Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 SO 515/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 B 48/07 SO ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers hin wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 15. Dezember 2006 aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22.06.2006 aufschiebende Wirkung hat.
III. Die Antragsgegnerin wird im Wege der Anordnung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG verpflichtet, den Mehrbedarfszuschlag gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII mit Wirkung ab 01.07.2006 an den Antragsteller auszuzahlen.
IV. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts, mit welchem ein dem Antragsteller bewilligter Mehrbedarfszuschlag mit Wirkung vom 01.07.2006 entzogen wurde.
Der 1960 geborene Antragsteller ist ausweislich des aktenkundigen Schwerbehindertenausweises schwerbehindert (GdB 80 v.H.). Die Merkzeichen "G", "aG" und "B" sind zuerkannt. Nach Verbüßung einer Haftstrafe bezog er seit 02.04.2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Ausweislich aktenkundiger Befundberichte des Klinikums A. vom 15.05.2003 und vom 24.02.2003 leidet der Antragsteller unter erheblichen Gesundheitsstörungen, insbesondere unter einer seropositiven chronischen Polyarthritis, einem sekundären generalisierten fibromyalgischen Syndrom und einer arteriellen Hypertonie. Nach einem ärztlichen Attest vom 25.03.2004 ist er durch seine jahrelangen chronischen Erkrankungen an zahlreichen Gelenken geschädigt und schwer gehbehindert. Eine Unterbringung mit Aufzug oder Parterre sei für ihn erforderlich. Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens zur Beantragung eines Mehrbedarfszuschlags wegen kostenaufwändiger Ernährung vom 11.11.2004 ist für den Kläger eine Sonderkost erforderlich (natriumdefinierte Kost).
Nach einer Stellungnahme der Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr. D. fand sich der Antragsteller am 16.03.2004 zur amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit für das Sozialamt ein. Der Antragsteller habe sich weder mit der Mitteilung seiner Diagnosen an das Sozialamt noch wegen der gesundheitlichen Leistungseinschränkungen bezüglich der Arbeitsfähigkeit noch mit Behandlungsvorschlägen einverstanden erklärt. Daher sei auf eine Untersuchung verzichtet worden. Der Antragsteller sei auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen worden.
Am 11.08.2004 beantragte der Antragsteller eine Rente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund - DRV Bund).
Mit Bescheid vom 29.11.2004 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 01.11.2004 einen Mehrbedarfszuschlag für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung von monatlich 27,00 EUR bis längstens 31.12.2004.
Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 14.06.2005 besteht grundsätzlich ein Anspruch auf SGB XII-Leistungen, da der Antragsteller nun sechs Monate durchweg krankgeschrieben sei und voraussichtlich auch weiterhin arbeitsunfähig sein werde. Beim Antrag auf SGB XII-Leistungen solle gleichzeitig im Rahmen der Mitwirkungspflicht eine Untersuchung beim Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zur Klärung der Erwerbsunfähigkeit verlangt werden. Weigere sich der Antragsteller erneut, könnten die SGB XII-Leistungen abgelehnt werden.
Mit Bescheid vom 30.05.2005 gewährte die Arge für Beschäftigung M. GmbH (Arge) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2005. Mit Bescheid vom 23.06.2005 hob die Arge den "Weiterbewilligungsbescheid" ab 01.07.2005 auf. Dem Antragsteller stünden ab 01.07.2005 keine Leistungen mehr nach dem SGB II zu. Da der Antragsteller auch weiterhin auf unabsehbare Zeit krankgeschrieben sei, erfülle er nicht mehr das Tatbestandsmerkmal "erwerbsfähig" nach § 7 Abs.1 Satz 1, § 8 Abs.1 Sozialgesetzbuch - SGB - II. Hierzu erhalte er noch einen gesonderten Aufhebungsbescheid. Der Antragsteller könne einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII stellen. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller zur Gewährung der SGB XII-Leistungen seine Erwerbsunfähigkeit durch Untersuchung durch das RGU nachweisen müsse. Mit Bescheid vom 22.06.2005 hob die Arge die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.07.2005 ganz auf. Da der Antragsteller wegen seiner Krankheit auf nicht absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, könnten ihm ab 01.07.2005 keine weiteren Leistungen nach dem SGB II gewährt werden. Eine Untersuchung durch das RGU, um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu klären, habe der Antragsteller abgelehnt. Der Weiterbewilligungsbescheid vom 30.05.2005 für die Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.07.2005 werde daher aufgehoben.
Mit Schreiben vom 01.07.2005 beantragte der Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII.
Am 05.07.2005 bat das Sozialreferat der Antragsgegnerin das RGU um ein ärztliches Gutachten nach Untersuchung des Antragstellers. Mit Schreiben vom 06.07.2005 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller auf die Folgen fehlender Mitwirkung, nämlich die Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt hin.
Mit Bescheid vom 06.07.2005 gewährte die Antragsgegnerin - Sozialreferat - dem Antragsteller laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) für die Zeit vom 01.07.2005 bis auf weiteres in Höhe von monatlich 836,98 EUR. Das aktenkundige Exemplar des Bescheids vom 06.07.2005 enthält handschriftlich die Einfügung "vorläufig" in der ersten Bescheidzeile: "Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden "vorläufig" folgende Leistungen gewährt: ..."). Die Berechnung ergebe sich aus dem als Anlage beigefügten Berechnungsbogen, der Bestandteil dieses Bescheides sei. In der Anlage wurde unter der Rubrik Bedarfsberechung der Regelsatz und "Merkzeichen G" (§ 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII) genannt. Der Bescheid enthielt ferner allgemeine Hinweise, wonach der Antragsteller verpflichtet sei, alle Änderungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mitzuteilen. Komme er dieser Pflicht nicht nach, könnten die bewilligten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung ganz oder teilweise entzogen werden. Soweit zu Unrecht Leistungen erbracht worden seien, könnten diese zurückgefordert werden. Ferner wurde auf die neuen Vermögensfreigrenzen ab 01.01.2005 hingewiesen.
Laut einer gutachterlichen Stellungnahme des Dr. C. vom 06.07.2005 ist beim Antragsteller wegen Bluthochdrucks (Hypertonus) eine Sonderkost erforderlich (salzarme Kost).
Mit Bescheid vom 08.07.2005 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Mehrbedarf für krankheitsbedingte kostenaufwändigere Ernährung von monatlich 27,00 EUR bis längstens 30.06.2006 und stellte den Anspruch des Antragstellers neu fest (monatlich 863,98 EUR für den Monat Juli 2005). Der Bescheid enthält die oben bereits genannten allgemeinen Hinweise. In der Anlage (Berechnungsbogen 7/2005) wird zusätzlich bei der Bedarfsberechnung "natriumdefinierte Kost" mit einem Betrag von 27,00 EUR genannt. Einen Hinweis bezüglich einer Vorläufigkeit enthält der Bescheid nicht.
Mit Schreiben vom 13.07.2005 wurde der Antragsteller zur amts-ärztlichen Untersuchung für 16.09.2005, 8.15 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 06.09.2005 bat der Antragsteller um Verlegung des für den 16.09.2005 anberaumten Untersuchungstermins. Er sei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und benötige zurzeit zwei Gehhilfen. Es wäre ihm nur unter erschwerten und somit nicht zumutbaren Bedingungen möglich, den anberaumten Termin wahrzunehmen. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes sei derzeit nicht absehbar.
Mit Schreiben vom 06.09.2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Wesentlichen mit, er müsse durch ein Attest nachweisen, dass er an dem Untersuchungstag nicht ausgehfähig sei.
Mit Schreiben vom 13.09.2005 lehnte dieser die als Gutachterin vorgesehene Dr. D. wegen Misstrauens gegen die unparteiische Amtsausübung ab. Nach dem beigefügten ärztlichen Attest des Dr.C. vom 13.09.2005 sei der Antragsteller akut mit Fieber erkrankt. Dies erfordere eine Verschiebung des Untersuchungstermins um ca. eine Woche. Überdies seien Termine am frühen Vormittag wegen der Rheumaerkrankung nicht geeignet. Ideal wären Termine am Nachmittag.
Mit Schreiben vom 20.09.2005 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes wie im Attest ausgewiesen bislang nicht eingetreten sei.
