L 13 VG 3/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 17 VG 80/03
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 3/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 07. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Grundrente nach dem Gesetz über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (Opferentschädigungsgesetz - OEG) in Verbindung mit dem Gesetz über die Versorgung der Opfer des Krieges (Bundesversorgungsgesetz - BVG) ohne Absenkung der Leistungshöhe für Berechtigte im Beitrittsgebiet. Die 1957 geborene Klägerin, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet hatte, wurde am 20. Dezember 1991 unter anderem durch Frakturen des 1. und 2. Lendenwirbelkörpers verletzt, als sie mit ihrer Familie wegen eines Brandes aus ihrem brennenden Haus in S fliehen musste. Die Verursacher des Brandes wurden durch das Bezirksgericht Cottbus mit Urteil vom 25. November 1993 wegen vorsätzlichen Vollrausches bzw. fahrlässiger Brandstiftung, fahrlässiger Körperverletzung und Vergehen gegen das Waffengesetz zu Jugendstrafen auf Bewährung verurteilt. Mit Ausführungsbescheid vom 30. April 1999 erkannte der Beklagte nach entsprechender Verurteilung durch das Sozialgericht Cottbus seine Verpflichtung an, dem Grunde nach Versorgung nach dem OEG i. V. m. dem BVG zu gewähren. Die Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde durch Bescheid vom 28. April 2000 auf 50 v. H. für die Zeit bis 31. Oktober 1992 und auf 30 v. H. ab 01. November 1992 festgesetzt. Durch Bescheid vom 23. Mai 2001 lehnte der Beklagte eine Höherbewertung der MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins gemäß § 30 Abs. 2 BVG ab. Durch weiteren Bescheid vom 25. Mai 2001 erkannte der Beklagte einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich gemäß § 30 Abs. 3 bis 6 BVG für bestimmte Zeiträume an und lehnte dessen Gewährung für weitere Zeiträume ab. Durch Abhilfebescheid vom 27. Mai 2002 betreffend die Bescheide vom 23. und 25. Mai 2001 stellte der Beklagte die zuerkannte MdE für die Zeit ab 01. November 1992 mit 40 v. H. nach § 30 Abs. 1 und 2 BVG sowie einen Anspruch auf Berufsschadensausgleich unter anderem auch für die Zeit ab 14. März 1994 fortlaufend fest. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch, mit dem sie sich gegen die Absenkung der Grundrente auch über den 31. Dezember 1998 hinaus wandte. Diese Absenkung sei mit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 14. März 2000 (Aktenzeichen 1 BvR 284/96, 1 BvR 1659/96, BVerfGE 102, 41) nicht vereinbar. Der Beklagte wies den Widerspruch gegen die Bescheide vom 23. und 25. Mai 2001 unter Einbeziehung des Abhilfebescheides vom 27. Mai 2002 durch Widerspruchsbescheid vom 02. Juni 2003 zurück. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes beziehe sich ausschließlich auf den Personenkreis der Empfänger von Kriegsbeschädigtengrundrenten, nicht jedoch auf Empfänger von Beschädigtenversorgungen anderer Gesetzlichkeiten. Die hiergegen erhobene Klage, mit der die Klägerin weiterhin die Verfassungswidrigkeit des § 84 a BVG geltend macht, hat das Sozialgericht Cottbus durch Gerichtsbescheid vom 07. Dezember 2005 abgewiesen. Das Gericht folge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach § 84 a BVG in der derzeit geltenden Fassung nicht verfassungswidrig sei und insbesondere kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) vorliege. Gegen diesen ihr am 19. Januar 2006 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 02. Februar 2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Klägerin trägt vor, dass die Ungleichbehandlung zwischen Ost und West Anfang der 90er Jahre aus wirtschaftlichen Gründen noch gerechtfertigt gewesen sein möge. Der Übergangszeitraum für diese Ungleichbehandlung sei mittlerweile allerdings abgelaufen. Hierbei müssten auch ihr Lebensalter und ihre lange Leidenszeit berücksichtigt werden. Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 07. Dezember 2005 aufzuheben, die Bescheide des Beklagten vom 18. November 2002, 06. und 07. März 2003, 02. Oktober 2003, 26. August 2004, 27. August 2004 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 14. Dezember 2004, wiederum in der Fassung des Überprüfungsbescheides vom 31. Januar 2005, und vom 13. Juni 2005 sowie die Bescheide vom 23. Mai 2001 und 25. Mai 2001 sowie den Abhilfebescheid vom 27. Mai 2002 und den Widerspruchsbescheid vom 02. Juni 2003 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr Grundrente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG ohne Absenkung zu gewähren. Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Der Beklagte verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid. Der Beklagte hat während des Verfahrens durch Bescheide vom 18. November 2002, 06. und 07. März 2003, 02. Oktober 2003, 26. August 2004, 27. August 2004 in der Fassung eines Berichtigungsbescheides vom 14. Dezember 2004, wiederum in der Fassung eines Überprüfungsbescheides vom 31. Januar 2005, und durch Bescheid vom 13. Juni 2005 die Höhe der Versorgungsbezüge der Klägerin jeweils neu festgestellt. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Schriftsätze der Beteiligten nebst Anlagen sowie den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und den der Verwaltungsakten des Beklagten (5 Bände).

