Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 3 AL 4327/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AL 5780/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung im Streit.
Die 1969 geborene Klägerin arbeitete vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004 in einem von Anfang an befristeten Arbeitsverhältnis als Diplom-Bibliothekarin mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 23 Stunden. Sie meldete sich erst am 25.11.2004 bei der Beklagten arbeitsuchend.
Zuvor hatte die Klägerin von der Beklagten bereits aufgrund von Arbeitslosmeldungen vom 18.08.1994, 28.07.1995, 12.02.1996, 02.05.2001, und vom 19.01.2004 Entgeltersatzleistungen bezogen. Bei ihren Anträgen hierauf hatte sie jeweils angegeben und durch ihre Unterschrift bestätigt, das Merkblatt 1 der Beklagten für Arbeitslose erhalten und seinen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben. In dem Merkblatt der Beklagten ist unter anderem folgender Hinweis enthalten (Stand April 2003, S. 16):
"1.7 Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche Ab dem 1. 7. 2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Beschäftigungsverhältnisses kennen. ( ...) Stehen Sie in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis, müssen Sie sich 3 Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden. ( ...)"
Mit Bescheid vom 18.01.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld in gemindertem Umfang. Mit gesondertem Bescheid vom 18.01.2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin sich entgegen ihrer aus § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) resultierenden Verpflichtung nicht rechtzeitig arbeitsuchend gemeldet habe. Nach der Vorschrift habe die Klägerin sich um 55 Tage zu spät bei der Beklagten gemeldet, weswegen ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld sich nach § 140 SGB III um die maximale Dauer von 30 Tagen um 35,00 Euro je Tag, also insgesamt um 1050,00 Euro, mindere. Deswegen werde von der derzeit gewährten täglichen Leistung ein täglicher Minderungsbetrag von 15,24 Euro einbehalten.
Ihren deswegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass bei ihrem früheren Arbeitgeber aufgrund der dort durchgeführten Projektarbeit regelmäßig nur befristete Arbeitsverträge geschlossen würden. Normalerweise würden diese Verträge jährlich verlängert. Auch im letzten Jahr hätte sie mit einer Verlängerung des Arbeitsvertrages rechnen können, da die Basisförderung des von ihr betreuten Projektes finanziell abgesichert gewesen sei. Die erwartete Entwicklung sei jedoch nicht eingetreten, da die Landesstiftung B.-W. sich als Finanzgeber kurzfristig zurückgezogen habe. Nach dieser Entscheidung der Landesstiftung habe ihr Arbeitsgeber erst am 18.11.2004 entschieden, das Projekt vorläufig nicht durchzuführen. Nunmehr sei beabsichtigt, das Projekt ab dem 01.07.2005 zu betreiben. Sie sei davon ausgegangen, dass sie sich erst zu dem Zeitpunkt habe arbeitslos melden müssen, an dem klar gewesen sei, dass eine Arbeitslosigkeit eintreten werde, also am 18.11.2004.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen können, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis verlängert werde. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten ist bestandskräftig geworden.
Am 08.07.2005 beantragte die Klägerin über ihre Bevollmächtigten die Überprüfung der Leistungsminderung wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Das Sozialgericht R. (SG) habe mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen geurteilt, dass die in § 37 b Satz 2 SGB III geregelte Verpflichtung des Versicherten nur darin bestünde, sich nicht früher als 3 Monate vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses als arbeitsuchend zu melden, nicht aber dieses spätestens bis zu einem bestimmen Zeitpunkt zu tun. Deswegen werde die Nachzahlung von 1050,00 Euro beantragt.
Mit Bescheid vom 03.08.2005 lehnte die Beklagte eine Abänderung des Minderungsbescheides vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 ab, da sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei und das Recht auch richtig angewandt habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerbevollmächtigten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2005 unbegründet zurück, da keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien.
Die Klägerbevollmächtigten haben am 16.12.2005 beim Sozialgericht R. (SG) Klage erhoben. Die Klägerin habe in der Vergangenheit regelmäßig damit rechnen können, dass ihre befristeten Arbeitsverträge verlängert würden. Teilweise sei die Weiterbeschäftigung auch von dem Arbeitgeber rückwirkend erklärt worden. Bei dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte Vermittlungsbemühungen unternommen hätte, da immer mit einer Weiterbeschäftigung habe gerechnet werden können. Jedenfalls ergebe sich kein Verstoß gegen die in § 37 b SGB III geregelte Obliegenheit.