Mit Schreiben vom 23.09.2005 wurde der Antragsteller zur amtsärztlichen Untersuchung zum 08.11.2005, 9.45 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 02.11.2005 teilte der Antragsteller mit, wegen seiner Behinderungen dürfe er darum bitten, zu veranlassen und zu gewährleisten, dass für den Weg zur und von der Untersuchung ein Fahrdienst eingerichtet und Begleitperson bereitgestellt werde, da ansonsten die lange Wegstrecke unzumutbar sei und einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten würde. Frau Dr. D. lehne er nach wie vor ab. Ferner bat er unter anderem um Mitteilung darüber, ob es beim Termin am 08.11.2005 verbleibe.
Mit Schreiben vom 10.11.2005 beantragte der Antragsteller, die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt ab sofort kostenfrei an seinen Wohnsitz zu übermitteln.
Mit Schreiben vom 16.11.2005 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen einer ab 01.01.2006 beabsichtigen Kürzung der HLU um 25 % an. Der Antragsteller habe den ersten beim RGU vorgesehenen Untersuchungstermin am 16.09.2005 abgesagt und das geforderte Attest vorgelegt. Dem zweiten Termin am 08.11.2005 sei er unentschuldigt ferngeblieben. Damit sei er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Der Antragsteller legte ein ärztliches Attest des Dr. C. vor, wonach er unter einem schweren chronischen Gelenkrheumatismus mit deutlicher Einschränkung der Mobilität leide, so dass er am 08.11.2005 den Termin beim RGU nicht hätte wahrnehmen können (Schreiben vom 22.11.2005).
Mit Schreiben vom 01.12.2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, es werde zunächst von einer Kürzung der HLU abgesehen, wenngleich das ärztliche Attest, wonach der Antragsteller am 08.11.2005 nicht zur amtsärztlichen Untersuchung im RGU habe erscheinen können, erst nachträglich auf Anforderung der Antragsgegnerin vom 16.11.2005 erstellt worden sei. Es werde dem Antragsteller allerdings in dessen eigenem Interesse nahe gelegt, einen Termin zur Untersuchung zu vereinbaren, diesen wahrzunehmen und der Antragsgegnerin einen Nachweis hierüber zukommen zu lassen, sich auch von Frau Dr. D. untersuchen zu lassen sowie die Untersuchungsergebnisse an die Antragsgegnerin übermitteln zu lassen.
Ausweislich einer Aktennotiz vom 05.12.2005 sei der Antragsteller in seiner Mobilität so eingeschränkt, dass ihm von der BKK A. ein elektrischer Rollstuhl genehmigt worden sei. Trotzdem könne er sich zum Beispiel auf Grund angeschwollener Hände nicht mehr selbst waschen und sei auf Hilfe angewiesen. Es werde vereinbart, dass das Sozialbürgerhaus R. (SBG-RP) ein Gutachten beim RGU anfordere und der Antragsteller sich um einen Pflegedienst kümmere, der einen Kostenvoranschlag erstelle.
Mit Schreiben vom 05.12.2005 bat das SBG-RP beim RGU um amts-ärztliche Begutachtung, um die Anspruchsvoraussetzungen für die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII prüfen zu können.
Der Antragsteller übermittelte ein ärztliches Attest zur Vorlage beim Sozialreferat vom 06.12.2005, wonach bestätigt wurde, dass der Antragsteller länger als zwölf Monate wegen der gleichen Krankheit, unter anderem, arbeitsunfähig sei (Schreiben vom 07.12.2005).
Mit Schreiben vom 26.01.2006 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, sich mit dem RGU in Verbindung zu setzen, einen Untersuchungstermin zu vereinbaren, bis zum 28.02.2006 wahrzunehmen und der Antragsgegnerin einen Nachweis hierüber zukommen zu lassen. Außerdem werde der Antragsteller sich (auch von Frau Dr. D.) untersuchen lassen und das Untersuchungsergebnis an die Antragsgegnerin übersenden lassen. Falls der Antragsteller der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkomme, würde die Hilfe nach § 66 SGB I teilweise versagt, indem die Hilfe um den nach § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII gewährten Mehrbedarf für Erwerbsunfähigkeit gekürzt werde, da ohne ein Gutachten des RGU die Erwerbsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
Mit Formblattschreiben vom 05.04.2006 teilte die DRV Bund der Antragsgegnerin mit, dass der Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Bescheid vom 05.04.2006 abgelehnt worden sei.
Ausweislich eines Schreibens des RGU an das SBH-RP konnte eine Untersuchung des Antragstellers nicht erfolgen, weil dieser im elektrischen Rollstuhl sitze und keine Begleitperson habe, die ihm beim Anstieg in die Verkehrsmittel helfe (laut Anruf des Antragstellers vom 10.04.2006).
Die mit aktenkundigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten des Antragstellers stellen sich wie folgt dar: - vom 03.05.2005 bis 31.07.2005, bis 14.10.2005, bis 13.11.2005, bis 30.06.2006 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C.) - vom 02.01. bis 31.01.2006 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Dr. T.M.)
Mit Schreiben vom 13.11.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München - SG - einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt. Er erhalte vollkommen zu Recht bis zum 30.06.2006 einen Mehrbedarfzuschlag auf Grund eines GdB von mindestens 60 v.H. und mindestens Merkzeichen "G".
Mit Beschluss vom 15.12.2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I nachgekommen sei oder dass eine solche Mitwirkungspflicht nicht bestanden habe. Das Gericht könne deshalb nicht davon ausgehen, dass der begehrte Mehrbedarfszuschlag zu Unrecht gemäß § 66 Abs.1 SGB I versagt worden sei. Die Antragsgegnerin sei zur eigenständigen Feststellung der Erwerbsminderung durch ihren Ärztlichen Dienst befugt und verpflichtet gewesen, da der Antragsteller keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung beziehe. Nachdem der Antragsteller an sich zur Teilnahme an der Untersuchung verpflichtet gewesen sei, hätte er, um glaubhaft zu machen, dass er auf Grund seiner Behinderung ohne Begleitperson nicht zu dem Termin habe erscheinen können, zumindest ärztliche Atteste über seine Bewegungseinschränkung und eine Darstellung der konkreten Probleme bei Bewältigung des Weges zum RGU durch öffentliche Verkehrsmittel vorlegen müssen. Da er sich trotz gerichtlicher Aufforderung dazu geweigert habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen.
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, die Antragsgegnerin habe kein Recht, dem Rentenversicherungsträger vorzugreifen und eigenmächtig eine Untersuchung zur Feststellung der dauerhaften Erwerbsminderung anzuordnen und dem Begünstigten auch noch aufzugeben, hierfür selber einen Termin zu vereinbaren. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit obliege der Bundesagentur für Arbeit oder dem zuständigen Rentenversicherungsträger. Das RGU könne lediglich mit Zustimmung des Probanden eine beratende Tätigkeit ausüben, welche Tätigkeiten in Betracht kämen, falls durch die für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit autorisierten Behörden eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben festgestellt werde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.12.2006 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.06.2006 festzustellen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm über den 30.06.2006 hinaus Leistungen für den Mehrbedarf für Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des SG (Az.: S 19 SO 248/06), die ebenfalls beigezogenen Akten der Antragsgegnerin (drei Bände) und die beigezogenen Schwerbehindertenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist ein Eilantrag gemäß § 86b Abs. 1 SGG und nicht - wovon das SG ausging - gemäß § 86b Abs. 2 SGG statthaft.
Zur Statthaftigkeit des Eilantrags ist Folgendes auszuführen:
Soweit es um die Entziehung des bewilligten Mehrbedarfszuschlags gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII geht, handelt es sich um eine Anfechtungssache. Statthaft ist insoweit der Antrag auf Feststellung der gemäß § 86a Abs.1 Satz 1 SGG eingetretenen aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - analog. Denn der Antragsteller begehrt hier nicht eine Erweiterung seiner Rechtsposition, sondern die Beibehaltung des Status quo durch aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen die Entziehung des per Dauerverwaltungsakt bewilligten Mehrbedarfszuschlags.
