Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 25 U 595/98
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 2/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. November 2006 wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt gerichtliche Kosten in Höhe von 500 EUR nach § 192 Sozialgerichtsgesetz. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 10. November 2005 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger sei über 2 ½ bis 3 Jahren Lösemitteln ausgesetzt gewesen, dürfte das Ausmaß der Exposition für das Hervorrufen einer toxischen Enzephalopathie nicht ausreichend gewesen sein. Außerdem sei es zweifelhaft, ob es sich bei den unspezifischen Befindlichkeitsstörungen um eine solche Erkrankung handele. Jedenfalls spreche der Krankheitsverlauf gegen eine berufliche Verursachung.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das Sozialgericht seine ablehnende Entscheidung auf die Gutachten von Dr. P. und Dr. S. gestützt. Zum einen handele es sich ausschließlich um Parteigutachten. Zum anderen werde der Befangenheitsantrag des Klägers gegen Dr. S. weiter aufrechterhalten und führe zur Unverwertbarkeit dieses Gutachtens. Es reiche nicht, wenn das Sozialgericht gegenüber dem Kläger lapidar mitteile, es halte das Gutachten für verwertbar. Eine kurze gutachterliche Stellungnahme von Herrn F. vom 26. Juli 2003 hat der Kläger zur Unterstützung seines Vorbringens vorgelegt. Hierin wird ausgeführt, dass das Gutachten von Prof. Dr. S. insbesondere wegen dessen internationalen Erkenntnissen widersprechenden Annahme, lösungsmittelbedingte Polyneuorpathien seien nach Ende der Exposition rückläufig, nicht überzeugend sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. November 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine toxische Enzephalopathie I. Grades sowie eine toxische Polyneuropathie als Berufskrankheit nach Nr. 1303 und/oder Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und eine Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise zum Beweis dafür, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Elektroinstallateur in der Tiefdruckabteilung der Firma R. Lösemittelexposition ausgesetzt war, die die mit dem Antrag geltend gemachten Berufskrankheiten verursacht haben, ein weiteres unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden.
Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Nervenarztes Dr. V., der jedoch zu seinen früheren Berichten nichts hinzuzufügen hatte, ist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung der Arbeitsmediziner Dr. P. mit einer Begutachtung nach Aktenlage (Untersuchung freigestellt) beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 5. April 2007 kommt er zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen vielfältige psychische Befindlichkeitsstörungen vor, die sich diagnostisch als neurotisch-depressives Syndrom einordnen ließen. Unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht durchgeführten Zeugenvernehmungen sei der Kläger gelegentlich in quantitativ nicht einzuschätzender Intensität organischen Lösemitteln ausgesetzt gewesen. Keine seiner Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit auf eine berufliche Lösemittelexposition zurückführbar. Weiter führt der Gutachter aus, dass seine Einschätzung mit den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. S./Dr. W. sowie der Einschätzung der staatlichen Gewerbeärztin Dr. M.-B. übereinstimme. Dem Gutachten von Herrn F. könne nicht gefolgt werden. Dieser habe weder eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Expositionsbewertung vorgenommen noch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Krankheitsbild der toxischen Enzephalopathie bei seinen Ausführungen zugrunde gelegt.
Der Kläger hat Bedenken gegen die Unparteilichkeit von Dr. P. geäußert (ohne einen förmlichen Befangenheitsantrag zu stellen) und um Beauftragung eines weiteren Sachverständigen mit einer Begutachtung gebeten.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 22. Mai 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Es kann unentschieden bleiben, ob überhaupt eine relevante Exposition des Klägers mit Lösemitteln vorliegt. Jedenfalls scheitert die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 und/oder Nr. 1317 der Anlage zur BKV daran, dass bei dem Kläger keine der geltend gemachten Erkrankungen (Enzephalopathie und/oder Polyneuropathie) besteht.
Der Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit)verursacht haben muss (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus.
Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol und nach Nr. 1317 Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösemittel oder deren Gemische. Keine dieser Erkrankungen liegt vor.
Das Vorliegen einer Enzephalopathie lässt sich nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Wie Dr. P. in Übereinstimmung mit allen behandelnden Ärzten des Klägers überzeugend ausführt, liegen bei diesem psychische Befindlichkeitsstörungen vor, die sich diagnostisch als neurotisch-depressives Syndrom einordnen lassen und sich in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme eines Firmenanteils an der väterlichen Firma durch den Kläger wesentlich verstärkten. Dr. P. legt damit auch dar, dass bei dem Kläger im Zeitpunkt des Auftretens der Befindlichkeitsstörungen eine besonders belastende Lebenssituation vorlag, die solche psychischen Reaktionen vollständig erklären kann. Im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme in S1. im Jahre 1997 wurde diese Diagnose aufgrund der neurologischen, psychiatrischen und testpsychologischen Untersuchungen ebenso gestellt. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergeben sich hingegen keine Anhaltspunkte für Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im R.-Werk. Der Kläger behauptet zwar, bereits in der Zeit beim R.-Werk starke Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Taubheit im Kopf, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Depressionen gehabt zu haben. Eine Bestätigung hierfür kann den medizinischen Unterlagen jedoch nicht entnommen werden. Nach dem Vorerkrankungsverzeichnis ist erstmals im Jahre 1981 insgesamt dreimal ein psychovegetatives Syndrom erwähnt, gefolgt von stressbedingten Magenbeschwerden im Jahre 1984. Diagnosen auf psychischem Gebiet gibt es dann erst wieder ab 1989, während zuvor Infekte, Lumbalgien und Bluthochdruck Gründe für Krankschreibungen waren. Die Fachärzte für Innere Medizin S2./ M. behandelten den Kläger 1981 wegen Bluthochdrucks und ab 1989 wegen Angstgefühlen sowie Unruhe. Im Jahre 1991 wurde eine Verhaltenstherapie eingeleitet und 1996 erfolgte eine Behandlung wegen psychovegetativer Erschöpfung. Erstmals 1997 erwähnen die behandelnden Ärzte Beschwerden, wie sie der Kläger bereits während der Tätigkeit bei dem R.-Werk gehabt haben will. Die Behandlung durch den Nervenarzt Dr. V. begann ausweislich seiner Berichte erst im Jahre 1994, so dass der Kläger ihm zur Zeit der Tätigkeit bei dem R.-Werk noch keine Beschwerden vorgetragen haben kann. Dr. V. behandelte den Kläger damals zunächst nur wegen eines Unfalls. Er erwähnt einen weitergehenden Beschwerdevortrag des Klägers erst in seinem Bericht von 1997.
Das Gericht folgt mit Dr. P. nicht der von der allgemeinen Auffassung in der medizinischen Wissenschaft abweichenden Meinung des Gutachters F., die SPECT-Untersuchung habe einen Aussagewert für die Funktionsfähigkeit des Gehirns als Organ. Vielmehr lässt sich mit ihr allenfalls die Aktivität bestimmter Gehirnregionen im Moment der Untersuchung belegen. Damit lässt sie keine verlässliche Schlussfolgerung auf eine Hirnerkrankung zu. Ebenso wenig reicht die Annahme einer besonderen Empfindlichkeit für Chemikalien nicht zum Beleg des Vorliegens einer Enzephalopathie. Auch ansonsten vermag das Gutachten von Herrn F. nicht zu überzeugen. Er gibt für seine Einschätzung keine nachvollziehbare Begründung an. Dabei unterstellt er die Angabe des Klägers, seine Beschwerden seien bereits während der Tätigkeit bei dem R.-Werk aufgetreten, trotz fehlender Dokumentation als richtig. Wie oben bereits dargelegt, trifft dies jedoch nicht zu.