Mit Urteil vom 05.10.2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2005 verpflichtet, den Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 zurückzunehmen. Außerdem hat das SG die Berufung zugelassen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Rücknahme der sie belastenden bestandskräftigen Entscheidungen. Nach § 44 Abs. 1 SGB X sei ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Vorliegend habe die Beklagte in dem Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 das Recht unrichtig angewandt, weswegen Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 28/05 R -) sei die Regelung in § 37 b Satz 2 SGB III in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung, wonach im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses wie im vorliegenden Fall die Meldung "frühestens drei Monate vor dessen Beendigung" zu erfolgen habe, inhaltlich in sich so widersprüchlich bzw. so unbestimmt, dass sie den rechtsstaatlichen Erfordernissen an einer Sanktionsandrohung nicht genüge. Der Wortlaut der Vorschrift lege es nahe, dass mit der Verwendung des Wortes "frühestens" gemeint sei, dass eine Meldung innerhalb der letzten drei Monate eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses ausreiche (wird ausgeführt; unter Hinweis auf, unter anderem, LSG Baden-Württemberg vom 12.05.2005 - L 7 AL 753/05 -). Ein Abweichen von dem Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a. a. O.) sei gerechtfertigt, weil aufgrund dieses einen Urteils noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung des BSG zu der streitgegenständlichen Frage ausgegangen werden könne. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich keine zwingende Auslegung im Sinne der Entscheidung des BSG. Vorliegend sei die Klägerin auch nachvollziehbar davon ausgegangen, dass begründete Aussicht auf eine Weiterführung ihres Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Erst in der Neufassung des § 37 b SGB III sei ausdrücklich angeordnet, dass die frühzeitige Arbeitssuchendmeldung auch dann zu erfolgen habe, wenn vom Arbeitgeber der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt werde. Somit sei auch aus Sicht des Gesetzgebers die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung bei einer in Aussicht gestellten Fortbeschäftigung nach der alten Fassung des § 37b SGB III nicht hinreichend klar gewesen. Außerdem liege vorliegend auch keine Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 44 SGB X durch § 330 Abs. 1 SGB III vor; eine ständige Rechtssprechung zu § 37 b Satz 2 SGB III a. F. gebe es nämlich noch nicht. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 23.10.2006 zugestellt.
Am 17.11.2006 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Auffassung des SG könne nicht gefolgt werden. Vielmehr schließe die Beklagte sich vollumfänglich der vom BSG in der vom SG genannten Entscheidung vom 20.10.2005 vertretenen Rechtsauffassung an, wonach § 37 b Satz 2 SGB III a. F. als unselbständige Begrenzung zu § 37 b Satz 1 SGB III anzusehen sei. Entgegen der Auffassung des SG habe die Klägerin die Obliegenheit des § 37 b SGB III auch schuldhaft verletzt. Die Klägerin sei nach Einführung der gesetzlichen Neuregelung zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung bereits einmal arbeitslos gemeldet gewesen und habe auch das Merkblatt für Arbeitslose erhalten.
Im Übrigen gehe offensichtlich selbst das SG davon aus, dass die Formulierung in dem Merkblatt für Arbeitslose "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden" hinreichend verständlich sei, so dass die Klägerin allein aufgrund dieser klarer Formulierung ihrer Obliegenheit hätte nachkommen können, ohne dass ein besonderes "Normverständnis" hätte vorliegen müssen. Schließlich könne die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass sie bis kurz vor dem Zeitpunkt ihrer Arbeitsuchendmeldung davon ausgegangen sei, dass ihr Beschäftigungsverhältnis verlängert würde. Grundsätzlich müsse ein Arbeitnehmer, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehe, vom vertraglichen Ende des Verhältnisses ausgehen. Eine schriftliche und somit rechtsverbindliche Zusage ihres Arbeitsgebers in Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung sei jedenfalls nicht vorgelegt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 05.10.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Urteil des SG für rechtmäßig. Zwar weiche das Urteil des SG von der genannten Entscheidung des BSG ab, in derselben Entscheidung des BSG werde aber auch dargestellt, dass ein Verstoß gegen die Obliegenheit nur dann vorliegen könne, wenn der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten mit schuldhaftem Zögern gehandelt habe. Im Rahmen dieser Fahrlässigkeitsprüfung sei jedenfalls zu berücksichtigen, dass § 37 b Satz 2 SGB III mit der Verwendung des Begriffes "frühestens" unglücklich gefasst sei. Somit sei im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung zugunsten der Klägerin angemessen zu beachten, dass der Normbefehl der Vorschrift klarer und eindeutiger formuliert hätte werden können, zumal die Norm von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedlich ausgelegt worden sei. Weiter sei auch zu berücksichtigen, dass die unglückliche Gesetzesformulierung sich auch in dem der Klägerin zuvor ausgehändigten Merkblatt befinde, in dem erneut von einer Arbeitslosmeldung "frühestens" drei Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit die Rede sei. Die Klägerin habe sich nämlich insofern genau getreu dem Merkblatt verhalten, was nicht als Fahrlässigkeit ausgelegt werden könne.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten die Akten des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dieser Sachverhalt ist vorliegend gegeben, weil die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass im November 2004 eine verspätete Arbeitsuchendmeldung im Sinne von § 37 b SGB III vorlag.
