Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 12 RJ 114/03
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 R 82/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2005 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1925 in Tschenstochau (T.) geborene Klägerin war in ihrem Geburtsort nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und ist als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Nach einem Aufenthalt im DP-Lager Deggendorf / Stuttgart, wo sie am 00.00.1948 ihre Tochter G gebar, wanderte sie im Juli 1949 nach Israel aus. Sie ist im Besitz der israelischen Staatsangehörigkeit.
Aus den vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (Wiedergutmachung) beigezogenen Entschädigungsakten der Klägerin ergibt sich folgendes:
In einem am 01.02.1955 von der Klägerin gestellten Antrag gab sie an, von Januar 1940 bis Ende 1942 im großen Ghetto, von Ende 1942 bis Frühling 1943 im kleinen Ghetto und von Frühling 1943 bis Januar 1945 im Zwangsarbeitslager I in Tschenstochau nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 06.05.1956 erklärte die Klägerin: noch 1939 hätten sie Säuberungs- und Aufräumarbeiten aller Art zwangsweise leisten müssen und seien Anfang 1940 in das Ghetto T. eingewiesen worden. Schon damals sei dieses Ghetto gesondert und von SS bewacht gewesen, ebenso von deutscher und polnischer Polizei. Auf das Verlassen haben die Todesstrafe gestanden. Ende 1942 habe die sogenannte Aussiedlung begonnen und es seien ihre Eltern und ihr Bruder von der SS vernichtet worden. Sie selbst und ihre Zwillingsschwester seien mit der verringerten Zahl der Ghettohäftlinge in das sogenannte kleine Ghetto T. überführt worden. Dieses Ghetto sei durch Stacheldraht hermetisch abgeschlossen und durch die SS gesichert gewesen. Sie hätten sowohl im großen als auch im kleinen Ghetto zwangsarbeiten müssen und überdies außerhalb des Ghettos unter ... bei Säuberungen und Transporten ... (Anm.: nicht weiter leserlich). Im Frühjahr 1943 sei sie in das ZAL I verbracht worden, wo sie bis zur Befreiung Anfang 1945 unausgesetzt in den I-Werken habe zwangsarbeiten müssen. Über Stuttgart und das DP-Lager Deggendorf sei sie im Juni 1949 nach Israel ausgewandert.
Die Zeugin S D bestätigte in einer eidlichen Erklärung vom 07.05.1956, sie sei Anfang 1940 in das Ghetto T. eingewiesen worden und habe dort die Klägerin kennen gelernt. Das Ghetto sei von polnischer Polizei und SS streng bewacht gewesen, sie hätten alle unausgesetzt bei Säuberungen und Transporten aller Art zwangsarbeiten und ebenso unausgesetzt den Davidstern tragen müssen. Als Ende 1942 die "große Aussiedlung" begonnen habe, die gleichbedeutend mit der Ermordung von Ghetto-Insassen durch SS gewesen sei, sei sie - ebenso wie die Klägerin - in das verkleinerte Ghetto T. gekommen, wo sie unausgesetzt zwangsarbeiteten und noch mehr und wie vorher durch Stacheldraht und SS von der Umgebung abgeschnitten gewesen seien. Zu Beginn des Frühjahres 1943 seien sie und die Klägerin in das ZAL T.-Peltsery gekommen und hätten dort in den I-Werken bis zur Befreiung im Januar 1945 zwangsgearbeitet.
Der Zeuge K B führte in einer eidlichen Erklärung vom gleichen Tage aus, nach Besetzung der Stadt T. durch deutsche Truppen wären sie zu verschiedentlichen Zwangsarbeiten herausgeholt worden. Anfang 1940 sei er - ebenso wie die Klägerin - in das Ghetto T. eingewiesen worden, welches streng bewacht gewesen sei und wo sie zwangsgearbeitet hätten bei Säuberungen und Transporten aller Art, bis Ende 1942, als die sogenannte Aussiedlung begonnen habe. Zusammen mit der Klägerin sei er in das sogenannte kleine Ghetto T. gekommen, welches die noch nicht durch SS ermordeten Ghettohäftlinge umfasst habe. Es sei durch Stacheldraht und SS gesichert gewesen und sie hätten unter ständiger Aufsicht von SS zwangsgearbeitet, bis sie im Frühjahr 1943 in das ZAL I verbracht worden seien. Hier habe die Klägerin und auch er unter ständiger Aufsicht von SS zwangsgearbeitet in den I-Werken bis zur Befreiung Mitte Januar 1945.
Die Klägerin wurde wegen Freiheitsschaden für die Zeit vom 01.12.1939 bis 23.04.1941 (Sterntragen) und vom 23.04.1941 bis 17.01.1945 (Zwangsaufenthalt in einem Ghetto, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen) für 61 Monate nach dem BEG entschädigt.
Im Antrag auf Gesundheitsschaden reichte die Klägerin eine Bestätigung ihrer israelischen Krankenkasse ein, dass sie an einer Psycho-Neurose leide, deren Ursache wahrscheinlich Folge dessen sei, dass sie 3 Jahre im Konzentrationslager (von 16 - 19 Jahren) verbracht habe. Im Antrag vom 04.02.1962 gab die Klägerin ferner auf die Frage, welche Verfolgungsmaßnahmen den Gesundheitsschaden herbeigeführt hätten, an, sie habe, 15 Jahre alt, schwerste Zwangsarbeit leisten müssen. Sie habe in dauernder Angst gelebt, selektiert zu werden. 1942 seien ihre Eltern und ihr Bruder abtransportiert worden. Sie selbst sei krank und zum Tode durch Erschießen bestimmt gewesen. Sie habe sich verborgen und sei so am Leben geblieben. Bei der Befreiung habe sie noch 35 kg gewogen.
Die Zeugin C A bestätigte in einer eidlichen Erklärung vom 08.02.1962, nach der Besetzung von Tschenstochau durch die Deutschen seien alle Juden zu Zwangsarbeiten herangezogen worden. Auch die Klägerin habe schwere Arbeiten verrichten müssen, die weit über ihre Kräfte gegangen seien. Zusammen mit der schlechten Ernährung und der Angst vor Deportation hätten diese Dinge dazu beigetragen, die Klägerin krank und nervös zu machen. 1942 habe sie beim Abtransport ihrer Eltern und ihres Bruders einen Nervenschock erlitten. Seit dieser Zeit sei sie völlig verstört gewesen, habe Gallen- und Rückenschmerzen beklagt, aber immer weiter gearbeitet, um nicht selektiert zu werden. Der Zeuge N A1 bestätigte unter dem gleichen Datum, nach Besetzung von T. durch die Deutschen sei auch die junge Klägerin zu verschiedenen Arbeiten herangezogen worden. Die Ernährung sei schlecht gewesen und man habe in ständiger Angst vor der Deportation gelebt. Bei der Deportation der Eltern habe die Klägerin einen heftigen Nervenschock erlitten und durch die schwere Arbeit habe sie Lumbago-Anfälle und Rückenschmerzen gehabt und sei sehr schwach geworden.