Erklärtes Rechtsschutzziel des Antragstellers war es, die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags über den 30.06.2006 hinaus zu erreichen. Dieses Ziel wird durch den vorrangig zu gewährenden (vgl. § 86b Abs.1 S.1 1.HS SGG) gerichtlichen Rechtsschutz in Anfechtungssachen erreicht, wenn die Bewilligung der Leistung per Dauerverwaltungsakt erfolgt war. Denn die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.07.2005 ausgesprochene Entziehung stellt dann einen Eingriff in eine Rechtsposition dar. Einstweiliger Rechtsschutz dagegen wird insofern nicht durch eine Erweiterung der Rechtsposition (sog. Vornahmesache) gewährt, sondern durch aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs, die gemäß § 86a Abs.1 S.1 SGG von Gesetzes wegen eintritt, wenn kein Fall des § 86a Abs.2 bzw. 4 SGG vorliegt. Um eine solche Anfechtungssache handelt es sich hier, da der fragliche Bewilligungsbescheid ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist.
Bei den bestandkräftigen Bewilligungsbescheiden zu Gunsten des Antragstellers vom 06.07.2005 und vom 08.07.2005 handelt es sich nach deren objektivem Erklärungsinhalt für einen juristisch nicht gebildeten Empfänger um Bescheide mit Dauerwirkung. Denn dem Antragsteller wurde damit eine bestimmte Leistung, und zwar die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII einschließlich des Mehrbedarfszuschlags gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII in bestimmter Höhe ohne zeitliche Begrenzung, nämlich "bis auf weiteres", bewilligt. Bei verständiger Würdigung durfte der juristisch nicht gebildete Antragsteller aus den Worten "bis auf weiteres" entnehmen, dass ihm die Leistung bis zu einer Neufeststellung, eben bis auf weiteres, zustehen würde. Dieser Erklärungsinhalt wurde bestärkt durch den Bescheid vom 08.07.2005, in dem ohne jede Einschränkung bzw. ohne jeden Hinweis auf eine Vorläufigkeit eine Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt, und zwar ausdrücklich einschließlich des hier fraglichen Mehrbedarfszuschlags, bewilligt wurde.
Der vorgenommenen Auslegung steht nicht entgegen, dass in dem Bescheid vom 06.07.2005 in dem Exemplar, das sich in den Akten befindet, handschriftlich im ersten Satz "vorläufig" eingefügt war. Dabei wird zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass dieser Zusatz in dem Exemplar, das der Antragsteller erhielt, enthalten war. Der Antragsteller konnte jedoch allein aus dem handschriftlichen Eintrag "vorläufig" eine zeitliche Begrenzung der Bewilligung nicht entnehmen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Bewilligungsbescheide vom Juli 2005 datieren und die entsprechenden Leistungen in der Folgezeit ohne bescheidmäßige Neufeststellungen bis zu der hier fraglichen Entziehung des Mehrbedarfszuschlags im Juni 2006 gewährt wurden. Der Antragsteller musste daher davon ausgehen, dass die Bewilligung dauerhaft, eben "bis auf weiteres", läuft, und dass sich der Vorläufigkeitsvermerk allenfalls auf eine mögliche Rückforderung der längerfristig bewilligten Leistung bezieht. Im Übrigen ist auch keine Rechtsgrundlage für eine vorläufige Leistung genannt oder ersichtlich (vgl. §§ 43 SGB I, 32 SGB X, §§ 40, 40a Abs.1 Satz 3 SGB II).
Auch aus der gesetzlichen Regelung im SGB XII folgt nichts anderes. Das SGB XII enthält keine verbindliche Regelung für die regelmäßige Bezugsdauer der Hilfe zum Lebensunterhalt. Es steht der Antragsgegnerin deshalb frei, die Hilfe für einen längeren Zeitraum zu bewilligen. Will sie die Bewilligung für nur einen bestimmten Zeitraum erteilen, etwa von Monat zu Monat (vgl. dazu die gesetzlichen Formulierungen des § 28 Abs.2 Satz 1 - "monatliche Regelsätze"; § 29 Abs.3 Satz 2 - "monatliche Pauschale"), muss sie dies im Bewilligungsbescheid durch entsprechende für den Hilfeempfänger verständliche Formulierungen deutlich machen. An solchen eindeutigen Formulierungen fehlt es hier. Vor allem enthält der Bescheid vom 08.07.2005 keinerlei einschränkende Hinweise bezüglich der Bezugsdauer.
Der hier vorgenommenen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass für die frühere Sozialhilfe nach dem am 31.12.2004 außer Kraft getretenen BSHG als ungeschriebener Grundsatz angenommen wurde, dass die HLU keine rentengleiche Dauerleistung darstelle und nur zeitabschnittsweise, in der Regel monatsweise, gewährt wurde. Dies wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch dann angenommen, wenn eine Bewilligung "bis auf weiteres" erfolgte, weil damit lediglich weitere Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen "in Aussicht gestellt worden seien" (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 24.08.1972 - VC 49.72). Als Rechtsgrundlage für eine Weiterzahlung in den Folgemonaten wurde nach dieser Rechtsprechung nicht der mit einer solchen Formulierung versehene Bescheid angenommen, sondern der Erlass von weiteren Verwaltungsakten jeweils für den Folgemonat fingiert, in dem die Auszahlung als Bekanntgabe des konkludent zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes angesehen wurde. Ob diese von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gewählte Konstruktion auch im Rahmen der Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII Bestand hat, kann hier dahinstehen. Denn die hier vorliegenden Bewilligungen sind jedenfalls dahingehend auszulegen, dass die Leistungen nicht - wie bereits ausgeführt - nur für einen im Vorhinein bestimmten Zeitraum, sondern längerfristig bewilligt wurden.
Höchst vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass - selbst wenn der Antragsteller vorliegend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt haben sollte -, die Umdeutung eines entsprechenden Antrags in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs.1 SGG zulässig und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch geboten wäre (ebenso LSG Berlin-Brandenburg vom 27.01.2006, L 15 B 1105/05 SO ER).
Soweit es um die konkrete Auszahlung der bewilligten Leistung geht, handelt es sich um einen Antrag auf gerichtliche Anordnung der Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG. Der Antragsteller wendet sich insofern sinngemäß gegen die Vollziehung des Entziehungsbescheids und damit gegen die Folgen der Vollziehung des Verwaltungsakts, gegen den sich der Rechtsbehelf richtet, um dessen aufschiebende Wirkung es geht. Sein Antrag war mithin im genannten Sinne auszulegen.
Die entsprechenden Anträge des Antragstellers sind auch begründet.
Handelt es sich nach dem zur Statthaftigkeit Ausgeführten bei der Bewilligung des Mehrbedarfszuschlags um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ist einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 86b Abs.1 SGG (sog. Anfechtungssache) zu gewähren und nicht gemäß § 86b Abs.2 SGG (sog. Verpflichtungssache). Eine Änderung der bewilligten Leistungen durfte der Antragsgegnerin daher nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X vornehmen. Ein entsprechender Aufhebungsbescheid stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, der vom Leistungsberechtigten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann. Der Widerspruch des Antragstellers hat im Bereich des SGB XII nach § 86a Abs.1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, da ein Ausnahmefall gemäß § 86a Abs.2 und 4 SGG nicht vorliegt (vgl. Roth-kegel, Sozialhilferecht, 1. Auflage 2005, Teil 5, S.104, Rn.9 m.w.N.). Insbesondere enthält das SGB XII keine den §§ 86a Abs.2 Nr.4 SGG, 39 SGB II vergleichbare Regelung. Sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 86a Abs.2 Nr.5 SGG hat die Antragsgegnerin nicht angeordnet. Daher kommt keine gerichtliche Anordnung, sondern nur eine Feststellung der von Gesetzes wegen eingetretenen aufschiebenden Wirkung in Betracht. Auch eine solche Feststellung des Bestehens der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist möglich. Denn bei rechtwidriger (faktischer) Vollziehung - wie hier - kann die ohnehin gegebene aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, sondern nur deklaratorisch festgestellt werden. Zu prüfen ist hier lediglich, ob aufschiebende Wirkung eingetreten ist. Eine Interessenabwägung ist nicht vorzunehmen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 86a Rn.8, § 86b Rn.15; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rn 178; Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt, Stand 3/98, § 80 Rn.56, 64, 273; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, S.425 Rn 908).