Gegenstand des Verfahrens sind das Schreiben der Beklagten über den Eintritt der Obliegenheitsverletzung nach § 37 b SGB III sowie die Minderung des Arbeitslosengeldes nach § 140 SGB III und der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Bewilligung des Arbeitslosengelds und damit auch die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs darstellen (vgl. BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 47/04 R - sowie vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R -).
Nach § 37 b Satz 1 und 2 SGB III in der hier maßgeblichen, vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung sind Personen verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts ihres Versicherungpflichtverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden; im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Bei der Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung nach § 37 b Satz 1 SGB III handelt es sich um eine typische versicherungsrechtliche Obliegenheit, zu deren Konkretisierung auf die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern") zurückzugreifen ist.
Die Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ist auch bei von vornherein befristeten Arbeitsverhältnissen durch die Norm des § 37 b SGB III ausreichend inhaltlich bestimmt (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - m.w.N.). Die Sanktion des § 140 SGB III setzt nicht voraus, dass nach der Pflichtverletzung ein neues Anwartschaftsrecht auf Arbeitslosengeld entstanden sein muss. Meldet sich der Arbeitslose zur Aufnahme einer befristeten Beschäftigung unter Angabe des Endzeitpunkts aus dem Bezug von Arbeitslosengeld ab, bedarf es indes jedenfalls dann keiner persönlichen Arbeitsuchendmeldung, wenn dies von der Bundesagentur für Arbeit nicht ausdrücklich verlangt wird (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -).
Die Unkenntnis über die Obliegenheit ist jedoch nicht ohne rechtliche Bedeutung, sondern es ist unter Anwendung eines subjektiven Maßstabs zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war (BSG vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R -; vgl. auch BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R -). Im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung ist hierbei zu Gunsten des Arbeitslosen angemessen zu beachten, dass der "Normbefehl" des § 37 b Satz 2 SGB III hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens der Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gerade in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse klarer und eindeutiger hätte formuliert werden können und die Norm von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedlich ausgelegt worden ist (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -).
Nach Ansicht des Senats ist die Mitteilung in dem der Klägerin im Januar 2004 ausgehändigten Merkblatt hinreichend klar und verständlich. Es trifft auch entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht zu, dass hierin die unglückliche Gesetzesformulierung in § 37 b SGB III ("frühestens") wiederholt wird (siehe oben im Tatbestand).
Auch hat das BSG entschieden, dass es für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfs im Rahmen von § 37 b SGB III unerheblich ist, wenn der Leistungsempfänger fest mit der Wiedereinstellung bei seinem bisherigen Arbeitgeber rechnen konnte (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -). Daraus folgt, dass es erst recht unerheblich ist, dass die Klägerin zwar keine Zusage auf Weiterbeschäftigung, aber eine gewisse Aussicht auf eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrages hatte.
Der Senat teilt schließlich auch nicht die rechtsstaatlichen Bedenken des SG im Hinblick auf die Bestimmtheit der Regelung des § 37 b SGB III in der hier anzuwendenden Fassung; diesen Bedenken kann hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung die Interpretationsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung berücksichtigt wird (vgl. BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -). Ob dies auch gilt, wenn ein Versicherter zwar die ungenaue und interpretationsbedürftige gesetzliche Vorschrift nicht kennt, aber ein Merkblatt der Beklagten kennt bzw. zu kennen gehalten ist, in dem die Vorschrift klar und verständlich erläutert wird, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn auch die Aushändigung eines klar und verständlich abgefassten Merkblattes begründet nicht in jedem Fall die Fahrlässigkeit desjenigen, der die Hinweise in diesem Merkblatt nicht befolgt.