Entscheidungsgründe:

Über die Berufung konnte das Gericht mit Zustimmung der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Die Berufung, mit der sich die Klägerin gegen die Absenkung ihrer Bezüge gemäß § 84 a Abs. 1 BVG wendet, ist zulässig, jedoch nicht begründet. Gegenstand des Verfahrens waren neben den Bescheiden vom 23. und 25. Mai 2001 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 27. Mai 2002 und dem Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2003 gemäß §§ 86, 96 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die während des Verwaltungsverfahrens und während des gerichtlichen Verfahrens ergangenen Bescheide zur jeweiligen Höhe der Versorgungsbezüge (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2004, Az. B 9 VG 1/03 R, SozR 4-3800 § 10 a Nr. 1), also die Bescheide vom 18. November 2002, 06. und 07. März 2003, 02. Oktober 2003, 26. August 2004, 27. August 2004 in der Fassung eines Berichtigungsbescheides vom 14. Dezember 2004, wiederum in der Fassung eines Überprüfungsbescheides vom 31. Januar 2005 und der Bescheid vom 13. Juni 2005. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten und das erstinstanzliche Urteil sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Versorgungsbezügen ohne die nach § 84 a BVG vorgesehene Absenkung der Leistungshöhe für Berechtigte im Beitrittsgebiet. Gemäß § 84 a Abs. 1 BVG erhalten Berechtigte, die am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in dem in Art. 3 des Einigungsvertrages genannten Gebiet hatten, vom 01. Januar 1991 an Versorgung nach dem BVG mit den für dieses Gebiet nach dem Einigungsvertrag geltenden Maßgaben, was nach Anlage I Kap VIII Sachgebiet K Soziales Entschädigungsrecht und Rehabilitation Abschnitt III, Nr. 18 Buchst. a in Verbindung mit Nr. 1 a des Einigungsvertrages zu einer Absenkung des Versorgungsniveaus für Berechtigte des Beitrittsgebietes führt. Wie bereits vom Bundessozialgericht entschieden (Urteil vom 16. Dezember 2004, Aktenzeichen B 9 VG 1/03 R, SozR 4-3800 § 10 a Nr. 1) und in der Folgezeit erneut bestätigt (Beschluss vom 28. April 2005, Aktenzeichen B 9 a/9 VG 15/04 B, SozR 4-1500 § 160 Nr. 5), ist es weiterhin verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn ein schwerbeschädigtes Gewaltopfer Beschädigtengrundrente nach Maßgabe des § 84 a Satz 1 BVG in abgesenkter Höhe erhält, so dass keine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 Grundgesetz einzuholen ist. Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in dem von der Klägerin zitierten Urteil entschieden, dass die Gewährung ungleich hoher Beschädigtengrundrenten an Kriegsopfer bei gleicher Beschädigung mit dem Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz unvereinbar ist und dass § 84 a BVG daher seit dem 01. Januar 1999 nichtig sei. Der Gesetzgeber hat in Ausführung dieses Urteils jedoch § 84 a BVG um Satz 3 dahin ergänzt, dass die nach Satz 1 der Vorschrift eintretende Absenkung ab 01. Januar 1999 nicht für die Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1, die Schwerstbeschädigtenzulage nach § 31 Abs. 5 sowie für die Beschädigtengrundrente von Berechtigten nach dem Häftlingshilfegesetz, dem strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz und nach dem verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz, die in entsprechender Anwendung des § 31 Abs. 1 und 5 gezahlt werden, gilt. Diese durch den Gesetzgeber neu getroffene Regelung gilt jedoch weder nach ihrem Wortlaut für die der Klägerin nach dem OEG gewährte Leistung noch ist sie im Wege einer verfassungskonformen Auslegung auf Beschädigtengrundrenten nach dem OEG anzuwenden (BSG, a.a.O.). Das Bundesverfassungsgericht hatte ausgeführt, dass die festgestellte Verletzung des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz wesentlich auch darin begründet sei, dass eine Beendigung der durch § 84 a BVG bewirkten Ungleichbehandlung für die betroffenen Kriegsopfer mit Rücksicht auf ihr Lebensalter nicht mehr in Sicht sei. Dies unterscheide die an Kriegsopfer gewährten Leistungen von anderen staatlichen Leistungen mit immateriellem Gehalt. Das BSG hat hieran anknüpfend ausgeführt, dass die Gruppe der Gewaltopfer bezogen auf das Lebensalter - anders als die der Kriegsopfer - gerade nicht homogen ist. Das Argument, bei weiterer Verlangsamung des wirtschaftlichen Anpassungsprozesses zwischen alten und neuen Bundesländern würden die Kriegsopfer ein Gleichziehen der Leistungshöhe wegen des fortgeschrittenen Lebensalters unter Umständen nicht mehr erleben, verfängt deshalb bei Gewaltopfern nicht. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang der Hinweis der erst 1957 geborenen und damit im Vergleich zu Kriegsopfern ausgesprochen jungen Klägerin auf ihr Lebensalter. Entscheidend ist jedoch letztlich, dass das BVG im OEG lediglich den Leistungsmaßstab für die Entschädigung der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen angibt und im Übrigen die Rechtsqualität der nach dem OEG begründeten Ansprüche unberührt lässt. Die Leistungen nach dem OEG dienen nicht dem Ausgleich eines Sonderopfers für den Staat, wie dieses bei Kriegsopfern angenommen wird. Nach allem ist daher die Regelung des § 84 a BVG für Grundrenten nach dem OEG im Hinblick auf die immer noch bestehenden Unterschiede in den Lebensverhältnissen in Ost und West sowie im Hinblick auf nach wie vor stattfindende Transferleistungen von West nach Ost weiterhin nicht zu beanstanden. Nach allem war die Berufung daher zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG. Sie folgt dem Ergebnis in der Hauptsache. Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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