L 16 R 595/05

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 R 4665/02
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 R 595/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2005 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf große Witwerrente hat.

Der 1934 geborene Kläger, zunächst chinesischer und später deutscher Staatsangehöriger, ist Witwer der 1934 geborenen und am 05.10.1985 verstorbenen Versicherten R.K., deutsche Staatsangehörige, mit der er ab 1973 bis zu ihrem Tod verheiratet war und im gemeinsamen Zwei-Personen-Haushalt lebte. Aus dieser Ehe gingen keine Kinder hervor. Der Kläger hat nach dem Tod der Versicherten nicht wieder geheiratet.

Er war nach dem Besuch der Technischen Hochschule in China zunächst Handelsvertreter in Marokko, von 1964 bis 1974 Restauranteigentümer, Geschäftsmann und Handelsvertreter in Spanien und danach bis zum Tod der Versicherten kaufmännischer Angestellter (Verkaufsleiter und ab April 1981 Geschäftsführer) der Firma R.K., Handelsvertretungen, Export-Import, die ab Februar 1980 in die R.K. Marketing- und Handelsgesellschaft mbH mit jeweils gleichen Anteilen des Klägers sowie der Versicherten am Stammkapital übergeführt worden ist. Erst ab 19.07.1984 wurde der Anteil der Versicherten am Stammkapital um 2700 DM wegen Ausscheidens der Bürovorsteherin S.O. als Gesellschafterin erhöht. Gegenstand dieser Gesellschaft mit einem Stammkapital von 50000 DM waren der Im- und Export, der Groß- und Einzelhandel mit Waren aller Art, die Durchführung von Marketingmaßnahmen aller Art und ab der Satzungsänderung durch die Gesellschafterversammlung vom 19.07.1984 auch der Betrieb oder der Erwerb von Gaststätten (das GBB). Das zweite chinesische Restaurant TT, das nach der Satzung mit steuerlicher Wirkung am 1. Juli 1985 begann, war nach dem Gesellschaftsvertrag vom 28.05.1985 allein von C.R., die das Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 50.000 DM übernommen hatte, in der Rechtsform einer eigenständigen GmbH (TT Gaststättenbetriebs GmbH) gegründet und am 29.11.1985 in das Handelsregister München als GmbH eingetragen worden. Zum Geschäftsführer war der Kläger bestellt worden. Nach seinen Angaben seien in den Jahren 1984 und 1985 keine Gewinnanteile der GmbH ausgeschüttet worden. Er hatte in den Jahren 1984 und 1985 nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit: 1984 in Höhe von 10.661 DM (eine Einkommensteuer fiel nicht an) und 1985 in Höhe von 31.119 DM (der Einkommensteueranteil betrug ca. 3800 DM). Das Restaurant TT, dessen Alleingesellschafter er nach dem Tod der Versicherten geworden ist, machte 1985 einen Bilanzverlust in Höhe von 18.932,79 DM.

Die Versicherte, die den Beruf einer Dolmetscherin erlernt hatte und in Spanien als Chefsekretärin und Korrespondentin bis September 1971 beschäftigt war, war in Deutschland bis April 1981 als Geschäftsführerin der R.K. Marketing- und Handelsgesellschaft GmbH und danach bis zu ihrer Erkrankung im Januar 1983 wegen eines Gehirntumors mit linksseitiger Lähmung und Ausfall des linken Gesichtsfeldes (nach dem Schwerbehindertengesetz wurde ein GdB von 80 mit Merkzeichen "G" festgestellt), wegen der sie auf den dauernden Aufenthalt in der ehelichen Wohnung (3-Zimmer-Wohnung mit ca. 90 Quadratmeter) angewiesen war und an der sie nach einer stationären Behandlung ab 23.09.1985 im Bezirkskrankenhaus H. verstarb, als Büroleiterin und Sekretärin der R.K. Marketing- und Handelsgesellschaft GmbH beschäftigt. Mit Bescheid vom 08.10.1984 wurde ihr für die Zeit ab 01.03.1983 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Grund eines Versicherungsfalles am 22.02.1983 gewährt. Die laufende Rentenzahlung erfolgte ab Dezember 1984 in Höhe von monatlich 863,10 DM und ab 01.07.1985 in Höhe von monatlich 889 DM; der Nachzahlungsbetrag in Höhe von 17.493,90 DM wurde in voller Höhe im November 1984 überwiesen. Die ihr für die Zeit ab 02.07.1983 zustehende spanische Invalidenrente wurde tatsächlich nicht ausbezahlt. Nach den Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 1984 und 1985 hatte sie keine weiteren Einkünfte.