Vorliegend hatte die Klägerin das Merkblatt zwar noch im selben Jahr erhalten, in welchem ihr der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht wird, nämlich anlässlich ihrer Antragstellung am 19.01.2004. Jedoch war die Klägerin nicht mehr gehalten, nach ihrer Arbeitslosmeldung am 19.01.2004 das Merkblatt auch im Hinblick auf die vorliegend entscheidende Passage unter Ziff. 1.7 zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung zur Kenntnis zu nehmen. Denn da sie sich in dem maßgeblichen Leistungsfall bei Erhalt des Merkblattes bereits arbeitslos gemeldet hatte und es auf Fragen der rechtzeitigen Meldung zu diesem Zeitpunkt für sie gar nicht mehr ankam, kann ihr zu diesem Zeitpunkt nicht vorgeworfen werden, dass sie diese Passage nicht im Hinblick auf eventuelle spätere Arbeitslosmeldungen gewissenhaft zur Kenntnis nahm.
Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand ist im Regelfall als grob fahrlässig anzusehen, wenn das Merkblatt verständlich abgefasst war (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 45 Rdnr. 24 mit Hinweis auf BSG vom 24.04.1997 - 11 RA 89/96 -). Dieser Grundsatz deutet vorliegend jedoch nicht auf das Vorliegen von Fahrlässigkeit im Falle der Klägerin hin, weil das im Januar 2004 erhaltene Merkblatt einen anderen, früheren Leistungsfall und damit nicht mehr denselben Leistungstatbestand betraf. Nach Ansicht des Senats kann der Klägerin daher auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich zum Jahresende 2004, nach dem Eintritt eines neuen Leistungsfalles, nicht mehr genau an das Merkblatt und die hierin geschilderten zahlreichen Fallkonstellationen erinnerte.
Von der Klägerin musste auch nicht erwartet werden, dass sie bei oder nach der Aufnahme der (wenn auch befristeten) Beschäftigung am 01.07.2004, also bei oder nach der Beendigung der Arbeitslosigkeit, das Merkblatt für Arbeitslose zur Hand nimmt, um sich über einen künftigen Leistungsfall zu informieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
2. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe von Arbeitslosengeld wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung im Streit.
Die 1969 geborene Klägerin arbeitete vom 01.07.2004 bis zum 31.12.2004 in einem von Anfang an befristeten Arbeitsverhältnis als Diplom-Bibliothekarin mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von 23 Stunden. Sie meldete sich erst am 25.11.2004 bei der Beklagten arbeitsuchend.
Zuvor hatte die Klägerin von der Beklagten bereits aufgrund von Arbeitslosmeldungen vom 18.08.1994, 28.07.1995, 12.02.1996, 02.05.2001, und vom 19.01.2004 Entgeltersatzleistungen bezogen. Bei ihren Anträgen hierauf hatte sie jeweils angegeben und durch ihre Unterschrift bestätigt, das Merkblatt 1 der Beklagten für Arbeitslose erhalten und seinen Inhalt zur Kenntnis genommen zu haben. In dem Merkblatt der Beklagten ist unter anderem folgender Hinweis enthalten (Stand April 2003, S. 16):
"1.7 Pflicht zur frühzeitigen Arbeitssuche Ab dem 1. 7. 2003 sind Sie verpflichtet, sich unverzüglich beim Arbeitsamt arbeitssuchend zu melden, sobald Sie den Zeitpunkt der Beendigung Ihres Beschäftigungsverhältnisses kennen. ( ...) Stehen Sie in einem befristeten Beschäftigungsverhältnis, müssen Sie sich 3 Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden. ( ...)"
Mit Bescheid vom 18.01.2005 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 01.01.2005 Arbeitslosengeld in gemindertem Umfang. Mit gesondertem Bescheid vom 18.01.2005 stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin sich entgegen ihrer aus § 37 b Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) resultierenden Verpflichtung nicht rechtzeitig arbeitsuchend gemeldet habe. Nach der Vorschrift habe die Klägerin sich um 55 Tage zu spät bei der Beklagten gemeldet, weswegen ihr Anspruch auf Arbeitslosengeld sich nach § 140 SGB III um die maximale Dauer von 30 Tagen um 35,00 Euro je Tag, also insgesamt um 1050,00 Euro, mindere. Deswegen werde von der derzeit gewährten täglichen Leistung ein täglicher Minderungsbetrag von 15,24 Euro einbehalten.