Der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch entfaltet nach alledem von Gesetzes wegen die im Tenor festgestellte aufschiebende Wirkung. Höchstvorsorglich weist der Senat darauf hin, dass fraglich ist, ob die für eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 86a Abs.2 Nr.5 SGG zu fordernden Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. Jedenfalls begegnet die bisherige Begründung für die Einstellung der Hilfegewährung rechtlichen Bedenken (vgl. zum Ganzen LSG Berlin-Brandenburg vom 27.01.2006, L 15 B 1105/05 SO ER). Insbesondere sprechen nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten gewichtige Umstände dafür, dass beim Antragsteller Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII vorliegt. Ebenso verlangen §§ 60 ff. SGB I eine detaillierte Darlegung der Mitwirkungspflicht, deren Zumutbarkeit (§ 65 SGB I) und das Fehlen einer Möglichkeit anderweitiger Beschaffung der erforderlichen Daten (§ 65 Abs.1 Nr.3 SGB I, z.B. Beiziehung der Akten der DRV Bund bzw. des Zentrums Bayern für Familie und Soziales). Hinzu kommt, dass dem dem Senat vorliegenden Aktenmaterial nicht entnommen werden kann, ob die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Ablehnung der Dr. D. durch den Kläger ihren Pflichten im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 17 SGB X nachgekommen ist.
Soweit es um den Antrag des Klägers auf Auszahlung der Leistung geht, handelt es sich - wie ausgeführt - um einen Antrag gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG in analoger Anwendung. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die bewilligte Leistung des Mehrbedarfszuschlags in der Zeit ab 01.07.2006 vorläufig weiterhin auszuzahlen ist. Der Anspruch ergibt sich als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch aus § 86b Abs.1 Satz 2 SGG (vgl. zur Vollzugsfolgenbeseitigung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 durch Zusprechen der nicht ausbezahlten Leistungen auch LSG Baden Württemberg vom 18.10.2006, L 7 SO 3313/06 ER-B).
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht gemäß § 86b Abs.1 Satz 2, der dem § 80 Abs.5 Satz 3 VwGO nachgebildet ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Voraussetzung für die Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht ist, dass der Antragsteller zuvor ein für ihn erfolgreiches Verfahren nach § 86b Abs.1 Satz 1 SGG durchgeführt hat. Dies ist hier - wie oben ausgeführt - der Fall. Die Vollziehung des Entziehungsbescheids ist vorliegend in der Einstellung der Leistungen des Mehrbedarfszuschlags mit Wirkung ab 01.07.2006 zu sehen. Die Beseitigung der Vollzugsfolgen ist mithin dadurch rückgängig zu machen, dass die Behörde zur Auszahlung des Mehrbedarfszuschlags mit Wirkung ab 01.07.2006 verpflichtet wird. Liegen die Voraussetzungen des § 86b Abs.1 Satz 2 SGG vor, muss das Gericht entgegen dem insofern irreführenden Wortlaut der Vorschrift ("kann") die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Denn bei einem Absehen von der Vollziehungsaufhebung könnte die Behörde trotz Rechtswidrigkeit der Vollziehung die vorläufige Verwirklichung des Inhalts des Verwaltungsakts auf dem Umweg des § 86b Abs.1 Satz 2 SGG erreichen. Der Antrag gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG kann auch im Beschwerdeverfahren gestellt werden (vgl. LSG Niedersachsen, Breithaupt 2003, 265). Die entsprechende gerichtliche Anordnung ergeht als spezielle Form der Regelungsanordnung, da eine Erweiterung der Rechtsposition angestrebt wird (vgl. Schoch, a.a.O., § 80 Rn.367; Krodel a.a.O., Rn.179). Die Anordnung stützt sich auf § 86b Abs.1 Satz 2 SGG analog, da die Vorschrift an sich die Anordnung und nicht - wie hier - die Feststellung der aufschiebenden Wirkung voraussetzt. Die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung ist im Gegensatz zu der rechtsgestaltenden Anordnung der aufschiebenden Wirkung vollstreckungsfähig (vgl. Schoch, a.a.O., § 80 Rn.367; Krodel, a.a.O., Rn.179). Für eine Vollsteckbarkeit wird allerdings kein Bedürfnis bestehen, da zu erwarten ist, dass sich die an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebundene Behörde an die gerichtliche Anordnung hält.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird, worauf der Antragsteller hingewiesen wurde, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zum Teil ein nur herabgesetzter Betrag der möglicherweise zustehenden Sozialleistung zugesprochen (vgl. dazu BVerfG v 12.5.2005, 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982; LSG Berlin vom 2.2.2006, L 14 B 1157/05 AS ER; SG Düsseldorf v 16.2.2005, S 35 SO 28/05 ER; vgl. aber auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.4.2005, L 8 AS 57/05 ER). Vorliegend geht es um einen bereits bewilligten Mehrbedarfszuschlag, der 17 % der Regelleistung ausmacht. Da es sich vorliegend um einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition (und nicht um eine Erweiterung einer Rechtsposition) handelt und nach der Einschätzung des Senats eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, hielt der Senat eine Kürzung der zustehenden Leistung, die im Ergebnis zu einem Obsiegen der Antragsgegnerin geführt hätte, vorliegend nicht für angemessen. Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Sozialleistungen, die mit gerichtlicher Eilentscheidung zugesprochen werden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen. Dementsprechend muss der Antragsteller Sozialleistungen, die ihm im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochen werden, erstatten, wenn die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt. Wird die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im Hautsacheverfahren rechtskräftig bestätigt, wären auf Grund des gerichtlichen Eilbeschlusses gewährte Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden. Es bestünde dann ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Insoweit weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass sich aus einer fehlenden Mitwirkung des Antragstellers für diesen nachteilige Konsequenzen ergeben könnten.
Da die Vollziehungsfolgenbeseitigung eine Annexentscheidung zu der Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs darstellt und die Antragsgegnerin den Erlass des Widerspruchsbescheides selbst in der Hand hat, war eine zeitliche Begrenzung der in Punkt III. des Tenors festgelegten vorläufigen Leistungspflicht nicht anzuordnen. In diesem Zusammenhang weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs erst mit der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids bzw. mit der Erhebung der Klage endet (str., vgl. dazu Krodel, aaO, Rn 87 f. m.w.N.)
Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechung, dass der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hatte, § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
II. Es wird festgestellt, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22.06.2006 aufschiebende Wirkung hat.
III. Die Antragsgegnerin wird im Wege der Anordnung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG verpflichtet, den Mehrbedarfszuschlag gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII mit Wirkung ab 01.07.2006 an den Antragsteller auszuzahlen.
IV. Die Antragsgegnerin hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang zu erstatten.
Gründe:
I.
Streitgegenstand des vorliegenden Eilverfahrens ist die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts, mit welchem ein dem Antragsteller bewilligter Mehrbedarfszuschlag mit Wirkung vom 01.07.2006 entzogen wurde.
Der 1960 geborene Antragsteller ist ausweislich des aktenkundigen Schwerbehindertenausweises schwerbehindert (GdB 80 v.H.). Die Merkzeichen "G", "aG" und "B" sind zuerkannt. Nach Verbüßung einer Haftstrafe bezog er seit 02.04.2004 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).
Ausweislich aktenkundiger Befundberichte des Klinikums A. vom 15.05.2003 und vom 24.02.2003 leidet der Antragsteller unter erheblichen Gesundheitsstörungen, insbesondere unter einer seropositiven chronischen Polyarthritis, einem sekundären generalisierten fibromyalgischen Syndrom und einer arteriellen Hypertonie. Nach einem ärztlichen Attest vom 25.03.2004 ist er durch seine jahrelangen chronischen Erkrankungen an zahlreichen Gelenken geschädigt und schwer gehbehindert. Eine Unterbringung mit Aufzug oder Parterre sei für ihn erforderlich. Ausweislich eines ärztlichen Gutachtens zur Beantragung eines Mehrbedarfszuschlags wegen kostenaufwändiger Ernährung vom 11.11.2004 ist für den Kläger eine Sonderkost erforderlich (natriumdefinierte Kost).