In einem orthopädischen vertrauenärztlichen Gutachten vom 21.02.1964 (Dr. Q) ist zur Vorgeschichte ausgeführt, beim Einmarsch der deutschen Truppen im Jahre 1939 habe die Klägerin mit 15 Jahren Zwangsarbeit leisten müssen. Von 1941 - 1945 sei sie im Lager gewesen und habe im Wasser stehend in einer Munitionsfabrik arbeiten müssen.
Der Klägerin wurden laufende Leistungen wegen Gesundheitsschadens bewilligt mit einer gegenwärtigen Rente nach einer MdE um 50 v. H ...
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente unter Hinweis auf das ZRBG. Im Formularfragebogen gab sie unter dem 29.12.2002 an, sie habe im I-Werk außerhalb des Ghettos T. gearbeitet und sei auf dem Weg zur Arbeit durch Soldaten bewacht gewesen. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig durch Vermittlung des Judenrates des Ghettos zustande gekommen. Sie habe Arbeiten verrichtet in der Qualitätskontrolle von Kugeln und sie habe Kugeln mit Sprengstoff gefüllt. Gearbeitet worden sei in zwei Schichten mit einer täglichen Arbeitszeit von 9 bis 10 Stunden. Entlohnt worden sei sie durch Essen, Lebensmitteln. Barlohn habe sie nicht erhalten. An Sachbezügen habe sie Arbeitskleidung vom Werk bekommen. Zeugen könne sie nicht mehr benennen, da alle verstorben seien.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten der Klägerin bei, stellte fest, dass das Ghetto T. am 09.04.1941 eröffnet und am 08.10.1942 liquidiert wurde und lehnte sodann mit Bescheid vom 24.03.2003 den Rentenantrag der Klägerin ab. Ein frei begründetes Arbeitsverhältnis, welches eine Vereinbarung über den Austausch von Arbeit und Lohn beinhalte sowie eine Gegenleistung, die dem Arbeitnehmer selbst zu gute gekommen sei, liege nicht vor. Die im Ghetto verrichteten Transport- und Säuberungsarbeiten seien typische Zwangsarbeiten, welche unentgeltlich auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erbracht worden seien. Während der Beschäftigung bei den I-Werken habe sie sich nicht in einem Ghetto, sondern in einem Zwangsarbeitslager aufgehalten. Den hiergegen (ohne Begründung) eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2003 zurück.
Am 26.08.2003 hat die Klägerin Klage erhoben und in einer Erklärung vom 25.11.2003 ausgeführt, sofort nach ihrer Einweisung ins Ghetto im April 1941 habe sie sich bemüht, eine Tätigkeit zu finden, um sich ernähren zu können. Dafür habe sie sich an den Judenrat gewandt und eine Arbeit in der Küche im Ghetto bekommen. Dort habe sie verschiedene Hilfsarbeiten ausgeübt, z. B. Kartoffelschälen, wie auch andere Gemüse, Geschirr waschen und Reinigungsarbeiten. Für diese Arbeit habe sie zusätzliches Essen, wie auch extra Lebensmittel (Sonderration) für zu Hause bekommen. Sie habe dort bis Oktober 1942 gearbeitet, als sie zur Arbeit bei der I verschickt worden sei. In ihrer früheren Erklärung habe sie nur die Arbeit bei der I erwähnt, da sie sich nicht viel besser erinnert habe, weil es besonders schwer gewesen sei.
Mit Urteil vom 10.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin, die im Rentenantragsverfahren ausschließlich die Tätigkeit in den I-Werken angegeben habe, habe erstmalig im Klageverfahren, nachdem die Kenntnis über die die Klage begründenden Tatsachen gewachsen gewesen sei, eine Tätigkeit in der Küche des Ghettos beschrieben, die zwar grundsätzlich geeignet wäre, zu einer Anwendung des ZRBG zu führen. Wegen der erstmalig im Klageverfahren gemachten Angaben sei es aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Tätigkeit in der beschriebenen Form ausgeübt worden sei. Im Übrigen erfülle die beschriebene Entlohnung durch Essen und zusätzliche Lebensmittel aber auch nicht den Entgeltbegriff.
Gegen das am 14.04.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.05.2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, im Ghetto T. habe wie im Ghetto Lodz eine Arbeitsverwaltung des Judenrates bestanden. Dabei sei eine Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte von 80 % des polnischen Tarifs angestrebt gewesen. Die fehlende Angabe einer freiwilligen Tätigkeit mit Lohnzahlung sei im Entschädigungsverfahren ohne Bedeutung gewesen. Entscheidend sei, dass eine Entlohnung gewährt worden sei, die zum Lebensunterhalt nach den damaligen Umständen ausgereicht habe. Die Geringfügigkeitsgrenze sei überschritten, wenn bedacht werde, wie wertvoll Lebensmittel während des Krieges gewesen seien. Zur Stützung dieses Vortrages hat die Klägerin eine ergänzende Erklärung vom 29.05.2005 eingereicht, mit der sie ihren bisherigen Vortrag zur Arbeit in der Küche des Ghettos wiederholt und ausführt, als Lohn habe sie täglich Essen bekommen und wöchentlich Lebensmittelpakete für zu Hause. Die Lebensmittelpakete hätten Kartoffeln, Marmelade, Margarine, Öl, Brot, Zucker enthalten. Auch habe sie hier und da alte Arbeitskleider bekommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2003 zu verurteilen, der Klägerin eine Versicherungsunterlage über die Tätigkeit von April 1941 - Oktober 1942 nach dem ZRBG herzustellen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Senates hat sich der Bevollmächtigte mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage des Entgelts im Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R - auseinander gesetzt und die Auffassung vertreten, dass für das Ghetto T. zur Frage der Entlohnung ein historisches Gutachten einzuholen sei. Ferner hat er eine Auskunft des Staatsarchivs in Czestochowa vom 10.03.2006 sowie Auskünfte des Jüdischen Historischen Instituts vom 21.03.2006 - erstellt für das Sozialgericht Hamburg - zu den Akten gereicht.
In einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2006 hat der Senat darauf hingewiesen, dass möglicherweise Rentenansprüche der Klägerin wegen der am 28.02.1948 in Deutschland geborenen Tochter gegeben sein könnten und insoweit einen verfahrensbeendenden Vergleichsvorschlag unterbreitet, den die Klägerin nicht angenommen hat. Sie hat stattdessen um eine Bescheiderteilung durch die Beklagte zur Kindererziehungszeit gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder die nicht anwesende Klägerin noch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten gewesen sind. Auf diese sich aus §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebende Möglichkeit (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 126, Anm. 4) sind der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Beklagte mit der ihnen jeweils am 15.01.2007 zugestellten Terminsmitteilung hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2003 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs.2 SGG in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Regelaltersrente hat.
Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Zwar hat die Klägerin das 65. Lebensjahr bereits 1990 vollendet. Sie kann jedoch die erforderliche Wartezeit nicht vorweisen. Als anrechnungsfähige Versicherungszeiten kommen insoweit Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs.1 Nr.1, 51 Abs.1 und Abs.4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs.1 SGB VI Ersatzzeiten als rentenrechtliche Zeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetz nur Versicherten, d.h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 250 SGB VI RdNr. 10; BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Gemäß §§ 55 Abs.1, 247 Abs.3 S.1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 2 Abs.1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Bei der von der Klägerin im Streitverfahren allein noch geltend gemachten Beschäftigung in einer Küche innerhalb des Ghettos T. von April 1941 bis Oktober 1942 handelt es sich jedoch nicht um eine "Ghetto-Beitragszeit" in diesem Sinne, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG nicht erfüllt sind. Danach erhalten Verfolgte im Sinne des BEG Leistungen nach dem ZRBG, die (1.) sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, welches sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, und (2.) dort eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt haben. Die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit nach dem ZRBG scheitert an dem - in § 1 Abs.1 ZRBG ausdrücklich genannten - Erfordernis der Ausübung einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt. In entsprechender Anwendung des § 4 Fremdrentengesetz (FRG) bzw. § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) - kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, entgeltliche Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs.1 ZRBG in der streitgegenständlichen Zeit hinreichend glaubhaft gemacht ist.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss also mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr.4).
Nach Gesamtwürdigung aller Umstände ist es unter Berücksichtigung der insoweit im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Klägerin im Entschädigungs- und Rentenverfahren zwar überwiegend wahrscheinlich, dass sie sich von April 1941 bis Oktober 1942 in dem "großen" Ghetto T. befand, zumal die Angaben den historisch gesicherten Erkenntnissen über die Existenz des (großen) Ghettos T., welches im April 1941 eröffnet wurde und bis Oktober 1942 existierte (vgl. www.keom.de/denkmal/suche-Czenstochau- und www.deathcamps.org./occupation/ghettolist.htm), entsprechen.
Der Senat hat jedoch - ebenso wie das Sozialgericht - erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin in dem genannten Zeitraum im Ghetto T. den nunmehr behaupteten Küchenarbeiten nachgegangen ist; denn eine solche Tätigkeit erwähnte die Klägerin erstmals im Klageverfahren. Weder in dem vom Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Rentenantrag vom 04.11.2002 oder in dem von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen zur Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG vom 29.12.2002 noch im Widerspruchsverfahren wurde eine Tätigkeit in einer Küche angegeben. Auch im Entschädigungsverfahren ließ sie diese Arbeiten gänzlich unerwähnt. Dort führte sie vielmehr aus, im Ghetto bei Säuberungen und Transporten aller Art zu Zwangsarbeiten herangezogen worden zu sein und später nach der "Aussiedlung" in den Munitionswerken der I Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Im Antragsverfahren nach dem ZRBG wurde nur die Arbeit in den I-Werken angegeben.
Richtig ist zwar, dass freiwillig ausgeübten Tätigkeiten im Entschädigungsverfahren keine (anspruchsbegründende) Bedeutung zukam und sie deshalb häufig unerwähnt blieben. Dies vermag jedoch nicht zu erklären, aus welchen Gründen die Klägerin die nunmehr behauptete freiwillige Arbeit in einer Küche auch in dem im Dezember 2002 eingeleiteten Rentenverfahren gänzlich unerwähnt ließ. Es hätte sich aufgedrängt, diese Tätigkeit geltend zu machen, da einer freiwilligen Beschäftigung im Rentenverfahren - anders als im Entschädigungsverfahren - anspruchsbegründende Bedeutung zukam. Dennoch gab die Klägerin damals lediglich an, in den I- Munitionswerken gearbeitet zu haben. Darüber hinaus beinhaltet die Erklärung der Klägerin vom 25.11.2003, mit der im Klageverfahren erstmals die Arbeit in der Küche erwähnt wird, nur eine recht vage Beschreibung des Einsatzortes und keinerlei Angaben zum Umfang der Tätigkeit. Es ist nicht feststellbar, ob es sich nicht nur um gelegentliche Tätigkeiten im Rahmen der Organisation der Selbstversorgung der Ghettobewohner handelte. Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin selbst, aber auch die Zeugen im Entschädigungsverfahren übereinstimmend angegeben haben, dass die Klägerin bereits unmittelbar vor und nach Errichtung des Ghettos auch schon in der Zeit bis zur "Aussiedlung" Zwangsarbeiten bei Säuberungen und Transporten aller Art leisten musste und aus ständiger Angst vor Deportation geleistet hat. Die Klägerin gab insoweit im Antrag vom 07.05.1956 an, sie habe innerhalb des großen und kleinen Ghettos zwangsarbeiten müssen sowie ausserhalb des Ghettos bei Säuberungen und Transporten. Der Zeuge B und die Zeugin D bestätigten dies durch ihre entsprechenden Angaben. Auch im Antrag auf Gesundheitsschaden vom 04.02.1962 gab die Klägerin an, bereits im Alter von 15 Jahren habe sie schwerste Zwangsarbeiten leisten müssen. Dies bestätigten die Zeugen A und A1, die zudem ausführten, dass sie - wie die Klägerin auch - bereits vor dem Abtransport zu den I-Werken zu verschiedenen Zwangsarbeiten von den Deutschen herangezogen worden seien. Es habe sich um schwere Arbeiten gehandelt, die über die Kräfte der Klägerin gegangen seien. Aus der Anamnese des unter dem 21.02.1964 erstellten vertrauensärztlichen Gutachtens ergibt sich ebenfalls ein Hinweis auf Zwangsarbeit der Klägerin im Alter von 15 Jahren. Eine gleichzeitig durchgehende Tätigkeit der Klägerin in einer Küche sind mit diesen Angaben nicht vereinbar.
Unabhängig von den aufgezeigten - einer Glaubhaftmachung entgegenstehenden - Zweifeln des Senats an der behaupteten Beschäftigung in einer Küche des Ghettos ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin diese gegen Entgelt ausgeübt hat. Zwar ist die Höhe des Entgelts grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und kann auch in Form von Sachbezügen gewährt werden. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber Anhaltspunkte dafür geben, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu anderen Zwecken, wie z.B. nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft” des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten, gedacht ist. Allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keinen Entgeltcharakter mehr (BSG; Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R -). Die bloße Gewährung freien Unterhalts genügt insoweit ebenfalls nicht, als solche Versicherungspflicht begründen zu können, weil sie zur Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes führt (BSG, Urteil vom 07.10.2004, a.a.O.).
