L 5 B 869/06 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 KR 295/06 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 B 869/06 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.10.2006 wird zu rückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 7.050.- EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob die Vollziehung eines Beitragsbescheids vorläufig aufzuheben ist.

Die Antragsgegnerin stellte nach einer Betriebsprüfung (mit Schlussbesprechung) mit Bescheid vom 25.07.2006 fest, die Antragstellerin betreibe als Eigenwerberin ein abgabepflichtiges Unternehmen im Sinne des § 24 Abs.1 Satz 2 KSVG und forderte mit Bescheid vom 26.07.2006 Beiträge für die Jahre 2001 bis 2005 in Höhe von 18.542,74 EUR nach.

Das Sozialgericht Regensburg lehnte den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 26.07.2006 mit Beschluss vom 06.10.2006 ab. Eine unzureichende Begründung könne angesichts des Bescheids vom 25.07.2006 und der Schlussbesprechung nicht bemängelt werden. Auch wenn das von der Antragstellerin beauftragte Unternehmen als Kommanditgesellschaft kein Künstler sei, bündele es doch die künstlerische Vielfalt und gebe das Endprodukt an die Antragstellerin weiter, die es für eigene Werbungszwecke nutze.

Gegen den am 11.10.2006 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin am 09.11.2006 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat.

Die Antragstellerin hat geltend gemacht, der Bescheid vom 25.07.2006 sei ihr nicht bekannt und das Protokoll der Schlussbesprechung knapp. Das Bundessozialgericht habe zwar am 24.07.2003 entschieden, Künstlersozialabgabe könne auch auf Honorar erhoben werden, welches an ein Unternehmen geleistet werde, das wie die Auftragnehmer der Antragstellerin selbst der

Abgabepflicht nach dem KSVG unterliege, diese Entscheidung sei aber weder mit dem Wortlaut des § 24 Abs.2 KSVG noch mit dem Grundgesetz vereinbar. Ein und derselbe Sachverhalt könne nicht einer doppelten Abgabenerhebung unterworfen werden.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.10.2006 aufzuheben und die Aufhebung der Vollziehung des Bescheids vom 25.07.2006 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hat auf den Beschluss des Bundessozialgerichts vom 21. September 2006 (B 3 KR 13/06 B) und die Entscheidung des Hessischen Landessozialgerichts vom 15.12.2005 (L 8/14 KR 495/02) verwiesen, und geltend gemacht, die beauftragte Werbeagentur erbringe insoweit ein neues Kunstwerk, als sie die Teilleistungen der freien Mitarbeiter und der angestellten kreativen Mitarbeiter zusammenführe.

Beigezogen waren die Akten des Sozialgerichts Regensburg und der Antragsgegnerin, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Beschluss des Sozialgerichts Regensburg vom 06.10.2006 ist rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Aufhebung der Vollziehung des Nachforderungsbescheids vom 26.07.2006.

Gemäß § 86b Abs.1 Nr.2 i.V.m. § 86a Abs.2 Nr.1, Abs.3 SGG in der Fassung des 6.SGGÄndG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen des § 86a Abs.2 SGG durch Beschluss die Aussetzung der Vollziehung anordnen. Ist der Verwaltungsakt betreffend die Entscheidung über Beitragspflichten und der Anforderung von Beiträgen im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen (§ 86b Abs.1 Satz 2 SGG). Die Aussetzung der Vollziehung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 86a Abs.3 Satz 2 SGG).

Über die Aussetzung der Vollziehung entscheidet das zuständige Gericht nach Ermessen und aufgrund einer Interessenabwägung. In die Abwägung wird einbezogen, ob und inwieweit durch die Vollziehung irreparable Folgen entstehen. Noch größeres Gewicht kommt hingegen den Erfolgsaussichten des Rechtsmittels zu. In den Fällen des § 86a Abs.2 SGG hat der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst einmal angeordnet. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist. Dies kann vorliegend nicht erkannt werden.

Zunächst hat die Antragstellerin nicht dargelegt, dass die Vollziehung des Nachforderungsbescheids ihr gegenüber eine unbillige Härte darstellt. Eine unbillige Härte in diesem Sinn liegt vor, wenn durch die sofortige Vollziehung oder Zahlung dem Beitragspflichtigen wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer - etwa durch eine spätere Rückzahlung - wieder gut zu machen sind. Die Antragstellerin hat die geforderten 18.542,74 EUR mittlerweile bezahlt und wird diese im Falle des Erfolgs ihres Rechtsmittels mit Zinsen zurückerhalten (§ 27 SGB IV).