Ihren deswegen eingelegten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass bei ihrem früheren Arbeitgeber aufgrund der dort durchgeführten Projektarbeit regelmäßig nur befristete Arbeitsverträge geschlossen würden. Normalerweise würden diese Verträge jährlich verlängert. Auch im letzten Jahr hätte sie mit einer Verlängerung des Arbeitsvertrages rechnen können, da die Basisförderung des von ihr betreuten Projektes finanziell abgesichert gewesen sei. Die erwartete Entwicklung sei jedoch nicht eingetreten, da die Landesstiftung B.-W. sich als Finanzgeber kurzfristig zurückgezogen habe. Nach dieser Entscheidung der Landesstiftung habe ihr Arbeitsgeber erst am 18.11.2004 entschieden, das Projekt vorläufig nicht durchzuführen. Nunmehr sei beabsichtigt, das Projekt ab dem 01.07.2005 zu betreiben. Sie sei davon ausgegangen, dass sie sich erst zu dem Zeitpunkt habe arbeitslos melden müssen, an dem klar gewesen sei, dass eine Arbeitslosigkeit eintreten werde, also am 18.11.2004.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 hat die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Gründe für die verspätete Meldung seien nicht anzuerkennen. Die Klägerin habe nicht darauf vertrauen können, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis verlängert werde. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten ist bestandskräftig geworden.
Am 08.07.2005 beantragte die Klägerin über ihre Bevollmächtigten die Überprüfung der Leistungsminderung wegen verspäteter Arbeitsuchendmeldung nach § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Das Sozialgericht R. (SG) habe mittlerweile in einer Vielzahl von Entscheidungen geurteilt, dass die in § 37 b Satz 2 SGB III geregelte Verpflichtung des Versicherten nur darin bestünde, sich nicht früher als 3 Monate vor Ablauf des befristeten Arbeitsverhältnisses als arbeitsuchend zu melden, nicht aber dieses spätestens bis zu einem bestimmen Zeitpunkt zu tun. Deswegen werde die Nachzahlung von 1050,00 Euro beantragt.
Mit Bescheid vom 03.08.2005 lehnte die Beklagte eine Abänderung des Minderungsbescheides vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 ab, da sie von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei und das Recht auch richtig angewandt habe.
Den hiergegen eingelegten Widerspruch der Klägerbevollmächtigten wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16.11.2005 unbegründet zurück, da keine neuen Gesichtspunkte vorgetragen worden seien.
Die Klägerbevollmächtigten haben am 16.12.2005 beim Sozialgericht R. (SG) Klage erhoben. Die Klägerin habe in der Vergangenheit regelmäßig damit rechnen können, dass ihre befristeten Arbeitsverträge verlängert würden. Teilweise sei die Weiterbeschäftigung auch von dem Arbeitgeber rückwirkend erklärt worden. Bei dieser Sachlage sei nicht davon auszugehen, dass die Beklagte Vermittlungsbemühungen unternommen hätte, da immer mit einer Weiterbeschäftigung habe gerechnet werden können. Jedenfalls ergebe sich kein Verstoß gegen die in § 37 b SGB III geregelte Obliegenheit.
