L 19 B 103/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
19
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 102 AS 10565/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 19 B 103/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Antragsteller begehren die einstweilige Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Übernahme der Heizkostennachforderung.

Der 1946 geborene Antragsteller zu 1) und seine 1942 geborene Ehefrau, die Antragstellerin zu 2), bildeten eine Bedarfsgemeinschaft und bezogen seit dem 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - SGB II -. Ihrem im Juni 2005 gestellten Antrag auf Übernahme der Nachzahlung von Heizkosten, die im Abrechnungszeitraum 1. April 2004 bis 31. März 2005 entstanden waren, gab die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 30. Juni 2005 statt. Die Antragsgegnerin bewilligte den Antragstellern zuletzt mit Bescheid vom 6. Dezember 2005 für den Zeitraum 1. Januar 2006 bis 30. September 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Höhe von 861,93 EUR monatlich. Die Deutsche Renteversicherung Bund bewilligte dem Antragsteller zu 1) mit Bescheid vom 28. April 2006 eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit ab dem 1. Juli 2006. Mit Aufhebungsbescheid vom 12. Mai 2006 hob die Antragsgegnerin die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosengeld II ab dem 1. Juli 2006 gemäß § 48 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches - SGB X - ganz auf mit der Begründung, aufgrund der Bewilligung einer Rente wegen Alters lägen die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen nicht mehr vor. Die Antragsteller erhielten im August 2006 die Heizkostenabrechnung vom 23. August 2006 für den Abrechnungszeitraum 1. April 2005 bis 31. März 2006 über eine Nachzahlung in Höhe von 695,77 EUR. Den vom Antragsteller zu 1) sodann gestellten Antrag auf Übernahme der Heizkosten lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27. September 2006 ab mit der Begründung, der Antragsteller zu 1) stünde aufgrund der Bewilligung einer Altersrente seit dem 1. Juli 2006 nicht mehr im Leistungsbezug nach dem SGB II. Der Antragsteller zu 1) nahm im September 2006 einen Dispositionskredit in Höhe von 700,- EUR auf, für den er Zinsen in Höhe von 12,75 % zu zahlen hat. Den gegen den Ablehnungsbescheid eingelegten Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2006 als unbegründet zurück.

Am 17. November 2006 hatten die Antragsteller beim Sozialgericht Berlin beantragt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, die Heizkostennachforderung und aus der Aufnahme eines Kredites entstandene Folgekosten zu übernehmen.

Das Sozialgericht Berlin hat mit Beschluss vom 15. Dezember 2006 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Es hat ausgeführt, dem Antrag stünde bereits die Bestandskraft des Ablehnungsbescheides entgegen, da die Antragsteller nicht rechtzeitig Klage erhoben hätten. Ferner hätten die Antragsteller einen Anordnungsanspruch und -grund nicht glaubhaft gemacht. Die Übernahme der Nachzahlung scheide bereits deshalb aus, weil die Antragsteller im Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung nicht mehr bedürftig gewesen seien.

Gegen diesen den Antragstellern am 19. Dezember 2006 zugestellten Beschluss richtet sich die am 10. Januar 2007 eingegangene Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Zur Begründung der vom Antragsteller zu 1) eingelegten Beschwerde führt er im Wesentlichen aus, es könne ihm nicht zur Last gelegt werden, dass er die den Zeitraum 1. April 2005 bis 31. März 2006 betreffende Abrechnung erst im August 2006 und somit zu einem Zeitpunkt erhalten habe, in welchem er keine Leistungen mehr nach dem SGB II bezogen habe.

Der Senat geht davon aus, die Antragsteller wollen beantragen,

den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihnen - vorläufig - Leistungen für Kosten der Heizung in Höhe von 695,77 EUR sowie für Zinsen für einen im September 2006 in Anspruch genommenen Kredit zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend.

II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden. Die Beschwerde wurde von dem Antragsteller zu 1) zugleich für die Antragstellerin zu 2) eingelegt. Eine entsprechende Vollmacht kann hier aufgrund der Ehe der Antragsteller nach § 73 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - unterstellt werden. Diese Norm sieht dies u.a. bei Ehegatten vor.

Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Die Antragsteller haben die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG - sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) wie auch ein Anordnungsgrund (im Sinne einer Eilbedürftigkeit des Verfahrens) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung - ZPO -). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht grundsätzlich sowohl eine Folgenabwägung vornehmen wie auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nicht gegeben.

Ein Anordnungsgrund ist im Zeitpunkt der Entscheidung im Beschwerdeverfahren als dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16. Juni 2006 - L 10 B 488/06 AS ER -) nicht mehr gegeben, denn es sind für die Antragsteller keine wesentlichen Nachteile ersichtlich, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlich machen könnten. Die Antragsteller zu 1) und 2) haben bereits im September 2006 einen Kredit über 700,- EUR aufgenommen und mit dessen Verwendung zur Begleichung der Heizkostenrechnung ihre Notlage im Wege der Selbsthilfe beseitigt. Auch unter Berücksichtigung ihrer grundrechtlichen Belange (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005, a. a. O.) ist es den Antragstellern zuzumuten, in dem bereits beim Sozialgericht Berlin unter dem Aktenzeichen S 102 AS 404/07 anhängigen Verfahren klären zu lassen, ob ihnen der dort erhobene Anspruch zusteht.

Des Weiteren liegt ein Anordnungsanspruch nicht vor.

Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes einschließlich angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erstattet, soweit diese angemessen sind. Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten der Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, mindern die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen; Rückzahlungen, die sich auf die Kosten der Haushaltsenergie beziehen, bleiben insoweit außer Betracht (§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II). Hilfebedürftig ist, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder Trägern anderer Sozialleistungen erhält (§ 9 Abs. 1 SGB II). Leistungen nach dem SGB II erhält u.a. nicht, wer Rente wegen Alters erhält (§ 7 Abs. 4 SGB II).

Leistungen für Heizung umfassen auch eine nach Ablauf der Heizperiode errechnete Nachzahlung (Berlit in LPK-SGB II, § 22 RdNr. 65 m.w.N.). Sie sind jedoch nur dann vom Leistungsträger zu übernehmen, wenn zum Zeitpunkt der Nachforderung die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 19 Abs. 1 SGB II vorliegen (Kalhorn in Hauck/Noftz, § 22 SGB II RdNr. 12). Leistungen nach dem SGB II sind bedarfsorientiert und folgen dem im Sozialhilferecht herrschenden Bedürftigkeitsprinzip (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1516, Seite 41 ff, Seite 46). Daraus folgt, dass im Zeitpunkt der Nachforderung Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bestehen muss (zur entsprechenden Regelung im Bundessozialhilfegesetz: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 4. Februar 1988 - 5 C 89/85 - BVerwGE 79, Seite 46 ff). Daran fehlt es vorliegend, da die Antragsteller aufgrund des Bezugs von Altersrente keine Leistungen nach dem SGB II - mehr - erhalten.

Steht den Antragstellern kein Anordnungsanspruch in Bezug auf die Heizkostennachforderung zu, so können sie auch nicht die - vorläufige - Übernahme der Zinsen für einen - zu deren Finanzierung aufgenommenen - Kredit beanspruchen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gegen diesen Beschluss sieht das Gesetz einen ordentlichen Rechtsbehelf nicht vor (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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