Zur Erledigung der Reinigungsarbeiten im Haushalt war ab dem Zeitpunkt der Erkrankung der Versicherten eine spanische, mittlerweile verstorbene Haushaltshilfe für ca. 2 bis 3 h wöchentlich gegen ein monatliches Entgelt in Höhe von 80 DM angestellt. Nach seinen Angaben nahm der Kläger sein Essen in den chinesischen Restaurants ein und brachte der Versicherten aus diesen Restaurants alle erforderlichen Lebensmittel und zum Teil auch bereits zubereitetes Essen mit. Die im gemeinsamen Haushalt angefallene Wäsche sei zusammen mit der in den Restaurants entstandenen Schmutzwäsche extern zum Reinigen und Bügeln gegeben worden. Die Strecke zwischen der Wohnung und den Lokalen habe in ca. 10 Minuten mit dem Auto zurückgelegt werden können.

Das auf den Antrag des Klägers vom 12.08.1986 eingeleitete Kontenklärungsverfahren wurde mit bestandskräftigem Bescheid vom 09.10.1987 abgeschlossen. Der Kläger bezieht seit Juli 1999 Regelaltersrente.

Mit Schreiben vom 21.04.1998 bat der Kläger die Beklagte um Sachstandsmitteilung hinsichtlich seines formlosen Witwerrentenantrags vom 07.02.1986 an die Beklagte, weil er bislang hierüber noch keine Mitteilung erhalten habe. Trotz einer Suchaktion (Kontospiegel der Versicherten und deren verfilmte Einheitsakte) konnte die Beklagte den Eingang dieses Antrags nicht feststellen. Der von der Beklagten übersandte Fragebogen zur Überprüfung der Anspruchsvoraussetzungen und der Formblattantrag gingen bei der Beklagten nach Mahnung erst im Februar 1999 bzw. im September 1999 ein. Der Kläger gab seine tägliche Arbeitszeit mit 12 bis 14 h an sieben Tagen und die tägliche Arbeitszeit der Versicherten zu Hause mit 6 bis 8 h an. Der Haushalt sei von der Versicherten in vollem Umfang, unterstützt durch eine Putzfrau mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von ca. 2 h, geführt worden. Ferner habe sie die Sekretariatsarbeiten der Firma (Korrespondenz und Telefonate) erledigt. Er habe auf Grund seiner geschäftlichen Tätigkeiten keine Leistungen im Haushalt verrichten können; nur gelegentlich habe er eingekauft. Zum Nachweis seines Einkommens legte er einen Gehaltsnachweis für Januar 1984, Lohnjournale der R.K. Handels GmbH für die Jahre 1984 und 1985, eine Einkommenssteuererklärung für 1985, eine Bilanz der R.K. Marketing- und Handelsgesellschaft GmbH zum 30. Juni 1985, eine Entgeltmeldung der DAK für Januar bis September 1985 in Höhe von 23.167 DM für den Kläger und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1984 und 1985 vor. Für die Jahre 1984 und 1985 habe sich kein Einkommen (Gewinn) aus selbstständiger Tätigkeit ergeben. Zur Begründung trug er vor, dass die Versicherte auf Grund ihrer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, ihrer spanischen Rente, ihres Guthabens (im September 1984 in Höhe von 20.094 DM), ihres hälftigen Einkommens aus der GmbH und ihrer überwiegenden Verrichtung der Hausarbeiten den überwiegenden Teil zum Familienunterhalt beigetragen habe.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers auf Gewährung von Witwerrente mit Bescheid vom 08.05.2001 ab, weil die Versicherte im letzten Jahr vor ihrem Tod von Oktober 1984 bis September 1985 den Unterhalt der Familie nicht überwiegend bestritten habe. In diesem Zeitraum habe die Versicherte Einkünfte in Höhe von insgesamt 22.588,10 DM, resultierend aus dem Bezug der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Höhe von 10.434,90 DM, der spanischen Rente in Höhe von 1.858,70 DM und dem Wert der Haushaltsführung in Höhe von 10.294,50 DM, erzielt. Die Haushaltsführungspflicht sei dem Kläger und der Versicherten zu gleichen Teilen oblegen, weil die Versicherte zum einen als Bezieherin einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in ihrer Leistungsfähigkeit eingeschränkt gewesen sei, und weil sie zum anderen als Inhaberin eines Gewerbebetriebes Sekretariatsaufgaben erledigt habe. Die Haushaltstätigkeit der Versicherten war mit 50 Prozent in Ansatz gebracht und anhand der Anl. 11 i.V.m. der Anl. 1 zum Fremdrentengesetz bewertet worden. Die Einkünfte des Klägers seien in diesem Zeitraum mit Einkünften aus nicht selbstständiger Tätigkeit in den Monaten Oktober bis Dezember 1984 in Höhe von 3.076,25 DM, in den Monaten Januar bis September 1985 in Höhe von 24.572,25 DM und dem Wert der Haushaltsführung in Höhe von 10.294,50 DM und so insgesamt in Höhe von 37.943 DM festzustellen.