Die Diagnose einer Polyneuropathie taucht zwar in einem Rezept des Chirurgen Dr. D. aus dem Jahre 1998 auf, wird jedoch in dessen Befundbericht nicht bestätigt. Lediglich Herr F. erwähnt in seinem Gutachten auch diese Erkrankung. Dabei ist er von den Angaben des Klägers ausgegangen. Seinem Gutachten, in dem das Vorliegen einer Polyneuropathie ohne Angabe einer Begründung behauptet wird, kann – wie oben ausgeführt – nicht gefolgt werden. Eine objektivierende Diagnostik kann seinem Gutachten nicht entnommen werden. Bei der ersten Begutachtung durch Dr. P. konnte dieser einen solchen Befund nicht erheben und ihm wurden auch keine derartigen Beschwerden vorgetragen. Die im Rehazentrum in S1. im Jahre 1997 durchgeführten Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Polyneuropathie ausgeschlossen werden kann. Auch andere Ärzte nennen keine Befunde, die eine solche Diagnose stützen.
Es kann unentschieden bleiben, ob das Gutachten von Prof. Dr. S. verwertbar ist, denn nach Überzeugung des Senats steht das Nichtvorliegen der geltend gemachten Erkrankungen auch ohne dessen Berücksichtigung fest.
Der Senat hat keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Gutachten von Dr. P., denn für eine Parteilichkeit dieses Arztes sind nachvollziehbare Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch hatte der Senat keinen Anlass zur Einholung weiterer medizinischer Gutachten. Das gilt auch im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Beweisantrag. Dieser Antrag zielt im Übrigen auf den Beweis der Kausalität zwischen der (ebenfalls unter Beweis gestellten) Exposition und dem Entstehen der Erkrankung. Da es vorliegend bereits an der Erkrankung fehlt, kann die Frage der Ursächlichkeit keine rechtliche Relevanz haben.
Der Senat hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm und seinem Bevollmächtigten von der Vorsitzenden im Sitzungstermin am 22. Mai 2007 die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausführlich dargelegt worden ist und beide auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sind. Die Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren ist missbräuchlich gewesen, weil angesichts der erdrückenden Gutachtenlage, gegen die der Kläger Argumente nicht vorbringen konnte, die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos war. Dies war dem Kläger auch schon deswegen deutlich, weil sich – wie er selbst dargelegt hat – alle ihn behandelnden Ärzte trotz ausdrücklicher Aufforderung geweigert haben, ihm das Vorliegen einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie zu bestätigen und im Übrigen auch keiner dieser Ärzte jemals den Verdacht des Vorliegens einer solchen Erkrankung geäußert oder eine ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erstattet hat. Der Senat hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 500 Euro festgesetzt, der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteiligung von drei Richtern sowie weiteren Mitarbeitern des Gerichts entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 oder 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) streitig.
Hinsichtlich des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts Hamburg vom 10. November 2005 verwiesen. Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen. Selbst wenn man davon ausginge, der Kläger sei über 2 ½ bis 3 Jahren Lösemitteln ausgesetzt gewesen, dürfte das Ausmaß der Exposition für das Hervorrufen einer toxischen Enzephalopathie nicht ausreichend gewesen sein. Außerdem sei es zweifelhaft, ob es sich bei den unspezifischen Befindlichkeitsstörungen um eine solche Erkrankung handele. Jedenfalls spreche der Krankheitsverlauf gegen eine berufliche Verursachung.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt. Zu Unrecht habe das Sozialgericht seine ablehnende Entscheidung auf die Gutachten von Dr. P. und Dr. S. gestützt. Zum einen handele es sich ausschließlich um Parteigutachten. Zum anderen werde der Befangenheitsantrag des Klägers gegen Dr. S. weiter aufrechterhalten und führe zur Unverwertbarkeit dieses Gutachtens. Es reiche nicht, wenn das Sozialgericht gegenüber dem Kläger lapidar mitteile, es halte das Gutachten für verwertbar. Eine kurze gutachterliche Stellungnahme von Herrn F. vom 26. Juli 2003 hat der Kläger zur Unterstützung seines Vorbringens vorgelegt. Hierin wird ausgeführt, dass das Gutachten von Prof. Dr. S. insbesondere wegen dessen internationalen Erkenntnissen widersprechenden Annahme, lösungsmittelbedingte Polyneuorpathien seien nach Ende der Exposition rückläufig, nicht überzeugend sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 10. November 2005 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. August 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. November 1998 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, bei dem Kläger eine toxische Enzephalopathie I. Grades sowie eine toxische Polyneuropathie als Berufskrankheit nach Nr. 1303 und/oder Nr. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und eine Verletztenrente zu gewähren, hilfsweise zum Beweis dafür, dass der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als Elektroinstallateur in der Tiefdruckabteilung der Firma R. Lösemittelexposition ausgesetzt war, die die mit dem Antrag geltend gemachten Berufskrankheiten verursacht haben, ein weiteres unabhängiges Sachverständigengutachten einzuholen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die erstinstanzliche Entscheidung sei nicht zu beanstanden.
