L 7 AY 5721/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 AY 875/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AY 5721/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Kläger gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. November 2006 wird verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten streitig ist die Gewährung höherer Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. Mai 2006.

Die im Jahre 1978 geborene Klägerin zu l. und der im Jahre 1981 geborene Kläger zu 2. sind Geschwister und serbisch-montenegrinische Staatsangehörige, die nach ihren Angaben der Volksgruppe der Ashkali angehören. Die Kläger reisten im Juli 1999 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein. Ihre Asylanträge blieben erfolglos. Die Klägerin zu l. ist seit Oktober 2002, der Kläger zu 2. seit Januar 2004 vollziehbar ausreisepflichtig. Beide waren seitdem im Besitz ausländerrechtlicher Duldungen.

Nach Mitteilung des Landratsamts K. vom 13. Juli 2006 wurde die Klägerin zu 1. am 8. Mai 2006 nach unbekannt abgemeldet, und der Kläger zu 1. am 9. Mai 2006 nach P. (Kosovo).

Die Kläger bezogen seit ihrer Einreise in das Bundesgebiet laufend Leistungen nach dem AsylbLG einschließlich Leistungen der Krankenhilfe. Die Grundleistungen setzte das Landratsamt K. zuletzt durch Bescheide vom 19. April 2004 (Klägerin zu 1.) und vom 4. Oktober 2004 (Kläger zu 2.) fest. Am 14. Januar 2005 erhoben die Kläger dagegen jeweils Widerspruch wegen der Leistungshöhe. Hierzu trugen Sie vor, sie befänden sich ununterbrochen mehr als fünf Jahre im Bundesgebiet. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheitsgruppe der Askhali sei ihnen eine freiwillige Rückkehr in ihre Heimat nicht möglich. Deshalb hätten sie ihren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht rechtsmissbräuchlich beeinflusst, mithin Anspruch auf höhere Leistungen nach dem AsylblG unter Anwendung der Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII). Mit Widerspruchsbescheiden vom 24. Februar 2005 wies der Beklagte die Widersprüche zurück mit der Begründung, die Kläger seien nicht im Sinne des § 2 AsylbLG i.V.m. den Bestimmungen des SGB XII leistungsberechtigt. Denn die Voraussetzungen des § 2 Abs. l AsylbLG lägen nicht vor. Die Kläger stünden weder im laufenden Asylverfahren noch hätten Sie den Status eines Bürgerkriegsflüchtlings. Die ihnen erteilten Duldungen beruhten nicht darauf; die Ausreise habe allein aufgrund der Bereitschaft der zivilen UN-Verwaltung (UNMIK), nur ein beschränktes Kontingent an Askhali aufzunehmen, nicht erfolgen können. Die Abschiebung sei deshalb aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen. Gleichwohl seien die Kläger vollziehbar ausreisepflichtig. Sie hätten die Dauer ihres Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst, weil sie ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen seien, obwohl weder Ausreisehindernisse noch Abschiebeverbote vorlägen. Solange das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) keine neue oder andere Entscheidung treffe, stünden der freiwilligen Ausreise der Kläger schon von Rechts wegen keine von ihnen nicht zu vertretenden Hindernisse entgegen.

