L 11 KR 1574/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 KR 3045/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 1574/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Lehrerin, die als Referendarin Beamtin und als solche privat krankenversichert war, wird mit Beginn eines Angestelltenverhältnisses als Lehrerin Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung, auch wenn zu diesem Zeitpunkt ein Beschäftigungsverbot (Schutzfrist nach dem MuSchG) besteht. Die gesetzliche Krankenversicherung ist ab diesem Zeitpunkt zuständig für die Gewährung von Mutterschaftsgeld.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26. Oktober 2006 aufgehoben. Die Beigeladene wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 10.09.2004 bis 04.11.2004 Mutterschaftsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beigeladene trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin beider Rechtszüge.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Umstritten ist ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach dem Mutterschutzgesetz (MuSchG) ab dem 10.09.2004.

Die 1964 geborene Klägerin war während ihres Vorbereitungsdienstes für das Lehramt am Gymnasium vom 10.09.2002 bis 31.07.2004 Beamtin auf Widerruf des Landes Baden-Württemberg. Im unmittelbaren Anschluss daran übte sie mit Ausnahme einer geringfügigen Beschäftigung als Aushilfe in der Firma ihres Ehemannes keine Tätigkeit aus. Ab 10.09.2004 - Schuljahrbeginn - ist die Klägerin als Lehrerin beim Oberschulamt T. angestellt.

Zwischen dem 29.07.2004 und 31.07.2004 und vom 10.09.2004 bis 04.11.2004 war die Klägerin vom Schuldienst freigestellt, weil sie ein Kind erwartete bzw. am 09.09.2004 von einer Tochter entbunden wurde (Schreiben des Oberschulamtes vom 04.10.2004). Vom 10.09.2004 bis 04.11.2004 erhielt sie deshalb kein Gehalt vom Landesamt für Besoldung und Versorgung B.-W ...

Während der Zeit als Studienreferendarin bis 31.07.2004 war die Klägerin beihilfeberechtigt und privat krankenversichert. In der Zeit vom 01.08.2004 bis 04.11.2004 war sie über ihren Ehemann bei der beigeladenen Allgemeinen Ortskrankenkasse (AOK) familienversichert. Seit dem 05.11.2004 ist sie selbst bei der AOK versichert. Die Anmeldung des Oberschulamts T. zur Sozialversicherung zum 10.09.2004 wurde von der AOK verwaltungsintern storniert, da Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt voraussetze. Dass die Klägerin nicht Mitglied der AOK sei, teilte die Beigeladene mit Schreiben vom 14.10.2004 (nur) dem Landesamt für Besoldung und Versorgung B.-W. mit.

Am 06.01.2005 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf Mutterschaftsgeld.

Die Beklagte zog zunächst ein an den Ehemann der Klägerin gerichtetes Schreiben des Sozialministeriums B.-W. bei. Danach vertritt das Sozialministerium die Auffassung, dass dadurch, dass die Beschäftigung am 10.09.2004 tatsächlich nicht aufgenommen und deshalb auch kein Arbeitsentgelt gezahlt worden sei, keine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung zustande gekommen sei. Letzteres sei aber Grundlage für die Zahlung von Mutterschaftsgeld nach § 200 Reichsversicherungsordnung (RVO) durch die Krankenkasse. Nach § 13 Abs. 2 und 3 MuSchG bestehe jedoch ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld zu Lasten des Bundes, d.h. der Beklagten, da die Ehefrau des Klägers während der Schutzfristen des MuSchG von einem Beamten- in ein Arbeitsverhältnis gewechselt habe.

