehren gerechtfertigt. Soweit Rechtsgrundlage der Bescheidaufhebung § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sei, sei die Aufhebung und Rückforderung auf die Beträge beschränkt, um die der Hinzuverdienst die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze überschreite, was sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Hinzuverdienstgrenze von EUR 325,00 sei im Rentenbescheid auf S. 4 ausdrücklich erwähnt worden. Es sei der Kläger auch darauf hingewiesen worden, dass er gesetzlich verpflichtet sei, dem Rentenversicherungsträger die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung mitzuteilen. Zur Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen sei auf die Anlage 19 des Bescheids verwiesen worden. Auch darin seien weitere Informationen enthalten gewesen. Soweit es der Kläger versäumt habe, sich beim Rentenversicherungsträger bezüglich der Höhe der im strittigen Zeitraum maßgebenden Hinzuverdienstgrenzen zu erkundigen und die Hinzuverdienstgrenzen irrtümlich mit der Höhe einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) verwechselt worden sei, könne dies nicht zu ihren Lasten gehen. Jede Aufnahme einer Beschäftigung sei unverzüglich mitzuteilen gewesen. Aufgrund der vorangegangenen Berichtigungen der Höhe der Rente wegen BU nach § 96a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) habe der Kläger auch gewusst, dass die Überschreitung von Hinzuverdienstgrenzen zu einem geringeren Rentenanspruch führen würde. Der Kläger hätte daher hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenzen sensibilisiert sein müssen. Erst bei der Beantragung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen habe er angegeben, geringfügig tätig zu sein. Wäre er seiner Mitteilungspflicht jedoch unverzüglich nachgekommen, hätte die hohe Überzahlung vermieden werden können. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, die Höhe der Hinzuverdienstgrenze mit der Geringfügigkeitsgrenze verwechselt zu haben. Auch insoweit hätte der Kläger sich beim Rentenversicherungsträger hinsichtlich eines rentenunschädlichen Hinzuverdienstes informieren müssen. Er hätte nicht auf die Angaben seines Arbeitgebers vertrauen dürfen. Dass das Problem in der vorgelegten Pressemitteilung vom 24. April 2006 nochmals thematisiert worden sei, entlaste den Kläger nicht. Dieser sei im Übrigen auch in den Rentenanpassungsmitteilungen vom 23. Mai 2002 und 27. Mai 2003 u.a. über die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen informiert worden. Der Kläger habe von August bis Dezember 2004 lediglich monatlich EUR 325,00 verdient, obwohl die Geringfügigkeitsgrenze bei EUR 400,00 gelegen habe. Da der Kläger sich ab August 2004 nicht an der Geringfügigkeitsgrenze orientiert habe, erscheine es unglaubwürdig, dass er sich im Zeitraum davor danach gerichtet haben wolle. Grund für das geringere Entgelt ab August 2004 könne jedenfalls nicht das Anhörungsschreiben vom 09. Februar 2005 oder der Rentenbescheid vom 13. August 2004 sein, der eine Hinzuverdienstgrenze von EUR 345,00 ausweise. Das geringfügige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze oder die angegebene Verwechslung mit der Geringfügigkeitsgrenze führe auch nicht zur Annahme eines atypischen Falles nach § 48 SGB X, weshalb auch keine Ermessensausübung erforderlich gewesen sei. Der vom Kläger zitierten Rechtsprechung hinsichtlich der Begrenzung des Erstattungsanspruchs in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X folge sie, wie die anderen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, generell nicht, weil sie nach ihrer Überzeugung der Konzeption des besonderen materiellen Sozialrechts widerspreche. Mit Urteil vom 23. November 2006 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 und des Bescheids vom 06. Oktober 2005 insoweit auf, als die Beklagte vom Kläger einen über die Hinzuverdienstgrenze einer Rente wegen EU hinausgehenden Betrag zurückfordert. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es führte aus, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB X seien nicht gegeben. Im Hinblick auf eine eventuelle Mitteilungspflicht habe der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Nach Überzeugung des SG sei davon auszugehen, dass der Kläger die im Rentenbescheid festgelegte Hinzuverdienstgrenze mit der Grenze zur Versicherungspflicht verwechselt und angenommen habe, dass eine nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV versicherungsfreie Tätigkeit von ihm ausgeübt werden könne. Dies komme auch in seinen Angaben im Erörterungstermin vom 24. Januar 2006 zum Ausdruck. Zu beachten sei dabei, dass nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV das maximale regelmäßige Arbeitsentgelt für eine geringfügige Beschäftigung ab 01. Januar 2002 EUR 325,00 im Monat und ab 01. April 2003 EUR 400,00 im Monat betragen habe. Soweit die Beklagte im Rentenbescheid vom 22. November 2001 darauf hingewiesen habe, dass sich die Hinzuverdienstgrenze von EUR 325,00 nicht ändere, hätte die Sorgfalt vor dem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze eine Rückfrage beim Rentenversicherungsträger oder einer anderen geeigneten Stelle geboten. Dass der Kläger dies nicht getan habe, sei zwar fahrlässig, nicht jedoch grob fahrlässig. Im Übrigen sei die Angabe, dass sich eine Hinzuverdienstgrenze nicht verändere, nicht ganz richtig. Dies werde auch durch die Ausführungen der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 09. Februar 2005 belegt. Für nicht mit dem Sozialversicherungsrecht befasste Versicherte sei nicht ohne Weiteres verständlich, dass ein Unterschied zwischen der Hinzuverdienstgrenze und der Grenze zur Versicherungspflicht bestehe, wenn dabei zeitweise der gleiche Betrag entscheidend gewesen sei. Dies werde auch durch die Pressemitteilung der Beklagten vom 24. April 2006 in ihrer Homepage deutlich. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X seien nicht erfüllt. Der Kläger habe nach Überzeugung des Gerichts kein positives Wissen darüber gehabt, dass sein Anspruch auf Rente wegen EU mit dem mehr als zweimaligem Überschreiten der Höchstverdienstgrenze nach § 313 SGB VI i.V.m. § 96a SGB VI teilweise entfallen sei. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X seien zwar erfüllt. Die Rückforderung der Beklagten sei insoweit jedoch nur berechtigt gewesen, als die Beklagte das vom Kläger im streitigen Zeitraum erzielte Einkommen zurückfordere, das über die Hinzuverdienstgrenze einer Rente wegen Erwerbsminderung hinausgegangen sei. Die Aufhebung und Rückforderung sei nur berechtigt, "soweit" Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich auch Teile der Literatur angeschlossen hätten, könne eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids insoweit nur in Höhe des Mehrverdienstes erfolgen. Andernfalls würde der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung, der auf das Einkommen oder Vermögen, das erzielt worden sei, abstelle, außer Betracht gelassen werden.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntis am 13. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat diese am 14. Dezember 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe den in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X verwendeten Begriff der "groben Fahrlässigkeit" verkannt. Wenn ein Versicherter im Verwaltungsverfahren oder im Verwaltungsakt selbst unmissverständlich auf bestehende Mitteilungspflichten hingewiesen worden sei, er aber dennoch entsprechende Meldungen unterlasse, liege regelmäßig grobe Fahrlässigkeit vor. Auch müsse sich ein Versicherter in aller Regel eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße vorhalten lassen, wenn er trotz eindeutiger und klarer Hinweise in Merkblättern oder Bescheiden des Versicherungsträgers nicht gewusst habe, dass er auf die bewilligte Leistung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse keinen Anspruch mehr gehabt habe. Der Bewilligungsbescheid vom 22. November 2001 habe auf S. 4 sowie die Anlage 19 dazu auf S. 3 einen eindeutigen Hinweis auf die monatliche Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen EU in voller Höhe von EUR 325,00 enthalten. Die entsprechenden Hinweise seien eindeutig und unmissverständlich. Der Kläger hätte sich somit nicht damit begnügen dürfen, von einer zulässigen Hinzuverdienstgrenze von EUR 400,00 auszugehen; vielmehr hätte er sich vor Aufnahme der Tätigkeit mit einem entsprechenden Bruttoverdienst beim Rentenversicherungsträger erkundigen müssen, ob sich der Hinzuverdienst im zulässigen Rahmen halte. Über die klaren und unmissverständlichen Hinweise im Bewilligungsbescheid habe sich der Kläger, auch wenn er nicht mit dem Sozialversicherungsrecht befasst gewesen sei, nicht hinwegsetzen dürfen. Insoweit bestehe für jeden Bescheidempfänger die Obliegenheit, an ihn adressierte Bescheide zu lesen. Tue er dies nicht, könne er sich nicht mit Nichtwissen exkulpieren. Im Übrigen lägen auch Anhaltspunkte dafür, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Klägers eingeschränkt gewesen seien, nicht vor. Die vom SG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und Teile der Literatur vertretene Auffassung, eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X könne nur in Höhe des über der Hinzuverdienstgrenze liegenden Mehrverdienstes erfolgen, sei nicht überzeugend. Insoweit verweise sie weiterhin auf die Ausführung von Einem in der Zeitschrift "Die Sozialversicherung" 1996 S. 5/6. Aus den darin genannten Gründen folgten die Rentenversicherungsträger der Entscheidung des BSG vom 23. März 1995 nicht, unabhängig davon, dass das BSG diese Rechtsprechung auch zu anderen Rechtsgebieten, wie dem Recht der Arbeitslosenversicherung und dem Kindergeldrecht, bestätigt habe. Von einer ständigen Rechtsprechung des BSG könne insoweit nicht gesprochen werden. Die Frage, ob insoweit eine rückwirkende Aufhebung sich nur auf die Höhe des "Mehrverdienstes" beschränken dürfe, habe nach wie vor grundsätzliche Bedeutung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. November 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Das SG habe ihn persönlich angehört und sich einen eigenen Eindruck von seinen intellektuellen Fähigkeiten verschafft. Das SG habe danach und aufgrund der Komplexität sowohl der gesetzlichen Regelungen als auch der Hinweise im Rentenbescheid den hier erforderlichen Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit überzeugend verneint. Diese Bewertung werde auch durch den Hinweis der Beklagten im Internet vom 24. April 2006, wonach bei Jobs neben der Rente aufgepasst werden müsse, bestätigt. Offenbar sei eine Verwechslung der Hinzuverdienstgrenzen nicht ganz selten und nicht auf Minderbegabte, Trunksüchtige und geistig-seelisch Erkrankte beschränkt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch teilweise begründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 und des weiteren Bescheids vom 06. Oktober 2005 ist entgegen der Ansicht des SG rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit es um die teilweise Aufhebung vom 01. September bis 31. Dezember 2003 und vom 01. März bis 31. Juli 2004 sowie die volle Rückforderung der für diese Zeit gewährten überzahlten Rente wegen EU (anstelle von Rente wegen BU in voller Höhe) geht. Soweit es um die teilweise Aufhebung für die Monate Januar und Februar 2004 geht, ist die Berufung nicht begründet, auch nicht hinsichtlich der Rückforderung für diese beiden Monate.