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin für die von ihr behaupteten Arbeiten in einer Küche im Ghetto T. ein Entgelt erhielt, das über die Gewährung freien Unterhalts bzw. allzu geringfügige Leistungen hinausging. Den Bezug von Barlohn hat die Klägerin nicht angegeben. Vielmehr hat sie selbst nur eine Gegenleistung durch zusätzliches Essen und Sonderrationen an Lebensmitteln vorgetragen. Die gute Möglichkeit einer Entlohnung in Form von Barlohn lässt sich auch nicht auf die vom Bevollmächtigten der Klägerin eingereichten Unterlagen des Staatsarchivs Czestochowa über die Arbeitsberichtserstattung des Ältestenrates im Jahre 1940 vom 21.02.2006 stützen. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich zunächst nur die Bestätigung, dass seinerzeit im Ghetto für die über 18 jährigen (zu denen die Klägerin noch nicht zählte) für einen Tag in der Woche Arbeitszwang gegen eine Entlohnung von 4 Zloty bestand, von dem man sich mit 4 Zloty freikaufen konnte. Des weiteren erhellt die Unterlage, dass in verschiedenen Arbeitsbetrieben Löhne gezahlt wurden, deren Höhe sich nach Einsatz, Akkordergebnis, Schichtart etc. richtete. Als solche Arbeitsbetriebe sind genannt: Bahnmeisterei, Handtke, Bahninspektion, Ortslazarett, Post, Landratsamt, Krankenhaus zur Heiligsten Jungfrau Maria, 7. Bataillion Zawodzie, Feldgendamerie, I. und III. Polizeikommandantur, Güterabfertigung, Gestapo. Die Klägerin hat jedoch keine dementsprechende Barentlohnung oder Tätigkeit in einem solchen Arbeitsbetrieb beschrieben.
Der von der Klägerin im Klageverfahren behauptete Erhalt von Essen sowie zusätzlichen Lebensmitteln für zuhause stellt kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG dar. Zwar ist durchaus davon auszugehen, dass jüdischen Arbeitskräften im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsleistung Verpflegung gewährt wurde. Dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich jedoch nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass der Umfang der gewährten Leistungen über allzu geringfügige Leistungen bzw. die bloße Gewährung freien Unterhalts hinausging. Zur Gewährung freien Unterhalts gehören Sachbezüge in geringerem Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten (vgl. hierzu Etmer, RVO Bd. I, Stand März 1966, § 1228 Anm.4). Gewährte Lebensmittel fallen unter den freien Unterhalt, wenn sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch, nicht hingegen nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung gegeben werden (vgl. RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, Bd. IV- Invalidenversicherung - 2. Auflage, § 1227 Anm.2).
Aus dem Sachvortrag der Klägerin, für ihre Arbeit täglich Essen am Arbeitsplatz sowie wöchentlich Lebensmittelpakete für zuhause mit Kartoffeln, Marmelade, Margarine, Öl, Brot und Zucker erhalten zu haben, lassen sich jedoch weder hinreichend sichere Schlussfolgerungen zum Umfang, Wert und der konkreten Menge der Gegenleistungen für die erbrachten Arbeiten ziehen, noch lässt sich diesem im Sinne einer guten Möglichkeit entnehmen, dass die gewährten Lebensmittel noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitseinsatz standen. Vor diesem Hintergrund ist es zwar möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin für ihre Arbeiten im Ghetto T. in dem streitigen Zeitraum Lebensmittelrationen erhielt, die über den unmittelbaren Verbrauch oder Gebrauch und damit über die Gewährung freien Unterhalts hinausgingen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, das sich eingehend mit dem Entgeltbegriff in der Sozialversicherung und dem Bezug von Sachbezügen in Abgrenzung zum (versicherungs-)freien Unterhalt auseinandersetzt, reicht selbst der Erhalt einer "guten Verpflegung" nicht aus, um ein für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erforderliches hinreichendes Entgelt als glaubhaft gemacht anzusehen. Aus den Schilderungen der Klägerin, kann eher der Schluss gezogen werden, dass die erlangte Gegenleistung gerade einmal das Überleben sicherte und nur dem eigenen unmittelbaren Verbrauch und der Selbstversorgung diente.
Weitere Mittel zur Glaubhaftmachung der behaupteten Küchenarbeiten im Ghetto T. sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Möglichkeiten mehr noch Zeugen zu vernehmen, da nach Angaben der Klägerin alle etwaigen Zeugen verstorben sind. Die im Berufungsverfahren von der Klägerin zitierten Ergebnisse historischer Gutachten können zu keiner anderen Beurteilung führen, weil sie die erforderliche -hier nicht vorliegende- Glaubhaftmachung im Einzelfall nur stützen, aber nicht ersetzen können. Da schon nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Beschäftigung in einer Küche in der streitgegenständlichen Zeit auszugehen ist, erübrigt sich aus den gleichen Gründen auch die Einholung eines historischen Gutachtens zur Frage der Entlohnung von Beschäftigungsverhältnissen im Ghetto Tschenstochau.
Der von der Klägerin im Verfahren gegenüber der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung von Rentenansprüchen aus Anlass der Geburt ihrer Tochter G war nicht Gegenstand des Verfahrens. Insoweit wird die Beklagte nach eigener Prüfung noch eine Verwaltungsentscheidung zu treffen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG).
Die am 00.00.1925 in Tschenstochau (T.) geborene Klägerin war in ihrem Geburtsort nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt und ist als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt. Nach einem Aufenthalt im DP-Lager Deggendorf / Stuttgart, wo sie am 00.00.1948 ihre Tochter G gebar, wanderte sie im Juli 1949 nach Israel aus. Sie ist im Besitz der israelischen Staatsangehörigkeit.
Aus den vom Landesamt für Besoldung und Versorgung Baden-Württemberg (Wiedergutmachung) beigezogenen Entschädigungsakten der Klägerin ergibt sich folgendes:
In einem am 01.02.1955 von der Klägerin gestellten Antrag gab sie an, von Januar 1940 bis Ende 1942 im großen Ghetto, von Ende 1942 bis Frühling 1943 im kleinen Ghetto und von Frühling 1943 bis Januar 1945 im Zwangsarbeitslager I in Tschenstochau nationalsozialistischer Verfolgung ausgesetzt gewesen zu sein. In einer eidesstattlichen Versicherung vom 06.05.1956 erklärte die Klägerin: noch 1939 hätten sie Säuberungs- und Aufräumarbeiten aller Art zwangsweise leisten müssen und seien Anfang 1940 in das Ghetto T. eingewiesen worden. Schon damals sei dieses Ghetto gesondert und von SS bewacht gewesen, ebenso von deutscher und polnischer Polizei. Auf das Verlassen haben die Todesstrafe gestanden. Ende 1942 habe die sogenannte Aussiedlung begonnen und es seien ihre Eltern und ihr Bruder von der SS vernichtet worden. Sie selbst und ihre Zwillingsschwester seien mit der verringerten Zahl der Ghettohäftlinge in das sogenannte kleine Ghetto T. überführt worden. Dieses Ghetto sei durch Stacheldraht hermetisch abgeschlossen und durch die SS gesichert gewesen. Sie hätten sowohl im großen als auch im kleinen Ghetto zwangsarbeiten müssen und überdies außerhalb des Ghettos unter ... bei Säuberungen und Transporten ... (Anm.: nicht weiter leserlich). Im Frühjahr 1943 sei sie in das ZAL I verbracht worden, wo sie bis zur Befreiung Anfang 1945 unausgesetzt in den I-Werken habe zwangsarbeiten müssen. Über Stuttgart und das DP-Lager Deggendorf sei sie im Juni 1949 nach Israel ausgewandert.