Mit dem dagegen erhobenen Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die nur hälftige Berücksichtigung der Haushaltsführung der Versicherten, die fehlende Anrechnung ihrer Einkünfte aus Kapitalerträgen sowie gegen die Berechnung seiner Einkünfte ohne Abzug der Betriebsausgaben und steuerlichen Abgaben. Aus beruflichen Gründen wäre er an der Haushaltsführung gehindert gewesen, so dass die Versicherte den Haushalt allein geführt habe; die beschäftigte Putzfrau sei von ihr bezahlt worden. Auch sei nicht er, sondern die Versicherte Geschäftsführerin der GmbH gewesen.

Der Widerspruch wurde nach Aktenlage mit Widerspruchsbescheid vom 18.04.2002 als unbegründet zurückgewiesen. Denn nach den vorliegenden Unterlagen sei nicht die Versicherte, sondern der Kläger im letzten Jahr vor dem Tod der Versicherten Geschäftsführer der GmbH gewesen. Die Versicherte habe in ihrem Rentenantrag auch erklärt, dass sie keine selbstständige Erwerbstätigkeit mehr ausübe. Kapitalerträge der Versicherten seien nicht nachgewiesen. Allein der Verweis auf ein bestehendes Guthaben genüge nicht, um ausreichend zu belegen, ob und in welcher Höhe Erträge aus Vermögen in die Einkommensbilanz einzustellen seien, und ob die Erträge tatsächlich vom Kläger und der Versicherten auch verbraucht worden seien.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht München machte der Kläger unter Bezugnahme auf das Urteil des Europäischen Gerichtshof (EuGH) vom 9. Oktober 2001, Az. Rs.C-379/99 und das Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 19.11.2002, Az. 3 AZR 631/97 geltend, dass § 303 SGB VI eine Entgeltdiskriminierung wegen des Geschlechts enthalte, und daher der Anspruch auf Witwerrente wegen des Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 141 EG unabhängig davon bestehe, ob die verstorbene Ehefrau den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten habe. Diese Rechtsprechung des EuGH und des BAG seien auch auf ein gesetzliches Versorgungssystem anzuwenden, weil die Betriebsrente Entgelt im Sinn des europarechtlichen Diskriminierungsverbotes unabhängig davon sei, ob das betriebliche Versorgungssystem an die Stelle des gesetzlichen getreten sei oder dieses System ergänze.

Hilfsweise wurde geltend gemacht, dass die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod überwiegend bestritten habe. Der ursprüngliche Vortrag, dass sie mangels ausreichender Deutschkenntnisse des Klägers tatsächlich Geschäftsführerin der GmbH gewesen sei, wurde später zurückgenommen. Der Kläger habe in den Jahren 1984 und 1985 nur Verluste erwirtschaftet, die ausschließlich mit dem Einkommen der Versicherten ausgeglichen worden seien. Die im Mai und Juni 1985 erfolgten Barauszahlungen der Versicherten in Höhe von 5000 DM und 3000 DM seien zur Begleichung von Kosten bei der Eröffnung des Restaurants TT erfolgt. Im Juli 1985 habe die Versicherte 40.000 DM für die Zahlung der Stammeinlage überwiesen. Die laufenden Ausgaben für die Miete der Wohnung und der Garage sowie für ihre Kranken-, Lebens- und Krankengeld-Zusatzversicherung seien vom Girokonto der Versicherten abgebucht worden. Es sei nur der Nettolohn des Klägers nach Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen zugrunde zu legen, so dass seine Einkünfte aus nicht selbstständiger Tätigkeit für den Zeitraum von Oktober 1984 bis September 1985 mit insgesamt 23.117 DM anzusetzen seien. Ferner sei ein Verlust aus der TT - Gaststättenbetriebs GmbH in Höhe von 18.932,79 DM für das Jahr 1985 zu berücksichtigen. Die Versicherte, die in den Jahren 1984 und 1985 nur noch in Ausnahmefällen und nur sehr selten für die GmbH tätig gewesen sei - die von der Prozessbevollmächtigten des Klägers im Antrag vom 17.2.99 gemachten Angaben seien insoweit missverständlich - , habe den Haushalt allein geführt, weil der Kläger zeitlich voll geschäftlich beansprucht gewesen sei. Der unterschiedlichen be- ruflichen Anforderung sei durch Ansatz einer unterschiedlichen Verpflichtung zur Mitarbeit im Haushalt Rechnung zu tragen. Unter Berücksichtigung der Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, wobei die Rentennachzahlung auf die für sie geltenden Monate umzurechnen sei, und der spanischen Rente sowie der bewerteten Haushaltsdienstleistungen - unter Abzug von 960 DM für die Putzhilfe - in Höhe von 20.589 DM errechneten sich für den Zeitraum von Oktober 1984 bis September 1985 Geldeinkünfte der Versicherten in Höhe von insgesamt 37.687,60 DM.