Nach einer Stellungnahme der Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen Dr. D. fand sich der Antragsteller am 16.03.2004 zur amtsärztlichen Untersuchung zur Feststellung der Arbeitsfähigkeit für das Sozialamt ein. Der Antragsteller habe sich weder mit der Mitteilung seiner Diagnosen an das Sozialamt noch wegen der gesundheitlichen Leistungseinschränkungen bezüglich der Arbeitsfähigkeit noch mit Behandlungsvorschlägen einverstanden erklärt. Daher sei auf eine Untersuchung verzichtet worden. Der Antragsteller sei auf die möglichen Konsequenzen hingewiesen worden.
Am 11.08.2004 beantragte der Antragsteller eine Rente bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund - DRV Bund).
Mit Bescheid vom 29.11.2004 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller ab 01.11.2004 einen Mehrbedarfszuschlag für krankheitsbedingte kostenaufwändige Ernährung von monatlich 27,00 EUR bis längstens 31.12.2004.
Ausweislich einer Gesprächsnotiz vom 14.06.2005 besteht grundsätzlich ein Anspruch auf SGB XII-Leistungen, da der Antragsteller nun sechs Monate durchweg krankgeschrieben sei und voraussichtlich auch weiterhin arbeitsunfähig sein werde. Beim Antrag auf SGB XII-Leistungen solle gleichzeitig im Rahmen der Mitwirkungspflicht eine Untersuchung beim Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zur Klärung der Erwerbsunfähigkeit verlangt werden. Weigere sich der Antragsteller erneut, könnten die SGB XII-Leistungen abgelehnt werden.
Mit Bescheid vom 30.05.2005 gewährte die Arge für Beschäftigung M. GmbH (Arge) Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2005 bis 31.12.2005. Mit Bescheid vom 23.06.2005 hob die Arge den "Weiterbewilligungsbescheid" ab 01.07.2005 auf. Dem Antragsteller stünden ab 01.07.2005 keine Leistungen mehr nach dem SGB II zu. Da der Antragsteller auch weiterhin auf unabsehbare Zeit krankgeschrieben sei, erfülle er nicht mehr das Tatbestandsmerkmal "erwerbsfähig" nach § 7 Abs.1 Satz 1, § 8 Abs.1 Sozialgesetzbuch - SGB - II. Hierzu erhalte er noch einen gesonderten Aufhebungsbescheid. Der Antragsteller könne einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB XII stellen. Es werde darauf hingewiesen, dass der Antragsteller zur Gewährung der SGB XII-Leistungen seine Erwerbsunfähigkeit durch Untersuchung durch das RGU nachweisen müsse. Mit Bescheid vom 22.06.2005 hob die Arge die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab 01.07.2005 ganz auf. Da der Antragsteller wegen seiner Krankheit auf nicht absehbare Zeit außer Stande sei, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten, könnten ihm ab 01.07.2005 keine weiteren Leistungen nach dem SGB II gewährt werden. Eine Untersuchung durch das RGU, um die Dauer der Arbeitsunfähigkeit zu klären, habe der Antragsteller abgelehnt. Der Weiterbewilligungsbescheid vom 30.05.2005 für die Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.07.2005 werde daher aufgehoben.
Mit Schreiben vom 01.07.2005 beantragte der Antragsteller Leistungen nach dem SGB XII.
Am 05.07.2005 bat das Sozialreferat der Antragsgegnerin das RGU um ein ärztliches Gutachten nach Untersuchung des Antragstellers. Mit Schreiben vom 06.07.2005 wies die Antragsgegnerin den Antragsteller auf die Folgen fehlender Mitwirkung, nämlich die Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt hin.
Mit Bescheid vom 06.07.2005 gewährte die Antragsgegnerin - Sozialreferat - dem Antragsteller laufende Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) für die Zeit vom 01.07.2005 bis auf weiteres in Höhe von monatlich 836,98 EUR. Das aktenkundige Exemplar des Bescheids vom 06.07.2005 enthält handschriftlich die Einfügung "vorläufig" in der ersten Bescheidzeile: "Unter Berücksichtigung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse werden "vorläufig" folgende Leistungen gewährt: ..."). Die Berechnung ergebe sich aus dem als Anlage beigefügten Berechnungsbogen, der Bestandteil dieses Bescheides sei. In der Anlage wurde unter der Rubrik Bedarfsberechung der Regelsatz und "Merkzeichen G" (§ 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII) genannt. Der Bescheid enthielt ferner allgemeine Hinweise, wonach der Antragsteller verpflichtet sei, alle Änderungen in seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen mitzuteilen. Komme er dieser Pflicht nicht nach, könnten die bewilligten Leistungen wegen fehlender Mitwirkung ganz oder teilweise entzogen werden. Soweit zu Unrecht Leistungen erbracht worden seien, könnten diese zurückgefordert werden. Ferner wurde auf die neuen Vermögensfreigrenzen ab 01.01.2005 hingewiesen.
Laut einer gutachterlichen Stellungnahme des Dr. C. vom 06.07.2005 ist beim Antragsteller wegen Bluthochdrucks (Hypertonus) eine Sonderkost erforderlich (salzarme Kost).
Mit Bescheid vom 08.07.2005 gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller einen Mehrbedarf für krankheitsbedingte kostenaufwändigere Ernährung von monatlich 27,00 EUR bis längstens 30.06.2006 und stellte den Anspruch des Antragstellers neu fest (monatlich 863,98 EUR für den Monat Juli 2005). Der Bescheid enthält die oben bereits genannten allgemeinen Hinweise. In der Anlage (Berechnungsbogen 7/2005) wird zusätzlich bei der Bedarfsberechnung "natriumdefinierte Kost" mit einem Betrag von 27,00 EUR genannt. Einen Hinweis bezüglich einer Vorläufigkeit enthält der Bescheid nicht.
Mit Schreiben vom 13.07.2005 wurde der Antragsteller zur amts-ärztlichen Untersuchung für 16.09.2005, 8.15 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 06.09.2005 bat der Antragsteller um Verlegung des für den 16.09.2005 anberaumten Untersuchungstermins. Er sei auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen und benötige zurzeit zwei Gehhilfen. Es wäre ihm nur unter erschwerten und somit nicht zumutbaren Bedingungen möglich, den anberaumten Termin wahrzunehmen. Eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes sei derzeit nicht absehbar.
Mit Schreiben vom 06.09.2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller im Wesentlichen mit, er müsse durch ein Attest nachweisen, dass er an dem Untersuchungstag nicht ausgehfähig sei.
Mit Schreiben vom 13.09.2005 lehnte dieser die als Gutachterin vorgesehene Dr. D. wegen Misstrauens gegen die unparteiische Amtsausübung ab. Nach dem beigefügten ärztlichen Attest des Dr.C. vom 13.09.2005 sei der Antragsteller akut mit Fieber erkrankt. Dies erfordere eine Verschiebung des Untersuchungstermins um ca. eine Woche. Überdies seien Termine am frühen Vormittag wegen der Rheumaerkrankung nicht geeignet. Ideal wären Termine am Nachmittag.
Mit Schreiben vom 20.09.2005 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin mit, dass eine wesentliche Besserung des Gesundheitszustandes wie im Attest ausgewiesen bislang nicht eingetreten sei.
Mit Schreiben vom 23.09.2005 wurde der Antragsteller zur amtsärztlichen Untersuchung zum 08.11.2005, 9.45 Uhr geladen.
Mit Schreiben vom 02.11.2005 teilte der Antragsteller mit, wegen seiner Behinderungen dürfe er darum bitten, zu veranlassen und zu gewährleisten, dass für den Weg zur und von der Untersuchung ein Fahrdienst eingerichtet und Begleitperson bereitgestellt werde, da ansonsten die lange Wegstrecke unzumutbar sei und einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit bedeuten würde. Frau Dr. D. lehne er nach wie vor ab. Ferner bat er unter anderem um Mitteilung darüber, ob es beim Termin am 08.11.2005 verbleibe.
Mit Schreiben vom 10.11.2005 beantragte der Antragsteller, die laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt ab sofort kostenfrei an seinen Wohnsitz zu übermitteln.