Ob der Bescheid vom 26.07.2006 rechtmäßig ist, kann nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen summarischen pauschalen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht endgültig beurteilt werden. Dabei ist von untergeordneter Bedeutung, dass der angegriffene Bescheid nicht ausreichend begründet ist, nachdem die Zustellung des Bescheids vom 25.07.2006 nicht nachgewiesen ist. Die erforderliche Begründung kann jedoch im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (§ 41 SGB X). Relevant erscheinen hingegen die Bedenken der Antragstellerin, soweit diese geltend macht, eine Kommanditgesellschaft sei kein selbständiger Künstler im Sinn des § 24 Abs.1 Satz 2 KSVG und ein und derselbe Sachverhalt dürfe nicht einer doppelten Abgabenerhebung unterworfen werden. In Übereinstimmung mit dem Hessischen Landessozialgericht (Entscheidung vom 15.12.2005, L 8/14 KR 495/02) ist hinsichtlich der in § 24 Abs.1 Satz 2 KSVG geforderten Künstlereigenschaft nicht auf die Gesellschaft, sondern auf die Gesellschafter der Kommanditgesellschaft abzustellen (im Anschluss an Beschluss des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 09.12.2004, L 5 ER 95/04 KR). Ob die Gesellschafter der KG, die von der Antragstellerin beauftragt wurden, Künstler sind und als solche für die Gesellschaft einen Beitrag leisten, ist bislang nicht geprüft worden. Die im Handelsregisterauszug des Amtsgerichts A. vom 26.02.2007 genannten Berufe der Gesellschafter (Kommunikationswirt, Grafikerin, Handelswirt, Kaufmann) legen es nicht nahe, jedem Gesellschafter die Künstlereigenschaft zuzusprechen. Allerdings spricht vieles dafür, dass der persönlich haftende Gesellschafter und Kommunikationswirt der Kommanditgesellschaft die Möglichkeit hat, die Gestaltung des Werbematerials entscheidend zu beeinflussen.

Ob die Antragstellerin Künstlersozialabgabe auch für an die Kommanditgesellschaft zu zahlende Vergütungen solcher künstlerischer Leistungen schuldet, für die die Werbeagentur ihrerseits wegen der Beauftragung selbständiger Künstler Künstlersozialabgabe entrichtet hat, ist offen. Zwar hat es das Bundessozialgericht in seinem Beschluss vom 21. September 2006 (B 3 KR 13/06 B) erst jüngst abgelehnt, sich erneut mit dieser Frage zu befassen und auf seine Entscheidung vom 24. Juli 2003 (B 3 KR 37/02 R) hingewiesen. Darin heißt es, es sei unerheblich, dass die Werbeagentur selbst auch Vermarkter sei und für ihre angestellten Grafiker und Texter Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen habe. Eine Aufspaltung des an sie gezahlten einheitlichen Honorars in einen Teil für Eigenleistungen der Werbeagentur und einen Teil für Leistungen von Mitarbeitern (Angestellte, freie Mitarbeiter) sei im KSVG nicht vorgesehen und auch praktisch undurchführbar. Die Gefahr einer Doppelerhebung der Künstlersozialabgabe ist hingegen offensichtlich. Lässt die Kommanditgesellschaft nämlich die Aufträge der Antragstellerin von freien Mitarbeitern erledigen, zahlen sowohl die Antragstellerin als auch die Kommanditgesellschaft Künstlersozialabgabe für die Leistung der freien Mitarbeiter. Hierfür allein Praktikabilitätserwägungen genügen zu lassen erscheint nicht ausreichend.

Zusammenfassend ist der Ausgang der gerichtlichen Prüfung des strittigen Verwaltungsakts offen. Weil das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin gering ist, ist es trotz vorhandener Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids geboten, wegen des gesetzlich normierten Vorrangs öffentlicher Interessen an der rechtzeitigen Beitragserhebung von der Aufhebung der Vollziehung des Bescheids abzusehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs.1, 2 VwGO; danach trägt die Antragstellerin die Kosten des Rechtsmittels.

Bei der Feststellung des Streitwerts folgt der Senat der Entscheidung des Sozialgerichts, die auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs.3 GKG beruht.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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