Die Beklagte räumte zwar ein, dass vom Bruttoarbeitsentgelt des Klägers die Steueranteile abzusetzen seien, nicht aber die Anteile zur gesetzlichen Sozialversicherung, so dass für die Zeit von Januar bis September 1985 ein Steueranteil in Höhe von 3465 DM abzusetzen sei, und so seine Einkünfte von Januar bis September 1985 statt mit 24.572,25 DM nur mit 22.655,25 DM anzusetzen seien. Dies wirke sich jedoch im Ergebnis nicht aus. Der Kläger hätte seiner Verpflichtung zur Führung des Haushalts durchaus etwa in den Vormittagsstunden (bis zur Öffnung des Restaurants) nachkommen können. Soweit die Versicherte Verluste des Restaurants ausgeglichen habe, habe dieser Teil der Einkünfte nicht mehr dem Familienunterhalt zur Verfügung gestanden. Die Überweisung der Mietkosten weise noch nicht darauf hin, dass diese Aufwendungen tatsächlich von der Versicherten allein getragen worden seien und nicht durch andere, allein vom Kläger erbrachte Aufwendungen letztlich ausgeglichen worden seien. Der Nachzahlungsbetrag der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit sei nicht verbraucht worden, weil das Konto der Versicherten zum Zeitpunkt ihres Todes ein Guthaben von mehr als 18.000 DM gehabt habe. Da der Kläger als alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer seit dem 28.05.1985 das Restaurant TT betrieben habe, sei durch die Eröffnung dieses Lokals die letzte wesentliche Veränderung in den Verhältnissen eines Familienmitgliedes eingetreten. Als Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes sei daher der 28.05.1985 zu Grunde zu legen (Bl.157). Die Zeit des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes endete am 22.09.1985 vor Beginn des stationären Aufenthalts der Versicherten.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2005 ab, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Witwerrente habe. Die Regelung des bis zum Eintritt des Versicherungsfalles am 31. Dezember 1985 geltenden § 43 Angestellten - Versicherungsgesetz (AVG) i.V.m. Art. 2 § 17a Angestellten-Versicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVG), die das BVerfG in seinem Urteil vom 12. März 1975 (BVerfGE 39,169) für die Vergangenheit für verfassungsgemäß erachtet habe, sei nicht anzuwenden, weil der Antrag des Klägers erst am 21. April 1998 eingegangen sei. Ein früherer Zugang dieses Schreibens könne nicht belegt werden und erscheine nach den gesamten Umständen auch nicht überzeugend. Es bestehe aber auch kein Anspruch auf Witwerrente gemäß §§ 46, 303 SGB VI. Die in § 303 SGB VI enthaltene Stichtagsregelung sei auch unter Beachtung der Rechtsprechung des EuGH und des BAG verfassungsgemäß. Es sei unter Beachtung der beigezogenen Unterlagen und der Einlassungen der Bet. nicht nachgewiesen, dass die Versicherte den Unterhalt der Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod überwiegend bestritten habe. Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand sei infolge des Ausscheidens der Versicherten aus dem Erwerbsleben von März 1983 bis zu ihrer stationären Aufnahme im September 1985 anzunehmen. Die Eröffnung des weiteren Lokals Ende Mai 1985 stelle keine maßgebliche Zäsur dar, da hierdurch keine Änderung in den tatsächlichen Unterhaltsverhältnissen zu verzeichnen sei. Es sei dadurch vielmehr belegt, dass der Kläger zuvor noch über weitere Leistungsreserven und Arbeitskapazitäten verfügt habe, die er zumutbar auch im Bereich der Haushaltsführung einsetzen hätte können. Unter Berücksichtigung der Erkrankung der Versicherten sowie der daraus resultierenden rechtlichen Verpflichtung des Klägers zur Mitarbeit im Haushalt sei von einer gemeinsamen Haushaltsführung auszugehen, deren Wert sich gegenseitig aufhebe. Soweit sich der Kläger insbesondere durch die Erweiterung seines Geschäftsbetriebes an der Haushaltsführung gehindert gesehen habe, sei dies unter Beachtung der Unterhaltsersatzfunktion der Witwerrente nicht entscheidungserheblich. Denn durch den Ausbau seines Geschäftsbetriebes habe er sich über den Tod der Versicherten hinaus eine Existenzgrundlage geschaffen bzw. gesichert, die den Unterhaltsbeitrag seiner Ehefrau kompensiere. Das Nettoeinkommen des Klägers in Höhe von 34.755,62 DM übersteige den Unterhaltsbeitrag der Versicherten in Höhe von 26.123,90 DM. Dieses Ergebnis ändere sich auch nicht, wenn als maßgeblicher letzter wirtschaftlicher Dauerzustand der Zeitraum von Oktober 1984 bis September 1985 oder der Zeitraum vom 28. Mai bis Ende September 1985 angenommen werde.

Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Er rügt insbesondere eine fehlende Auseinandersetzung des Sozialgerichts mit der Bindungswirkung des Europäischen Rechts für das betroffene nationale Recht und die Berücksichtigung einer gemeinsamen, hälftigen Haushaltsführung des Klägers auf Grund seiner aus der Erkrankung der Versicherten resultierenden Unterhaltsverpflichtung. Das Sozialgericht habe das Urteil des BSG vom 01.12.1983, Az. 4 RJ 33/82 fortentwickelt und präzisiert.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 30. Juni 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 08.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 zu verurteilen, ihm ab April 1997 eine große Witwerrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass das hier anzuwendende Hinterbliebenenrentenrecht in der Fassung bis 31.12.1985 verfassungsgemäß sei. Das BVerfG habe in seinem Urteil vom 12.03.1995 lediglich den Gesetzgeber aufgefordert, sich um eine sachgerechte Lösung zu bemühen, die einen Verstoß gegen Artikel 3 Abs. 2 und 3 Grundgesetz (GG) für die weitere Zukunft ausschließe. Eine Zuwiderhandlung gegen Art. 141 EG-Vertrag sei daher nicht erkennbar.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten und des Amtsgerichts München (Registerakten) sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte statthafte Berufung ist gemäß §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig. Sie hat in der Sache aber keinen Erfolg.

Das Sozialgericht hat zu Recht die Klage mit Urteil vom 30. Juni 2005 abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Witwerrente ab Antragstellung am 21.04.1998 hat und der Bescheid der Beklagten vom 08.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.04.2002 nicht zu beanstanden ist. Denn die Versicherte hat den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor ihrem Tod nicht überwiegend bestritten.

Der Anspruch des Klägers richtet sich nach §§ 46, 303 SGB VI, weil der Rentenantrag des Klägers erst am 21.04.1998 bei der Beklagten eingegangen ist (§ 300 Abs. 2 SGB VI). Der frühere formlose Antrag vom 07.02.1986, der vom Kläger nicht mehr geltend gemacht wird, ist der Beklagten nicht zugegangen.

Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 303 Satz 1, 1. Var. SGB VI haben nicht wiederverheiratete, über 45-Jährige Witwer, deren versicherte Ehegattin vor dem 1. Januar 1986 gestorben ist, nach deren Tod, wenn diese die allgemeine Wartezeit erfüllt hatte, ein Recht auf große Witwerrente nur dann, wenn die Versicherte den Unterhalt ihrer Familie im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod überwiegend bestritten hat. § 303 Satz 1 SGB VI ergänzt lediglich die allgemeinen Vorschriften über die kleine bzw. große Witwerrente in § 46 Abs. 1 und 2 SGB VI um eine weitere Anspruchsvoraussetzung.

Als maßgeblicher wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod der Versicherten ist entgegen der Ansicht des Sozialgerichts der Zeitraum ab Beginn der laufenden monatlichen Zahlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit am 01.12.1984 bis zu ihrem Tod am 05.10.1985 zu Grunde zu legen.

Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand beginnt in der Regel mit der letzten wesentlichen Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Familienmitglieds mit Dauerwirkung und endet mit dem Tod des Versicherten (BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Ist eine Krankheit gleichsam die "Vorstufe" des Todes, so kann die Zeit der Erkrankung selbst ausgeklammert werden (s. etwa BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 15). Dies gilt jedoch nur bei einer verhältnismäßig kurzen Krankheitszeit. Hat die Krankheit dagegen länger als ein Jahr gedauert, so ist die Krankheit selbst wirtschaftlicher Dauerzustand, auch wenn sie die Ursache für den Tod der Versicherten war (so etwa BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 15). Nach einer am Todestag vorgenommen objektiven Betrachtung ist der Eintritt der letzten wesentlichen und dauerhaften Änderung in den tatsächlichen Unterhaltsverhältnissen eines Familienmitglieds während der Krankheitszeit zu berücksichtigen, auch wenn dies einen sehr kurzen Zeitraum ergibt und diese Änderung ohne den Tod für einen ins Gewicht fallenden Zeitraum fortgedauert hätte (BSG, SozR 2200 § 1266 Nr. 7 und 12). Vorübergehende Einkommensschwankungen sind unerheblich (BSG, SozR 2200 § 1266 Rdnr. 28).
Der letzte wirtschaftliche Dauerzustand begann nicht schon mit der Erkrankung der Versicherten durch den Gehirntumor bzw. mit der Entstehung des Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab März 1984, sondern erst mit der erstmaligen laufenden Auszahlung der monatlichen Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.12.1984. Denn es kommt nicht auf den Anspruch, sondern nach dem Sinn und Zweck der Regelung über die Witwerrente darauf an, wovon die Ehegatten ihren Lebensunterhalt zu Lebzeiten der Versicherten tatsächlich bestritten haben (BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 8 und 16). Die Eröffnung des zweiten chinesischen Restaurants TT – nach den Angaben des Klägers im Mai 1985, nach § 4 der Satzung aber erst am 1. Juli 1985 mit steuerlicher Wirkung - stellt keine wesentliche Änderung dar, weil die Versicherte und der Kläger bis zum Tod der Versicherten weder Gründer noch Gesellschafter der TT Gaststättenbetriebs GmbH waren. Der von dem Kläger geltend gemachte Bilanzverlust dieser GmbH für 1985 ist unbeachtlich, weil die Übernahme dieser GmbH durch den Kläger als Alleingesellschafter erst nach dem Tod der Versicherten erfolgte. Seine Einkünfte aus der Tätigkeit als Geschäftsführer dieser GmbH sind nach dem Einkommenssteuerbescheid für 1985 als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erfasst. Der wirtschaftliche Dauerzustand endete mit dem Tod der Versicherten am 05.10.1985; ihr nur zweiwöchiger Krankenhausaufenthalt ab 23.09.1985 war für die Erwerbssituation der Eheleute und ihre Unterhaltsbeiträge unerheblich.