Zu Recht hat die Beklagte, was auch vom Kläger nicht bestritten wird, festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf den erzielten monatlichen Hinzuverdienst von 400,- EUR nur Rente wegen BU in voller Höhe zugestanden hat. Dies gilt für die Zeit vom 01. September bis 31. Dezember 2003, ferner vom 01. März bis 31. Juli 2004. Dies gilt jedoch, wie von der Beklagten mit dem Bescheid vom 06. Oktober 2005 anerkannt, im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB VI nicht für die zwei Monate Juli und August 2003, weil ein zweimaliges Überschreiten des Hinzuverdienstes um jeweils einen Betrag nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Dies gilt aber auch nicht, soweit die Hinzuverdienstgrenze im Januar und Februar 2004 entsprechend überschritten wurde, weil § 96a Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB VI für jedes Kalenderjahr gilt. Das SG hat zwar zutreffend die Voraussetzungen für die Bescheidaufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X dargestellt. Es hat jedoch zu Unrecht verneint, dass beim Kläger im Hinblick auf die Nrn. 2 (soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist) bzw. 4 (soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebene Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist) des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise nicht verstanden hat. Hier geht der Senat davon aus, dass der Bescheid vom 22. November 2001 klare und eindeutige Hinweise (Seite 3/4 des Bescheids und Seite 3 der Anlage 19) auf die Mitteilung der Aufnahme einer Beschäftigung mit einem monatlichen Hinzuverdienst von mehr als 325,- EUR enthalten hat, dass mithin auch kein Anspruch auf Rente wegen EU bei einem Hinzuverdienst von mehr als 325,- EUR pro Monat bestanden hat. Aufgrund dieser Hinweise, die der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen im Klageverfahren auch gelesen hat, war ihm eindeutig und unmissverständlich vor Augen geführt worden, dass ihm Rente wegen EU nicht mehr zustehen würde, sobald der zu meldende Hinzuverdienst den Betrag von 325,- EUR im Monat überschreiten würde. Insoweit lag beim Kläger - entsprechend diesen Hinweisen - der Hinzuverdienst tatsächlich bis Juni 2003 auch lediglich bei 325,- EUR pro Monat. Einen auf nur leichte Fahrlässigkeit beruhenden Irrtum, dass dann ab 01. Juli 2003 diese Hinzuverdienstgrenze auf 400,- EUR pro Monat angehoben worden sein könnte, vermag der Senat nicht zu bejahen, zumal in der Anlage 19 zum Rentenbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 325,- EUR sich nicht verändere. Angesichts der angegebenen, eindeutig bezifferten Hinzuverdienstgrenze, die der Kläger zunächst auch eingehalten hatte, hätte sich ihm wie jedem anderen Versicherten im Juli 2003 eine Nachfrage bei der Beklagten aufdrängen müssen, wenn er tatsächlich der Meinung gewesen sein sollte, dass er nun ab Juli 2003, für die Rente wegen EU unschädlich, nunmehr einen Hinzuverdienst in Höhe der sog. Geringfügigkeitsgrenze von 400, EUR hätte erzielen dürfen. Indem der Kläger eine solche Nachfrage beim Rentenversicherungsträger und damit auch die Meldung eines Hinzuverdienstes von nunmehr 400,- EUR nicht getätigt hat, hat er grob fahrlässig gehandelt. Im Übrigen ergäbe sich auch keine plausible Erklärung dafür, dass der Kläger seinen Hinzuverdienst dann ab August 2004 wieder von 400,- EUR auf 325,- EUR vermindert hat. Es ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise auf die Hinzuverdienstgrenze nicht verstanden haben könnte. Insoweit lässt der Senat nicht unberücksichtigt, dass der Kläger im Geschäftsleben bis 26. Februar 2001 auch selbstständig tätig war. Auf die Mitteilung im Intranet der Beklagten vom 24. April 2006 kann sich der Kläger für die hier maßgebende Zeit von Juli 2003 bis Juli 2004 bzw. von September bis Dezember 2003 und März bis Juli 2004 nicht berufen. Wenn es in der genannten Mitteilung unter der Überschrift "bei Job neben der Rente" heißt, dass die Hinzuverdienstgrenze für Rentner unter 65 bisweilen mit der Verdienstgrenze für Minijobber verwechselt werde, die bei 400,- EUR liege, ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger, dem die Hinzuverdienstgrenze betragsmäßig klar vor Augen geführt worden war, sich allgemein auf einen derartigen Irrtum auch bei ihm berufen könnte. Das Vorliegen eines atypischen Falles, der hier die Ausübung von Ermessen bei der teilweisen Bescheidrücknahme für die Vergangenheit geboten haben könnte, kann nicht bejaht werden. Die Beklagte hat den sich wegen der Bescheidaufhebung nach § 50 SGB X ergebenen Erstattungsbetrag an sich zutreffend berechnet. Allerdings ist der Erstattungsbetrag ebenfalls um die zurückgeforderten Beiträge für Januar und Februar 2004 zu vermindern. Der Erstattungsbetrag beträgt EUR 3.238,21 (= EUR 3.960,79 - 2 mal EUR 361,29). Da es hier auf das Vorliegen allein der Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht ankam, schied eine von der Rechtsprechung des BSG angenommene Begrenzung des Erstattungsbetrags auf die Höhe des 325,- EUR überschreitenden Mehrverdienstes aus, da diese Rechtsprechung des BSG bei den Nrn. 2 und 4 ohnehin keine Anwendung findet.
