L 4 RA 46/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 6 RA 7589/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 46/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Vormerkung der Zeit von Januar 1947 bis April 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeit.

Die Klägerin wurde 1926 in Polen geboren. Sie besaß zunächst die polnische und später die russische Staatsangehörigkeit. Als Angehörige des jüdischen Glaubens erlitt sie Verfolgung durch die Nationalsozialisten; sie erhielt Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz. Seit dem 15. Mai 1948 lebt die Klägerin in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.

Im Juni 1994 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Rentenantrag und machte dabei geltend, von Juni bis Dezember 1946 in einem Lager für "Displaced Persons" (nachfolgend: DP´s) in E und von Januar 1947 bis April 1948 als Angestellte in der Wirtschaftsabteilung des DP-Lagers in B R tätig gewesen zu sein. Für ihre Arbeit in den beiden DP-Lagern habe sie Gehalt bekommen. Im Rahmen der daraufhin von der Beklagten angestellten Ermittlungen (Anfragen bei dem Amt für Verteidigungslasten K, der AOK E und der AOK B R) ließ sich kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestätigen, denn keine der kontaktierten Stellen besaß noch Unterlagen aus dem fraglichen Zeitraum. Außerdem zog die Beklagte die Entschädigungsakte von der Abteilung Wiedergutmachung der Bezirksregierung D bei. Die Klägerin reichte zudem Erklärungen der Zeugen C K und A F vom 3. Juli 1995 ein, in denen die Zeugen bestätigten, dass die Klägerin von Juni bis Dezember 1946 im DP-Lager E als Schreibkraft und von Januar 1947 bis April 1948 im DP-Lager B R als Schreibkraft in der Lagerverwaltung vollzeitig gegen Entgelt beschäftigt gewesen sei.

Mit Bescheid vom 19. Juni 1996 lehnte die Beklagte es ab, den Zeitraum vom 30. April 1946 bis zum 30. April 1948 als rentenrechtliche Zeit anzuerkennen. Eine Beitragsentrichtung habe nicht ermittelt werden können; ebenso wenig erscheine eine Beitragszahlung nach dem Ergebnis der Ermittlungen glaubhaft gemacht.

In ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch blieb die Klägerin bei der Behauptung, im fraglichen Zeitraum beitragspflichtig beschäftigt gewesen zu sein. Mit Auskunft vom 30. Mai 2001 teilte der von der Beklagten kontaktierte internationale Suchdienst mit, dass die Klägerin sich am 12. Juni 1946 im DP-Lager W, am 20. Juni 1946 und am 19. Dezember 1946 im DP-Lager E befunden habe und am 6. Dezember 1946 zum DP-Lager B R überstellt worden sei; am 26. April 1947 und am 31. Juli 1947 habe sie sich im DP-Lager B R befunden. Weitere Ermittlungen der Beklagten bei der Verteidigungslastenverwaltung in K, der Landesversicherungsanstalt Oberbayern, der Landesversicherungsanstalt Hessen und bei der AOK Bayern in B R verliefen ergebnislos. Die Klägerin reichte zur Begründung ihres Widerspruchs noch eine Erklärung der Zeugin A Z (geboren 1926 in Polen) vom 11. Oktober 2001 zu den Akten. Diese erklärte, die Klägerin im DP-Lager in B R kennen gelernt zu haben und bestätigen zu können, dass sie von Januar 1947 bis April 1948 als Angestellte in der Wirtschaftsabteilung des Lagers beschäftigt gewesen sei. Für diese Arbeit habe sie ein Gehalt bezogen. Außerdem reichte die Klägerin eine Erklärung eines Mitarbeiters der AOK Bayern – Direktion München –, Herr P K, vom 7. November 2000 zu den Akten, in welcher dieser die Auffassung vertritt, dass es im Falle der beitragspflichtigen Beschäftigung von DP`s auch stets zu einer Beitragsabführung gekommen sei.