Mit Urteil vom 05.10.2006 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 03.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.11.2005 verpflichtet, den Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheid vom 09.02.2005 zurückzunehmen. Außerdem hat das SG die Berufung zugelassen. Die Klägerin habe einen Anspruch auf Rücknahme der sie belastenden bestandskräftigen Entscheidungen. Nach § 44 Abs. 1 SGB X sei ein unanfechtbarer Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergebe, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweise, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden seien. Vorliegend habe die Beklagte in dem Bescheid vom 18.01.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.02.2005 das Recht unrichtig angewandt, weswegen Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden seien. Entgegen der Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 20.10.2005 - B 7a AL 28/05 R -) sei die Regelung in § 37 b Satz 2 SGB III in der bis zum 30.12.2005 geltenden Fassung, wonach im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses wie im vorliegenden Fall die Meldung "frühestens drei Monate vor dessen Beendigung" zu erfolgen habe, inhaltlich in sich so widersprüchlich bzw. so unbestimmt, dass sie den rechtsstaatlichen Erfordernissen an einer Sanktionsandrohung nicht genüge. Der Wortlaut der Vorschrift lege es nahe, dass mit der Verwendung des Wortes "frühestens" gemeint sei, dass eine Meldung innerhalb der letzten drei Monate eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses ausreiche (wird ausgeführt; unter Hinweis auf, unter anderem, LSG Baden-Württemberg vom 12.05.2005 - L 7 AL 753/05 -). Ein Abweichen von dem Urteil des BSG vom 20.10.2005 (a. a. O.) sei gerechtfertigt, weil aufgrund dieses einen Urteils noch nicht von einer gefestigten Rechtsprechung des BSG zu der streitgegenständlichen Frage ausgegangen werden könne. Auch aus den Gesetzesmaterialien ergebe sich keine zwingende Auslegung im Sinne der Entscheidung des BSG. Vorliegend sei die Klägerin auch nachvollziehbar davon ausgegangen, dass begründete Aussicht auf eine Weiterführung ihres Arbeitsverhältnisses bestanden habe. Erst in der Neufassung des § 37 b SGB III sei ausdrücklich angeordnet, dass die frühzeitige Arbeitssuchendmeldung auch dann zu erfolgen habe, wenn vom Arbeitgeber der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses in Aussicht gestellt werde. Somit sei auch aus Sicht des Gesetzgebers die Pflicht zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung bei einer in Aussicht gestellten Fortbeschäftigung nach der alten Fassung des § 37b SGB III nicht hinreichend klar gewesen. Außerdem liege vorliegend auch keine Einschränkung des Anwendungsbereiches des § 44 SGB X durch § 330 Abs. 1 SGB III vor; eine ständige Rechtssprechung zu § 37 b Satz 2 SGB III a. F. gebe es nämlich noch nicht. Das Urteil des SG wurde der Beklagten am 23.10.2006 zugestellt.
Am 17.11.2006 hat die Beklagte beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Der Auffassung des SG könne nicht gefolgt werden. Vielmehr schließe die Beklagte sich vollumfänglich der vom BSG in der vom SG genannten Entscheidung vom 20.10.2005 vertretenen Rechtsauffassung an, wonach § 37 b Satz 2 SGB III a. F. als unselbständige Begrenzung zu § 37 b Satz 1 SGB III anzusehen sei. Entgegen der Auffassung des SG habe die Klägerin die Obliegenheit des § 37 b SGB III auch schuldhaft verletzt. Die Klägerin sei nach Einführung der gesetzlichen Neuregelung zur frühzeitigen Arbeitssuchendmeldung bereits einmal arbeitslos gemeldet gewesen und habe auch das Merkblatt für Arbeitslose erhalten.
Im Übrigen gehe offensichtlich selbst das SG davon aus, dass die Formulierung in dem Merkblatt für Arbeitslose "Stehen Sie in einem befristeten Arbeitsverhältnis, müssen Sie sich drei Monate vor dessen Beendigung arbeitssuchend melden" hinreichend verständlich sei, so dass die Klägerin allein aufgrund dieser klarer Formulierung ihrer Obliegenheit hätte nachkommen können, ohne dass ein besonderes "Normverständnis" hätte vorliegen müssen. Schließlich könne die Klägerin auch nicht damit gehört werden, dass sie bis kurz vor dem Zeitpunkt ihrer Arbeitsuchendmeldung davon ausgegangen sei, dass ihr Beschäftigungsverhältnis verlängert würde. Grundsätzlich müsse ein Arbeitnehmer, der in einem befristeten Arbeitsverhältnis stehe, vom vertraglichen Ende des Verhältnisses ausgehen. Eine schriftliche und somit rechtsverbindliche Zusage ihres Arbeitsgebers in Hinblick auf eine Weiterbeschäftigung sei jedenfalls nicht vorgelegt worden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts R. vom 05.10.