L 1 KR 1169/05

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 87 KR 3128/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 1169/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht, ob dem Kläger über den 27. 2. 2004 hinaus Krankengeld bis zum 31. 3. 2004 zusteht.

Er ist 1952 geboren und war (und ist) bei der Beklagten gesetzlich versichert. Er ist gelernter Fernmeldemonteur und arbeitete zuletzt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme vom 6. Mai 2002 bis 13. Juni 2003 als Gartenarbeiter. Dabei erlitt er im März 2003 einen Arbeitsunfall. Er knickte mit dem linken Fuß um. Seither hat er eine posttraumatische Arthrose des linken Sprunggelenks. Daneben leidet er u. a. an einem degenenerativen Wirbelsäulensyndrom, insbesondere HWS und LWS, Epicondylitis links, Adipositas sowie einem Fibromyalgiesyndrom und einem neurasthenischen Syndrom. Er bezog bis Ende November 2003 von der Bundesagentur für Arbeit Arbeitslosengeld, anschließend von der Beklagten bis 27. Februar 2004 Krankengeld. Ab 1. April 2004 bezog er wieder Leistungen der Bundesagentur.

Wegen der Ablehnung einer Erwerbsminderungsrente durch die LVA Berlin bzw. jetzt Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg ist ein Rechtsstreit anhängig, mittlerweile vor dem hiesigen Gericht (LSG Berlin-Brandenburg Az. L 21 R 103/07, SG Berlin Az. S 26 RJ 1337/04).

Am 16. Februar 2004 stellte der ihn behandelnde Arzt für Chirurgie Dr. G eine ärztliche Bescheinigung für den Bezug von Krankengeld aus, wobei kein voraussichtlicher letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit angegeben war. Als Diagnosen sind aufgeführt: Überlastungstendinose linker Fuß, Adipositas, Arthrose linkes Sprunggelenk, LWS-Syndrom. Die Beklagte veranlasste eine Untersuchung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Der Gutachter des MDK G prognostizierte am 24. 2. ein Ende der Arbeitsunfähigkeit zum 27. 2. 2004. Die Sprunggelenke seien frei beweglich, zeigten keine Hinweise auf akute Entzündungen oder Ähnliches. Funktion und Dynamik der unteren Extremitäten seien nicht wesentlich eingeschränkt. Insgesamt bestehe eine ausreichend gute Stabilisierung für leichte Tätigkeiten. Der Kläger stehe dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von schwerem Heben, von Zwangspositionen, im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen, unter Vermeidung von starken Temperaturschwankungen sowie von Arbeiten in Nässe und Kälte wieder vollschichtig zur Verfügung. Die Beklagte stellte daraufhin mit Schreiben vom 24. Februar 2004 fest, dass der Kläger ab 28. 2. 2004 arbeits- und vermittlungsfähig sei. Krankengeld stehe dem Kläger für die Zeit ab 28. Februar 2004 nicht mehr zu. Sie bat, den Auszahlungsschein zur Auszahlung des noch bis dahin ausstehenden Krankengeldbetrages einzureichen. Der Kläger reichte daraufhin den Zahlschein mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. G vom 15. März 2004 ("weitere Arbeitsunfähigkeit ja, voraussichtlich bis: unbestimmt") ein. Die Beklagte zahlte Krankengeld bis 27. Februar 2007. Der Kläger stellte sich am 3. März und am 16. März 2004 in der psychosomatischen Ambulanz der C vor. Er gab ausweislich des Arztbriefes der C vom 29. März 2004 an, schon seit langem unter erheblicher Mattigkeit, Konzentrationsstörungen und Stimmungsschwankungen gelitten zu haben. Seit vielen Jahren meide er öffentliche Plätze und Menschenmengen. Er fühle sich belastet durch den drohenden Wiedereinstieg in eine für ihn unzumutbar körperlich anstrengende Arbeit. Er könne täglich drei bis sechs Stunden arbeiten, möglichst ohne Zugluft und Kälte. Er wünsche sich eine Arbeit möglichst im Freien.

Sein behandelnder Arzt Dr. G widersprach per Fax erst am 22. März 2004 der Einschätzung des MDK in Form eines handschriftlichen Zusatzes auf einem mitgefaxten Arztbrief des Neurologen Dr. S (vom 20. Februar 2004). Auf Veranlassung der Beklagten wurde der Kläger nochmals vom MDK am 13. April 2004 kurz untersucht. Die Ärztin des MDK A- kam im Gutachten vom 13. April 2004 zum Ergebnis, dass neue medizinische Aspekte nicht vorlägen. Eine psychosomatische Behandlung sei geplant, laut Nervenarzt werde ein psychosomatisches Heilverfahren empfohlen. Dies sei allerdings keine Begründung für eine weitere Arbeitsunfähigkeit. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 24 August 2004 den Widerspruch gegen die Beendigung der Arbeitsunfähigkeit zum 28. 2. 2004 zurück. Zur Begründung ist u. a. ausgeführt, Arbeitsunfähigkeit während der Arbeitslosigkeit liege nur vor, wenn selbst die Tätigkeit, auf die im Rahmen des § 126 Sozialgesetzbuch 3. Buch der Arbeitslose zumutbar vermittelt werden dürfe, nicht ausgeübt werden könne. Abzustellen sei also nicht notwendig auf den vor Beginn der Arbeitslosigkeit ausgeübten Beruf (Bezug auf Bundessozialgericht SozR 4100 § 105 b AFG Nr. 4 und Urteil vom 19. 9. 2002 – B 1 KR 11/02 -). Wenn der Versicherte seit dem Verlust des Arbeitsplatzes mehr als sechs Monate als Arbeitsloser krankenversichert gewesen sei, richte sich die Arbeitsunfähigkeit nicht mehr nach den besonderen Anforderungen der zuletzt ausgeübten Beschäftigung. Hier sei deshalb auf die Tätigkeiten abzustellen, für die der Kläger zumutbar vermittelt werden könne. Dem ersten Gutachten des MDK vom 24. Februar 2004 folgend stehe er auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für leichte Tätigkeiten unter Vermeidung von schwerem Heben, Zwangspositionen im Wechsel zwischen Stehen und Sitzen, von starken Temperaturschwankungen sowie von Arbeiten in Nässe und Kälte vollschichtig zur Verfügung.