Dagegen haben die Kläger am 10. März 2005 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben, mit der sie ihr Begehren - beschränkt für die Zeit bis zum 7. Mai 2006 - weiterverfolgen. Zur Begründung tragen sie im wesentlichen vor, sie hätten die Dauer ihres Aufenthalts im Bundesgebiet nicht in rechtsmissbräuchlicher Weise beeinflusst. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Askhali könnten sie derzeit nicht in das Kosovo zurückkehren. Ein aktueller Ländererlass diesbezüglich bestehe nicht. Zur allgemeinen Gefahrensituation ethnischer Minderheiten im Kosovo habe sich zuletzt der VGH Baden- Württemberg in seinem Urteil vom 12. Januar 2005 (A 7 S 1769/02) geäußert. In einer weiteren Entscheidung vom 10. Februar 2005 habe der VGH Baden-Württemberg (A 7 S 268/03) entschieden, die Unruhen im Kosovo im März 2004 belegten für Angehörigen der Askhali im Kosovo eine extreme Gefahrenlage. Diese Gefahrenlage bestehe weiterhin fort. Im übrigen könnten Askhali zwangsweise in das Kosovo nur dann zurückgeführt werden, wenn vorher eine Anfrage bei den UNMIK-Behörden durchgeführt sei und die UNMIK-Behörden einer Rückkehr zustimmten. Auch eine freiwillige Rückkehr in ihre Heimat sei ihnen auf keinen Fall zumutbar, nachdem die UNMIK-Behörden seit Mai 2005 Rückführungen von ethnischen Minderheiten nur in eingeschränktem Umfang zuließen. Überdies sei eine rechtsmissbräuchliche Verlängerung des Aufenthaltsrechts im Bundesgebiet nicht schon dann anzunehmen, wenn ein Ausländer lediglich einer bestehenden Ausreisepflicht nicht nachkomme. Rechtsmissbrauch liege vielmehr erst vor, wenn ein Ausländer versuche, eine Rechtsposition unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zu erlangen und auszunutzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 6. November 2006 hat das SG die Klage abgewiesen mit der Begründung, die Kläger hätten für die hier streitige Zeit keinen Anspruch auf Leistungen nach § 2 Abs. l AsylbLG in entsprechender Anwendung der Bestimmungen des SGB XII. Nach § 2 Abs. l AsylbLG stünden denjenigen Leistungsberechtigten, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhiellten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, abweichend von den §§ 3 bis 7 AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII zu. Diese Voraussetzungen erfüllten die Kläger im hier streitigen Zeitraum nicht. Es sei bereits zweifelhaft, ob die Voraussetzung eines Leistungsbezuges über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten in der Person der Kläger erfüllt seien. Denn maßgeblich für die Bestimmung dieses Zeitraums sei die Unanfechtbarkeit des letzten Asyl(folge)antrags (vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 7. April 2006 - S 4 AY 5256/05 - sowie Grube/Wahrendorf, SGB XII, § 2 AsylbLG, Rdnr. 2). Hier hätten die Kläger im Januar 2002 erfolglos Asylantrag gestellt. Sie hätten jedoch im Januar 2005 einen Asylfolgeantrag gestellt. Von diesem Zeitpunkt an sei für die Dauer des hier streitigen Leistungsanspruchs ein Zeitraum von mehr als 36 Monaten noch nicht verstrichen. Ungeachtet dessen hätten die Kläger während der Dauer des Leistungsbezuges nach dem AsylbLG, insbesondere nach rechtskräftigem Abschluss ihrer erfolglosen Asylanträge, ihren Aufenthalt im Bundesgebiet rechtsmissbräuchlich selbst verlängert. Denn die Kläger seien seit September 2002 bzw. Dezember 2003 rechtsmissbräuchlich ihrer Ausreisepflicht nicht nachgekommen. Rechtsmissbrauch sei dabei nicht nur bei einem vorwerfbaren Tun, sondern auch bei einem vorwerfbaren Unterlassen anzunehmen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidungsgründe wird auf den dem Prozessbevollmächtigten der Kläger durch Empfangsbekenntnis am 13. November 2006 zugestellten Gerichtsbescheid verwiesen.

Am 16. November 2006 haben die Kläger Berufung beim Landessozialgericht eingelegt und im Wesentlichen ihr bisheriges Vorbringen wiederholt.

Die Kläger beantragen sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. November 2006 und die Bescheide der Beklagten vom 19. April 2004 und vom 4. Oktober 2004 in der Widerspruchsbescheide vom 24. Februar 2005 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihnen für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 7. Mai 2006 höhere Leistungen nach dem Asylbewerberleistungen i.V.m. dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zu verwerfen.