Mit Bescheid vom 23.05.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung von Mutterschaftsgeld ab. Zur Begründung führte sie aus, für die bei ihrem Ehemann ausgeübte geringfügige Beschäftigung habe die Klägerin zwar Anspruch auf Mutterschaftsgeld dem Grunde nach. Das Geld werde aber nicht ausgezahlt, da sie fortlaufend regelmäßiges Arbeitsentgelt für diese Tätigkeit erhalten habe. Bei der Anstellung der Klägerin als Lehrerin beim Oberschulamt T. handele es sich um eine versicherungspflichtige Beschäftigung. Diese führe zur Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach § 186 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) beginne die Versicherungspflicht mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis selbst dann, wenn die Arbeit wegen eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG nicht aufgenommen werden könne. Das Bundessozialgericht (BSG) habe in diesem Zusammenhang festgestellt, dass eine Mitgliedschaft auch dann zustande komme, wenn die ursprünglich geplante Wiederaufnahme der Arbeit durch ein Beschäftigungsverbot (Mutterschutz) verhindert worden sei (BSG, Urteil vom 10.12.1998, Az.: B 12 KR 7/98 R, Urteil vom 17.02.2004, Az.: B 1 KR 7/02 R). Ab dem 10.09.2004 habe Versicherungspflicht nach § 5 Abs. 1 SGB V bestanden. Für die Gewährung von Mutterschaftsgeld sei deshalb die Krankenkasse zuständig.

Ihren dagegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin unter Beifügung des Gemeinsamen Rundschreibens der Spitzenverbände der Krankenkassen zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft vom 23.02.2005 damit, dass sie während der Schutzfristen nicht gesetzlich krankenversichert gewesen sei. Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach den Bestimmungen der RVO könne somit nicht abgeleitet werden. Die von der Beklagten zitierte Rechtsprechung beziehe sich auf Personen, die während der Schutzfristen selbst gesetzlich krankenversichert gewesen seien. Auch die Spitzenverbände der Krankenkassen würden in ihrem aktuellen Rundschreiben zu den Leistungen bei Schwangerschaft und Mutterschaft vom 23.02.2005 darauf hinweisen, dass Mutterschaftsgeld nach der RVO nur gezahlt werden könne, wenn eine eigene Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung bestanden habe. Auf diesen Standpunkt habe sich auch das Sozialministerium B.-W. gestellt. Im übrigen widerspreche sich der Bescheid auch inhaltlich, da die Beklagte den Anspruch auf Mutterschaftsgeld aufgrund ihrer Nebenbeschäftigung anerkenne. Wenn sie aber AOK-Mitglied geworden oder gewesen wäre, hätte die Krankenkasse Mutterschaftsgeld ab Beginn der Mitgliedschaft aus beiden Arbeitsverhältnissen leisten müssen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.08.2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Voraussetzung für den Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 MuSchG sei, dass die Klägerin nicht selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sei und bei Beginn der Schutzfrist nach § 3 Abs. 2 MuSchG in einem Arbeitsverhältnis gestanden sei. Zu Beginn der Schutzfrist am 29.07.2004 sei die Klägerin zwar nicht selbst Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse gewesen, sie habe aber kein Arbeitsverhältnis gehabt. Als Beamtin sei sie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gestanden. Ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 2 MuSchG habe somit zu Beginn der Schutzfrist nicht bestanden. Die Klägerin habe auch keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 3 MuSchG. Zwar sei sie mit Wirkung vom 10.09.2004 von einem Beamten- in ein Arbeitsverhältnis gewechselt. Ab diesem Zeitpunkt sei sie jedoch Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse. Nach § 186 Abs. 1 SGB V beginne die Versicherungspflicht nämlich mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Daran ändere bezugnehmend auf den Bescheid vom 26.05.2005 (richtig wohl 23.05.2005) auch die Tatsache nichts, dass die Klägerin die Arbeit wegen eines Beschäftigungsverbotes nach dem MuSchG nicht aufgenommen und kein Arbeitsentgelt erhalten habe. Die Zuständigkeit der gesetzlichen Krankenkasse für die Zahlung des Mutterschaftsgeldes ergebe sich aus § 13 Abs. 3 letzter Halbsatz, 1. Alternative i.V.m. § 13 Abs. 1 MuSchG und § 200 Abs. 2 Satz 5 RVO.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Im Hinblick auf die Begründung nahm sie Bezug auf ihre Widerspruchsbegründung und legte ein bisher nicht bekanntes Schreiben der Krankenkasse an die Beklagte und zwei Schreiben des Oberschulamts T., wonach der Klägerin mitgeteilt wird, dass zum einen die Schutzfrist nach dem MuSchG mit Ablauf des 04.11.2004 ende und zum anderen, dass sie ab 10.09.2004 in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg als Angestellte eingestellt werden könne, vor.