Hiergegen hat der Kläger am 24. September 2004 Klage vor dem Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Bereits sein behandelnder Chirurg habe erkannt, dass bei ihm eine psychosomatische Überlagerung und nicht nur physische Leiden vorlägen. Auch das MDK-Gutachten habe dies nicht ausgeschlossen. Das zweite Gutachten des MDK sei ohne neue Untersuchung ergangen. Die Befunde der C seien nicht berücksichtigt worden. Am 3. März 2004 sei er bei Dr. G gewesen. Dieser habe ihm gesagt, er sei für ihn nicht arbeitsfähig und schreibe ihn erneut krank.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 28. September 2005 abgewiesen. Arbeitsunfähigkeit, welche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch 5. Buch (SGB V) Voraussetzung für einen Anspruch auf Krankengeld sei, könne über den 27. Februar 2004 hinaus nicht festgestellt werden. Der Widerspruch des Dr. G sei nicht geeignet, das ausführliche, schlüssige und überzeugende Gutachten des MDK vom 24. Februar 2004 zu widerlegen.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er wiederholt sein bisheriges Vorbringen. Zum Zeitpunkt der erneuten Krankschreibung durch Dr. G am 16. März 2004 habe er weiterhin starke Beschwerden im linken Sprunggelenk gehabt. Diese Beschwerden seien im Gutachten des MDK vom 24. Februar 2004 nicht gewürdigt. Da er der Krankschreibung von Dr. G vertraut habe, habe er sich auch nicht beim Arbeitsamt melden können. Die Beklagte habe nicht kommentarlos den letzten Zahlungsschein entgegennehmen dürfen, sondern hätte in Kontakt mit Dr. G treten müssen.

Der Kläger beantragt der Sache nach,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 28. September 2005 sowie den Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 27. Februar 2004 hinaus bis zum 31. März 2004 Krankengeld zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat hat die Gerichtsakte SG Berlin S 26 RJ 1337/04 = LSG Berlin-Brandenburg L 21 R 103/07 beigezogen. Auf den darin enthaltenen Befundbericht des Arztes für Orthopädie und Chirotherapie G und den Arztbrief der C vom 29. März 2004 an Dr. G sowie den Befundbericht des Arztes für Neurologie und Psychiatrie – Psychotherapie S vom 8. 10. 2005 wird ergänzend Bezug genommen. Der Verwaltungsvorgang der Beklagten hat vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

Es konnte entschieden werden, obgleich in der mündlichen Verhandlung für den Kläger niemand erschienen ist. Die Beteiligten sind darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihres Ausbleibens entschieden werden kann.

Die Berufung hat keinen Erfolg.

Das SG hat bereits zutreffend festgestellt, dass von Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht ausgegangen werden kann.

Zur maßgeblichen Definition von Arbeitsunfähigkeit verweist der Senat gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entsprechend auf die zutreffenden Ausführungen im angegriffenen Widerspruchsbescheid.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Kläger entweder allein aufgrund seiner orthopädischen Leiden oder alleine aufgrund der psychosomatischen Erkrankungen oder aus einer Kombination aller Beeinträchtigungen in der fraglichen Zeit arbeitsunfähig gewesen ist:

Die Arbeitsunfähigkeitbescheinigung vom 16. Februar 2004 durch Dr. G ist durch das zeitlich spätere Gutachten des MDK vom 24. Februar 2004 widerlegt bzw. überholt. Fehler an dem Gutachten sind nicht ersichtlich. Der Gutachter Dr. G hat bei der Untersuchung am 24. Februar 2004 keine akuten Beschwerden der Sprunggelenke feststellen können, wohl aber Restbeschwerden. Die Schmerzen im Sprunggelenk, die der Kläger noch hatte, sind also nicht unberücksichtigt geblieben. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass die psychosomatischen Erkrankungen bzw. die Kombination aller Beeinträchtigungen in ihrer Tragweite unzureichend berücksichtigt wurden. Der Widerspruch von Dr. G vom 22. März 2004 bezieht sich auf "neurotische Diagnosen" im Arztbrief des Dr. S vom 20. Februar 2004. Dieser stellt zwar eine komplexe psychosomatische Störung fest und hält ein Heilverfahren für geboten, trifft jedoch keine Aussagen zur Arbeitsfähigkeit. Gegen Arbeitsunfähigkeit spricht, dass der Kläger anlässlich der Untersuchung in der psychosomatischen Ambulanz der C im März 2004 erklärt hat, täglich drei bis sechs Stunden arbeiten zu können. Auch der Orthopäde Dr. G geht von Arbeitsfähigkeit aus (erste Untersuchung am 23. März 2004). Aus dem Befundbericht von Dr. Z- vom 25. Oktober 2005 folgt (nur) eine Verschlechterung mit zunehmender Depressivität und Unruhe zwischen der ersten Untersuchung am 3. März 2004 und der letzten Ende Oktober 2004. Auch dies lässt keinen Schluss auf Arbeitsunfähigkeit im März 2004 zu.

Die Kostenentscheidung nach § 193 SGG entspricht dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Satz 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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