L 5 KR 1739/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 1170/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 1739/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.3.2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die Festsetzung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen auf die Ablaufleistung einer Kapitallebensversicherung (Direktversicherung).

Der Beschwerdeführer bezieht eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie eine weitere Versorgungsleistung in Höhe von 119,39 EUR/Monat und ist als pflichtversicherter Rentner Mitglied der Beschwerdegegnerinnen. Bis September 1989 war er beim Verlagshaus R. versicherungspflichtig beschäftigt. Sein Arbeitgeber hatte für ihn im Jahr 1975 bei einem Versicherungsunternehmen (Alte Leipziger) im Rahmen eines Gruppenversicherungsvertrages eine Kapitallebensversicherung als Direktversicherung abgeschlossen. Nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben übernahm der Beschwerdeführer den Versicherungsvertrag mit Wirkung vom 1.10.1989 als Einzelvertrag; die Versicherungsbeiträge zahlte er in der Folgezeit aus eigenen Mitteln weiter.

Am 1.1.2007 wurde die Versicherungsleistung als einmalige Kapitalabfindung fällig. Das Versicherungsunternehmen zahlte dem Beschwerdeführer die Versicherungssumme aus und teilte dies den Beschwerdegegnerinnen mit Schreiben vom 23. 1. 2007 mit; die gesamte Ablaufleistung aus der Kapitaldirektversicherung einschließlich der mit eigenen (privaten) Beiträgen nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben finanzierten Teile betrage 14.789,9 EUR (Versicherungssumme ohne diesen Anteil: 7.460 EUR).

Mit Bescheid vom 29.1.2007 wurde der Krankenversicherungs- bzw. Pflegeversicherungsbeitrag des Beschwerdeführers (nach vorheriger Anhörung) auf insgesamt 40,03 EUR monatlich (ab 1.2.2007) festgesetzt. Der Beitragsbemessung wurde (neben dem sonstigen Versorgungsbezug von 119,39 EUR) 1/120 der gesamten Ablaufleistung der Lebensversicherungen auf 10 Jahre gerechnet (123,25 EUR) zu Grunde gelegt ... Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruchs trug der Beschwerdeführer vor, beitragspflichtig sei nur der Teil der Lebensversicherungssumme, der auf während der Berufstätigkeit gezahlten Beiträgen beruhe.

Am 28.2.2007 suchte der Beschwerdeführer beim Sozialgericht Freiburg um vorläufigen Rechtsschutz nach. Nach Zurückweisung seines Widerspruchs durch Widerspruchsbescheid vom 9.3.2007 hat er außerdem am 15.3.2007 Klagen erhoben, über die noch nicht entschieden ist (Verfahren S 6 KR 1534/07 bzw. S 5 P 1533/07).

Mit Beschluss vom 16.3.2007 lehnte das Sozialgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab. Zur Begründung führte es aus, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beitragsbescheides bestünden nicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (zuletzt BSG, Urt. vom 13.9.2006 - B 12 KR 5/06 R -) gehörten zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung i. S. des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V alle Renten, die von Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung gezahlt würden, wenn sie im Zusammenhang mit einer früheren beruflichen Tätigkeit erworben worden seien. Dabei sei eine institutionelle Abgrenzung maßgeblich, die sich allein daran orientiere, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt werde. Nach ständiger Rechtsprechung des BSG blieben solche Renten auch dann in vollem Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn die Beiträge nach Beendigung der Erwerbstätigkeit allein vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer gezahlt würden. Den notwendigen Zusammenhang zur früheren beruflichen Tätigkeit des Rentners sehe das BSG bei Direktversicherungen, die der Arbeitgeber zur Sicherung des Lebensstandards des Arbeitnehmers nach Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu dessen Gunsten abschließe, stets als gegeben an. Hier liege eine solche Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung, BetrAVG) vor. Unerheblich sei, von wem und in welchem Zeitraum die Beiträge erbracht worden seien. Eine besondere Härte liege in der Vollziehung des Beitragsbescheids nicht. Insgesamt sei eine Beitragsdifferenz von (nur) 10,08 EUR monatlich im Streit.

