S 12 KA 786/06

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 786/06
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie ist die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie und Nuklearmedizin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig. Die Genehmigung kann frühestens mit Vorlage aller Unterlagen erteilt werden; hierzu gehört auch das Facharztzeugnis.
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat der Beklagten die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Er hat auch die Gerichtskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Erteilung einer Röntgengenehmigung für den Zeitraum 01.04. bis 08.09.2005.

Der Kläger ist und war als solcher seit 01.07.2004 zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A-Stadt zugelassen. Er brachte seinen Vertragsarztsitz in ein medizinisches Versorgungszentrum ein und ist dort seit 01.04.2005 als angestellter Arzt tätig.

Mit Datum vom 30.03.2005, bei der Beklagten eingegangen am 10.05.2005, beantragte der Kläger die Genehmigung zur Abrechnung radiologischer Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung für die Zeit ab 01.04.2005. Dem Antrag war eine Bescheinigung der Landesärztekammer über die Fachkunde im Strahlenschutz vom 14.04.2005 sowie das Formular über die Angaben zur apparativen Ausstattung beigefügt.

Die Beklagte bestätigte unter Datum vom 18.05.2005 den Antragseingang und bat um Nachreichung des Facharztzeugnisses, der Facharztanerkennung, der Anzeigebestätigung des Regierungspräsidiums GD. und der Unterlagen über die an der Röntgen-Einrichtung durchgeführte Strahlenschutzprüfung.

Am 17.06.2005 wies der Kläger darauf hin, dass die Röntgen-Anlage bereits bei dem Regierungspräsidium GD. unter Prof. Dr. AZ. angezeigt sei, er sei nur zusätzlicher Betreiber. Die Anzeige werde er noch zusenden. Ferner reichte er die Urkunde über die Facharztanerkennung ein.

Am 08.07.2005 erinnerte die Beklagte telefonisch an die noch fehlenden Facharztzeugnisse.

Am 09.09.2005 reichte der Kläger die Anzeigebestätigung vom Regierungspräsidium GD. sowie ein Facharztzeugnis vom Universitätsklinikum GD. ein.

Mit Bescheid vom 19.09.2005 genehmigte die Beklagte die Abrechnung im Einzelnen aufgeführter radiologischer Leistungen im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung ab 09.09.2005.

Gegen die zeitliche Begrenzung des Beginns der Genehmigung der radiologischen Leistungen legte der Kläger am 06.10.2005 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, er habe seinen Vertragsarztsitz in das MVZ eingebracht und sei dort als angestellter Arzt tätig. Seine Qualifikation sei nachgewiesen und die Unterlagen für die Röntgenanlage seien ebf. vom MVZ überreicht worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.04.2006, zugestellt am 19.04., wies die Beklagte den Widerspruch zurück. In der Begründung führte sie aus, der Genehmigungszeitpunkt für die Röntgen-Leistungen könne nicht vorverlegt werden, da erst am 09.09.2005 alle Nachweise vorgelegen hätten und nach der Rechtsprechung Genehmigungen nicht rückwirkend erteilt werden könnten. Dies folge aus der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie. Nach der Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und –therapie könne eine Röntgengenehmigung erst nach Vorlage der Nachweise erteilt werden. Leistungen dürften erst nach Erteilung der Genehmigung erbracht werden. Die Röntgengenehmigung werde personenbezogen erteilt. Von daher sei auch nicht das MVZ Adressat der Genehmigung. Antragsteller sei auch der Kläger gewesen.