Die Beklagte brachte dagegen ergänzend vor, dass der mit dem Land Baden-Württemberg geschlossene Arbeitsvertrag zwar ein Arbeitsverhältnis im Sinne des § 13 Abs. 2 MuSchG darstelle; es handele sich jedoch um eine versicherungspflichtige Tätigkeit, so dass die Klägerin mit Beginn des Arbeitsverhältnisses Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse geworden sei. Der Mitgliedschaft der Klägerin in der Krankenkasse stehe nicht entgegen, dass sie wegen der Beschäftigungsverbote des MuSchG bei Beginn des Arbeitsverhältnisses ihre Tätigkeit nicht habe ausüben können und daher kein Entgelt erhalten habe. Die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter beginne mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis (§ 186 Abs. 1 SGB V). Das BSG habe in den bereits erwähnten Entscheidungen dargelegt, dass der Beginn der Mitgliedschaft jedenfalls dann nicht ausgeschlossen sei, wenn die geplante Arbeitsaufnahme gerade wegen der Beschäftigungsverbote des MuSchG nicht erfolgen könne. Dies folge auch mit Blick auf die im Europäischen Recht bestehenden Diskriminierungsverbote. Andernfalls liege eine unmittelbare Diskriminierung der Frauen vor, da nur Frauen von diesen Beschäftigungsverboten betroffen sein könnten. Im Widerspruch hierzu stehe nicht, dass aufgrund der zusätzlich ausgeübten geringfügigen Beschäftigung ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld dem Grunde nach bejaht worden sei. Geringfügige Beschäftigungsverhältnisse seien grundsätzlich versicherungsfrei und würden keine (Pflicht) mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenkasse, die einem Anspruch aus § 13 Abs. 2 MuSchG entgegenstehen könnte, begründen. Da die Klägerin während der Schutzfristen Arbeitsentgelt aus diesem Beschäftigungsverhältnis erhalten habe, ruhe der Anspruch auf Mutterschaftsgeld.

Mit Beschluss vom 21.10.2005 lud das SG die AOK B.-W. zum Verfahren bei.

Die Beigeladene vertrat die Auffassung, dass auch unter Berücksichtigung der von der Beklagten genannten Urteile des BSG eine Mitgliedschaft in derartigen Fällen nur begründet werden könne, wenn zu Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Mitgliedschaft nach anderen gesetzlichen Regelungen in der Krankenversicherung bestanden habe.

Die Beklagte äußerte sich hierzu dahingehend, dass diese Auffassung der Beigeladenen einer gesetzlichen Grundlage entbehre und für sie nicht nachvollziehbar sei.