Auf den ihm am 20.3.2007 zugestellten Beschluss hat der Beschwerdeführer am 28.3.2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abhalf (Beschluss vom 29.3.2007). Zur Begründung bekräftigt er sein bisheriges Vorbringen. Ergänzend trägt er vor, die ursprünglich vom Arbeitgeber abgeschlossene Lebensversicherung sei zum 30.9.1989 erloschen; ab 1.10.1989 bestehe ein Einzelversicherungsvertrag zwischen ihm und dem Versicherungsunternehmen. Man müsse ihn so stellen, als hätte er die Direktversicherung nach dem Ausscheiden aus dem Erwerbsleben beitragsfrei stellen lassen und einen neuen Vertrag abgeschlossen. Die vom Sozialgericht angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei nicht einschlägig.

Der Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 16.3.2007 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner gegen den Beitragsbescheid der Beschwerdegegnerinnen vom 29.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9.3.2007 erhobenen Klagen insoweit anzuordnen, als die Ablaufleistung seiner Lebensversicherung mit einem höheren Betrag als 7.460 EUR der Bemessung des Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrags zugrunde gelegt worden ist.

Die Beschwerdegegnerin Nr. 1 beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerdegegnerin Nr. 2 stellt keinen Antrag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beschwerdegegnerinnen, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

II.

Die statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des Beschwerdeführers ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu Recht abgelehnt. Auch der Senat hat keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide; auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (unter II.) wird Bezug genommen (§ 153 Abs. 2 SGG). Die Ablaufleistung der als Direktversicherung des Arbeitgebers abgeschlossenen Lebensversicherung (§ 1 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG) wurde aller Voraussicht nach zu Recht in vollem Umfang der Beitragspflicht zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterworfen. Eine Aufteilung der Versicherungssumme findet nicht statt. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 13.9.2006 (a. a. O.) hierzu Folgendes ausgeführt:

Der Bemessung der Beiträge zur Krankenversicherung der versicherungspflichtigen Rentner ist nach § 237 SGB V außer dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Satz 1 Nr. 1, a. a. O.), sofern dieser nicht die Beitragsbemessungsgrenze erreicht, bis zur Beitragsbemessungsgrenze (§ 238 SGB V) auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (§ 237 Satz 1 Nr. 2 SGB V) zu Grunde zu legen. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge), gegen deren Berücksichtigung für die Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge versicherungspflichtiger Rentner verfassungsrechtliche Bedenken nicht bestehen (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 6. Dezember 1988, 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 ff = SozR 2200 § 180 Nr. 46 S 194 ff), gelten auch Renten der betrieblichen Altersversorgung, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden (§ 237 Satz 2, § 229 Abs 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V).

Zu den Renten der betrieblichen Altersversorgung iS von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gehören auch Renten, die aus einer vom Arbeitgeber für den Arbeitnehmer abgeschlossenen Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 des Gesetzes zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung vom 19. Dezember 1974 (BGBl I 3610 - BetrAVG) gezahlt werden, wie der Senat bereits entschieden hat (vgl. etwa die Hinweise auf die entsprechende ständige Rechtsprechung im Urteil vom 26. März 1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr. 13 S 66 ff). Um eine solche Direktversicherung handelt es sich, wenn für die betriebliche Altersversorgung eine Lebensversicherung auf das Leben des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber abgeschlossen wird und der Arbeitnehmer oder seine Hinterbliebenen hinsichtlich der Leistung des Versicherers ganz oder teilweise bezugsberechtigt sind. Sie ist dann der betrieblichen Altersversorgung zuzurechnen, wenn sie die Versorgung des Arbeitnehmers oder seiner Hinterbliebenen im Alter, bei Invalidität oder Tod bezweckt, also der Sicherung des Lebensstandards nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Erwerbsleben dienen soll. Dieser Versorgungszweck kann sich auch aus der vereinbarten Laufzeit ergeben. Unerheblich ist, ob der Abschluss nach Auffassung der Beteiligten allein zur Ausnutzung der steuerrechtlich anerkannten und begünstigten Gestaltungsmöglichkeiten der betrieblichen Altersversorgung erfolgt. Der hinreichende Zusammenhang zwischen dem Erwerb der Leistungen aus der Lebensversicherung und der Berufstätigkeit des Arbeitnehmers für die Qualifizierung als beitragspflichtige Einnahme der betrieblichen Altersversorgung ist bei einer solchen für die betriebliche Altersversorgung typischen Versicherungsart der Direktversicherung gegeben (vgl. Urteil des Senats vom 26. März 1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr 13 S 66 ff).