Hiergegen hat der Kläger am 19.05.2006 die Klage erhoben. Er trägt weiter vor, die Genehmigung sei zum Antragszeitpunkt zu erteilen. Die Beklagte habe keinen Ermessensspielraum. Mit Schreiben vom 30.06.2005 habe er die Anzeigebestätigung vom Regierungspräsidium GD. sowie das Facharztzeugnis vom Universitätsklinikum GD. über seine Steuerberater eingereicht. Spätestens Anfang Juli hätten alle Unterlagen vorgelegen. Offensichtlich seien aber nicht alle Unterlagen bei der Beklagten eingegangen. Die Genehmigung hätte spätestens Anfang Juli erteilt werden müssen, da zu diesem Zeitpunkt alle Voraussetzungen vorgelegen hätten. Er habe auf die Übersendung vertraut und deshalb auf die Erinnerung nicht mehr reagiert. Es dränge sich ferner eine Verletzung der Beratungspflicht auf. Er hätte auf die zunächst erforderliche Genehmigung hingewiesen werden müssen. Die Beklagte hätte erkennen müssen, dass er ohne Genehmigung radiologische Leistungen abrechne. Die Übersendung mit Fax am 05.07.2005 sei ohne Rücksprache mit dem Steuerberater erfolgt.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2006 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Röntgenleistungen auch für die Zeit vom 01.04. bis 08.09.2005 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie verweist auf den angefochtenen Widerspruchsbescheid. Ergänzend trägt sie vor, frühestens mit Vorlage aller Unterlagen könne nach der Qualitätssicherungsvereinbarung eine Genehmigung erteilt werden. Die Anzeigenbestätigung sei bereits mit Fax vom 05.07.2005 an das MVZ A-Stadt übermittelt worden. Somit erkläre sich, dass die Sachbearbeiterin im Telefonat vom 08.07.2005 nur noch an die Übersendung der fehlenden Facharztzeugnisse erinnert habe. Dieses sei erst am 09.09.2005 vorgelegt worden. Die vom Steuerberaterbüro übersandten Unterlagen seien bei ihr nicht eingegangen. Für den Nachweis der Unterlagen sei der Kläger verantwortlich. Auf die Einreichung eines Facharztzeugnisses für Zulassungszwecke komme es nicht an. Sie habe bereits die Genehmigung auf den Zeitpunkt des Eingangs der Unterlagen rückdatiert, was den Kläger begünstige. Der Vortrag des Klägers sei widersprüchlich, wenn er einerseits auf die Übersendung der Unterlagen am 03.07.2005 durch den Steuerberater verweise, andererseits die Anzeigenbestätigung mit Fax am 05.07.2005 an sie übermittelt habe. Sie habe den Kläger am 21.06. und 08.07.2005 an die fehlenden Unterlagen erinnert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 19.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.04.2006 ist rechtmäßig. Er war daher nicht abzuändern. Die Beklagte war nicht zu verurteilen, dem Kläger die Genehmigung zur Erbringung und Abrechnung von Röntgenleistungen auch für die Zeit vom 01.04. bis 08.09.2005 zu erteilen.

Die Beklagte hat zu Recht eine Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung radiologischer Leistungen erst mit Wirkung zum 09.09.2005 erteilt.

Nach der Vereinbarung von Qualifikationsvoraussetzungen gemäß § 135 Abs. 2 SGB V zur Durchführung von Untersuchungen in der diagnostischen Radiologie und Nuklearmedizin und von Strahlentherapie (Vereinbarung zur Strahlendiagnostik und -therapie) vom 10. Februar 1993 (Anlage 3 BMV-Ä/EKV), zuletzt geändert durch Vertrag vom 30. Mai 2005 und insoweit gleichlautend in der ab 01.01.2007 geltenden Fassung (vgl. http://www.kbv.de/rechtsquellen) (Im Folgenden: StV) ist die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie und Nuklearmedizin im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung durch die an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte ist erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig. Die Genehmigung ist zu erteilen, wenn der Arzt die nachstehenden Voraussetzungen der fachlichen Befähigung (Abschnitt B) und der apparativen Ausstattung (Abschnitt C und Anlagen I bis III) erfüllt (§ 2 StV). Die Erfüllung der Voraussetzung zur fachlichen Befähigung und zur apparativen Ausstattung ist gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nachzuweisen. Das Verfahren richtet sich nach Abschnitt D dieser Vereinbarung (§ 3 Satz 1 und 2 StV).

Anträge auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin in der vertragsärztlichen Versorgung sind an die zuständige Kassenärztliche Vereinigung zu richten. Über die Anträge und über den Widerruf oder die Rücknahme einer erteilten Genehmigung entscheidet die Kassenärztliche Vereinigung. Vor Erteilung der Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie und Nuklearmedizin sind die vorgelegten Zeugnisse von der Kassenärztlichen Vereinigung zu überprüfen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 bis 3 StV).

Dem Antrag auf Genehmigung zur Ausführung und Abrechnung von Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie oder Nuklearmedizin sind insbesondere u.a. beizufügen: Zeugnisse gemäß § 16 Abs. 1 oder 2 für den Nachweis der fachlichen Qualifikation; erforderliche Bescheinigungen für den Strahlenschutz; Nachweis der Erfüllung der Anforderungen an die apparative Ausstattung gemäß den Anlagen I bis III. Der Nachweis kann durch die Gewährleistung des Herstellers, dass das verwendete Gerät diesen Anforderungen entspricht, geführt werden; die Genehmigung nach § 3 Abs. 1 der Röntgenverordnung oder die Betriebserlaubnis (Bauartzulassung des Röntgenstrahlers und Strahlenschutzmaßnahmen) nach § 4 Abs. 1 der Röntgenverordnung vom 8. Januar 1987 bzw. Umgangsgenehmigung nach § 3 Abs. 1 der Strahlenschutzverordnung vom 13. Oktober 1976 in der jeweils geltenden Fassung (§ 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 und 4 StV). Zu den Zeugnissen für den Nachweis der fachlichen Qualifikation gehört auch das Facharztzeugnis (§ 16 Abs. 1 StV). Die Unterlagen haben der Beklagten vollständig erst am 08.09.2005 vorgelegen.