Mit Urteil vom 26.10.2006 verurteilte das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 23.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.08.2005 zur Gewährung von Mutterschaftsgeld in gesetzlichem Umfang. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der bei der Klägerin vorliegende Sachverhalt falle streng genommen weder unter § 13 Abs. 2 noch § 13 Abs. 3 MuSchG. Dies liege daran, dass die zum 10.09.2004 vorgesehene Anstellung in einem Arbeitsverhältnis im nachhinein rückwirkend storniert und damit vollständig beseitigt worden sei. Vor dem 05.11.2004 sei die Klägerin nicht Mitglied bei der Beigeladenen gewesen. Die Entscheidung des BSG im Urteil vom 10.12.1998 - B 12 KR 7/98 R - betreffe ausdrücklich nur Sachverhalte, in denen ein Arbeitsverhältnis schon vor der geplanten Wiederaufnahme der Arbeit bestanden habe und diese dann durch das Beschäftigungsverbot verhindert worden sei. Vor dem Hintergrund, dass das BSG in der Entscheidung außerdem darauf hingewiesen habe, dass nach § 186 Abs. 1 SGB V eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung auch dann beginne, wenn die Beschäftigung wegen einer Erkrankung nicht zu dem im Arbeitsvertrag vorgesehenen Zeitpunkt aufgenommen werden könne, sofern der Arbeitnehmer Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgeltes habe, wäre die Zuständigkeit der Beigeladenen naheliegend gewesen. Allerdings könne nicht vom Beginn eines Arbeitsverhältnisses zum 10.09.2004 ausgegangen werden. Die diesbezügliche Anmeldung sei vom Arbeitgeber storniert worden. Insgesamt könne die Situation am ehesten noch mit § 13 Abs. 2 Satz 3 MuSchG verglichen werden. Die Stornierung der Anmeldung sei einer Lösung des Arbeitsverhältnisses vergleichbar. Die Lösung sei offensichtlich wegen der Schwangerschaft und der Geburt des Kindes erfolgt. Zwar sei keine Lösung nach Maßgabe von § 9 Abs. 3 MuSchG erfolgt. Unter Beachtung der Europäischen Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen halte es das Gericht jedoch für geboten, § 13 Abs. 3 Satz 3 MuSchG auch in einem Fall wie dem vorliegenden anzuwenden. Mit dieser Auslegung werde ausgeglichen, dass die Stornierung der Anmeldung allein wegen der Schwangerschaft und der Geburt erfolgt sei. Da es sich bei § 9 Abs. 3 MuSchG um eine Schutzvorschrift zu Gunsten der Klägerin handele, erscheine es sachgerecht, bei der Auslegung des § 13 Abs. 2 Satz 3 MuSchG nicht auf deren Einhaltung zu beharren.

Da sich das von der Beklagten zu zahlende Mutterschaftsgeld auf maximal 210,- EUR beläuft und damit die Berufungssumme nicht erreicht ist und die Berufung auch nicht vom SG zugelassen worden ist, nahm die Beklagte die am 06.12.2006 gegen das ihr am 08.11.2006 zugestellte Urteil eingelegte Berufung zurück (L 11 KR 6067/06). Gleichzeitig beantragte sie, die Berufung gegen das Urteil des SG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache und Abweichung von Entscheidungen des BSG zuzulassen. Dem kam der Senat mit Beschluss vom 27.03.2007 nach (L 11 KR 1203/07 NZB).

Zur Begründung der nunmehr unter dem Az.: L 11 KR 1574/07 geführten Berufung wiederholt die Beklagte im wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus, dass die Stornierung der Anmeldung zur Sozialversicherung nicht bewirkt habe, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin beendet worden sei. Der Arbeitsvertrag der Klägerin sei zu keinem Zeitpunkt beendet worden. Diese Ansicht teile auch das Land Baden-Württemberg. Dies werde daraus deutlich, dass es der Klägerin den Zuschuss zum Mutterschaftsgeld nach § 14 Abs. 1 MuSchG bezahlt habe. Eine solche Verpflichtung habe der Arbeitgeber nur bei einem bestehenden Arbeitsverhältnis. Die vom SG herangezogene Vorschrift des § 13 Abs. 2 Satz 3 MuSchG sei aufgrund ihres eindeutigen Wortlautes einer Auslegung nicht zugänglich. Eine Lösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs. 3 MuSchG liege nicht vor. Eine Rechtfertigung für die Nichtbeachtung des § 9 Abs. 3 MuSchG damit, dass es sich um eine Schutzvorschrift zugunsten der werdenden Mutter handele, auf deren Einhaltung man bei der Auslegung nicht beharren müsse, verkenne, dass die Klägerin als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse hinsichtlich des zu zahlenden Mutterschaftsgeldes deutlich besser gestellt wäre. Sie - die Beklagte - zahle nämlich insgesamt maximal 210,- EUR, die gesetzlichen Krankenkassen hingegen maximal 13,- EUR pro Tag.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 26.10.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt - sinngemäß -,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Beigeladene zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 10. September 2004 bis 04. November 2004 Mutterschaftsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren.