Die Zeugin S D bestätigte in einer eidlichen Erklärung vom 07.05.1956, sie sei Anfang 1940 in das Ghetto T. eingewiesen worden und habe dort die Klägerin kennen gelernt. Das Ghetto sei von polnischer Polizei und SS streng bewacht gewesen, sie hätten alle unausgesetzt bei Säuberungen und Transporten aller Art zwangsarbeiten und ebenso unausgesetzt den Davidstern tragen müssen. Als Ende 1942 die "große Aussiedlung" begonnen habe, die gleichbedeutend mit der Ermordung von Ghetto-Insassen durch SS gewesen sei, sei sie - ebenso wie die Klägerin - in das verkleinerte Ghetto T. gekommen, wo sie unausgesetzt zwangsarbeiteten und noch mehr und wie vorher durch Stacheldraht und SS von der Umgebung abgeschnitten gewesen seien. Zu Beginn des Frühjahres 1943 seien sie und die Klägerin in das ZAL T.-Peltsery gekommen und hätten dort in den I-Werken bis zur Befreiung im Januar 1945 zwangsgearbeitet.
Der Zeuge K B führte in einer eidlichen Erklärung vom gleichen Tage aus, nach Besetzung der Stadt T. durch deutsche Truppen wären sie zu verschiedentlichen Zwangsarbeiten herausgeholt worden. Anfang 1940 sei er - ebenso wie die Klägerin - in das Ghetto T. eingewiesen worden, welches streng bewacht gewesen sei und wo sie zwangsgearbeitet hätten bei Säuberungen und Transporten aller Art, bis Ende 1942, als die sogenannte Aussiedlung begonnen habe. Zusammen mit der Klägerin sei er in das sogenannte kleine Ghetto T. gekommen, welches die noch nicht durch SS ermordeten Ghettohäftlinge umfasst habe. Es sei durch Stacheldraht und SS gesichert gewesen und sie hätten unter ständiger Aufsicht von SS zwangsgearbeitet, bis sie im Frühjahr 1943 in das ZAL I verbracht worden seien. Hier habe die Klägerin und auch er unter ständiger Aufsicht von SS zwangsgearbeitet in den I-Werken bis zur Befreiung Mitte Januar 1945.
Die Klägerin wurde wegen Freiheitsschaden für die Zeit vom 01.12.1939 bis 23.04.1941 (Sterntragen) und vom 23.04.1941 bis 17.01.1945 (Zwangsaufenthalt in einem Ghetto, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen) für 61 Monate nach dem BEG entschädigt.
Im Antrag auf Gesundheitsschaden reichte die Klägerin eine Bestätigung ihrer israelischen Krankenkasse ein, dass sie an einer Psycho-Neurose leide, deren Ursache wahrscheinlich Folge dessen sei, dass sie 3 Jahre im Konzentrationslager (von 16 - 19 Jahren) verbracht habe. Im Antrag vom 04.02.1962 gab die Klägerin ferner auf die Frage, welche Verfolgungsmaßnahmen den Gesundheitsschaden herbeigeführt hätten, an, sie habe, 15 Jahre alt, schwerste Zwangsarbeit leisten müssen. Sie habe in dauernder Angst gelebt, selektiert zu werden. 1942 seien ihre Eltern und ihr Bruder abtransportiert worden. Sie selbst sei krank und zum Tode durch Erschießen bestimmt gewesen. Sie habe sich verborgen und sei so am Leben geblieben. Bei der Befreiung habe sie noch 35 kg gewogen.
Die Zeugin C A bestätigte in einer eidlichen Erklärung vom 08.02.1962, nach der Besetzung von Tschenstochau durch die Deutschen seien alle Juden zu Zwangsarbeiten herangezogen worden. Auch die Klägerin habe schwere Arbeiten verrichten müssen, die weit über ihre Kräfte gegangen seien. Zusammen mit der schlechten Ernährung und der Angst vor Deportation hätten diese Dinge dazu beigetragen, die Klägerin krank und nervös zu machen. 1942 habe sie beim Abtransport ihrer Eltern und ihres Bruders einen Nervenschock erlitten. Seit dieser Zeit sei sie völlig verstört gewesen, habe Gallen- und Rückenschmerzen beklagt, aber immer weiter gearbeitet, um nicht selektiert zu werden. Der Zeuge N A1 bestätigte unter dem gleichen Datum, nach Besetzung von T. durch die Deutschen sei auch die junge Klägerin zu verschiedenen Arbeiten herangezogen worden. Die Ernährung sei schlecht gewesen und man habe in ständiger Angst vor der Deportation gelebt. Bei der Deportation der Eltern habe die Klägerin einen heftigen Nervenschock erlitten und durch die schwere Arbeit habe sie Lumbago-Anfälle und Rückenschmerzen gehabt und sei sehr schwach geworden.
In einem orthopädischen vertrauenärztlichen Gutachten vom 21.02.1964 (Dr. Q) ist zur Vorgeschichte ausgeführt, beim Einmarsch der deutschen Truppen im Jahre 1939 habe die Klägerin mit 15 Jahren Zwangsarbeit leisten müssen. Von 1941 - 1945 sei sie im Lager gewesen und habe im Wasser stehend in einer Munitionsfabrik arbeiten müssen.
Der Klägerin wurden laufende Leistungen wegen Gesundheitsschadens bewilligt mit einer gegenwärtigen Rente nach einer MdE um 50 v. H ...
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung einer Rente unter Hinweis auf das ZRBG. Im Formularfragebogen gab sie unter dem 29.12.2002 an, sie habe im I-Werk außerhalb des Ghettos T. gearbeitet und sei auf dem Weg zur Arbeit durch Soldaten bewacht gewesen. Der Arbeitseinsatz sei freiwillig durch Vermittlung des Judenrates des Ghettos zustande gekommen. Sie habe Arbeiten verrichtet in der Qualitätskontrolle von Kugeln und sie habe Kugeln mit Sprengstoff gefüllt. Gearbeitet worden sei in zwei Schichten mit einer täglichen Arbeitszeit von 9 bis 10 Stunden. Entlohnt worden sei sie durch Essen, Lebensmitteln. Barlohn habe sie nicht erhalten. An Sachbezügen habe sie Arbeitskleidung vom Werk bekommen. Zeugen könne sie nicht mehr benennen, da alle verstorben seien.
Die Beklagte zog die Entschädigungsakten der Klägerin bei, stellte fest, dass das Ghetto T. am 09.04.1941 eröffnet und am 08.10.1942 liquidiert wurde und lehnte sodann mit Bescheid vom 24.03.2003 den Rentenantrag der Klägerin ab. Ein frei begründetes Arbeitsverhältnis, welches eine Vereinbarung über den Austausch von Arbeit und Lohn beinhalte sowie eine Gegenleistung, die dem Arbeitnehmer selbst zu gute gekommen sei, liege nicht vor. Die im Ghetto verrichteten Transport- und Säuberungsarbeiten seien typische Zwangsarbeiten, welche unentgeltlich auf Grund eines öffentlich-rechtlichen Gewaltverhältnisses erbracht worden seien. Während der Beschäftigung bei den I-Werken habe sie sich nicht in einem Ghetto, sondern in einem Zwangsarbeitslager aufgehalten. Den hiergegen (ohne Begründung) eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.08.2003 zurück.