Nach Einholung eines weiteren Befundberichtes des behandelnden Nervenarztes Dr. V., der jedoch zu seinen früheren Berichten nichts hinzuzufügen hatte, ist zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung der Arbeitsmediziner Dr. P. mit einer Begutachtung nach Aktenlage (Untersuchung freigestellt) beauftragt worden. In seinem Gutachten vom 5. April 2007 kommt er zu dem Ergebnis, bei dem Kläger lägen vielfältige psychische Befindlichkeitsstörungen vor, die sich diagnostisch als neurotisch-depressives Syndrom einordnen ließen. Unter Berücksichtigung der vom Sozialgericht durchgeführten Zeugenvernehmungen sei der Kläger gelegentlich in quantitativ nicht einzuschätzender Intensität organischen Lösemitteln ausgesetzt gewesen. Keine seiner Gesundheitsstörungen sei mit Wahrscheinlichkeit auf eine berufliche Lösemittelexposition zurückführbar. Weiter führt der Gutachter aus, dass seine Einschätzung mit den Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. S./Dr. W. sowie der Einschätzung der staatlichen Gewerbeärztin Dr. M.-B. übereinstimme. Dem Gutachten von Herrn F. könne nicht gefolgt werden. Dieser habe weder eine wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Expositionsbewertung vorgenommen noch die wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Krankheitsbild der toxischen Enzephalopathie bei seinen Ausführungen zugrunde gelegt.
Der Kläger hat Bedenken gegen die Unparteilichkeit von Dr. P. geäußert (ohne einen förmlichen Befangenheitsantrag zu stellen) und um Beauftragung eines weiteren Sachverständigen mit einer Begutachtung gebeten.
Wegen des Sachverhalts im Einzelnen wird auf die in der Sitzungsniederschrift vom 22. Mai 2007 aufgeführten Akten und Unterlagen verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) ist nicht begründet. Es kann unentschieden bleiben, ob überhaupt eine relevante Exposition des Klägers mit Lösemitteln vorliegt. Jedenfalls scheitert die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 1303 und/oder Nr. 1317 der Anlage zur BKV daran, dass bei dem Kläger keine der geltend gemachten Erkrankungen (Enzephalopathie und/oder Polyneuropathie) besteht.
Der Anspruch auf Anerkennung und Entschädigung setzt das Vorliegen einer Berufskrankheit voraus. Berufskrankheiten sind gemäß § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach § 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Dies bedeutet, dass die schädigende Einwirkung ursächlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen sein (sog. haftungsbegründende Kausalität) und die schädigende Einwirkung die Krankheit wesentlich (mit)verursacht haben muss (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Während die einzelnen Glieder dieser Kausalkette (versicherte Tätigkeit, schädigende Einwirkung, Gesundheitsschaden) mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen müssen, genügt für den Ursachenzusammenhang eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, d. h. es müssen mehr Gesichtspunkte dafür als dagegen sprechen. Allerdings reicht die bloße Möglichkeit eines Zusammenhanges nicht aus.