Mit Schreiben vom 16.11.2005 hörte die Antragsgegnerin den Antragsteller wegen einer ab 01.01.2006 beabsichtigen Kürzung der HLU um 25 % an. Der Antragsteller habe den ersten beim RGU vorgesehenen Untersuchungstermin am 16.09.2005 abgesagt und das geforderte Attest vorgelegt. Dem zweiten Termin am 08.11.2005 sei er unentschuldigt ferngeblieben. Damit sei er seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Der Antragsteller legte ein ärztliches Attest des Dr. C. vor, wonach er unter einem schweren chronischen Gelenkrheumatismus mit deutlicher Einschränkung der Mobilität leide, so dass er am 08.11.2005 den Termin beim RGU nicht hätte wahrnehmen können (Schreiben vom 22.11.2005).
Mit Schreiben vom 01.12.2005 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, es werde zunächst von einer Kürzung der HLU abgesehen, wenngleich das ärztliche Attest, wonach der Antragsteller am 08.11.2005 nicht zur amtsärztlichen Untersuchung im RGU habe erscheinen können, erst nachträglich auf Anforderung der Antragsgegnerin vom 16.11.2005 erstellt worden sei. Es werde dem Antragsteller allerdings in dessen eigenem Interesse nahe gelegt, einen Termin zur Untersuchung zu vereinbaren, diesen wahrzunehmen und der Antragsgegnerin einen Nachweis hierüber zukommen zu lassen, sich auch von Frau Dr. D. untersuchen zu lassen sowie die Untersuchungsergebnisse an die Antragsgegnerin übermitteln zu lassen.
Ausweislich einer Aktennotiz vom 05.12.2005 sei der Antragsteller in seiner Mobilität so eingeschränkt, dass ihm von der BKK A. ein elektrischer Rollstuhl genehmigt worden sei. Trotzdem könne er sich zum Beispiel auf Grund angeschwollener Hände nicht mehr selbst waschen und sei auf Hilfe angewiesen. Es werde vereinbart, dass das Sozialbürgerhaus R. (SBG-RP) ein Gutachten beim RGU anfordere und der Antragsteller sich um einen Pflegedienst kümmere, der einen Kostenvoranschlag erstelle.
Mit Schreiben vom 05.12.2005 bat das SBG-RP beim RGU um amts-ärztliche Begutachtung, um die Anspruchsvoraussetzungen für die Hilfe zur Pflege nach den §§ 61 ff. SGB XII prüfen zu können.
Der Antragsteller übermittelte ein ärztliches Attest zur Vorlage beim Sozialreferat vom 06.12.2005, wonach bestätigt wurde, dass der Antragsteller länger als zwölf Monate wegen der gleichen Krankheit, unter anderem, arbeitsunfähig sei (Schreiben vom 07.12.2005).
Mit Schreiben vom 26.01.2006 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, sich mit dem RGU in Verbindung zu setzen, einen Untersuchungstermin zu vereinbaren, bis zum 28.02.2006 wahrzunehmen und der Antragsgegnerin einen Nachweis hierüber zukommen zu lassen. Außerdem werde der Antragsteller sich (auch von Frau Dr. D.) untersuchen lassen und das Untersuchungsergebnis an die Antragsgegnerin übersenden lassen. Falls der Antragsteller der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzten Frist nachkomme, würde die Hilfe nach § 66 SGB I teilweise versagt, indem die Hilfe um den nach § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII gewährten Mehrbedarf für Erwerbsunfähigkeit gekürzt werde, da ohne ein Gutachten des RGU die Erwerbsunfähigkeit nicht nachgewiesen sei.
Mit Formblattschreiben vom 05.04.2006 teilte die DRV Bund der Antragsgegnerin mit, dass der Antrag auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit mit Bescheid vom 05.04.2006 abgelehnt worden sei.
Ausweislich eines Schreibens des RGU an das SBH-RP konnte eine Untersuchung des Antragstellers nicht erfolgen, weil dieser im elektrischen Rollstuhl sitze und keine Begleitperson habe, die ihm beim Anstieg in die Verkehrsmittel helfe (laut Anruf des Antragstellers vom 10.04.2006).
Die mit aktenkundigen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen attestierten Arbeitsunfähigkeitszeiten des Antragstellers stellen sich wie folgt dar: - vom 03.05.2005 bis 31.07.2005, bis 14.10.2005, bis 13.11.2005, bis 30.06.2006 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. C.) - vom 02.01. bis 31.01.2006 (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Dr. T.M.)
Mit Schreiben vom 13.11.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht München - SG - einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz gestellt. Er erhalte vollkommen zu Recht bis zum 30.06.2006 einen Mehrbedarfzuschlag auf Grund eines GdB von mindestens 60 v.H. und mindestens Merkzeichen "G".
Mit Beschluss vom 15.12.2006 hat das SG den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Der Antragsteller habe nicht glaubhaft gemacht, dass er seiner Mitwirkungspflicht nach § 60 SGB I nachgekommen sei oder dass eine solche Mitwirkungspflicht nicht bestanden habe. Das Gericht könne deshalb nicht davon ausgehen, dass der begehrte Mehrbedarfszuschlag zu Unrecht gemäß § 66 Abs.1 SGB I versagt worden sei. Die Antragsgegnerin sei zur eigenständigen Feststellung der Erwerbsminderung durch ihren Ärztlichen Dienst befugt und verpflichtet gewesen, da der Antragsteller keine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder voller Erwerbsminderung beziehe. Nachdem der Antragsteller an sich zur Teilnahme an der Untersuchung verpflichtet gewesen sei, hätte er, um glaubhaft zu machen, dass er auf Grund seiner Behinderung ohne Begleitperson nicht zu dem Termin habe erscheinen können, zumindest ärztliche Atteste über seine Bewegungseinschränkung und eine Darstellung der konkreten Probleme bei Bewältigung des Weges zum RGU durch öffentliche Verkehrsmittel vorlegen müssen. Da er sich trotz gerichtlicher Aufforderung dazu geweigert habe, sei der Antrag abzulehnen gewesen.
Dagegen hat der Antragsteller Beschwerde zum Bayerischen Landessozialgericht - LSG - eingelegt und ausgeführt, die Antragsgegnerin habe kein Recht, dem Rentenversicherungsträger vorzugreifen und eigenmächtig eine Untersuchung zur Feststellung der dauerhaften Erwerbsminderung anzuordnen und dem Begünstigten auch noch aufzugeben, hierfür selber einen Termin zu vereinbaren. Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit obliege der Bundesagentur für Arbeit oder dem zuständigen Rentenversicherungsträger. Das RGU könne lediglich mit Zustimmung des Probanden eine beratende Tätigkeit ausüben, welche Tätigkeiten in Betracht kämen, falls durch die für die Feststellung der Erwerbsfähigkeit autorisierten Behörden eine Wiedereingliederung in das Erwerbsleben festgestellt werde.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 15.12.2006 aufzuheben, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 22.06.2006 festzustellen und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm über den 30.06.2006 hinaus Leistungen für den Mehrbedarf für Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie der beigezogenen Akten des SG (Az.: S 19 SO 248/06), die ebenfalls beigezogenen Akten der Antragsgegnerin (drei Bände) und die beigezogenen Schwerbehindertenakten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zu Unrecht hat das SG den Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz abgelehnt.
Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere ist ein Eilantrag gemäß § 86b Abs. 1 SGG und nicht - wovon das SG ausging - gemäß § 86b Abs. 2 SGG statthaft.
Zur Statthaftigkeit des Eilantrags ist Folgendes auszuführen:
Soweit es um die Entziehung des bewilligten Mehrbedarfszuschlags gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII geht, handelt es sich um eine Anfechtungssache. Statthaft ist insoweit der Antrag auf Feststellung der gemäß § 86a Abs.1 Satz 1 SGG eingetretenen aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs.1 Satz 1 Nr.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - analog. Denn der Antragsteller begehrt hier nicht eine Erweiterung seiner Rechtsposition, sondern die Beibehaltung des Status quo durch aufschiebende Wirkung seines Rechtsbehelfs gegen die Entziehung des per Dauerverwaltungsakt bewilligten Mehrbedarfszuschlags.