Für die Auslegung des Begriffs "überwiegendes Bestreiten des Familienunterhalts" im letzten wirtschaftlichen Dauerzustand vor dem Tod sind die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu § 43 Abs. 1 AVG bzw. § 1266 Abs. 1 RVO entwickelten Grundsätze heranzuziehen. Danach hat eine Versicherte den Unterhalt der Familie überwiegend bestritten, wenn ihr Unterhaltsbeitrag während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands vor dem Tod mehr als die Hälfte des gesamten Familienunterhalts ausgemacht hat. Unter "Unterhalt der Familie" im Sinn der §§ 1360, 1360a BGB ist alles zu verstehen, was nach den Verhältnissen der Ehegatten erforderlich ist, um die Kosten des Haushalts zu bestreiten und die persönlichen Bedürfnisse der Ehegatten zu befriedigen (s. etwa BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 23). Hinsichtlich der Unterhaltsleistungen sind die tatsächlichen Verhältnisse während des letzten wirtschaftlichen Dauerzustands mit der Folge maßgebend, dass als Unterhaltsbeiträge nur solche Leistungen und Aufwendungen berücksichtigt werden können, die in diesem Zeitraum effektiv beigesteuert bzw. getätigt worden sind (so etwa BSG SozR 2200 § 1266 Nr. 21; vgl. auch Urteil vom 16.03.2006, Az. B 4 RA 15/05 R m.w.N.).

Da es für den Familienbedarf nur auf das tatsächlich Gegebene und Empfangene ankommt, kann die spanische Invalidenrente bei der Klägerin nicht als Einkommen in Ansatz gebracht werden. Denn der Nachzahlungsbetrag wurde trotz ihrer Bewilligung mit Bescheid vom 27.09.1985 - kurz vor dem Tod der Versicherten - vom spanischen Rentenversicherungsträger mit Schreiben vom November 1986 von der Beklagten zurückgefordert, weil kein Erbe ermittelt werden konnte.

Auch Kapitalvermögen der Versicherten kann nicht als Unterhaltsbeitrag berücksichtigt werden, weil es nach dem Vortrag des Klägers nicht für den Lebensbedarf, sondern für die Eröffnung des zweiten Restaurants TT (Barauszahlungen im Mai und Juni 1985 in Höhe von 5000 DM und 3000 DM und im Juli 1985 in Höhe von 40000 DM) und so zur Deckung unterhaltsfremder Lasten verwendet worden ist.

Der Nachzahlungsbetrag der Erwerbsunfähigkeitsrente für den Zeitraum von März 1983 bis November 1984 in Höhe von 17.493,90 DM, der als Einmalzahlung – bestimmt für vorgenannten Zeitraum - mangels Dauercharakter nicht der Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes sein kann, ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht zu berücksichtigen, weil er bereits im November 1984 und somit vor Beginn des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes bezahlt worden ist und im maßgeblichen Zeitraum auch nicht für den Familienunterhalt verwendet worden ist, weil das Konto der Versicherten bis zu ihrem Tod noch ein Guthaben von mindestens 20094 DM aufwies.