Zu den Berufskrankheiten zählen nach Nr. 1303 der Anlage zur BKV Erkrankungen durch Benzol, seine Homologe oder Styrol und nach Nr. 1317 Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösemittel oder deren Gemische. Keine dieser Erkrankungen liegt vor.
Das Vorliegen einer Enzephalopathie lässt sich nicht mit der erforderlichen, an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit feststellen. Wie Dr. P. in Übereinstimmung mit allen behandelnden Ärzten des Klägers überzeugend ausführt, liegen bei diesem psychische Befindlichkeitsstörungen vor, die sich diagnostisch als neurotisch-depressives Syndrom einordnen lassen und sich in zeitlichem Zusammenhang mit der Übernahme eines Firmenanteils an der väterlichen Firma durch den Kläger wesentlich verstärkten. Dr. P. legt damit auch dar, dass bei dem Kläger im Zeitpunkt des Auftretens der Befindlichkeitsstörungen eine besonders belastende Lebenssituation vorlag, die solche psychischen Reaktionen vollständig erklären kann. Im Rahmen der Rehabilitationsmaßnahme in S1. im Jahre 1997 wurde diese Diagnose aufgrund der neurologischen, psychiatrischen und testpsychologischen Untersuchungen ebenso gestellt. Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ergeben sich hingegen keine Anhaltspunkte für Beschwerden im zeitlichen Zusammenhang mit der Tätigkeit im R.-Werk. Der Kläger behauptet zwar, bereits in der Zeit beim R.-Werk starke Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, Taubheit im Kopf, Muskelschmerzen, Gelenkschmerzen, Vergesslichkeit, Konzentrationsstörungen und Depressionen gehabt zu haben. Eine Bestätigung hierfür kann den medizinischen Unterlagen jedoch nicht entnommen werden. Nach dem Vorerkrankungsverzeichnis ist erstmals im Jahre 1981 insgesamt dreimal ein psychovegetatives Syndrom erwähnt, gefolgt von stressbedingten Magenbeschwerden im Jahre 1984. Diagnosen auf psychischem Gebiet gibt es dann erst wieder ab 1989, während zuvor Infekte, Lumbalgien und Bluthochdruck Gründe für Krankschreibungen waren. Die Fachärzte für Innere Medizin S2./ M. behandelten den Kläger 1981 wegen Bluthochdrucks und ab 1989 wegen Angstgefühlen sowie Unruhe. Im Jahre 1991 wurde eine Verhaltenstherapie eingeleitet und 1996 erfolgte eine Behandlung wegen psychovegetativer Erschöpfung. Erstmals 1997 erwähnen die behandelnden Ärzte Beschwerden, wie sie der Kläger bereits während der Tätigkeit bei dem R.-Werk gehabt haben will. Die Behandlung durch den Nervenarzt Dr. V. begann ausweislich seiner Berichte erst im Jahre 1994, so dass der Kläger ihm zur Zeit der Tätigkeit bei dem R.-Werk noch keine Beschwerden vorgetragen haben kann. Dr. V. behandelte den Kläger damals zunächst nur wegen eines Unfalls. Er erwähnt einen weitergehenden Beschwerdevortrag des Klägers erst in seinem Bericht von 1997.
Das Gericht folgt mit Dr. P. nicht der von der allgemeinen Auffassung in der medizinischen Wissenschaft abweichenden Meinung des Gutachters F., die SPECT-Untersuchung habe einen Aussagewert für die Funktionsfähigkeit des Gehirns als Organ. Vielmehr lässt sich mit ihr allenfalls die Aktivität bestimmter Gehirnregionen im Moment der Untersuchung belegen. Damit lässt sie keine verlässliche Schlussfolgerung auf eine Hirnerkrankung zu. Ebenso wenig reicht die Annahme einer besonderen Empfindlichkeit für Chemikalien nicht zum Beleg des Vorliegens einer Enzephalopathie. Auch ansonsten vermag das Gutachten von Herrn F. nicht zu überzeugen. Er gibt für seine Einschätzung keine nachvollziehbare Begründung an. Dabei unterstellt er die Angabe des Klägers, seine Beschwerden seien bereits während der Tätigkeit bei dem R.-Werk aufgetreten, trotz fehlender Dokumentation als richtig. Wie oben bereits dargelegt, trifft dies jedoch nicht zu.