Die Beigeladene beantragt - sinngemäß -,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist weiter der Auffassung, dass ein Bezug zur gesetzlichen Krankenversicherung in Form einer eigenen Mitgliedschaft gegeben sein müsse. Im übrigen vertritt sie ebenfalls die Ansicht, dass die Stornierung der Anmeldung keine Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin gehabt habe. Hierbei habe es sich nur um ihre versicherungsrechtliche Entscheidung gehandelt. Würde man aber im weiteren der Argumentation der Beklagten folgen, so könnte dies dazu führen, dass hier neben dem Anspruch auf Mutterschaftsgeld ein kostenloser Krankenversicherungsschutz über mehrere Jahre erworben werde, ohne dass jemals eine Beitragsleistung an die gesetzliche Krankenkasse erfolge. Dies könne nicht Intention des Gesetzgebers sein. Ein solcher Wille des Gesetzgebers lasse sich auch nicht aus § 10 Abs. 1 Satz 3 SGB V ableiten. Dort sei bestimmt, dass Ehegatten und Lebenspartner für die Dauer der Schutzfristen nach dem MuSchG sowie der Elternzeit nicht familienversichert seien, wenn sie zuletzt vor diesen Zeiträumen nicht gesetzlich krankenversichert gewesen seien. Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beigeladenen beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die auf die Nichtzulassungsbeschwerde zugelassene Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) ist zulässig und begründet. Zu Unrecht hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 23.05.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.08.2005 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Zuständig für die Gewährung von Mutterschaftsgeld ist nicht die Beklagte, sondern die beigeladene Krankenkasse. Auf den Hilfsantrag der Klägerin hat der Senat deswegen die Beigeladene zur Bezahlung von Mutterschaftsgeld in gesetzlichem Umfang für die Zeit vom 10.09.2004 bis 04.04.2004 verurteilt. Der Senat hat das Begehren der Klägerin gegen die Beigeladene entsprechend den an das Landesamt für Besoldung und Versorgung gerichteten Schreiben der Beklagten vom 28.06.2005 und der Beigeladenen vom 22.06.2005, die die Klägerin erstinstanzlich vorgelegt hat, auf diese Zeit beschränkt ausgelegt. Für die Zeit bis 31.07.2004 scheitert ein Anspruch auf Mutterschaftsgeld daran, dass die Klägerin bis zu diesem Zeitpunkt Beamtin war und es sich bei einem Beamtenverhältnis nicht um ein Arbeitsverhältnis im Sinnes des MuSchG handelt (vgl. BSG Urteile vom 09.11.1977 - 3 RK 63/76 - und vom 25.11.1981 - 3 RK 13/81 -). Einem Anspruch gegen die Beklagte und die Beigeladene bis 09.09.2004 steht entgegen, dass der Klägerin in der Zeit vom 01.08.2004 bis zum 09.09.2004 kein Arbeitsentgelt entgangen ist (§ 200 Abs. 4 RVO).

Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Mutterschaftsgeld nach § 13 Abs. 1 bis 3 MuSchG sowie § 200 Abs. 1 RVO sind im angefochtenen Urteil zutreffend zitiert; hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG Bezug.