Leistungen aus einer Direktversicherung iS des § 1 Abs 2 BetrAVG verlieren ihren Charakter als Versorgungsbezug auch nicht deshalb, weil sie zum Teil oder ganz auf Leistungen des Arbeitnehmers bzw. des Bezugsberechtigten beruhen, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden hat. Sie bleiben auch dann im vollen Umfang Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, wenn nach Beendigung der Erwerbstätigkeit die Beiträge allein vom Arbeitnehmer als Versicherungsnehmer gezahlt werden (vgl. Urteile des Senats vom 6. Februar 1992, 12 RK 37/91, BSGE 70, 105, 108 f = SozR 3-2500 § 229 Nr. 1 S 4 ff, und vom 26. März 1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr. 13 S 69 f, mwN). An dieser sog institutionellen Abgrenzung, die sich allein daran orientiert, ob die Rente von einer Einrichtung der betrieblichen Altersversorgung gezahlt wird und Modalitäten des individuellen Rechtserwerbs unberücksichtigt lässt, hat der Senat festgehalten und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG im Vergleich mit sonstigen, nicht zur Beitragsbemessung heranzuziehenden Zahlungen aus privaten Renten- und Lebensversicherungsverträgen verneint (vgl. Urteile des Senats vom 6. Februar 1992, 12 RK 37/91, BSGE 70, 105, 109 f = SozR 3-2500 § 229 Nr. 1 S 5 f, vom 26. März 1996, 12 RK 21/95, SozR 3-2500 § 229 Nr. 13 S 69, und vom 25. August 2004, B 12 KR 30/03 R, SozR 4-2500 § 229 Nr. 3 RdNr 11). In seiner Entscheidung vom 30. März 1995 (12 RK 40/94, SozR 3-2500 § 229 Nr. 6 S 25) hat der Senat ergänzend darauf hingewiesen, dass es nicht so sehr der Rechtfertigung der Beitragspflicht von Einkünften, die von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V oder von § 229 Abs 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V erfasst würden, bedürfe, sondern vielmehr der Rechtfertigung der Nichteinbeziehung von sonstigen Renten aus privaten Versicherungen und von anderen beitragsfreien Einnahmen, zumal es bei einer freiwilligen Versicherung zulässig ist, auch Renten aus rein privaten Lebensversicherungen zur Beitragsbemessung heranzuziehen ...

Das BVerfG hat die Einbeziehung von Versorgungsbezügen in die Beitragsbemessung der krankenversicherungspflichtigen Rentner als mit dem Grundgesetz vereinbar angesehen (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1988, 2 BvL 18/84, BVerfGE 79, 223 = SozR 2200 § 180 Nr. 46). Der Senat hat die ab 1. Januar 2004 geltende Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen nach dem vollen allgemeinen Beitragssatz ebenfalls für verfassungsgemäß gehalten (vgl. Urteile des Senats vom 24. August 2005, B 12 KR 29/04 R, SozR 4-2500 § 248 Nr. 1, und vom 10. Mai 2006, B 12 KR 6/05 R, zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen, und B 12 KR 5/05 R, rv 2006, 113). Er hat hierbei nicht danach unterschieden, ob und in welchem Umfang die den Bezügen zugrunde liegenden Aufwendungen von den Versicherten selbst getragen wurden und ob auf die hierfür eingesetzten finanziellen Beiträge bereits Krankenversicherungsbeiträge erhoben worden waren. Ein Grundsatz, dem zufolge mit aus bereits der Beitragspflicht unterliegenden Einnahmen vom Versicherten selbst finanzierte Versorgungsbezüge nicht oder nicht mit dem vollen Beitragssatz der Beitragspflicht unterworfen werden dürfen, existiert im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht. Zwar wird der Aufbau einer zusätzlichen betrieblichen Altersversorgung durch Steuervorteile gefördert, die Beiträge werden jedoch entsprechend der auch dadurch bewirkten späteren wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Rentners erhoben.

Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an. Die im Rahmen des Gruppenversicherungsvertrags als Direktversicherung (§ 1 Abs. 2 BetrAVG) abgeschlossene Kapitallebensversicherung wurde nicht beendet, sondern vom Kläger fortgeführt (Schreiben der Alten Leipziger vom 9.1.1990, SG-Akte S 6 KR 1170/076 ER S. 6). Die Annahme einer beitragsfrei gestellten (Alt-)Versicherung bei gleichzeitigem Abschluss eines neuen Versicherungsvertrags kommt nicht in Betracht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG)
Rechtskraft
Aus
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