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2001 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: Die behauptete Beitragsentrichtung für die Zeit vom 1. Juni 1946 bis zum 31. Dezember 1946 (DP-Lager E) und vom 1. Januar 1947 bis zum 30. April 1948 (DP-Lager B R) sei nach wie vor weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Die nachträglich eingereichte Zeugenerklärung sei allenfalls dazu geeignet, die Dauer des Beschäftigungsverhältnisses glaubhaft zu machen, nicht jedoch die Entrichtung von Beiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung. Es gebe keine gesetzliche Beweisregel, nach der mit der Glaubhaftmachung eines rentenversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses in jedem Fall auch eine entsprechende Beitragsentrichtung durch den Arbeitgeber überwiegend wahrscheinlich sei. Grundsätzlich sei vielmehr auch die Beitragsentrichtung selbst glaubhaft zu machen. Eine solche Glaubhaftmachung sei jedoch nicht gelungen, weil keine der um Auskunft gebetenen Stellen eine Beitragsabführung im fraglichen Zeitraum habe bestätigen können. Das Schreiben der AOK Bayern vom 7. November 2000 (Herr K) stelle lediglich eine zur Kenntnis gegebene Ansicht dar und könne mithin nicht als Nachweis für eine tatsächliche Beitragsentrichtung herangezogen werden.

Mit der am 19. Dezember 2001 erhobenen Klage, die sie nur auf den Zeitraum im DP-Lager B R vom 1. Januar 1947 bis zum 30. April 1948 bezieht, verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie meint, man müsse grundsätzlich davon ausgehen, dass sich ein Arbeitgeber gesetzestreu verhalte und seiner Pflicht zur Beitragsentrichtung auch nachkomme. Zur Untermauerung ihres Standpunktes hat sie eine 13-seitige Stellungnahme des AOK-Mitarbeiters P K vom 4. März 2002 "zur Beitragsentrichtung der bei der UNRRA sowie der Nachfolgeorganisation IRO beschäftigten verschleppten Personen (Displaced Persons)" eingereicht. Wegen des Inhalts wird auf Blatt 17 bis 23 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Das Sozialgericht hat zunächst Ermittlungen bei der AOK B R, beim Versicherungsamt und Stadtarchiv der Stadt B R, bei der AOK M, bei der AOK E und beim Versicherungsamt und Stadtarchiv der Stadt E angestellt, die jedoch keine weiteren maßgeblichen Erkenntnisse gezeitigt haben. Außerdem hat das Sozialgericht die Vernehmung der Zeugen C K (geb. 1923), T I (geb. 1924), A F (geb. 1924) und A Z (geb. 1926) in Israel veranlasst. Wegen des Ergebnisses der am 3. und 9. April 2003 erfolgten Beweisaufnahme wird auf Blatt 82 bis 88 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Beklagte hat auf die Klage entgegnet, es lasse sich keine Automatik zwischen Beschäftigungsverhältnis und Beitragsentrichtung herstellen, weil einerseits in der Vergangenheit Lohnunterlagen aus DP-Lagern aufgetaucht seien, in denen der Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen vermerkt worden sei, andererseits aber auch Unterlagen zutage gefördert worden seien, aus denen sich ergebe, dass gerade keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien. Die von klägerischer Seite immer wieder vorgetragene These, die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen könne immer dann unterstellt werden, wenn die Zuordnung zum Personenkreis der DP´s zweifelsfrei feststehe, sei unzutreffend. In dem Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin S 9 RA 922/97 habe der Zeuge K C erklärt, dass in der zentralen Lohnstelle der Stadt M Lohnlisten der UNRRA (United Nations Relief and Rehabilitation Administration) eingereicht worden seien, auf denen gerade keine Sozialversicherungsbeiträge eingetragen gewesen seien. Im Verhältnis zu dem Zeitzeugen C, der seit September 1945 Dienststellen- und Lohnstellenleiter des zuständigen Besatzungskostenamtes der Stadt M war, sei die von der Klägerin herangezogene Stellungnahme des AOK-Mitarbeiters P K vom 4. März 2002 weniger überzeugend, denn dieser kenne die Vorgänge als Spätgeborener im Wesentlichen nur vom Hörensagen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass ein bedeutender Teil der DP`s von den Arbeitgebern de facto als nicht versicherungspflichtig angesehen worden sei. Insoweit habe auch keine Veranlassung bestanden, Rentenversicherungsbeiträge zu zahlen. Insgesamt ergäben sich aufgrund der authentischen Aussage des Zeugen C erhebliche Zweifel daran, ob ein Beschäftigungsverhältnis in einem DP-Lager stets auch eine Beitragsentrichtung nach sich gezogen habe.

