L 5 R 532/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 5869/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 532/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.11.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Der 1945 geborene Kläger war zuletzt (bis 1994) als Bauschlosser versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 1.4.1998 bezieht er Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Am 8.11.2004 beantragte der Kläger (zum wiederholten Mal) Rente wegen voller Erwerbsminderung (Verwaltungsakte S. 67); sein Gesundheitszustand habe sich verschlechtert.

Die Beklagte erhob das Gutachten des Internisten Dr. B. vom 25.1.2005. Der Gutachter diagnostizierte eine koronare Herzkrankheit, Zustand nach mehrfacher PTCA mit Stent-Implantation zuletzt 10/04, PCTA und Brachytherapie einer mittelgradigen Instentstenose der RCA, Bluthochdruck und Adipositas. Im Vergleich zum Gutachten vom Mai 1998 (Gutachten der Internistin Dr. R. vom 25.5.1998: leichte bis mittelschwere Arbeiten ohne Schicht und Akkord, ohne häufiges schweres Heben und Tragen, ohne häufiges Bücken, ohne Eigen- und Fremdgefährdung, ohne Absturzgefahr vollschichtig möglich) habe sich das Leistungsvermögen nicht verschlechtert. Der Kläger könne weiterhin leichte bis mittelschwere Arbeiten mit qualitativen Einschränkungen (ohne besonderen Zeitdruck, ohne Nachtschicht) sechs Stunden täglich und mehr verrichten.

Mit Bescheid vom 28.1.2005 (Verwaltungsakte S. 72) lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers, zu dessen Begründung er sich auf Schwindelanfälle berief, wies die Beklagte (nach Einholen einer Stellungnahme des Dr. B. vom 07.07. 2005) mit Widerspruchsbescheid vom 7.9.2005 zurück.

Am 13.9.2005 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart; zur Begründung legte er Arztunterlagen vor.

Das Sozialgericht befragte behandelnde Ärzte und erhob das Gutachten des Internisten und Facharztes für Lungen- und Bronchialheilkunde, Kardiologie und Allergologie, Dr. M. vom 8.6.2006. Die Beklagte legte die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. St. vom 3.4.2006 vor.

Der behandelnde Orthopäde Dr. E. teilte im Bericht vom 9.2.2006 (SG-Akte S. 24) mit, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne der Kläger sechs Stunden täglich verrichten. Der Augenarzt Dr. Sch. gab eine Leistungseinschätzung nicht ab (Bericht vom 14.2.2006, SG-Akte S. 25). Der Internist und Kardiologe Dr. K. führte im Bericht vom 17.2.2006 (SG-Akte S. 29) aus, dem Kläger könne leichte körperliche Arbeit über sechs Stunden und mehr zugemutet werden. Extreme physikalische Belastungen (Kälte/Hitze), Nachtschicht und Akkordarbeiten sollten gemieden werden. Die Neurologen Dres. A. und Br. teilten im Bericht vom 17.2.2006 (SG-Akte S. 67) mit, der Kläger habe sich zur Abklärung rezidivierender Schwankschwindelattacken vorgestellt. Hierfür habe sich auf neurologischem Fachgebiet kein organisches Korrelat gefunden. Die Beschwerden hätten sich seit der letzten Vorstellung vom 10.1.2006 deutlich gebessert. Bei leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts werde es zu keinen schwerwiegenden Beeinträchtigungen kommen. Eine abschließende Äußerung zur zeitlichen Belastbarkeit sei nicht möglich. Der HNO-Arzt Dr. W. gab an, er habe rezidivierende vertigo und einen Tinnitus diagnostiziert. Bei leichten Tätigkeiten ohne physische Anstrengungen wirkten sich die festgestellten Störungen nicht nachteilig aus. Leichte Tätigkeiten könne der Kläger drei bis unter sechs Stunden täglich verrichten (Bericht vom 28.2.2006, SG-Akte S. 72). Der praktische Arzt Ka. führte im Bericht vom 3.3.2006 (SG-Akte S. 79) aus, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dauerhaft nicht möglich, insbesondere wegen wiederholter Schwindelattacken; deshalb sei eine Selbst- und Fremdgefährdung möglich.