Erklärtes Rechtsschutzziel des Antragstellers war es, die Gewährung des Mehrbedarfszuschlags über den 30.06.2006 hinaus zu erreichen. Dieses Ziel wird durch den vorrangig zu gewährenden (vgl. § 86b Abs.1 S.1 1.HS SGG) gerichtlichen Rechtsschutz in Anfechtungssachen erreicht, wenn die Bewilligung der Leistung per Dauerverwaltungsakt erfolgt war. Denn die von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 08.07.2005 ausgesprochene Entziehung stellt dann einen Eingriff in eine Rechtsposition dar. Einstweiliger Rechtsschutz dagegen wird insofern nicht durch eine Erweiterung der Rechtsposition (sog. Vornahmesache) gewährt, sondern durch aufschiebende Wirkung des eingelegten Rechtsbehelfs, die gemäß § 86a Abs.1 S.1 SGG von Gesetzes wegen eintritt, wenn kein Fall des § 86a Abs.2 bzw. 4 SGG vorliegt. Um eine solche Anfechtungssache handelt es sich hier, da der fragliche Bewilligungsbescheid ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ist.
Bei den bestandkräftigen Bewilligungsbescheiden zu Gunsten des Antragstellers vom 06.07.2005 und vom 08.07.2005 handelt es sich nach deren objektivem Erklärungsinhalt für einen juristisch nicht gebildeten Empfänger um Bescheide mit Dauerwirkung. Denn dem Antragsteller wurde damit eine bestimmte Leistung, und zwar die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem 3. Kapitel des SGB XII einschließlich des Mehrbedarfszuschlags gemäß § 30 Abs.1 Nr.2 SGB XII in bestimmter Höhe ohne zeitliche Begrenzung, nämlich "bis auf weiteres", bewilligt. Bei verständiger Würdigung durfte der juristisch nicht gebildete Antragsteller aus den Worten "bis auf weiteres" entnehmen, dass ihm die Leistung bis zu einer Neufeststellung, eben bis auf weiteres, zustehen würde. Dieser Erklärungsinhalt wurde bestärkt durch den Bescheid vom 08.07.2005, in dem ohne jede Einschränkung bzw. ohne jeden Hinweis auf eine Vorläufigkeit eine Bewilligung der Hilfe zum Lebensunterhalt, und zwar ausdrücklich einschließlich des hier fraglichen Mehrbedarfszuschlags, bewilligt wurde.
Der vorgenommenen Auslegung steht nicht entgegen, dass in dem Bescheid vom 06.07.2005 in dem Exemplar, das sich in den Akten befindet, handschriftlich im ersten Satz "vorläufig" eingefügt war. Dabei wird zugunsten der Antragsgegnerin unterstellt, dass dieser Zusatz in dem Exemplar, das der Antragsteller erhielt, enthalten war. Der Antragsteller konnte jedoch allein aus dem handschriftlichen Eintrag "vorläufig" eine zeitliche Begrenzung der Bewilligung nicht entnehmen. Dies wird insbesondere dadurch deutlich, dass die Bewilligungsbescheide vom Juli 2005 datieren und die entsprechenden Leistungen in der Folgezeit ohne bescheidmäßige Neufeststellungen bis zu der hier fraglichen Entziehung des Mehrbedarfszuschlags im Juni 2006 gewährt wurden. Der Antragsteller musste daher davon ausgehen, dass die Bewilligung dauerhaft, eben "bis auf weiteres", läuft, und dass sich der Vorläufigkeitsvermerk allenfalls auf eine mögliche Rückforderung der längerfristig bewilligten Leistung bezieht. Im Übrigen ist auch keine Rechtsgrundlage für eine vorläufige Leistung genannt oder ersichtlich (vgl. §§ 43 SGB I, 32 SGB X, §§ 40, 40a Abs.1 Satz 3 SGB II).
Auch aus der gesetzlichen Regelung im SGB XII folgt nichts anderes. Das SGB XII enthält keine verbindliche Regelung für die regelmäßige Bezugsdauer der Hilfe zum Lebensunterhalt. Es steht der Antragsgegnerin deshalb frei, die Hilfe für einen längeren Zeitraum zu bewilligen. Will sie die Bewilligung für nur einen bestimmten Zeitraum erteilen, etwa von Monat zu Monat (vgl. dazu die gesetzlichen Formulierungen des § 28 Abs.2 Satz 1 - "monatliche Regelsätze"; § 29 Abs.3 Satz 2 - "monatliche Pauschale"), muss sie dies im Bewilligungsbescheid durch entsprechende für den Hilfeempfänger verständliche Formulierungen deutlich machen. An solchen eindeutigen Formulierungen fehlt es hier. Vor allem enthält der Bescheid vom 08.07.2005 keinerlei einschränkende Hinweise bezüglich der Bezugsdauer.
Der hier vorgenommenen Auslegung steht auch nicht entgegen, dass für die frühere Sozialhilfe nach dem am 31.12.2004 außer Kraft getretenen BSHG als ungeschriebener Grundsatz angenommen wurde, dass die HLU keine rentengleiche Dauerleistung darstelle und nur zeitabschnittsweise, in der Regel monatsweise, gewährt wurde. Dies wurde von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung auch dann angenommen, wenn eine Bewilligung "bis auf weiteres" erfolgte, weil damit lediglich weitere Leistungen bei Fortbestand der Bewilligungsvoraussetzungen "in Aussicht gestellt worden seien" (vgl. Bundesverwaltungsgericht vom 24.08.1972 - VC 49.72). Als Rechtsgrundlage für eine Weiterzahlung in den Folgemonaten wurde nach dieser Rechtsprechung nicht der mit einer solchen Formulierung versehene Bescheid angenommen, sondern der Erlass von weiteren Verwaltungsakten jeweils für den Folgemonat fingiert, in dem die Auszahlung als Bekanntgabe des konkludent zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes angesehen wurde. Ob diese von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung gewählte Konstruktion auch im Rahmen der Vorschriften der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII Bestand hat, kann hier dahinstehen. Denn die hier vorliegenden Bewilligungen sind jedenfalls dahingehend auszulegen, dass die Leistungen nicht - wie bereits ausgeführt - nur für einen im Vorhinein bestimmten Zeitraum, sondern längerfristig bewilligt wurden.
Höchst vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass - selbst wenn der Antragsteller vorliegend einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt haben sollte -, die Umdeutung eines entsprechenden Antrags in einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 86b Abs.1 SGG zulässig und zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes auch geboten wäre (ebenso LSG Berlin-Brandenburg vom 27.01.2006, L 15 B 1105/05 SO ER).
Soweit es um die konkrete Auszahlung der bewilligten Leistung geht, handelt es sich um einen Antrag auf gerichtliche Anordnung der Aufhebung der Vollziehung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG. Der Antragsteller wendet sich insofern sinngemäß gegen die Vollziehung des Entziehungsbescheids und damit gegen die Folgen der Vollziehung des Verwaltungsakts, gegen den sich der Rechtsbehelf richtet, um dessen aufschiebende Wirkung es geht. Sein Antrag war mithin im genannten Sinne auszulegen.
Die entsprechenden Anträge des Antragstellers sind auch begründet.
Handelt es sich nach dem zur Statthaftigkeit Ausgeführten bei der Bewilligung des Mehrbedarfszuschlags um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, ist einstweiliger Rechtsschutz gemäß § 86b Abs.1 SGG (sog. Anfechtungssache) zu gewähren und nicht gemäß § 86b Abs.2 SGG (sog. Verpflichtungssache). Eine Änderung der bewilligten Leistungen durfte der Antragsgegnerin daher nur unter den Voraussetzungen der §§ 45 ff. SGB X vornehmen. Ein entsprechender Aufhebungsbescheid stellt einen belastenden Verwaltungsakt dar, der vom Leistungsberechtigten mit Widerspruch und Anfechtungsklage angefochten werden kann. Der Widerspruch des Antragstellers hat im Bereich des SGB XII nach § 86a Abs.1 Satz 1 SGG kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, da ein Ausnahmefall gemäß § 86a Abs.2 und 4 SGG nicht vorliegt (vgl. Roth-kegel, Sozialhilferecht, 1. Auflage 2005, Teil 5, S.104, Rn.9 m.w.N.). Insbesondere enthält das SGB XII keine den §§ 86a Abs.2 Nr.4 SGG, 39 SGB II vergleichbare Regelung. Sofortige Vollziehbarkeit gemäß § 86a Abs.2 Nr.5 SGG hat die Antragsgegnerin nicht angeordnet. Daher kommt keine gerichtliche Anordnung, sondern nur eine Feststellung der von Gesetzes wegen eingetretenen aufschiebenden Wirkung in Betracht. Auch eine solche Feststellung des Bestehens der aufschiebenden Wirkung durch das Gericht ist möglich. Denn bei rechtwidriger (faktischer) Vollziehung - wie hier - kann die ohnehin gegebene aufschiebende Wirkung nicht angeordnet, sondern nur deklaratorisch festgestellt werden. Zu prüfen ist hier lediglich, ob aufschiebende Wirkung eingetreten ist. Eine Interessenabwägung ist nicht vorzunehmen (vgl. Meyer-Ladewig/Keller, SGG, Kommentar, 8. Auflage 2005, § 86a Rn.8, § 86b Rn.15; Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, Rn 178; Schoch/ Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblatt, Stand 3/98, § 80 Rn.56, 64, 273; Finkelnburg/Jank, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Auflage 1998, S.425 Rn 908).