Das Sozialgericht hat die Vernehmung der Zeugen G O und K C vom 23. Juli 2001 aus dem Verfahren S 9 RA 922/97 vor dem Sozialgericht Berlin in das Verfahren eingeführt und die Klage mit Urteil vom 12. März 2004 abgewiesen. Zur Begründung, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte Bezug genommen wird, hat das Sozialgericht im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Vormerkung der geltend gemachten Beitragszeiten, weil ihr die Glaubhaftmachung der Beitragsentrichtung im streitigen Zeitraum nicht gelungen sei. Der angefochtene Bescheid der Beklagten sei daher rechtmäßig. Der geltend gemachte Anspruch richte sich nach § 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 der Versicherungsunterlagen-Verordnung (VuVO) in der bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung. Der Anspruch sei nach dem damals geltenden Recht zu prüfen, weil die Klägerin bei Anerkennung der geltend gemachten Beitragszeiten sowie zusätzlicher Ersatzzeiten mit Vollendung ihres 65. Lebensjahres am 14. September 1991 ein Stammrecht auf Rente erworben hätte. Weil Versicherungsunterlagen nicht mehr vorlägen, komme es darauf an, ob die Beitragszeit glaubhaft gemacht sei. Dies richte sich nach § 10 Abs. 1 VuVO, wonach eine Tatsache glaubhaft gemacht sei, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbaren Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich sei. Aus Sicht der Kammer sei es der Klägerin gelungen, ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im streitigen Zeitraum glaubhaft zu machen. Der internationale Suchdienst und auch die vier vernommenen Zeugen hätten die Aufenthalte der Klägerin im DP-Lager B R im Wesentlichen bestätigt. Aus der Gesamtschau der grundsätzlich übereinstimmenden Zeugenerklärungen halte die Kammer das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin (noch) für überwiegend wahrscheinlich. Die (glaubhaft gemachte) Beschäftigung der Klägerin habe auch seit dem 1. April 1946 der Versicherungspflicht unterlegen. Dies ergebe sich aus der Verordnung Nr. 53 betreffend die Sozialversicherungspflicht der verschleppten Personen vom 4. März 1946 und aus der Verordnung über die Ausdehnung der Versicherungspflicht in der Sozialversicherung vom 27. März 1946. Es sei der Klägerin jedoch nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass aufgrund dieses versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses auch tatsächlich Beiträge gezahlt worden seien. Entscheidend sei, ob sich im Einzelfall ausreichende Anhaltspunkte für eine Beitragsabführung ergeben hätten. Die Kammer schließe sich der Auffassung der Beklagten an, wonach es keine ausreichende Grundlage für die Annahme gebe, bei versicherungspflichtigen Beschäftigungen in DP-Lagern bestehe im Grundsatz eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für die Beitragsabführung. Ein Automatismus zwischen Beschäftigungsverhältnis und Beitragsentrichtung bestehe nicht. Vielmehr sei in jedem Einzelfall zu prüfen, ob Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass für den jeweiligen Betroffenen eine Beitragsentrichtung stattgefunden habe. Seit den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts hätten die Beklagte, das Sozialgericht und das Landessozialgericht Berlin Verfahren und Rechtsstreitigkeiten bearbeitet, die die Problematik der Entrichtung von Sozialversicherungsbeiträgen für DP`s betroffen hätten. Obwohl seitdem von allen Beteiligten vielfältige Ermittlungen