Danach war das Urteil des SG abzuändern und die Berufung zurückzuweisen, soweit es um die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate Januar und Februar 2004, die Klage jedoch abzuweisen, soweit es um die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate September bis Dezember 2003 und März bis Juli 2004 geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei der Senat berücksichtigt, dass die Beklagte im Verlauf des Klageverfahrens im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI, wonach ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt, die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate Juli und August 2003 ausgenommen und den Rückzahlungsbetrag um 722,58 EUR reduziert hat, ferner, dass auch die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die beiden Monate Januar und Februar 2004 nicht gerechtfertigt war.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger ein Drittel seiner außergerichtlichen Kosten des Klageverfahrens und ein Fünftel seiner außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten die teilweise Aufhebung der Bewilligung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU) und die Rückforderung überzahlter Renten wegen Hinzuverdienst für die Zeit vom 01. September 2003 bis 31. Juli 2004 in Höhe von EUR 3.960,79.
Der am 1944 geborene verheiratete Kläger ist gelernter Flaschner und Installateur. Er war zuletzt als Baggerführer sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Bis zu dessen Übergabe an seine Ehefrau am 26. Februar 2001 war auf den Namen des Klägers auch ein Betrieb, dessen Gegenstand die Vermietung von Toilettenwagen war, gewerberechtlich angemeldet. Auf einen Antrag auf Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bewilligte die frühere Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg (jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg, im Folgenden einheitlich als Beklagte bezeichnet) dem Kläger zunächst mit Bescheid vom 18. Mai 2001 Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU), weil der Kläger ab 06. März 2000 berufsunfähig sei. Unter Angabe der Hinzuverdienstgrenzen wurde die Rente wegen BU zunächst in voller Höhe gezahlt, weil der Hinzuverdienst unter der zulässigen Hinzuverdienstgrenze lag. Mit Bescheid vom 04. September 2001 wurde diese Rente wegen BU im Hinblick auf die Änderung der Höhe des Hinzuverdienstes für die Zeit vom 01. August bis 30. September 2001 neu berechnet und eine Überzahlung von DM 1.842,31 festgestellt. Insoweit ergab sich aufgrund eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld für August 2001 nur noch ein Anspruch auf Rente wegen BU in Höhe von zwei Dritteln; ab 01. September 2001 ergab sich kein Anspruch auf Auszahlungsbeträge mehr. Auf den Widerspruch des Klägers, mit dem er auch Anspruch auf Rente wegen EU geltend gemacht hatte, bewilligte die Beklagte dem Kläger dann mit Bescheid vom 22. November 2001 ab 28. April 2000 Rente wegen EU mit einem monatlichen Zahlbetrag von anfangs DM 2.023,94 (ab 01. Juli 2003 EUR 1.083,95; ab 01. April 2004 EUR 1.073,90). Auf S. 3/4 des Rentenbescheids waren "Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten" aufgeführt. So hieß es wörtlich:
Für die Anerkennung des Rentenanspruchs sind die Verhältnisse des Arbeitsmarktes ausschlaggebend gewesen. Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns jede Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit unverzüglich mitzuteilen. Liegt bei Aufnahme bzw. Ausübung einer Beschäftigung weiterhin Erwerbsunfähigkeit vor, wird die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht oder in verminderter Höhe geleistet, sofern durch den Bruttoverdienst die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschritten wird. Die Hinzuverdienstgrenze beträgt monatlich 325,00 EUR. Wird diese Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit nicht während eines gesamten Kalendermonats ausgeübt, gilt eine entsprechend anteilige, also verminderte Hinzuverdienstgrenze ... Daher besteht die gesetzliche Verpflichtung, uns die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung bzw. den Bezug oder die Beantragung einer der genannten Sozialleistungen unverzüglich mitzuteilen.
Zur Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen wurde auf die Anlage 19 zum Rentenbescheid verwiesen. Darin wurden die Hinzuverdienstgrenzen dargestellt. Unter anderem hieß es:
Für die Zeit ab 01.01.2002 ...Die monatliche Hinzuverdienstgrenze beträgt bei einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in voller Höhe monatlich 325,00 EUR ... Die Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 325,00 EUR verändert sich nicht ...