Nach den genannten Vorschriften der StV, an deren Gültigkeit die Kammer keine Zweifel hat (vgl. BSG, Beschl. v. 14.02.1997 - 6 BKa 6/96 – juris; BVerfG, 1. Senat 2. Kammer, Beschl. v. 16.07.2004 - 1 BvR 1127/01 - SozR 4-2500 § 135 Nr. 2 = ZMGR 2004, 195 = NVwZ 2004, 1347= MedR 2004, 608= GesR 2004, 530 = NZS 2005, 91), sind die Unterlagen vor Erteilung der Genehmigung zu überprüfen und ist die Ausführung und Abrechnung von Leistungen der Leistungen der diagnostischen Radiologie, der Strahlentherapie oder Nuklearmedizin erst nach Erteilung der Genehmigung durch die Kassenärztliche Vereinigung zulässig. Zutreffend geht die Beklagte daher davon aus, dass frühestens mit Vorlage der Unterlagen eine Genehmigung erteilt werden kann. Dabei kann hier dahinstehen, ob diese Rückwirkung nach der StV überhaupt zulässig ist, da die Klägerin hierdurch nicht beschwert wird. Die Beklagte hat insoweit die Genehmigung nicht lediglich für die Zukunft nach Wirksamwerden ihres Genehmigungsbescheides erteilt, sondern rückwirkend zum 09.09.2005, dem Zeitpunkt nach Eingang der noch fehlenden Nachweise. Eine darüber hinausgehende Möglichkeit, die Genehmigung für die Vergangenheit zu erteilen, sieht die StV nicht vor, was generell für Vereinbarungen zur Qualitätssicherung gilt, soweit die Genehmigung wie hier in der StV als Maßnahme der Qualitätssicherung ausdrücklich als Abrechnungsvoraussetzung formuliert ist (vgl. Steinhilper in: Schnapp/Wigge (Hrsg.), Handbuch des Vertragsarztrechts, 2002, § 16, Rdnr. 23). Im System der vertragsärztlichen Leistungserbringung gilt seit jeher der Grundsatz, dass eine für bestimmte spezialisierte Leistungen erforderliche Genehmigung vor der Leistungserbringung erteilt sein muss und weder rückwirkend erteilt werden noch nach ihrer Erteilung Rückwirkungen für einen vor der Erteilung liegenden Zeitpunkt entfalten kann (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 93/96 RSozR 3-2500 § 135 Nr. 6 = NZS 1998, 540 (juris Rdnr. 14); BSG, Urt. v. 29.01.1997 - 6 RKa 24/96 - BSGE 80, 48, 50, 54 = SozR 3-2500 § 85 Nr. 17 = NJW 1997, 3119 = NZS 1997, 536 (juris Rdnr. 15); BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 RSozR 3-1500 § 97 Nr. 3 (juris Rdnr. 15 f.)). Die Unzulässigkeit einer Rückwirkung wird in der Rechtsprechung des BSG damit begründet, dass sich dies aus dem System des Vertragsarztrechts, das nach wie vor durch das Naturalleistungsprinzip in Verbindung mit der Beschränkung der Leistungserbringung auf einen umgrenzten Kreis dafür qualifizierter Leistungserbringer geprägt sei, ergebe. Mit dieser Beschränkung sei verbunden, dass diesen die Berechtigung zur Erbringung von Leistungen förmlich zuerkannt worden sein müsse (vgl. BSG, Urt. v. 28.01.1998 - B 6 KA 41/96 RSozR 3-1500 § 97 Nr. 3 (juris Rdnr. 15)).

Der Kläger kann auch einen früheren Eingang der erforderlichen Unterlagen nicht nachweisen. Soweit er auf das Schreiben des Steuerberaters mit Datum vom 30.06.2005 verweist, fehlt es am Nachweis eines Eingangs bei der Beklagten. Für den fehlenden Eingang spricht auch die telefonische Erinnerung am 08.07.2005.

Eine Verletzung von Beratungspflichten der Beklagten vermochte die Kammer nicht zu erkennen. Der Kläger bestreitet nicht, dass ihm das Erfordernis einer Genehmigung unbekannt war. Er hat deshalb von sich aus den Antrag gestellt. Bei Zweifeln über den Umfang der erforderlichen Nachweise hätte es ihm oblegen, bei der Beklagten nachzufragen. Insofern gehört auch die Kenntnis der Qualitätssicherungsvereinbarungen zu seinen vertragsärztlichen Pflichten. Ferner hat die Beklagte ihn umgehend im Schreiben vom 18.05.2005 auf die fehlenden Unterlagen hingewiesen. Der Kammer ist auch aus anderen Verfahren bekannt, dass bereits im Zulassungsverfahren ausführlich auf ggf. erforderliche weitere, im Einzelnen aufgeführte Genehmigungen hingewiesen wird, deren Erteilung von der Zulassung unabhängig ist und die gesondert beantragt werden müssen.

Aber auch unterstellt, es liege ein Beratungsfehler vor, so kann nach den genannten Vorschriften eine Genehmigung für die Vergangenheit nicht erteilt werden und kommt allenfalls nur ein Schadensersatzanspruch in Betracht.

Im Ergebnis war die Klage daher abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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