Der vom Antragsteller eingelegte Widerspruch entfaltet nach alledem von Gesetzes wegen die im Tenor festgestellte aufschiebende Wirkung. Höchstvorsorglich weist der Senat darauf hin, dass fraglich ist, ob die für eine Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit gemäß § 86a Abs.2 Nr.5 SGG zu fordernden Voraussetzungen vorliegend erfüllt sind. Jedenfalls begegnet die bisherige Begründung für die Einstellung der Hilfegewährung rechtlichen Bedenken (vgl. zum Ganzen LSG Berlin-Brandenburg vom 27.01.2006, L 15 B 1105/05 SO ER). Insbesondere sprechen nach dem Inhalt der dem Senat vorliegenden Akten gewichtige Umstände dafür, dass beim Antragsteller Erwerbsunfähigkeit im Sinne des § 30 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII vorliegt. Ebenso verlangen §§ 60 ff. SGB I eine detaillierte Darlegung der Mitwirkungspflicht, deren Zumutbarkeit (§ 65 SGB I) und das Fehlen einer Möglichkeit anderweitiger Beschaffung der erforderlichen Daten (§ 65 Abs.1 Nr.3 SGB I, z.B. Beiziehung der Akten der DRV Bund bzw. des Zentrums Bayern für Familie und Soziales). Hinzu kommt, dass dem dem Senat vorliegenden Aktenmaterial nicht entnommen werden kann, ob die Antragsgegnerin im Hinblick auf die Ablehnung der Dr. D. durch den Kläger ihren Pflichten im Sinne der gesetzlichen Regelung des § 17 SGB X nachgekommen ist.
Soweit es um den Antrag des Klägers auf Auszahlung der Leistung geht, handelt es sich - wie ausgeführt - um einen Antrag gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG in analoger Anwendung. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die bewilligte Leistung des Mehrbedarfszuschlags in der Zeit ab 01.07.2006 vorläufig weiterhin auszuzahlen ist. Der Anspruch ergibt sich als Vollzugsfolgenbeseitigungsanspruch aus § 86b Abs.1 Satz 2 SGG (vgl. zur Vollzugsfolgenbeseitigung gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 durch Zusprechen der nicht ausbezahlten Leistungen auch LSG Baden Württemberg vom 18.10.2006, L 7 SO 3313/06 ER-B).
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, kann das Gericht gemäß § 86b Abs.1 Satz 2, der dem § 80 Abs.5 Satz 3 VwGO nachgebildet ist, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Voraussetzung für die Aufhebung der Vollziehung durch das Gericht ist, dass der Antragsteller zuvor ein für ihn erfolgreiches Verfahren nach § 86b Abs.1 Satz 1 SGG durchgeführt hat. Dies ist hier - wie oben ausgeführt - der Fall. Die Vollziehung des Entziehungsbescheids ist vorliegend in der Einstellung der Leistungen des Mehrbedarfszuschlags mit Wirkung ab 01.07.2006 zu sehen. Die Beseitigung der Vollzugsfolgen ist mithin dadurch rückgängig zu machen, dass die Behörde zur Auszahlung des Mehrbedarfszuschlags mit Wirkung ab 01.07.2006 verpflichtet wird. Liegen die Voraussetzungen des § 86b Abs.1 Satz 2 SGG vor, muss das Gericht entgegen dem insofern irreführenden Wortlaut der Vorschrift ("kann") die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Dies folgt aus dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Denn bei einem Absehen von der Vollziehungsaufhebung könnte die Behörde trotz Rechtswidrigkeit der Vollziehung die vorläufige Verwirklichung des Inhalts des Verwaltungsakts auf dem Umweg des § 86b Abs.1 Satz 2 SGG erreichen. Der Antrag gemäß § 86b Abs.1 Satz 2 SGG kann auch im Beschwerdeverfahren gestellt werden (vgl. LSG Niedersachsen, Breithaupt 2003, 265). Die entsprechende gerichtliche Anordnung ergeht als spezielle Form der Regelungsanordnung, da eine Erweiterung der Rechtsposition angestrebt wird (vgl. Schoch, a.a.O., § 80 Rn.367; Krodel a.a.O., Rn.179). Die Anordnung stützt sich auf § 86b Abs.1 Satz 2 SGG analog, da die Vorschrift an sich die Anordnung und nicht - wie hier - die Feststellung der aufschiebenden Wirkung voraussetzt. Die Anordnung der Aufhebung der Vollziehung ist im Gegensatz zu der rechtsgestaltenden Anordnung der aufschiebenden Wirkung vollstreckungsfähig (vgl. Schoch, a.a.O., § 80 Rn.367; Krodel, a.a.O., Rn.179). Für eine Vollsteckbarkeit wird allerdings kein Bedürfnis bestehen, da zu erwarten ist, dass sich die an das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebundene Behörde an die gerichtliche Anordnung hält.
In der sozialgerichtlichen Rechtsprechung wird, worauf der Antragsteller hingewiesen wurde, im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zum Teil ein nur herabgesetzter Betrag der möglicherweise zustehenden Sozialleistung zugesprochen (vgl. dazu BVerfG v 12.5.2005, 1 BvR 569/05 = NJW 2005, 2982; LSG Berlin vom 2.2.2006, L 14 B 1157/05 AS ER; SG Düsseldorf v 16.2.2005, S 35 SO 28/05 ER; vgl. aber auch LSG Niedersachsen-Bremen vom 28.4.2005, L 8 AS 57/05 ER). Vorliegend geht es um einen bereits bewilligten Mehrbedarfszuschlag, der 17 % der Regelleistung ausmacht. Da es sich vorliegend um einen Eingriff in eine bestehende Rechtsposition (und nicht um eine Erweiterung einer Rechtsposition) handelt und nach der Einschätzung des Senats eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg in der Hauptsache spricht, hielt der Senat eine Kürzung der zustehenden Leistung, die im Ergebnis zu einem Obsiegen der Antragsgegnerin geführt hätte, vorliegend nicht für angemessen. Der Senat weist jedoch ausdrücklich darauf hin, dass Sozialleistungen, die mit gerichtlicher Eilentscheidung zugesprochen werden, unter dem Vorbehalt der Rückforderung stehen. Dementsprechend muss der Antragsteller Sozialleistungen, die ihm im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes zugesprochen werden, erstatten, wenn die Antragsgegnerin im Hauptsacheverfahren obsiegt. Wird die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts im Hautsacheverfahren rechtskräftig bestätigt, wären auf Grund des gerichtlichen Eilbeschlusses gewährte Zahlungen ohne Rechtsgrund geleistet worden. Es bestünde dann ein öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch. Insoweit weist der Senat ausdrücklich darauf hin, dass sich aus einer fehlenden Mitwirkung des Antragstellers für diesen nachteilige Konsequenzen ergeben könnten.
Da die Vollziehungsfolgenbeseitigung eine Annexentscheidung zu der Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs darstellt und die Antragsgegnerin den Erlass des Widerspruchsbescheides selbst in der Hand hat, war eine zeitliche Begrenzung der in Punkt III. des Tenors festgelegten vorläufigen Leistungspflicht nicht anzuordnen. In diesem Zusammenhang weist der Senat vorsorglich darauf hin, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs erst mit der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids bzw. mit der Erhebung der Klage endet (str., vgl. dazu Krodel, aaO, Rn 87 f. m.w.N.)
Die Kostenentscheidung trägt dem Umstand Rechung, dass der Eilantrag des Antragstellers Erfolg hatte, § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.
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