Der Kläger erhielt auch Leistungen der Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes. Der Kläger war seit 01. Januar 2003 noch als Arbeiter geringfügig bei der L. + M. Maschinen- und Zerspanungstechnik GmbH in H. beschäftigt. Er verdiente von Januar bis Juni 2003 monatlich EUR 325,00, von Juli 2003 bis Juli 2004 monatlich EUR 400,00 und ab August 2004 wieder monatlich EUR 325,00. Dieser Verdienst wegen geringfügiger Beschäftigung wurde ermittelt, nachdem der Kläger im am 08. Juli 2004 gestellten Altersrentenantrag angegeben hatte, geringfügig beschäftigt zu sein. Die Beklagte erhob entsprechende Bescheinigungen der GmbH. Mit Schreiben vom 09. Februar 2005 hörte die Beklagte den Kläger dazu an, dass aufgrund des Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) beabsichtigt sei, den Bescheid vom 22. November 2001 über die Gewährung von Rente wegen EU für die Zeit vom 01. Juli 2003 bis 31. Juli 2004 teilweise aufzuheben, wobei sich eine Überzahlung in Höhe von EUR 4.683,37 ergebe, die nach § 50 SGB X zurückgefordert werden solle. Wegen des in der genannten Zeit erzielten Bruttoarbeitsentgelts in Höhe von EUR 400,00 monatlich wäre in dieser Zeit nur EU-Rente in Höhe einer vollen BU-Rente (ab 01. Juli 2003 monatlich EUR 722,66 und ab 01. April 2004 monatlich EUR 715,96) zu zahlen gewesen. Die Hinzuverdienstgrenze für die EU-Rente habe ab 01. Juli 2003 bei EUR 340,00 und ab 01. Januar 2004 bei EUR 345,00 gelegen. Im Rahmen der Anhörung teilte zunächst der Arbeitgeber des Klägers mit, es sei seine Schuld, dass der Kläger in der genannten Zeit auf 400-Euro-Basis beschäftigt gewesen sei. Er hatte sich bereit erklärt, die Überzahlung zu begleichen, wobei ihm die Beklagte, dies auch schriftlich am 23. Februar 2005, Ratenzahlungen über 15 Monate, beginnend am 01. März 2005, angeboten hatte. Am 28. Februar 2005 erließ die Beklagte gegenüber dem Kläger den dem Anhörungsschreiben entsprechenden Teilaufhebungs- und Rückforderungsbescheid. Gegen diesen Bescheid erhob der Arbeitgeber am 08. März 2005 und der Kläger am 22. März 2005 Widerspruch. Der Kläger machte geltend, den Bescheid vom 28. Februar 2005 nicht zu verstehen. Er war vergleichsweise bereit, den Differenzbetrag zwischen dem Hinzuverdienst von EUR 400,00 und der Hinzuverdienstgrenze für die Zeit von 13 Monaten in monatlichen Raten von jeweils EUR 125,00 zurückzuzahlen. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Widerspruchsausschusses vom 18. Mai 2005 wurde ausgeführt, der Bescheid sei aufgrund des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X mit Rückwirkung teilweise aufzuheben gewesen. Der Kläger sei seiner aus dieser Vorschrift ergebenden Pflicht bezüglich der Mitteilung von Einkommen, welches zur Minderung des Anspruchs auf Rente wegen EU geführt habe, weil es über der Hinzuverdienstgrenze gelegen habe, nicht nachgekommen. Soweit der Kläger die Meinung vertrete, dass nur die Differenz zwischen der Hinzuverdienstgrenze und dem eigenen Verdienst zu erstatten sei, liege eine Fehlinterpretation vor. Wegen der bestehenden Hinzuverdienstgrenze habe nur noch ein Anspruch auf Rente wegen BU in voller Höhe bestanden.
Deswegen erhob der Kläger am 15. Juni 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Heilbronn. Während des Klageverfahrens nahm die Beklagte den Bescheid vom 28. Februar 2005 mit dem weiteren Bescheid vom 06. Oktober 2005 im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) teilweise zurück; da die Überschreitung der Hinzuverdienstgrenze für zwei Monate, d.h. im Juli und August 2003, nicht rentenschädlich gewesen sei, reduziere sich der Rückforderungsbetrag auf EUR 3.960,79 (= EUR 4.683,37 - 2 mal EUR 361,29).
Der Kläger machte geltend, im Ausgangsbescheid nicht ausreichend über seine Mitteilungspflichten informiert worden zu sein. Er habe keinen Anlass gehabt, sein Arbeitsentgelt, das die Entgeltgeringfügigkeitsgrenze von EUR 400,00 nicht überschritten habe, der Beklagten zu melden. Zwar habe er den Rentenbescheid vom 22. November 2001 auch hinsichtlich der Passage über die Hinzuverdienstgrenze gelesen. Überall habe in der Zeitung etwas über 400-Euro-Jobs gestanden. Er habe gedacht, der Betrag von EUR 400,00 entspreche der Hinzuverdienstgrenze, sodass die Hinzuverdienstgrenze und der 400-Euro-Job das gleiche seien. Er habe allenfalls leicht fahrlässig gehandelt. Insoweit sei ein subjektiver Maßstab anzulegen. Die Beklagte habe selbst in einer Pressemitteilung vom 22. März 2006 ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Hinzuverdienstgrenze für Rentner unter 65 Jahren bisweilen mit der Verdienstgrenze für Minijobber verwechselt werde, die bei EUR 400,00 liege. Da die Beklagte selbst auf diese Verwechslungsgefahr hingewiesen habe, sei sein Begehren gerechtfertigt. Soweit Rechtsgrundlage der Bescheidaufhebung § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sei, sei die Aufhebung und Rückforderung auf die Beträge beschränkt, um die der Hinzuverdienst die gesetzliche Hinzuverdienstgrenze überschreite, was sich aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ergebe. Die Beklagte trat der Klage entgegen. Die Hinzuverdienstgrenze von EUR 325,00 sei im Rentenbescheid auf S. 4 ausdrücklich erwähnt worden. Es sei der Kläger auch darauf hingewiesen worden, dass er gesetzlich verpflichtet sei, dem Rentenversicherungsträger die Aufnahme oder Ausübung einer über diesen Rahmen hinausgehenden Beschäftigung mitzuteilen. Zur Berechnung der Hinzuverdienstgrenzen sei auf die Anlage 19 des Bescheids verwiesen worden. Auch darin seien weitere Informationen enthalten gewesen. Soweit es der Kläger versäumt habe, sich beim Rentenversicherungsträger bezüglich der Höhe der im strittigen Zeitraum maßgebenden Hinzuverdienstgrenzen zu erkundigen und die Hinzuverdienstgrenzen irrtümlich mit der Höhe einer geringfügigen Beschäftigung nach § 8 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB IV) verwechselt worden sei, könne dies nicht zu ihren Lasten gehen. Jede Aufnahme einer Beschäftigung sei unverzüglich mitzuteilen gewesen. Aufgrund der vorangegangenen Berichtigungen der Höhe der Rente wegen BU nach § 96a des Sechsten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) habe der Kläger auch gewusst, dass die Überschreitung von Hinzuverdienstgrenzen zu einem geringeren Rentenanspruch führen würde. Der Kläger hätte daher hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenzen sensibilisiert sein müssen. Erst bei der Beantragung der Altersrente für schwerbehinderte Menschen habe er angegeben, geringfügig tätig zu sein. Wäre er seiner Mitteilungspflicht jedoch unverzüglich nachgekommen, hätte die hohe Überzahlung vermieden werden können. Der Kläger könne sich auch nicht darauf berufen, die Höhe der Hinzuverdienstgrenze mit der Geringfügigkeitsgrenze verwechselt zu haben. Auch insoweit hätte der Kläger sich beim Rentenversicherungsträger hinsichtlich eines rentenunschädlichen Hinzuverdienstes informieren müssen. Er hätte nicht auf die Angaben seines Arbeitgebers vertrauen dürfen. Dass das Problem in der vorgelegten Pressemitteilung vom 24. April 2006 nochmals thematisiert worden sei, entlaste den Kläger nicht. Dieser sei im Übrigen auch in den Rentenanpassungsmitteilungen vom 23. Mai 2002 und 27. Mai 2003 u.a. über die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen informiert worden. Der Kläger habe von August bis Dezember 2004 lediglich monatlich EUR 325,00 verdient, obwohl die Geringfügigkeitsgrenze bei EUR 400,00 gelegen habe. Da der Kläger sich ab August 2004 nicht an der Geringfügigkeitsgrenze orientiert habe, erscheine es unglaubwürdig, dass er sich im Zeitraum davor danach gerichtet haben wolle. Grund für das geringere Entgelt ab August 2004 könne jedenfalls nicht das Anhörungsschreiben vom 09. Februar 2005 oder der Rentenbescheid vom 13. August 2004 sein, der eine Hinzuverdienstgrenze von EUR 345,00 ausweise. Das geringfügige Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze oder die angegebene Verwechslung mit der Geringfügigkeitsgrenze führe auch nicht zur Annahme eines atypischen Falles nach § 48 SGB X, weshalb auch keine Ermessensausübung erforderlich gewesen sei. Der vom Kläger zitierten Rechtsprechung hinsichtlich der Begrenzung des Erstattungsanspruchs in den Fällen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X folge sie, wie die anderen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung, generell nicht, weil sie nach ihrer Überzeugung der Konzeption des besonderen materiellen Sozialrechts widerspreche. Mit Urteil vom 23. November 2006 hob das SG den Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 und des Bescheids vom 06. Oktober 2005 insoweit auf, als die Beklagte vom Kläger einen über die Hinzuverdienstgrenze einer Rente wegen EU hinausgehenden Betrag zurückfordert. Im Übrigen wies es die Klage ab. Es führte aus, die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 4 SGB X seien nicht gegeben. Im Hinblick auf eine eventuelle Mitteilungspflicht habe der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gehandelt. Nach Überzeugung des SG sei davon auszugehen, dass der Kläger die im Rentenbescheid festgelegte Hinzuverdienstgrenze mit der Grenze zur Versicherungspflicht verwechselt und angenommen habe, dass eine nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB IV versicherungsfreie Tätigkeit von ihm ausgeübt werden könne. Dies komme auch in seinen Angaben im Erörterungstermin vom 24. Januar 2006 zum Ausdruck. Zu beachten sei dabei, dass nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV das maximale regelmäßige Arbeitsentgelt für eine geringfügige Beschäftigung ab 01. Januar 2002 EUR 325,00 im Monat und ab 01. April 2003 EUR 400,00 im Monat betragen habe. Soweit die Beklagte im Rentenbescheid vom 22. November 2001 darauf hingewiesen habe, dass sich die Hinzuverdienstgrenze von EUR 325,00 nicht ändere, hätte die Sorgfalt vor dem Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze eine Rückfrage beim Rentenversicherungsträger oder einer anderen geeigneten Stelle geboten. Dass der Kläger dies nicht getan habe, sei zwar fahrlässig, nicht jedoch grob fahrlässig. Im Übrigen sei die Angabe, dass sich eine Hinzuverdienstgrenze nicht verändere, nicht ganz richtig. Dies werde auch durch die Ausführungen der Beklagten im Anhörungsschreiben vom 09. Februar 2005 belegt. Für nicht mit dem Sozialversicherungsrecht befasste Versicherte sei nicht ohne Weiteres verständlich, dass ein Unterschied zwischen der Hinzuverdienstgrenze und der Grenze zur Versicherungspflicht bestehe, wenn dabei zeitweise der gleiche Betrag entscheidend gewesen sei. Dies werde auch durch die Pressemitteilung der Beklagten vom 24. April 2006 in ihrer Homepage deutlich. Auch die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X seien nicht erfüllt. Der Kläger habe nach Überzeugung des Gerichts kein positives Wissen darüber gehabt, dass sein Anspruch auf Rente wegen EU mit dem mehr als zweimaligem Überschreiten der Höchstverdienstgrenze nach § 313 SGB VI i.V.m. § 96a SGB VI teilweise entfallen sei. Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X seien zwar erfüllt. Die Rückforderung der Beklagten sei insoweit jedoch nur berechtigt gewesen, als die Beklagte das vom Kläger im streitigen Zeitraum erzielte Einkommen zurückfordere, das über die Hinzuverdienstgrenze einer Rente wegen Erwerbsminderung hinausgegangen sei. Die Aufhebung und Rückforderung sei nur berechtigt, "soweit" Einkommen oder Vermögen erzielt worden sei. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich auch Teile der Literatur angeschlossen hätten, könne eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids insoweit nur in Höhe des Mehrverdienstes erfolgen. Andernfalls würde der Wortlaut der gesetzlichen Bestimmung, der auf das Einkommen oder Vermögen, das erzielt worden sei, abstelle, außer Betracht gelassen werden.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntis am 13. Dezember 2006 zugestellte Urteil hat diese am 14. Dezember 2006 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe den in § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X verwendeten Begriff der "groben Fahrlässigkeit" verkannt. Wenn ein Versicherter im Verwaltungsverfahren oder im Verwaltungsakt selbst unmissverständlich auf bestehende Mitteilungspflichten hingewiesen worden sei, er aber dennoch entsprechende Meldungen unterlasse, liege regelmäßig grobe Fahrlässigkeit vor. Auch müsse sich ein Versicherter in aller Regel eine Verletzung der erforderlichen Sorgfalt in besonders schwerem Maße vorhalten lassen, wenn er trotz eindeutiger und klarer Hinweise in Merkblättern oder Bescheiden des Versicherungsträgers nicht gewusst habe, dass er auf die bewilligte Leistung wegen einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse keinen Anspruch mehr gehabt habe. Der Bewilligungsbescheid vom 22. November 2001 habe auf S. 4 sowie die Anlage 19 dazu auf S. 3 einen eindeutigen Hinweis auf die monatliche Hinzuverdienstgrenze für eine Rente wegen EU in voller Höhe von EUR 325,00 enthalten. Die entsprechenden Hinweise seien eindeutig und unmissverständlich. Der Kläger hätte sich somit nicht damit begnügen dürfen, von einer zulässigen Hinzuverdienstgrenze von EUR 400,00 auszugehen; vielmehr hätte er sich vor Aufnahme der Tätigkeit mit einem entsprechenden Bruttoverdienst beim Rentenversicherungsträger erkundigen müssen, ob sich der Hinzuverdienst im zulässigen Rahmen halte. Über die klaren und unmissverständlichen Hinweise im Bewilligungsbescheid habe sich der Kläger, auch wenn er nicht mit dem Sozialversicherungsrecht befasst gewesen sei, nicht hinwegsetzen dürfen. Insoweit bestehe für jeden Bescheidempfänger die Obliegenheit, an ihn adressierte Bescheide zu lesen. Tue er dies nicht, könne er sich nicht mit Nichtwissen exkulpieren. Im Übrigen lägen auch Anhaltspunkte dafür, dass die Erkenntnismöglichkeiten des Klägers eingeschränkt gewesen seien, nicht vor. Die vom SG unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und Teile der Literatur vertretene Auffassung, eine rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X könne nur in Höhe des über der Hinzuverdienstgrenze liegenden Mehrverdienstes erfolgen, sei nicht überzeugend. Insoweit verweise sie weiterhin auf die Ausführung von Einem in der Zeitschrift "Die Sozialversicherung" 1996 S. 5/6. Aus den darin genannten Gründen folgten die Rentenversicherungsträger der Entscheidung des BSG vom 23. März 1995 nicht, unabhängig davon, dass das BSG diese Rechtsprechung auch zu anderen Rechtsgebieten, wie dem Recht der Arbeitslosenversicherung und dem Kindergeldrecht, bestätigt habe. Von einer ständigen Rechtsprechung des BSG könne insoweit nicht gesprochen werden. Die Frage, ob insoweit eine rückwirkende Aufhebung sich nur auf die Höhe des "Mehrverdienstes" beschränken dürfe, habe nach wie vor grundsätzliche Bedeutung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 23. November 2006 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das angegriffene Urteil für zutreffend. Das SG habe ihn persönlich angehört und sich einen eigenen Eindruck von seinen intellektuellen Fähigkeiten verschafft. Das SG habe danach und aufgrund der Komplexität sowohl der gesetzlichen Regelungen als auch der Hinweise im Rentenbescheid den hier erforderlichen Verschuldensgrad der groben Fahrlässigkeit überzeugend verneint. Diese Bewertung werde auch durch den Hinweis der Beklagten im Internet vom 24. April 2006, wonach bei Jobs neben der Rente aufgepasst werden müsse, bestätigt. Offenbar sei eine Verwechslung der Hinzuverdienstgrenzen nicht ganz selten und nicht auf Minderbegabte, Trunksüchtige und geistig-seelisch Erkrankte beschränkt.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig. Sie ist auch teilweise begründet, denn der Bescheid der Beklagten vom 28. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Mai 2005 und des weiteren Bescheids vom 06. Oktober 2005 ist entgegen der Ansicht des SG rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, soweit es um die teilweise Aufhebung vom 01. September bis 31. Dezember 2003 und vom 01. März bis 31. Juli 2004 sowie die volle Rückforderung der für diese Zeit gewährten überzahlten Rente wegen EU (anstelle von Rente wegen BU in voller Höhe) geht. Soweit es um die teilweise Aufhebung für die Monate Januar und Februar 2004 geht, ist die Berufung nicht begründet, auch nicht hinsichtlich der Rückforderung für diese beiden Monate.