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin hält das Urteil des SG für rechtmäßig. Zwar weiche das Urteil des SG von der genannten Entscheidung des BSG ab, in derselben Entscheidung des BSG werde aber auch dargestellt, dass ein Verstoß gegen die Obliegenheit nur dann vorliegen könne, wenn der Arbeitslose unter Berücksichtigung seiner individuellen Kenntnisse und Fähigkeiten mit schuldhaftem Zögern gehandelt habe. Im Rahmen dieser Fahrlässigkeitsprüfung sei jedenfalls zu berücksichtigen, dass § 37 b Satz 2 SGB III mit der Verwendung des Begriffes "frühestens" unglücklich gefasst sei. Somit sei im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung zugunsten der Klägerin angemessen zu beachten, dass der Normbefehl der Vorschrift klarer und eindeutiger formuliert hätte werden können, zumal die Norm von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedlich ausgelegt worden sei. Weiter sei auch zu berücksichtigen, dass die unglückliche Gesetzesformulierung sich auch in dem der Klägerin zuvor ausgehändigten Merkblatt befinde, in dem erneut von einer Arbeitslosmeldung "frühestens" drei Monate vor Beginn der Arbeitslosigkeit die Rede sei. Die Klägerin habe sich nämlich insofern genau getreu dem Merkblatt verhalten, was nicht als Fahrlässigkeit ausgelegt werden könne.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten die Akten des SG sowie des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143 f. Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung ist nicht begründet. Der Senat konnte mit dem Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X in der seit dem 01.01.2001 geltenden Fassung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Dieser Sachverhalt ist vorliegend gegeben, weil die Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass im November 2004 eine verspätete Arbeitsuchendmeldung im Sinne von § 37 b SGB III vorlag.
Gegenstand des Verfahrens sind das Schreiben der Beklagten über den Eintritt der Obliegenheitsverletzung nach § 37 b SGB III sowie die Minderung des Arbeitslosengeldes nach § 140 SGB III und der Bescheid über die Bewilligung von Arbeitslosengeld, die eine rechtliche Einheit im Sinne eines einheitlichen Bescheides über die Bewilligung des Arbeitslosengelds und damit auch die Höhe des Arbeitslosengeldanspruchs darstellen (vgl. BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 47/04 R - sowie vom 18.8.2005 - B 7a AL 4/05 R -).
Nach § 37 b Satz 1 und 2 SGB III in der hier maßgeblichen, vom 01.01.2004 bis zum 31.12.2005 geltenden Fassung sind Personen verpflichtet, sich unverzüglich nach Kenntnis des Beendigungszeitpunkts ihres Versicherungpflichtverhältnisses persönlich bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend zu melden; im Falle eines befristeten Arbeitsverhältnisses hat die Meldung jedoch frühestens drei Monate vor dessen Beendigung zu erfolgen. Bei der Pflicht zur unverzüglichen Arbeitsuchendmeldung nach § 37 b Satz 1 SGB III handelt es sich um eine typische versicherungsrechtliche Obliegenheit, zu deren Konkretisierung auf die Legaldefinition des § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB ("ohne schuldhaftes Zögern") zurückzugreifen ist.
Die Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung ist auch bei von vornherein befristeten Arbeitsverhältnissen durch die Norm des § 37 b SGB III ausreichend inhaltlich bestimmt (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R - m.w.N.). Die Sanktion des § 140 SGB III setzt nicht voraus, dass nach der Pflichtverletzung ein neues Anwartschaftsrecht auf Arbeitslosengeld entstanden sein muss. Meldet sich der Arbeitslose zur Aufnahme einer befristeten Beschäftigung unter Angabe des Endzeitpunkts aus dem Bezug von Arbeitslosengeld ab, bedarf es indes jedenfalls dann keiner persönlichen Arbeitsuchendmeldung, wenn dies von der Bundesagentur für Arbeit nicht ausdrücklich verlangt wird (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -).
Die Unkenntnis über die Obliegenheit ist jedoch nicht ohne rechtliche Bedeutung, sondern es ist unter Anwendung eines subjektiven Maßstabs zu prüfen, ob der Leistungsempfänger zumindest fahrlässig in Unkenntnis war (BSG vom 18.08.2005 - B 7a AL 4/05 R -; vgl. auch BSG vom 25.5.2005 - B 11a/11 AL 81/04 R -). Im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung ist hierbei zu Gunsten des Arbeitslosen angemessen zu beachten, dass der "Normbefehl" des § 37 b Satz 2 SGB III hinsichtlich des Zeitpunkts des Entstehens der Obliegenheit zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung gerade in Fällen befristeter Arbeitsverhältnisse klarer und eindeutiger hätte formuliert werden können und die Norm von den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit unterschiedlich ausgelegt worden ist (BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -).