Die Diagnose einer Polyneuropathie taucht zwar in einem Rezept des Chirurgen Dr. D. aus dem Jahre 1998 auf, wird jedoch in dessen Befundbericht nicht bestätigt. Lediglich Herr F. erwähnt in seinem Gutachten auch diese Erkrankung. Dabei ist er von den Angaben des Klägers ausgegangen. Seinem Gutachten, in dem das Vorliegen einer Polyneuropathie ohne Angabe einer Begründung behauptet wird, kann – wie oben ausgeführt – nicht gefolgt werden. Eine objektivierende Diagnostik kann seinem Gutachten nicht entnommen werden. Bei der ersten Begutachtung durch Dr. P. konnte dieser einen solchen Befund nicht erheben und ihm wurden auch keine derartigen Beschwerden vorgetragen. Die im Rehazentrum in S1. im Jahre 1997 durchgeführten Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass eine Polyneuropathie ausgeschlossen werden kann. Auch andere Ärzte nennen keine Befunde, die eine solche Diagnose stützen.
Es kann unentschieden bleiben, ob das Gutachten von Prof. Dr. S. verwertbar ist, denn nach Überzeugung des Senats steht das Nichtvorliegen der geltend gemachten Erkrankungen auch ohne dessen Berücksichtigung fest.
Der Senat hat keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Gutachten von Dr. P., denn für eine Parteilichkeit dieses Arztes sind nachvollziehbare Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Auch hatte der Senat keinen Anlass zur Einholung weiterer medizinischer Gutachten. Das gilt auch im Hinblick auf den hilfsweise gestellten Beweisantrag. Dieser Antrag zielt im Übrigen auf den Beweis der Kausalität zwischen der (ebenfalls unter Beweis gestellten) Exposition und dem Entstehen der Erkrankung. Da es vorliegend bereits an der Erkrankung fehlt, kann die Frage der Ursächlichkeit keine rechtliche Relevanz haben.
Der Senat hat von der Möglichkeit, Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen, im vorliegenden Fall Gebrauch gemacht. Der Kläger hat den Rechtsstreit fortgeführt, obwohl ihm und seinem Bevollmächtigten von der Vorsitzenden im Sitzungstermin am 22. Mai 2007 die Missbräuchlichkeit der weiteren Rechtsverfolgung ausführlich dargelegt worden ist und beide auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden sind. Die Rechtsverfolgung im Berufungsverfahren ist missbräuchlich gewesen, weil angesichts der erdrückenden Gutachtenlage, gegen die der Kläger Argumente nicht vorbringen konnte, die Rechtsverfolgung offensichtlich aussichtslos war. Dies war dem Kläger auch schon deswegen deutlich, weil sich – wie er selbst dargelegt hat – alle ihn behandelnden Ärzte trotz ausdrücklicher Aufforderung geweigert haben, ihm das Vorliegen einer Enzephalopathie oder einer Polyneuropathie zu bestätigen und im Übrigen auch keiner dieser Ärzte jemals den Verdacht des Vorliegens einer solchen Erkrankung geäußert oder eine ärztliche Anzeige einer Berufskrankheit erstattet hat. Der Senat hat die Verschuldenskosten auf den pauschalen Betrag von 500 Euro festgesetzt, der schätzungsweise durch die Absetzung und Zustellung des Urteils unter Beteiligung von drei Richtern sowie weiteren Mitarbeitern des Gerichts entsteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
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