durchgeführt worden seien, stehe immer noch nicht fest, ob für diesen Personenkreis tatsächlich regelmäßig Rentenversicherungsbeiträge entrichtet worden seien. Sicher sei zwar, dass für die DP`s aufgrund der bereits zitierten Vorschriften ab dem 1. April 1946 Versicherungspflicht bestanden habe, ungeklärt sei jedoch nach wie vor, ob dieser Versicherungspflicht in der Regel Folge geleistet worden sei. Mittlerweile könne als gesichert gelten, dass sich zumindest einige DP´s gegen die Versicherungspflicht gewehrt hätten, weil sie die Absicht gehabt hätten, Deutschland zu verlassen, eine Rentenzahlung nach damaligen Recht nur bei Versicherungszeiten von 15 Jahren in Betracht gekommen sei und noch keine zwischenstaatlichen Abkommen vorgelegen hätten, nach denen die in den Abkommensländern jeweils zurückgelegten Rentenzeiten für das Erreichen der für die Rentenzahlung erforderlichen Jahre hätten zusammengerechnet werden können. Der von der 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin im Verfahren S 9 RA 922/97 am 23. Juli 2001 vernommene Zeuge C, der als Dienststellen- und Lohnstellenleiter des Besatzungskostenamts der Stadt M in der Zeit ab September 1945 für die Organisation und Verrechnung der Lohnzahlungen an Beschäftigte bei den Streitkräften und bei der UNRRA/IRO zuständig gewesen sei, habe angegeben, dass von der Versicherungspflicht tatsächlich in nicht unerheblichem Umfange Ausnahmen gemacht worden seien. Von der zentralen Lohnstelle seien zwar für einen großen Teil der Beschäftigten (etwa 6000 bis 8000 Personen) von den Löhnen Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden. Von 1946 bis März 1948 seien aber auch Listen für etwa 4000 bis 5000 Beschäftigte der UNRRA eingegangen, auf denen nur die Namen und ein auszuzahlender Betrag gestanden hätten. In diesen Fällen sei eine Beitragsabführung nicht erfolgt. Sofern die Angaben des Zeugen C von dem Mitarbeiter der AOK M, P K, in Zweifel gezogen würden, halte das Gericht allerdings die Angaben des Zeugen C für aussagekräftiger, denn dieser sei im streitigen Zeitraum selbst Mitarbeiter des damals für die Entrichtung zuständigen Besatzungskostenamts gewesen und habe aus eigener Anschauung Angaben machen können, während der AOK-Mitarbeiter K die Verhältnisse im Zeitraum 1946 bis 1949 nur aus den Akten und aus den Erzählungen seines damaligen Vorgesetzten kenne. Nach Auswertung aller vorliegenden Ermittlungsergebnisse und insbesondere der Niederschrift der Vernehmung des Zeugen K C durch die 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin sei die Kammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Klägerin die Glaubhaftmachung einer Beitragsentrichtung im streitigen Zeitraum nicht gelungen sei. Die umfangreichen Ermittlungen sowohl der Beklagten als auch des Gerichts seien erfolglos geblieben. Weil aufgrund der Aussagen des Zeugen C davon ausgegangen werden müsse, dass zumindest für eine größere Anzahl von DP`s keine Versicherungsbeiträge entrichtet worden seien und im vorliegenden Einzelfall keine Hinweise für eine Beitragsentrichtung vorlägen, halte die Kammer es im Ergebnis nicht für überwiegend wahrscheinlich, dass Beiträge für die Klägerin tatsächlich entrichtet worden seien. Nachweis bzw. Glaubhaftmachung oblägen jedoch der Klägerin. Eine Umkehr der Beweislast komme auch in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Beweisführung naturgemäß durch den Zeitablauf erheblich erschwert sei, nicht in Betracht.