Nach Ansicht des Senats ist die Mitteilung in dem der Klägerin im Januar 2004 ausgehändigten Merkblatt hinreichend klar und verständlich. Es trifft auch entgegen dem Vortrag der Klägerin nicht zu, dass hierin die unglückliche Gesetzesformulierung in § 37 b SGB III ("frühestens") wiederholt wird (siehe oben im Tatbestand).
Auch hat das BSG entschieden, dass es für die Feststellung des Fahrlässigkeitsvorwurfs im Rahmen von § 37 b SGB III unerheblich ist, wenn der Leistungsempfänger fest mit der Wiedereinstellung bei seinem bisherigen Arbeitgeber rechnen konnte (BSG, Urteil vom 18.08.2005 - B 7a/7 AL 80/04 R -). Daraus folgt, dass es erst recht unerheblich ist, dass die Klägerin zwar keine Zusage auf Weiterbeschäftigung, aber eine gewisse Aussicht auf eine Verlängerung ihres Arbeitsvertrages hatte.
Der Senat teilt schließlich auch nicht die rechtsstaatlichen Bedenken des SG im Hinblick auf die Bestimmtheit der Regelung des § 37 b SGB III in der hier anzuwendenden Fassung; diesen Bedenken kann hinreichend dadurch Rechnung getragen werden, dass im Rahmen der Fahrlässigkeitsprüfung die Interpretationsbedürftigkeit der gesetzlichen Regelung berücksichtigt wird (vgl. BSG vom 20.10.2005 - B 7a AL 50/05 R -). Ob dies auch gilt, wenn ein Versicherter zwar die ungenaue und interpretationsbedürftige gesetzliche Vorschrift nicht kennt, aber ein Merkblatt der Beklagten kennt bzw. zu kennen gehalten ist, in dem die Vorschrift klar und verständlich erläutert wird, muss vorliegend nicht entschieden werden. Denn auch die Aushändigung eines klar und verständlich abgefassten Merkblattes begründet nicht in jedem Fall die Fahrlässigkeit desjenigen, der die Hinweise in diesem Merkblatt nicht befolgt.
Vorliegend hatte die Klägerin das Merkblatt zwar noch im selben Jahr erhalten, in welchem ihr der Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht wird, nämlich anlässlich ihrer Antragstellung am 19.01.2004. Jedoch war die Klägerin nicht mehr gehalten, nach ihrer Arbeitslosmeldung am 19.01.2004 das Merkblatt auch im Hinblick auf die vorliegend entscheidende Passage unter Ziff. 1.7 zur frühzeitigen Arbeitsuchendmeldung zur Kenntnis zu nehmen. Denn da sie sich in dem maßgeblichen Leistungsfall bei Erhalt des Merkblattes bereits arbeitslos gemeldet hatte und es auf Fragen der rechtzeitigen Meldung zu diesem Zeitpunkt für sie gar nicht mehr ankam, kann ihr zu diesem Zeitpunkt nicht vorgeworfen werden, dass sie diese Passage nicht im Hinblick auf eventuelle spätere Arbeitslosmeldungen gewissenhaft zur Kenntnis nahm.
Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand ist im Regelfall als grob fahrlässig anzusehen, wenn das Merkblatt verständlich abgefasst war (vgl. Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl. 2005, § 45 Rdnr. 24 mit Hinweis auf BSG vom 24.04.1997 - 11 RA 89/96 -). Dieser Grundsatz deutet vorliegend jedoch nicht auf das Vorliegen von Fahrlässigkeit im Falle der Klägerin hin, weil das im Januar 2004 erhaltene Merkblatt einen anderen, früheren Leistungsfall und damit nicht mehr denselben Leistungstatbestand betraf. Nach Ansicht des Senats kann der Klägerin daher auch nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sie sich zum Jahresende 2004, nach dem Eintritt eines neuen Leistungsfalles, nicht mehr genau an das Merkblatt und die hierin geschilderten zahlreichen Fallkonstellationen erinnerte.
Von der Klägerin musste auch nicht erwartet werden, dass sie bei oder nach der Aufnahme der (wenn auch befristeten) Beschäftigung am 01.07.2004, also bei oder nach der Beendigung der Arbeitslosigkeit, das Merkblatt für Arbeitslose zur Hand nimmt, um sich über einen künftigen Leistungsfall zu informieren.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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