Mit Verfügung vom 7. Mai 2007 hat das Gericht den Beteiligten seine Absicht mitgeteilt, die Berufung im Hinblick darauf, dass keine aktuelle ladungsfähige Anschrift der Kläger bekannt ist, durch Beschluss nach § 158 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu verwerfen. Hierzu hat sich der Prozessbevollmächtigte der Kläger nicht geäußert.

Zur weiteren Darstellung wird auf die Verwaltungsakte des Beklagten, die Klageakte des SG und die Berufungsakte des Senats Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Kläger, über die der Berichterstatter im Einverständnis der Beteiligten anstelle des Senats entscheiden kann (§ 155 Abs. 3 und 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist unzulässig.

Nach § 158 Satz 1 SGG ist die Berufung als unzulässig zu verwerfen, wenn sie nicht statthaft oder nicht in der gesetzlichen Frist oder nicht schriftlich oder nicht in elektronischer Form oder nicht zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt worden oder sonst unzulässig ist (Meyer-Ladewig in ders./Keller/Leitherer, SGG 8. Aufl., § 158 Rdnr. 5). Die Entscheidung kann nach Satz 2 der Bestimmung durch Beschluss ergehen; das Gericht hat hiervon nach dem ihm eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht.

Die Berufung der Kläger ist zwar im Sinne des § 151 Abs. 1 und 2 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden. Sie ist jedoch unzulässig, weil die Kläger bereits seit Mai 2006, also bereits vor Einlegung der Berufung, über keine ladungsfähige Anschrift mehr verfügen.

Ein zulässiges Rechtsschutzbegehren erfordert im Regelfall, dass dem angerufenen Gericht die Wohnanschrift des Rechtsuchenden genannt wird; die bloße Angabe einer E-Mail-Anschrift und/oder einer Mobilfunk-Telefonnummer genügt ebenso wenig wie die Angabe "postlagernd" (vgl. BSG, Beschluss vom 18. November 2003 - B 1 KR 1/02 S -, SozR 4-1500 § 90 Nr. 1; ebenso Leitherer in Meyer-Ladewig a.a.O. § 92 Randnr. 3). Das Anschriftserfordernis ist unumgänglich, um die rechtswirksame Zustellung gerichtlicher Anordnungen und Entscheidungen bewirken zu können (vgl. § 63 Abs. 2 SGG i.V.m. §§ 166 ff. Zivilprozessordnung (ZPO)). Das Vorliegen einer Anschrift gehört zudem - unabhängig von der Frage der nur über sie möglichen förmlichen Zustellung - zu den Wesensmerkmalen eines Rechtsschutzbegehrens an ein Gericht, welche jedenfalls zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen müssen (so genannte Sachurteilsvoraussetzung; vgl. § 92 SGG; dazu Beschluss des Senats vom 8. November 2006 - L 7 SO 4738/06 -). Fehlt eine solche Anschrift oder wird sie nicht mitgeteilt, ist ein Rechtsschutzbegehren unzulässig. Selbst wenn einem Rechtsschutzsuchenden aus nachvollziehbaren Gründen - etwa wegen Obdachlosigkeit - die Angabe einer Wohnadresse unmöglich ist, ist er gehalten, eine Anschrift oder Möglichkeit zu benennen, unter oder mit der er für Zustellungen des Gerichts erreichbar ist. Hierauf kann allenfalls verzichtet werden, wenn dem Gericht eine solche Möglichkeit bekannt ist, was jedoch vorliegend nicht der Fall ist. Da die Prüfung der Prozessvoraussetzungen in jedem Verfahrensstadium, also auch im Rechtsmittelverfahren bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung zu erfolgen hat, führt der Wegfall der (einzigen) ladungsfähigen Anschrift der Kläger - der bis zum heutigen Tag nicht behoben ist - zur Unzulässigkeit des erhobenen Rechtsmittels. Eine Prüfung des klägerischen Begehrens in der Sache ist dem Gericht daher verwehrt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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