In Ansehung dieser rechtlicher Gegebenheiten hat nicht die Beklagte, sondern die Beigeladene der Klägerin für die Zeit in der sie in einem Beschäftigungsverhältnis stand, und ihr deshalb Bezüge entgingen, d.h. vom 10.09.2004 bis 04.11.2004, Mutterschaftsgeld zu gewähren.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 13 Abs. 1 und 3 MuSchG i.V.m. § 200 Abs. 1 RVO: Die Klägerin, der in der streitigen Zeit nur für die bei ihrem Ehemann geringfügig ausgeübte Beschäftigung, nicht jedoch für die Lehrertätigkeit Arbeitsentgelt bezahlt wurde, hat gemäß § 13 Abs. 3 MuSchG während der Schutzfristen des MuSchG von einem Beamten- in ein Angestelltenverhältnis gewechselt und war deshalb Mitglied der Beigeladenen nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. Die Schutzfrist dauerte vom 29.07. bis 04.11.2004. Das Beschäftigungsverbot des § 3 Abs. 2 MuSchG begann im Hinblick auf den berechneten Geburtstermin am 30.08.2004 am 29.07.2004. Es dauerte gemäß § 6 Abs. 1 MuSchG bis acht Wochen nach der Entbindung, die am 09.09.2004 stattfand, mithin bis zum 04.11.2004 an. Bis 31.07.2004 stand die Klägerin in einem Beamtenverhältnis als Referendarin im Schuldienst. Am 10.09.2004 begann ausweislich des Arbeitsvertrages mit dem Oberschulamt Tübingen ein Arbeitsverhältnis als Angestellte. Für den Beginn der Beschäftigung und damit auch der Mitgliedschaft bei der gesetzlichen Krankenversicherung ist nicht erforderlich, dass die Arbeit tatsächlich aufgenommen wurde. Maßgebend für den Wiederbeginn ist, dass auf diesen Tag die Aufnahme der Beschäftigung vereinbart ist. Dies gilt auch dann, wenn der tatsächlichen Arbeitsaufnahme ein Beschäftigungsverbot nach dem MuSchG entgegen steht. Dies ergibt sich aus § 186 SGB V in der ab 01.01.1998 geltenden Fassung. Danach beginnt die Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter mit dem Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Entscheidend ist nicht mehr wie in der bis 31.12.1997 geltenden Fassung des § 186 SGB V der Eintritt in die "Beschäftigung". Eine Versagung der Mitgliedschaft bei Bestehen eines Beschäftigungsverbots nach dem MuSchG würde im übrigen auch eine europarechtswidrige Diskriminierung von Frauen darstellen, denn dieses Beschäftigungsverbot betrifft nur Frauen (vgl. BSG, Urteil vom 10.12.1998 - B 12 KR 7/98 R -; Urteil vom 17.02.2004 - B 1 KR 7/02 R -; KassKomm-Peters § 186 SGB V Rd. 8; jurisPK - SBG V § 186 Rd. 12; a.A. Gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 23.02.2005). Etwas anderes ergibt sich auch nicht deshalb, weil die Klägerin im Gegensatz zu den vom BSG entschiedenen Fällen zuvor keine Pflichtmitgliedschaft bei der Beigeladenen hatte. Das BSG hat hierüber, soweit ersichtlich, noch nicht entschieden. Explizit ausgenommen hat es die vorliegende Konstellation indessen nicht. Aus § 186 SGB V ergibt sich keine entsprechende Einschränkung. Die Norm differenziert für den Beginn der Mitgliedschaft versicherungspflichtig Beschäftigter nicht danach, ob der Beschäftigte zuvor schon pflichtversichert war. Alleinentscheidendes Kriterium ist der Tag des Eintritts in das Beschäftigungsverhältnis. Die Erfüllung dieses Tatbestandes ist einerseits unerlässlich, andererseits aber auch allein ausreichend (vg. KassKomm-Peters § 186 SGB V Rd. 4). Hiervon ist, zumal diese Rechtsfigur vom BSG bereits Ende 1997 aufgegeben worden ist, auch nicht unter dem Aspekt des "missglückten Arbeitsversuches" abzuweichen (vgl. hierzu BSGE 81, 231; Buchner/Becker, Mutterschutzgesetz, Bundeserziehungsgeldgesetz, 7. Auflage 2003, § 13 Mutterschutzgesetz Rd.