Von der Bewertung der Hausarbeit (Dienstleistungen) der Versicherten - der frühere Vortrag der Erledigung von Sekretariatsaufgaben ist im Berufungsverfahren nicht mehr aufrechterhalten worden - ist abzusehen, weil nicht mit der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit zur Überzeugung des Senats nachgewiesen ist, dass die Versicherte tatsächlich mehr als die Hälfte der anfallenden Haushaltsarbeiten - unter Abzug der von der beschäftigten Putzfrau geleisteten wöchentlichen Arbeitszeit von 2 bis 3 h - verrichtet hatte. Es ist zugunsten des Klägers von dem nahezu gleichen Umfang der Haushaltsleistungen der Eheleute auszugehen, so dass sich der Wert der Hausarbeit der beiden Ehegatten gegenseitig aufhebt und im Ergebnis nicht zur Begründung eines Rentenanspruchs des Klägers beiträgt. Der Kläger besorgte die Einkäufe, die Wäsche, die Lebensmittel sowie zum Teil bereits zubereitetes Essen für die Versicherte. Er nahm sein Essen immer in den eigenen Restaurants ein. Die Versicherte bereitete sich oft ihr eigenes Essen zu und verrichtete leichtere Putzarbeiten. Der Vortrag des Klägers, dass die Versicherte den Haushalt allein geführt habe, ist im Hinblick auf die schwere Beeinträchtigung ihres Gesundheitszustandes, den Anteil der von ihm verrichteten Tätigkeiten für den gemeinsamen 2-Personen-Haushalt und die Größe der 90 Quadratmeter großen Wohnung nicht glaubhaft. Die Versicherte konnte nämlich infolge ihrer linksseitigen Lähmung nicht mehr die Wohnung verlassen und nach der allgemeinen Lebenserfahrung zahlreiche Tätigkeiten der Haushaltsführung, wie z.B. Einkaufen, Betten machen, Lüften der Wohnung und alle zwei Hände erfordernden Tätigkeiten nicht mehr verrichten. Ebenso wenig ist die Einlassung des Klägers, dass er wegen seiner geschäftlichen Verpflichtungen keine Zeit zur Verrichtung von Haushaltsarbeiten erübrigen habe können, im Hinblick auf die Eröffnung eines zweiten Restaurants im Mai 1985, wie das Sozialgericht zutreffend ausführt, und die nur geringe Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (10 Minuten mit dem Auto) glaubhaft.

Selbst wenn die Versicherte die Hausarbeiten überwiegend allein
auf Kosten ihrer Gesundheit verrichtet hätte, so kann dadurch noch kein Rentenanspruch des Klägers begründet werden. Denn der Kläger war aufgrund verständiger Gründe familienrechtlich verpflichtet, zumindest die Hälfte der Hausarbeit zu verrichten. Die rechtliche Zuordnung des Wertes der Haushaltsführung im Rahmen des § 1266 RVO (sowie des nunmehr geltenden § 303 SGB VI) erfolgt nicht allein auf Grund tatsächlicher Verrichtung der Arbeiten oder allein aufgrund interner privatrechtlicher Vereinbarung. Denn dies würde im Ergebnis dazu führen, dass es der Verfügungsmacht der Eheleute obliegen würde, ob die Solidargemeinschaft zur Zahlung einer Rente verpflichtet wird. Es bedarf vielmehr zusätzlich des Vorliegens "verständiger Gründe" (so BSG, Urteil vom 01.12.1983, Az. 4 RJ 33/82) und so eines besonderen Wertungsaktes. Nach der Ansicht des BSG in seinen Urteilen vom 26.05.1971 (SozR § 1266 Nr.10) und vom 01.12.1983 (a.a.O.), der gefolgt wird, ist jedenfalls bei gesundheitlichen Beeinträchtigungen eines Ehegatten nicht auf die tatsächliche oder vertragliche Verteilung der Hausarbeit abzustellen, sondern es kommt nur darauf an, in welchem Umfang der Witwer selbst gemäß § 1360 Satz 1 BGB a.F. zur Haushaltsleistung rechtlich verpflichtet war (in diesem Sinne auch BSG, Urteil vom 12.09.1990, Az. 5 RJ 67/89). Der Kläger war zwar als Geschäftsführer in dem Unternehmen der Eheleute voll und die Versicherte wegen ihrer Krankheit nicht mehr erwerbstätig, aber der Versicherten war es auf Grund ihrer halbseitigen Lähmung nicht mehr möglich und zumutbar, zumindest mehr als die Hälfte der Hausarbeit zu verrichten (s. hierzu bereits oben). Auch war es dem Kläger auf Grund seiner Geschäftsführertätigkeit im nur 10 Autominuten entfernten Unternehmen der Eheleute in besonderem Maße möglich und zumutbar, die Zeiten seiner Erwerbstätigkeit selbst zu wählen und den häuslichen Bedürfnissen anzupassen.

Von den Einkünften des Klägers als abhängig Beschäftigter sind zwar die Steuern, nicht aber die Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen. Denn die Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung dienen als Leistungen der Vorsorge für Krankheit, Alter und Arbeitslosigkeit dem Familienunterhalt (siehe BSG, Urteil vom 16.03.1989, Az. 4/1 RA 17/87). Da der Kläger seine Beiträge erst nach dem 1. Juli 1977 und somit nach der Neuregelung des Unterhaltsrechts entrichtet hatte, steht die Entscheidung des BSG vom 16.12.1981 (BSGE 53,34) nicht entgegen.

Ohne Bedeutung für die Erwerbssituation des Klägers ist auch sein für das Jahr 1985 für das Restaurant TT errechneter Verlust in Höhe von 18.932,79 DM, weil bilanzierte Verluste eines Gewerbebetriebes, die nicht mit tatsächlich erbrachten Einlagen einhergehen, für den Unterhaltsbeitrag der Familie schlechthin unbeachtlich sind (so BSG, Urteil vom 16.03.2006, Az. B 4 RA 15/05 R).