Am 26.08.2003 hat die Klägerin Klage erhoben und in einer Erklärung vom 25.11.2003 ausgeführt, sofort nach ihrer Einweisung ins Ghetto im April 1941 habe sie sich bemüht, eine Tätigkeit zu finden, um sich ernähren zu können. Dafür habe sie sich an den Judenrat gewandt und eine Arbeit in der Küche im Ghetto bekommen. Dort habe sie verschiedene Hilfsarbeiten ausgeübt, z. B. Kartoffelschälen, wie auch andere Gemüse, Geschirr waschen und Reinigungsarbeiten. Für diese Arbeit habe sie zusätzliches Essen, wie auch extra Lebensmittel (Sonderration) für zu Hause bekommen. Sie habe dort bis Oktober 1942 gearbeitet, als sie zur Arbeit bei der I verschickt worden sei. In ihrer früheren Erklärung habe sie nur die Arbeit bei der I erwähnt, da sie sich nicht viel besser erinnert habe, weil es besonders schwer gewesen sei.
Mit Urteil vom 10.03.2005 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Klägerin, die im Rentenantragsverfahren ausschließlich die Tätigkeit in den I-Werken angegeben habe, habe erstmalig im Klageverfahren, nachdem die Kenntnis über die die Klage begründenden Tatsachen gewachsen gewesen sei, eine Tätigkeit in der Küche des Ghettos beschrieben, die zwar grundsätzlich geeignet wäre, zu einer Anwendung des ZRBG zu führen. Wegen der erstmalig im Klageverfahren gemachten Angaben sei es aber nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Tätigkeit in der beschriebenen Form ausgeübt worden sei. Im Übrigen erfülle die beschriebene Entlohnung durch Essen und zusätzliche Lebensmittel aber auch nicht den Entgeltbegriff.
Gegen das am 14.04.2005 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03.05.2005 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, im Ghetto T. habe wie im Ghetto Lodz eine Arbeitsverwaltung des Judenrates bestanden. Dabei sei eine Entlohnung der jüdischen Arbeitskräfte von 80 % des polnischen Tarifs angestrebt gewesen. Die fehlende Angabe einer freiwilligen Tätigkeit mit Lohnzahlung sei im Entschädigungsverfahren ohne Bedeutung gewesen. Entscheidend sei, dass eine Entlohnung gewährt worden sei, die zum Lebensunterhalt nach den damaligen Umständen ausgereicht habe. Die Geringfügigkeitsgrenze sei überschritten, wenn bedacht werde, wie wertvoll Lebensmittel während des Krieges gewesen seien. Zur Stützung dieses Vortrages hat die Klägerin eine ergänzende Erklärung vom 29.05.2005 eingereicht, mit der sie ihren bisherigen Vortrag zur Arbeit in der Küche des Ghettos wiederholt und ausführt, als Lohn habe sie täglich Essen bekommen und wöchentlich Lebensmittelpakete für zu Hause. Die Lebensmittelpakete hätten Kartoffeln, Marmelade, Margarine, Öl, Brot, Zucker enthalten. Auch habe sie hier und da alte Arbeitskleider bekommen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 10.03.2005 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2003 zu verurteilen, der Klägerin eine Versicherungsunterlage über die Tätigkeit von April 1941 - Oktober 1942 nach dem ZRBG herzustellen und die Regelaltersrente ab dem 01.07.1997 mit der Verfolgungszeit als Ersatzzeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Auf Anforderung des Senates hat sich der Bevollmächtigte mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Frage des Entgelts im Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R - auseinander gesetzt und die Auffassung vertreten, dass für das Ghetto T. zur Frage der Entlohnung ein historisches Gutachten einzuholen sei. Ferner hat er eine Auskunft des Staatsarchivs in Czestochowa vom 10.03.2006 sowie Auskünfte des Jüdischen Historischen Instituts vom 21.03.2006 - erstellt für das Sozialgericht Hamburg - zu den Akten gereicht.
In einem ersten Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.11.2006 hat der Senat darauf hingewiesen, dass möglicherweise Rentenansprüche der Klägerin wegen der am 28.02.1948 in Deutschland geborenen Tochter gegeben sein könnten und insoweit einen verfahrensbeendenden Vergleichsvorschlag unterbreitet, den die Klägerin nicht angenommen hat. Sie hat stattdessen um eine Bescheiderteilung durch die Beklagte zur Kindererziehungszeit gebeten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakten Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder die nicht anwesende Klägerin noch die Beklagte im Termin zur mündlichen Verhandlung vertreten gewesen sind. Auf diese sich aus §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 1, 126 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ergebende Möglichkeit (vgl. Meyer-Ladewig, SGG, 8. Auflage, § 126, Anm. 4) sind der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und die Beklagte mit der ihnen jeweils am 15.01.2007 zugestellten Terminsmitteilung hingewiesen worden.
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 24.03.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.08.2003 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Klägerin nicht gemäß § 54 Abs.2 SGG in ihren Rechten. Die Beklagte hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Regelaltersrente hat.
Nach § 35 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) hat ein Versicherter Anspruch auf Altersrente, wenn er das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat. Zwar hat die Klägerin das 65. Lebensjahr bereits 1990 vollendet. Sie kann jedoch die erforderliche Wartezeit nicht vorweisen. Als anrechnungsfähige Versicherungszeiten kommen insoweit Beitrags- und Ersatzzeiten im Sinne der §§ 50 Abs.1 Nr.1, 51 Abs.1 und Abs.4 SGB VI in Betracht. Dabei finden nach § 250 Abs.1 SGB VI Ersatzzeiten als rentenrechtliche Zeiten allerdings nur dann Berücksichtigung, wenn vor Beginn der Rente zumindest ein Beitrag wirksam entrichtet worden ist oder als wirksam entrichtet gilt; denn Ersatzzeiten sollen nach dem Gesetz nur Versicherten, d.h. Personen zugute kommen, die bereits Beitragsleistungen erbracht haben (vgl. Niesel in Kasseler Kommentar, § 250 SGB VI RdNr. 10; BSG, Urteil vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R).