-Ziff. 44). Dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses und damit zusammenhängend der Mitgliedschaft steht auch nicht entgegen, dass die Beigeladene die Meldung des Oberschulamts T. zur Sozialversicherung für den 10.09.2004 storniert hat. Die Stornierung der Anmeldung zur Sozialversicherung hatte entgegen der Auffassung des SG nicht das Ende des Arbeitsverhältnisses zur Folge. Dieses blieb bestehen. Einfluss auf den Arbeitsvertrag hatte die Stornierung auch nach Auffassung der Beteiligten nicht. Die Stornierung ist - wie die Meldung - ein Verwaltungsinternum. Sie stellt keinen Verwaltungsakt dar. § 13 Abs. 3 MuSchG bestimmt, dass Frauen vom Zeitpunkt des Wechsels Mutterschaftsgeld entsprechend den Absätzen 1 und 2 erhalten. Ob ein Anspruch nach Abs. 1 oder Abs. 2 des § 13 MuSchG besteht, richtet sich danach, ob die Frauen Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse sind oder nicht. Für den Fall der Mitgliedschaft besteht die Zuständigkeit der Krankenkasse (§ 13 Abs. 1 i.V.m. §§ 200, 195, 179 RVO). Nichtmitglieder erhalten Leistungen zu Lasten des Bundes (§ 13 Abs. 2 MuSchG). Hier wurde die Klägerin am 10.09.2004 gemäß §§ 186 Abs. 1 , 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit dem Beginn des Beschäftigungsverhältnisses - wie bereits ausgeführt - Mitglied der beigeladenen Krankenkasse. Die Gewährung von Mutterschaftsgeld richtet sich damit nach § 13 Abs. 1 MuSchG. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass § 13 Abs. 1 und 2 MuSchG grundsätzlich darauf abstellen, welcher Versicherungsstatus zu Beginn der Schutzfrist besteht (so Buchner/Becker a.a.O. § 13 MuSchG § 13 Rd.-Ziff. 43; a.A.: Zmarzlik/Zipperer/Viethen/Vieß, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, 9. Auflage 2005, § 13 MuSchG Rd.-Ziff. 19; Meisel/Sowka, Mutterschutz und Erziehungsurlaub, 5. Auflage, 1999 § 13 MuSchG Rd.-Ziff. 4 a KassKomm - Höfler § 200 RVO Rd. 8). Die Absätze 1 und 2 des § 13 MuSchG sind in Verbindung mit Abs. 3 MuSchG zu sehen. Entscheidend ist durch den Verweis in Absatz 3 auf die Absätze 1 und 2 nicht mehr der Beginn der Schutzfrist, sondern welcher Versicherungsstatus zum Zeitpunkt des Wechsels von einem Beamten- in ein Arbeitsverhältnis besteht. Auch dem Wortlaut des § 200 Abs. 1 RVO lässt sich nicht entnehmen, dass der Anspruch nur entstehen soll, wenn die Mitgliedschaft in der Krankenkasse bereits zu Beginn der Schutzfristen besteht. Der damit maßgebliche § 13 Abs. 1 MuSchG verweist auf die RVO und dort auf § 200 RVO. Danach erhalten weibliche Mitglieder, denen wegen der Schutzfristen nach § 3 Abs. 2 und § 6 Abs. 1 des MuSchG kein Arbeitsentgelt gezahlt wird, Mutterschaftsgeld. Das Mutterschaftsgeld beträgt 13,- EUR für den Kalendertag (§ 200 Abs. 2 Satz 2 RVO). Für Mitglieder, deren Arbeitsverhältnis während der Mutterschutzfristen oder nach der Geburt beginnt, wird das Mutterschaftsgeld von Beginn des Arbeitsverhältnisses an gezahlt (§ 200 Abs. 2 Satz 5 RVO). Dies ist hier der 10.09.2004.

Nach alledem hat damit das SG zu Unrecht die Beklagte verurteilt, der Klägerin Mutterschaftsgeld zu gewähren. Zuständig hierfür die die Beigeladene. Deshalb ist auf den Hilfsantrag der Klägerin die Krankenkasse zur Gewährung von Mutterschaftsgeld zu verurteilen. Eine Verurteilung der Beigeladenen ist nach erfolgter Beiladung und nachdem die Beigeladene über den Anspruch noch nicht durch bindenden Verwaltungsakt entschieden hat, denn das Schreiben der Beigeladenen vom 14.10.2004, die Klägerin sei ab 10.09.2004 nicht beschäftigt, deswegen nicht Mitglied und habe keinen Anspruch auf Mutterschaftsgeld, war nur an das Landesamt für Besoldung und Versorgung gerichtet, zulässig (vgl. Ulmer, in Hennig u.a. Kommentar zum SGG § 75 Rd. 51 ff.).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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