Zu Recht hat die Beklagte, was auch vom Kläger nicht bestritten wird, festgestellt, dass dem Kläger im Hinblick auf den erzielten monatlichen Hinzuverdienst von 400,- EUR nur Rente wegen BU in voller Höhe zugestanden hat. Dies gilt für die Zeit vom 01. September bis 31. Dezember 2003, ferner vom 01. März bis 31. Juli 2004. Dies gilt jedoch, wie von der Beklagten mit dem Bescheid vom 06. Oktober 2005 anerkannt, im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB VI nicht für die zwei Monate Juli und August 2003, weil ein zweimaliges Überschreiten des Hinzuverdienstes um jeweils einen Betrag nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Dies gilt aber auch nicht, soweit die Hinzuverdienstgrenze im Januar und Februar 2004 entsprechend überschritten wurde, weil § 96a Abs. 1 Satz 2 letzter Halbsatz SGB VI für jedes Kalenderjahr gilt. Das SG hat zwar zutreffend die Voraussetzungen für die Bescheidaufhebung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X dargestellt. Es hat jedoch zu Unrecht verneint, dass beim Kläger im Hinblick auf die Nrn. 2 (soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist) bzw. 4 (soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebene Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist) des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X grob fahrlässig gehandelt hat. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat. Dabei ist die Außerachtlassung von klaren und eindeutigen Hinweisen in einem Bescheid grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise nicht verstanden hat. Hier geht der Senat davon aus, dass der Bescheid vom 22. November 2001 klare und eindeutige Hinweise (Seite 3/4 des Bescheids und Seite 3 der Anlage 19) auf die Mitteilung der Aufnahme einer Beschäftigung mit einem monatlichen Hinzuverdienst von mehr als 325,- EUR enthalten hat, dass mithin auch kein Anspruch auf Rente wegen EU bei einem Hinzuverdienst von mehr als 325,- EUR pro Monat bestanden hat. Aufgrund dieser Hinweise, die der Kläger nach seinem eigenen Vorbringen im Klageverfahren auch gelesen hat, war ihm eindeutig und unmissverständlich vor Augen geführt worden, dass ihm Rente wegen EU nicht mehr zustehen würde, sobald der zu meldende Hinzuverdienst den Betrag von 325,- EUR im Monat überschreiten würde. Insoweit lag beim Kläger - entsprechend diesen Hinweisen - der Hinzuverdienst tatsächlich bis Juni 2003 auch lediglich bei 325,- EUR pro Monat. Einen auf nur leichte Fahrlässigkeit beruhenden Irrtum, dass dann ab 01. Juli 2003 diese Hinzuverdienstgrenze auf 400,- EUR pro Monat angehoben worden sein könnte, vermag der Senat nicht zu bejahen, zumal in der Anlage 19 zum Rentenbescheid ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass die Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 325,- EUR sich nicht verändere. Angesichts der angegebenen, eindeutig bezifferten Hinzuverdienstgrenze, die der Kläger zunächst auch eingehalten hatte, hätte sich ihm wie jedem anderen Versicherten im Juli 2003 eine Nachfrage bei der Beklagten aufdrängen müssen, wenn er tatsächlich der Meinung gewesen sein sollte, dass er nun ab Juli 2003, für die Rente wegen EU unschädlich, nunmehr einen Hinzuverdienst in Höhe der sog. Geringfügigkeitsgrenze von 400, EUR hätte erzielen dürfen. Indem der Kläger eine solche Nachfrage beim Rentenversicherungsträger und damit auch die Meldung eines Hinzuverdienstes von nunmehr 400,- EUR nicht getätigt hat, hat er grob fahrlässig gehandelt. Im Übrigen ergäbe sich auch keine plausible Erklärung dafür, dass der Kläger seinen Hinzuverdienst dann ab August 2004 wieder von 400,- EUR auf 325,- EUR vermindert hat. Es ist auch nicht feststellbar, dass der Kläger nach seiner Persönlichkeitsstruktur und seinem Bildungsstand die Hinweise auf die Hinzuverdienstgrenze nicht verstanden haben könnte. Insoweit lässt der Senat nicht unberücksichtigt, dass der Kläger im Geschäftsleben bis 26. Februar 2001 auch selbstständig tätig war. Auf die Mitteilung im Intranet der Beklagten vom 24. April 2006 kann sich der Kläger für die hier maßgebende Zeit von Juli 2003 bis Juli 2004 bzw. von September bis Dezember 2003 und März bis Juli 2004 nicht berufen. Wenn es in der genannten Mitteilung unter der Überschrift "bei Job neben der Rente" heißt, dass die Hinzuverdienstgrenze für Rentner unter 65 bisweilen mit der Verdienstgrenze für Minijobber verwechselt werde, die bei 400,- EUR liege, ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger, dem die Hinzuverdienstgrenze betragsmäßig klar vor Augen geführt worden war, sich allgemein auf einen derartigen Irrtum auch bei ihm berufen könnte. Das Vorliegen eines atypischen Falles, der hier die Ausübung von Ermessen bei der teilweisen Bescheidrücknahme für die Vergangenheit geboten haben könnte, kann nicht bejaht werden. Die Beklagte hat den sich wegen der Bescheidaufhebung nach § 50 SGB X ergebenen Erstattungsbetrag an sich zutreffend berechnet. Allerdings ist der Erstattungsbetrag ebenfalls um die zurückgeforderten Beiträge für Januar und Februar 2004 zu vermindern. Der Erstattungsbetrag beträgt EUR 3.238,21 (= EUR 3.960,79 - 2 mal EUR 361,29). Da es hier auf das Vorliegen allein der Voraussetzung des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X nicht ankam, schied eine von der Rechtsprechung des BSG angenommene Begrenzung des Erstattungsbetrags auf die Höhe des 325,- EUR überschreitenden Mehrverdienstes aus, da diese Rechtsprechung des BSG bei den Nrn. 2 und 4 ohnehin keine Anwendung findet.
Danach war das Urteil des SG abzuändern und die Berufung zurückzuweisen, soweit es um die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate Januar und Februar 2004, die Klage jedoch abzuweisen, soweit es um die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate September bis Dezember 2003 und März bis Juli 2004 geht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, wobei der Senat berücksichtigt, dass die Beklagte im Verlauf des Klageverfahrens im Hinblick auf § 96a Abs. 1 Satz 2 SGB VI, wonach ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze nach Abs. 2 im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt, die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die Monate Juli und August 2003 ausgenommen und den Rückzahlungsbetrag um 722,58 EUR reduziert hat, ferner, dass auch die teilweise Aufhebung und Rückforderung für die beiden Monate Januar und Februar 2004 nicht gerechtfertigt war.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Rechtskraft
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