Die Klägerin hat jedoch keine auf die Wartezeit anrechenbaren Beitragszeiten zurückgelegt. Gemäß §§ 55 Abs.1, 247 Abs.3 S.1 SGB VI sind Beitragszeiten Zeiten, für die nach Bundesrecht oder Reichsversicherungsgesetzen Pflichtbeiträge oder freiwillige Beiträge gezahlt worden sind. Nach § 2 Abs.1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als sog. "Ghetto-Beitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Bei der von der Klägerin im Streitverfahren allein noch geltend gemachten Beschäftigung in einer Küche innerhalb des Ghettos T. von April 1941 bis Oktober 1942 handelt es sich jedoch nicht um eine "Ghetto-Beitragszeit" in diesem Sinne, weil die Voraussetzungen des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG nicht erfüllt sind. Danach erhalten Verfolgte im Sinne des BEG Leistungen nach dem ZRBG, die (1.) sich zwangsweise in einem Ghetto aufgehalten haben, welches sich in einem Gebiet befand, das vom Deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war, und (2.) dort eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene Beschäftigung gegen Entgelt ausgeübt haben. Die Anerkennung einer Ghetto-Beitragszeit nach dem ZRBG scheitert an dem - in § 1 Abs.1 ZRBG ausdrücklich genannten - Erfordernis der Ausübung einer aus eigenem Willensentschluss zustande gekommenen Beschäftigung gegen Entgelt. In entsprechender Anwendung des § 4 Fremdrentengesetz (FRG) bzw. § 3 des Gesetzes zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) - kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, entgeltliche Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs.1 ZRBG in der streitgegenständlichen Zeit hinreichend glaubhaft gemacht ist.
Glaubhaft gemacht ist eine Tatsache, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist (vgl. § 4 Abs.1 FRG, § 3 Abs.1 WGSVG). Glaubhaftmachung bedeutet danach mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Es genügt die "gute Möglichkeit", dass der entscheidungserhebliche Vorgang sich so zugetragen hat, wie behauptet wird. Es muss also mehr für als gegen den behaupteten Sachverhalt sprechen. Dabei sind gewisse noch verbleibende Zweifel unschädlich (vgl. BSG SozR 3-3900 § 15 Nr.4).
Nach Gesamtwürdigung aller Umstände ist es unter Berücksichtigung der insoweit im wesentlichen übereinstimmenden Angaben der Klägerin im Entschädigungs- und Rentenverfahren zwar überwiegend wahrscheinlich, dass sie sich von April 1941 bis Oktober 1942 in dem "großen" Ghetto T. befand, zumal die Angaben den historisch gesicherten Erkenntnissen über die Existenz des (großen) Ghettos T., welches im April 1941 eröffnet wurde und bis Oktober 1942 existierte (vgl. www.keom.de/denkmal/suche-Czenstochau- und www.deathcamps.org./occupation/ghettolist.htm), entsprechen.
Der Senat hat jedoch - ebenso wie das Sozialgericht - erhebliche Zweifel daran, dass die Klägerin in dem genannten Zeitraum im Ghetto T. den nunmehr behaupteten Küchenarbeiten nachgegangen ist; denn eine solche Tätigkeit erwähnte die Klägerin erstmals im Klageverfahren. Weder in dem vom Bevollmächtigten der Klägerin gestellten Rentenantrag vom 04.11.2002 oder in dem von der Klägerin ausgefüllten Fragebogen zur Anerkennung von Zeiten nach dem ZRBG vom 29.12.2002 noch im Widerspruchsverfahren wurde eine Tätigkeit in einer Küche angegeben. Auch im Entschädigungsverfahren ließ sie diese Arbeiten gänzlich unerwähnt. Dort führte sie vielmehr aus, im Ghetto bei Säuberungen und Transporten aller Art zu Zwangsarbeiten herangezogen worden zu sein und später nach der "Aussiedlung" in den Munitionswerken der I Zwangsarbeiten verrichtet zu haben. Im Antragsverfahren nach dem ZRBG wurde nur die Arbeit in den I-Werken angegeben.
Richtig ist zwar, dass freiwillig ausgeübten Tätigkeiten im Entschädigungsverfahren keine (anspruchsbegründende) Bedeutung zukam und sie deshalb häufig unerwähnt blieben. Dies vermag jedoch nicht zu erklären, aus welchen Gründen die Klägerin die nunmehr behauptete freiwillige Arbeit in einer Küche auch in dem im Dezember 2002 eingeleiteten Rentenverfahren gänzlich unerwähnt ließ. Es hätte sich aufgedrängt, diese Tätigkeit geltend zu machen, da einer freiwilligen Beschäftigung im Rentenverfahren - anders als im Entschädigungsverfahren - anspruchsbegründende Bedeutung zukam. Dennoch gab die Klägerin damals lediglich an, in den I- Munitionswerken gearbeitet zu haben. Darüber hinaus beinhaltet die Erklärung der Klägerin vom 25.11.2003, mit der im Klageverfahren erstmals die Arbeit in der Küche erwähnt wird, nur eine recht vage Beschreibung des Einsatzortes und keinerlei Angaben zum Umfang der Tätigkeit. Es ist nicht feststellbar, ob es sich nicht nur um gelegentliche Tätigkeiten im Rahmen der Organisation der Selbstversorgung der Ghettobewohner handelte. Hierbei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Klägerin selbst, aber auch die Zeugen im Entschädigungsverfahren übereinstimmend angegeben haben, dass die Klägerin bereits unmittelbar vor und nach Errichtung des Ghettos auch schon in der Zeit bis zur "Aussiedlung" Zwangsarbeiten bei Säuberungen und Transporten aller Art leisten musste und aus ständiger Angst vor Deportation geleistet hat. Die Klägerin gab insoweit im Antrag vom 07.05.1956 an, sie habe innerhalb des großen und kleinen Ghettos zwangsarbeiten müssen sowie ausserhalb des Ghettos bei Säuberungen und Transporten. Der Zeuge B und die Zeugin D bestätigten dies durch ihre entsprechenden Angaben. Auch im Antrag auf Gesundheitsschaden vom 04.02.1962 gab die Klägerin an, bereits im Alter von 15 Jahren habe sie schwerste Zwangsarbeiten leisten müssen. Dies bestätigten die Zeugen A und A1, die zudem ausführten, dass sie - wie die Klägerin auch - bereits vor dem Abtransport zu den I-Werken zu verschiedenen Zwangsarbeiten von den Deutschen herangezogen worden seien. Es habe sich um schwere Arbeiten gehandelt, die über die Kräfte der Klägerin gegangen seien. Aus der Anamnese des unter dem 21.02.1964 erstellten vertrauensärztlichen Gutachtens ergibt sich ebenfalls ein Hinweis auf Zwangsarbeit der Klägerin im Alter von 15 Jahren. Eine gleichzeitig durchgehende Tätigkeit der Klägerin in einer Küche sind mit diesen Angaben nicht vereinbar.