Gegen das am 13. April 2004 zugestellte Urteil richtet sich die am 14. April 2004 eingegangene Berufung der Klägerin. Eine ordnungsgemäße Beitragsentrichtung sei zumindest überwiegend wahrscheinlich. Zum Beleg beruft die Klägerin sich auf eine Sitzungsniederschrift des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 29. Oktober 2002 (L 18 [8] RJ 153/00), eine Stellungnahme der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 1. Februar 1958, eine Stellungnahme der Allgemeinen Ortskrankenkasse M vom 24. Januar 1958, Schreiben des Bayerischen Arbeitsministeriums vom 4. März und 27. Juli 1946, ein Schreiben (ohne erkennbaren Absender) an den Oberbürgermeister der Stadt A vom 13. Juni 1946 und Lohn- bzw. Gehaltslisten aus dem Ausländerlager L/L (Januar 1946 bzw. undatiert). Zudem hat die Klägerin eine weitere Stellungnahme des AOK-Mitarbeiters P K vom 23. April 1998 zu den Akten gereicht.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1947 bis zum 30. April 1948 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten vorzumerken.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts Berlin für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich schriftlich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Rentenakten der Beklagten sowie der Entschädigungsakte (2 Bände) Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten durfte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage in seiner mit der Berufung angegriffenen Entscheidung zutreffend. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Vormerkung von Beschäftigungszeiten vom 1. Januar 1947 bis zum 30. April 1948. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf die ausführlichen, sorgfältigen und eine überzeugende Beweiswürdigung enthaltenden Entscheidungsgründe der erstinstanzlichen Entscheidung Bezug, mit denen das Sozialgericht dem Fall der Klägerin vollständig gerecht wird (§ 153 Abs. 2 SGG). Zutreffend hat das Sozialgericht unterstellt, dass ein Beschäftigungsverhältnis im streitigen Zeitraum vorgelegen haben mag, eine Beitragsabführung aber weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht ist. Ergänzend bleibt auszuführen:

In ständiger Rechtsprechung hat der Senat in geringfügig anderen (fremdrentenrechtlichen) Zusammenhängen den Standpunkt vertreten, dass eine "Beitragstreue" von Arbeitgebern nicht grundsätzlich unterstellt werden kann und die Anerkennung versicherungsrechtlich relevanter Zeiten auch davon abhängt, ob im Einzelfall konkrete Indizien vorliegen, aus denen sich eine Glaubhaftmachung gerade auch der Beitragsabführung ergibt (vgl. z.B. Urteil vom 14. Februar 2003, L 5 RA 2/00, veröffentlicht bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Hieran hält der Senat fest. Es gibt keinen Rechtssatz, wonach eine nachgewiesene Beschäftigung gleichzeitig die Entrichtung von Beiträgen glaubhaft werden lässt (ebenso: Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Dezember 1986, 11a RA 59/85, SozR 5745 § 1 VuVO Nr. 2; Urteil vom 7. September 1989, 5 RJ 79/88, Reg.-Nr. 18952 (BSG-Intern); Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14. Januar 2002, L 3 RJ 88/00; zitiert jeweils nach juris).

Dies gilt auch und gerade in Zusammenhang mit der Beschäftigung von so genannten DP´s in DP-Lagern unmittelbar nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs (ebenso [mit einzelfallbezogener Betrachtung]: 8. Senat des Landessozialgerichts Berlin, Urteil vom 15. Mai 2003, L 8 RA 4/99 sowie 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00, veröffentlicht jeweils bei www.sozialgerichtsbarkeit.de). Der Senat nimmt an, dass gerade in den ersten Nachkriegsjahren keine Gewähr für eine flächendeckende Abführung von Beiträgen an die gesetzliche Rentenversicherung bestand, zumal in Zusammenhang mit der Beschäftigung von auf ihre Auswanderung wartenden Flüchtlingen in DP-Lagern, die unter internationaler Aufsicht standen. Die Aussage des Zeugen K C vor der 9. Kam-mer des Sozialgerichts Berlin am 25. Juni 2001 belegt, dass gravierende Zweifel an einer regelmäßigen Beitragsabführung für DP`s bestehen dürfen, für die die UNRRA dem M Besatzungskostenamt Lohnlisten übermittelte; diesen Listen war zu entnehmen, dass für eine etwa 4.000 bis 5.000 Personen umfassende Gruppe gerade keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden bzw. werden sollten. Das Sozialgericht hat eine umfassende und überzeugende Beweiswürdigung vorgenommen, die hier keiner Wiederholung bedarf. Besonders plausibel werden die Zweifel an einer grundsätzlichen "Beitragstreue" in DP-Lagern aber vor dem auch vom Sozialgericht betonten historischen Umstand, dass die ihrer Auswanderung harrenden Flüchtlinge wie auch das Hilfswerk der Vereinten Nationen die Abführung von Beiträgen zur deutschen Rentenversicherung als "verloren" angesehen haben und es deshalb messbare Widerstände gegenüber der Beitragsabführung gab. Die vom Zeugen K C beschriebenen Umstände erscheinen damit plausibel, dass nämlich teilweise die Abführung von Beiträgen veranlasst wurde, teilweise – in nennenswertem Umfang – aber auch nicht. Der Aussage des K C kommt aufgrund seiner unmittelbaren Wahrnehmung als Zeitzeuge erhebliche Bedeutung zu. Unabhängig vom Gewicht des sonstigen Beweismaterials - insbesondere der Einschätzungen (und gerade nicht persönlichen Beobachtungen) des AOK-Mitarbeiters P K – ergeben sich aufgrund der Aussage des K C jedenfalls erhebliche Zweifel an einer flächendeckenden Beitragsabführung für in DP-Lagern Beschäftigte, so dass sich die Annahme, es habe einen Automatismus gegeben zwischen Beschäftigungsverhältnis und Beitragsabführung, auch hier verbietet (vgl. zur Beweislage ausführlich 9. Kammer des Sozialgerichts Berlin, Urteil vom 11. Mai 2004, S 9 RA 4599/00; anders: Landessozialgericht Berlin, Urteil des 1. Senats vom 29. August 2003, L 1 RA 24/99, zitiert nach juris).

Aus den von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Unterlagen ergibt sich nichts anderes. Der Sitzungsniederschrift aus dem Streitverfahren L 18 (8) RJ 153/00 vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen ist nur zu entnehmen, dass der dortige Senat die Auffassung vertrat (die der erkennende Senat unter Bezugnahme auf die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht teilt), von der Beitragspflicht sei auch auf die Beitragstreue zu schließen. Im Übrigen beziehen sich die historischen Unterlagen im Wesentlichen auf die seit dem 1. April 1946 für die bei der UNRRA beschäftigten DP`s geltende Versicherungspflicht. Dem Schreiben (ohne erkennbaren Absender) an den Oberbürgermeister der Stadt A vom 13. Juni 1946 kann dagegen entnommen werden, dass der Direktor der UNRRA die Leistung von Sozialversicherungsbeiträgen ablehnte, wodurch obige Ausführungen zu den Widerständen gegenüber der Beitragsabführung nur bestätigt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Insbesondere ist nicht klärungsbedürftig, ob vom Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses automatisch auf eine Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen zu schließen ist. Diese Frage ist im Rahmen der hier allein in Betracht kommenden Glaubhaftmachung nach § 10 Abs. 1 VuVO durch die zitierte Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der der Senat sich anschließt, geklärt.
Rechtskraft
Aus
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