Bei einer Gegenüberstellung der Einkünfte der Versicherten aus ihrem Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente (von Dezember 1984 bis Juni 1985 monatlich 863,10 DM und von Juli 1985 bis Oktober 1985 monatlich 889 DM, das heißt insgesamt 9.597,00 DM) mit den um die Einkommensteuer gekürzten Einkünften des Klägers aus unselbstständiger Tätigkeit (im Dezember 1984 888,42 DM - Einkommenssteuer ist 1984 nicht angefallen - und von Januar bis Oktober 1985 monatlich 2.304,50 DM - der jährliche Bruttobetrag wurde um die jährliche Einkommensteuer in Höhe von 3465 DM gekürzt -, das heißt insgesamt 23.045 DM) für den Zeitraum von 01.12.1984 bis 05.10.1985 ergibt sich eindeutig ein überwiegender Unterhaltsbeitrag des Klägers. Selbst bei Abzug der Sozialversicherungsbeiträge würde sein Einkommen noch überwiegen.

Auch bei einer zeitlichen Festlegung des letzten wirtschaftlichen Dauerzustandes ab der Eröffnung des zweiten chinesischen Restaurants TT im Mai 1985 bis zum Tod der Versicherten würde der Unterhaltsbeitrag des Klägers eindeutig überwiegen.

Es bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine Erweiterung der Voraussetzungen des § 46 SGB VI auf das Erfordernis der überwiegenden Unterhaltsleistung durch die Versicherte nach § 303 SGB VI. Denn das BVerfG hat in seinem Urteil vom 03.12.1975 (SozR 2200 § 1266 Nr. 2) eindeutig die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung für die Vergangenheit, d.h. für Versicherungsfälle bis 31.12.1985, und im Hinblick auf die gewandelte Auffassung über die Rollenverteilung von Mann und Frau eine Reformaufgabe des Gesetzgebers für die Zukunft festgestellt (vgl. auch BSG, Urteile vom 29.09.1987, Az. 5 b RJ 8/87 und vom 17.11.1987, Az. 5 b RJ 6/87).

Der Ansicht des Klägers, dass eine Bindungswirkung des europäischen Rechts (durch die Rechtsprechung des EuGH) für das nationale Recht bestehe, ist zwar zuzustimmen. Aber die o.g. Urteile des EuGH vom 9. Oktober 2001 und des BAG vom 19. November 2002 hinsichtlich der betrieblichen Pensionskasse, wonach eine in der Satzung der Pensionskasse enthaltene Anspruchsbeschränkung für Witwer wegen der unmittelbaren Frauendiskriminierung unanwendbar sei, können nicht für die gesetzliche Rentenversicherung gelten. Denn die gesetzliche Hinterbliebenenversorgung ist nicht Bestandteil des Entgelts wie die Betriebsrente, die als sonstige Vergütung im Sinn des Art. 141 Abs. 2 Satz 1 EG - unabhängig davon, ob sie an Stelle des gesetzlichen Versorgungssystems oder ergänzend zum gesetzlichen Versorgungssystem geleistet wird - allein aufgrund des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses entweder durch den Arbeitgeber selbst oder mittelbar durch einen von ihm eingeschalteten externen Versorgungsträger gewährt wird. Die Schlussfolgerung des Klägers, dass das Entgeltdiskriminierungsverbot aus Art. 141 EG auch für die gesetzliche Hinterbliebenenversorgung gelte, weil es auch für die das gesetzliche Versorgungssystem ersetzenden Betriebsrenten zu beachten sei, ist unzulässig. Schließlich ging es in oben genannten Entscheidungen des EuGH und des BAG nur um die Frage, ob die Betriebsrente auch dann noch als Entgelt des Arbeitgebers zu qualifizieren ist, wenn sie nicht unmittelbar von ihm selbst, sondern mittelbar durch einen von ihm eingeschalteten externen Versorgungsträger - die Pensionskasse - geleistet wird, und so das Diskriminierungsverbot nicht nur gegen den Arbeitgeber, sondern auch gegen eine von diesem eingeschaltete selbstständige Pensionskasse gelte. Die gesetzliche Rentenversicherung erbringt ihre Hinterbliebenenleistungen aber nicht für den Arbeitgeber als dessen "Erfüllungsgehilfe" auf Grund eines schuldrechtlichen Anspruchs des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis, sondern allein aufgrund einer Werteentscheidung des Gesetzgebers zugunsten der Fürsorge der Familie und losgelöst von dem Gegenseitigkeitsverhältnis der vom Arbeitnehmer im Arbeitsverhältnis erdienten Vergütung.

Die Vorschrift des § 303 SGB VI verstößt aus oben genannten Gründen für den Zeitraum bis 31.12.85 nicht gegen das Diskriminierungsverbot aus Art. 141 EG.

Die Berufung war daher als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Erwägung, dass die Berufung keinen Erfolg hatte (§ 193 SGG).

Gründe, gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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