Unabhängig von den aufgezeigten - einer Glaubhaftmachung entgegenstehenden - Zweifeln des Senats an der behaupteten Beschäftigung in einer Küche des Ghettos ist es auch nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin diese gegen Entgelt ausgeübt hat. Zwar ist die Höhe des Entgelts grundsätzlich kein wesentliches Merkmal für das Vorliegen oder Nichtvorliegen eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und kann auch in Form von Sachbezügen gewährt werden. Art und Umfang der gewährten Leistungen können aber Anhaltspunkte dafür geben, ob das Entgelt als Bezahlung im Sinne einer Entlohnung der geleisteten Arbeit oder zu anderen Zwecken, wie z.B. nur als "Mittel zur Erhaltung der Arbeitskraft” des zur Arbeit gezwungenen Beschäftigten, gedacht ist. Allzu geringfügige Leistungen außerhalb eines jeden Verhältnisses zur erbrachten Leistung haben keinen Entgeltcharakter mehr (BSG; Urteil vom 07.10.2004 - B 13 RJ 59/03 R -). Die bloße Gewährung freien Unterhalts genügt insoweit ebenfalls nicht, als solche Versicherungspflicht begründen zu können, weil sie zur Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes führt (BSG, Urteil vom 07.10.2004, a.a.O.).
Es ist nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin für die von ihr behaupteten Arbeiten in einer Küche im Ghetto T. ein Entgelt erhielt, das über die Gewährung freien Unterhalts bzw. allzu geringfügige Leistungen hinausging. Den Bezug von Barlohn hat die Klägerin nicht angegeben. Vielmehr hat sie selbst nur eine Gegenleistung durch zusätzliches Essen und Sonderrationen an Lebensmitteln vorgetragen. Die gute Möglichkeit einer Entlohnung in Form von Barlohn lässt sich auch nicht auf die vom Bevollmächtigten der Klägerin eingereichten Unterlagen des Staatsarchivs Czestochowa über die Arbeitsberichtserstattung des Ältestenrates im Jahre 1940 vom 21.02.2006 stützen. Aus den eingereichten Unterlagen ergibt sich zunächst nur die Bestätigung, dass seinerzeit im Ghetto für die über 18 jährigen (zu denen die Klägerin noch nicht zählte) für einen Tag in der Woche Arbeitszwang gegen eine Entlohnung von 4 Zloty bestand, von dem man sich mit 4 Zloty freikaufen konnte. Des weiteren erhellt die Unterlage, dass in verschiedenen Arbeitsbetrieben Löhne gezahlt wurden, deren Höhe sich nach Einsatz, Akkordergebnis, Schichtart etc. richtete. Als solche Arbeitsbetriebe sind genannt: Bahnmeisterei, Handtke, Bahninspektion, Ortslazarett, Post, Landratsamt, Krankenhaus zur Heiligsten Jungfrau Maria, 7. Bataillion Zawodzie, Feldgendamerie, I. und III. Polizeikommandantur, Güterabfertigung, Gestapo. Die Klägerin hat jedoch keine dementsprechende Barentlohnung oder Tätigkeit in einem solchen Arbeitsbetrieb beschrieben.
Der von der Klägerin im Klageverfahren behauptete Erhalt von Essen sowie zusätzlichen Lebensmitteln für zuhause stellt kein Entgelt im Sinne des § 1 Abs.1 S.1 ZRBG dar. Zwar ist durchaus davon auszugehen, dass jüdischen Arbeitskräften im Zusammenhang mit ihrer Arbeitsleistung Verpflegung gewährt wurde. Dem Sachvortrag der Klägerin lässt sich jedoch nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit entnehmen, dass der Umfang der gewährten Leistungen über allzu geringfügige Leistungen bzw. die bloße Gewährung freien Unterhalts hinausging. Zur Gewährung freien Unterhalts gehören Sachbezüge in geringerem Umfang zur Befriedigung kleinerer Bedürfnisse und Lebensgewohnheiten (vgl. hierzu Etmer, RVO Bd. I, Stand März 1966, § 1228 Anm.4). Gewährte Lebensmittel fallen unter den freien Unterhalt, wenn sie nach Umfang und Art des Bedarfs unmittelbar zum Verbrauch oder Gebrauch, nicht hingegen nach vorbestimmtem Maße zur beliebigen Verfügung gegeben werden (vgl. RVO mit Anmerkungen, herausgegeben von Mitgliedern des Reichsversicherungsamtes, Bd. IV- Invalidenversicherung - 2. Auflage, § 1227 Anm.2).
Aus dem Sachvortrag der Klägerin, für ihre Arbeit täglich Essen am Arbeitsplatz sowie wöchentlich Lebensmittelpakete für zuhause mit Kartoffeln, Marmelade, Margarine, Öl, Brot und Zucker erhalten zu haben, lassen sich jedoch weder hinreichend sichere Schlussfolgerungen zum Umfang, Wert und der konkreten Menge der Gegenleistungen für die erbrachten Arbeiten ziehen, noch lässt sich diesem im Sinne einer guten Möglichkeit entnehmen, dass die gewährten Lebensmittel noch in einem angemessenen Verhältnis zu dem Arbeitseinsatz standen. Vor diesem Hintergrund ist es zwar möglich, nicht jedoch überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin für ihre Arbeiten im Ghetto T. in dem streitigen Zeitraum Lebensmittelrationen erhielt, die über den unmittelbaren Verbrauch oder Gebrauch und damit über die Gewährung freien Unterhalts hinausgingen. Nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 07.10.2004, B 13 RJ 59/03 R, das sich eingehend mit dem Entgeltbegriff in der Sozialversicherung und dem Bezug von Sachbezügen in Abgrenzung zum (versicherungs-)freien Unterhalt auseinandersetzt, reicht selbst der Erhalt einer "guten Verpflegung" nicht aus, um ein für die Annahme eines versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis erforderliches hinreichendes Entgelt als glaubhaft gemacht anzusehen. Aus den Schilderungen der Klägerin, kann eher der Schluss gezogen werden, dass die erlangte Gegenleistung gerade einmal das Überleben sicherte und nur dem eigenen unmittelbaren Verbrauch und der Selbstversorgung diente.
Weitere Mittel zur Glaubhaftmachung der behaupteten Küchenarbeiten im Ghetto T. sind nicht ersichtlich. Insbesondere bestehen keine Möglichkeiten mehr noch Zeugen zu vernehmen, da nach Angaben der Klägerin alle etwaigen Zeugen verstorben sind. Die im Berufungsverfahren von der Klägerin zitierten Ergebnisse historischer Gutachten können zu keiner anderen Beurteilung führen, weil sie die erforderliche -hier nicht vorliegende- Glaubhaftmachung im Einzelfall nur stützen, aber nicht ersetzen können. Da schon nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer Beschäftigung in einer Küche in der streitgegenständlichen Zeit auszugehen ist, erübrigt sich aus den gleichen Gründen auch die Einholung eines historischen Gutachtens zur Frage der Entlohnung von Beschäftigungsverhältnissen im Ghetto Tschenstochau.
Der von der Klägerin im Verfahren gegenüber der Beklagten gestellte Antrag auf Feststellung von Rentenansprüchen aus Anlass der Geburt ihrer Tochter G war nicht Gegenstand des Verfahrens. Insoweit wird die Beklagte nach eigener Prüfung noch eine Verwaltungsentscheidung zu treffen haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt der Entscheidung in der Sache.
Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs.2 SGG nicht erfüllt sind.
Rechtskraft
Aus
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