Dr. St. legte in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 3.4.2006 (SG-Akte S. 124) dar, hinsichtlich der Schwindelattacken sei am 19.10.2005 eine ambulante Untersuchung im Katharinenhospital St. durchgeführt worden. Schwergradige Störungen habe man nicht festgestellt; bisher sei es weder zu einem Sturz noch zur Bewusstlosigkeit gekommen. Eine quantitative Leistungseinschränkung lasse sich nicht begründen.

Dr. M. führte in seinem Gutachten (SG-Akte S. 131) aus, das Belastungs-EKG habe einen Normalbefund bei guter körperlicher Leistungsfähigkeit und eine normale Kreislaufregulation ergeben. Auf internistischem Fachgebiet lägen wesentliche Einschränkungen der körperlichen Leistungsfähigkeit nicht vor. Ganz im Vordergrund stehe der Schwindel, dessen Ursache nicht habe geklärt werden können. Der Kläger könne leichte (und mittelschwere) körperliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts leisten. Aufgrund des angegebenen Schwindels sei eine Eigen- oder Fremdgefährdung insoweit nicht auszuschließen. Deshalb kämen Tätigkeiten als Bauschlosser mit Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie häufiges Bücken und Treppensteigen und Arbeiten an gefährdenden Maschinen nicht in Betracht. Eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit sei nicht begründbar. Der Kläger sei wegefähig. Schwindel und eine allgemeine Verlangsamung bezögen sich auf das neurologisch-psychiatrische Fachgebiet, das unter Berücksichtigung der Anamnese jetzt deutlich im Vordergrund stehe. Die behandelnden Neurologen hätten eine leichte körperliche Tätigkeit allerdings als zumutbar angesehen.

Mit Urteil vom 13.11.2006 wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung sei § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der derzeit geltenden Fassung. Eine rentenberechtigende Leistungsminderung liege nicht vor, da der Kläger unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne. Das gehe aus den Gutachten der Dres. B. und M. hervor. Auch die behandelnden Neurologen Dres. A. und Br. hielten die vollschichtige Verrichtung körperlich leichter Arbeiten für möglich. Außerdem gehe aus einem Bericht der Neurologischen Klinik des Krankenhauses W. vom 14.10.2005 hervor, dass trotz immer wieder geklagten Schwindels eine neurologische Ausfallsymptomatik nicht bestehe.

Auf das ihm am 16.1.2007 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.1.2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, Hauptursache seiner Erwerbsminderung seien die Schwindelattacken. Das Sozialgericht habe zu Unrecht angenommen, dass sich hierfür keine Ursache finden lasse. Vielmehr sei der HNO-Arzt Dr. Ma. der Auffassung, dass sehr wahrscheinlich zentrale ischämische Störungen vorlägen und der Schwindel eine vaskulo vertebragene Ursache habe. Dafür spreche auch der Tinnitus. Der Orthopäde Dr. E. sei davon ausgegangen, dass er unter einem cervikalen Schwindel leide. Wegen plötzlicher Schwindelgefühle sei er bereits einmal notfallmäßig in die Neurologische Klinik des Zentrums für Psychiatrie W. eingeliefert worden (vgl. den Bericht der Klinik vom 14.10.2005). Hinsichtlich der Ursachen des Schwindels habe das Sozialgericht den Sachverhalt nicht vollständig ermittelt. Insoweit kämen auch somatoforme Störungen bzw. psychogene Ursachen in Frage. Hierzu hätte noch ein Gutachten erhoben werden müssen, zumal sich bei manchen Personen somatoforme Beschwerden chronifizieren und die Erwerbsfähigkeit entscheidend vermindern könnten. Auch psychiatrische Ursachen von Schwindel würden nicht selten übersehen. Seine Gangunsicherheit sei in verschiedenen Arztberichten dokumentiert. Zu untersuchen wäre auch noch gewesen, dass viele organische Schwindelerkrankungen in einen psychogenen Schwindel übergehen könnten. Man möge zum Vorliegen somatoformer Störungen und eines psychogenen Schwindels Gutachten einholen. Das Sozialgericht hätte noch den ebenfalls behandelnden Arzt Dr. T. (Allgemeinarzt) befragen müssen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13.11.2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 28.1.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7.9.2005 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie trägt ergänzend vor, aufgrund der vorliegenden medizinischen Unterlagen seien Aussagen über die vom Kläger angegebenen Schwindelerscheinungen nicht möglich. Abgesehen davon gebe es keine nachvollziehbaren Angaben über deren Häufigkeit oder Schwere. Den vorgebrachten Schwindelerscheinungen könne durch qualitative Einschränkungen Rechnung getragen werden.

Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er die Berufung, was vorliegend in Betracht komme, gem. § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss zurückweisen kann, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit, hierzu Stellung zu nehmen. Sie haben nichts mehr vorgetragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II. Der Senat weist die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss zurück, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Die gem. §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Er hat darauf keinen Anspruch.

Das Sozialgericht hat in seinem Urteil zutreffend dargelegt, nach welchen Rechtsvorschriften (§ 43 SGB VI) das Rentenbegehren des Klägers zu beurteilen ist, und weshalb ihm danach Rente nicht zusteht. Der Senat verweist auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten anzumerken:

Der Senat teilt die Beweiswürdigung des Sozialgerichts. Auch nach seiner Auffassung geht aus den vorliegenden Gutachten der Dres. B. und M. überzeugend hervor, dass der Kläger leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts unter qualitativen Einschränkungen noch sechs Stunden täglich und mehr verrichten kann, was die Gewährung von Erwerbsminderungsrente ausschließt. Den vom Kläger in den Vordergrund gestellten Schwindelerscheinungen ist durch qualitative Leistungseinschränkungen (wie den Ausschluss von Arbeiten auf Leitern und Gerüsten oder an gefährdenden Maschinen) hinreichend Rechnung getragen. Eine quantitative (zeitliche) Minderung der Leistungsfähigkeit begründen sie nicht. Insoweit haben auch die behandelnden Neurologen Dres. A. und Br. (im Bericht vom 17.2.2006) die Auffassung vertreten, bei leichten Tätigkeiten werde es wegen der Schwindelerscheinungen zu keinen schwerwiegenden Beeinträchtigungen kommen; dass sie eine abschließende Einschätzung der zeitlichen Leistungsfähigkeit nicht vorgenommen haben, ändert nichts, zumal sie eine deutliche Besserung der Schwindelbeschwerden feststellen konnten. Der HNO-Arzt Dr. W. hat (im Bericht vom 28.2.2006) ebenfalls angegeben, die festgestellten Störungen (Schwindel und Tinnitus) wirkten sich bei leichten Tätigkeiten nicht nachteilig aus. Nicht nachvollziehbar ist deshalb, weswegen der Kläger diese nur bis unter sechs Stunden täglich solle verrichten können. Der behauptete Schwindel bedingt vielmehr, wie aus den genannten Gutachten und der beratungsärztlichen Stellungnahme des Dr. St. vom 3.4.2006 schlüssig hervorgeht, keine zeitliche Leistungsminderung. Schließlich hat auch der behandelnde Orthopäde Dr. E. unter Berücksichtigung des von ihm als cervikal bedingt angesehenen Schwindels ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte Tätigkeiten angenommen.

Rentenrechtlich unerheblich ist, auf welchen Ursachen die angegebenen Schwindelbeschwerden letztendlich beruhen. Weitere Ermittlungen hierzu sind deshalb nicht notwendig. Das SG hat die Ärzte als sachverständige Zeugen befragt, die den Kläger wegen der geklagten Schwindelattacken zuletzt behandelt haben, und sich von ihnen die Berichte über die vorhergehenden Behandlungen dieser Gesundheitsstörung vorlegen lassen. Für somatoforme Störungen, die zu einer rentenrechtlich beachtlichen Minderung des Leistungsvermögens führen könnten, ist weder aus den Aussagen der Ärzte noch den vorliegenden Behandlungsberichten etwas ersichtlich. Über nachfolgende Behandlungen hat der Kläger nichts vorgetragen. Durch die allgemeinen Darlegungen des Klägers zu diesem Krankheitsbild und seine Spekulationen zum Übergang organisch bedingten Schwindels in psychogenen Schwindel drängen sich dem Senat weitere Ermittlungen, insbesondere weitere Begutachtungen nicht auf. Vielmehr steht aufgrund der vorliegenden Gutachten und Arztberichten fest, dass die Leistungsfähigkeit des Klägers nicht in rentenberechtigendem Maße gemindert ist.

Das Sozialgericht hat die Klage daher zu Recht abgewiesen, weshalb die Berufung des Klägers erfolglos bleiben muss. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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