S 8 AL 191/05

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 8 AL 191/05
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Eingliederungszuschuss setzt \"psychische Kausalität\" voraus, d.h. der
Erhalt der Leistung muss Einstellungsmotiv des Arbeitgebers sein.
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über einen Eingliederungszuschuss.

Gegenstand des Unternehmens der Klägerin sind Makler-, Bauträger- und Baubetreuungs-tätigkeiten. Für das Unternehmen war die gelernte Wirtschaftskauffrau.J. tätig, und zwar von 1993 bis 1996 als Sekretärin. Nach Erziehungszeit war sie ab November 2000 arbeits-los und arbeitete seit Februar 2002 erneut im Unternehmen der Klägerin als Bürokraft im Nebenverdienst. Sie war dort nach eigenen Angaben als Bürokauffrau 14 Stunden die Wo-che beschäftigt. Durch Arbeitsvertrag vom 01.07.2004 war sie ab 01.07.2004 als "Teamas-sistentin" für 30 Stunden in der Woche tätig bei einem Gehalt von 1.600,00 EUR monatlich.

Am 07.09.2004 beantragte die Klägerin für J. einen Eingliederungszuschuss. Ausdrücklich erklärte sie, dass die Arbeitnehmerin früher nicht in dem Betrieb beschäftigt gewesen sei. Sie reichte einen "Einarbeitungsplan" ein, der eine Heranführung an die arbeitsvertragliche Tätigkeit bis zur Übernahme der Leitung des Innendienstes ab der 46. Woche vorsah.

Durch Bescheid vom 15.09.2004 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Arbeitnehmerin gehöre nicht zum förderbedürftigen Personenkreis, weil sie bereits eine mehrjährige Be-rufspraxis als Sekretärin und Bürokauffrau habe. Sie sei bereits seit Februar 2002 im Ne-benverdienst für die Klägerin tätig. Die erforderlichen Kenntnisse für eine Teamassistentin seien bereits vorhanden. Der eingereichte Einarbeitungsplan entspreche einer betriebsübli-chen Einarbeitung. Zudem gäbe es genügend geeignete Bewerber, die ohne entsprechende Förderung vermittelbar seien. Da das arbeitsmarktpolitische Interesse das Interesse des Arbeitgebers überwiege, sei keine Zahlung des begehrten Zuschusses möglich.

Hiergegen legte die Klägerin am 11.10.2004 Widerspruch ein. Die eingestellte Arbeitneh-merin sei bereits über mehrere Jahre arbeitslos gewesen und alleinerziehend. Die bisher bei ihr im Unternehmen ausgeübte Tätigkeit sei eine bloße Nebenbeschäftigung gewesen, weil sie bloße Hilfstätigkeiten, wie Botengänge und Kopienfertigen, verrichtet habe. Demge-genüber stehe das durch den Arbeitsvertrag dokumentierte Ziel, sie innerbetrieblich zur Teamassistentin mit dem Ziel Baukauffrau auszubilden. Dies bedinge eine große Eigen-verantwortung und Spezialkenntnisse im Bauwesen.

Ausweislich eines internen Vermerks der Mitarbeiterin der Beklagten, Frau S. habe ihr Herr L. von der Klägerin mitgeteilt, dass die Arbeitnehmerin nicht für sie, sondern für die "Z. GmbH" mit Sitz in M. und hiesiger Niederlassung in der ...tätig sei. Durch Schreiben der J. an die Beklagte vom 12.07.2004 beantragte sie als "Office-Managerin" der "A ... GmbH" ihrerseits für dieses Unternehmen einen Einarbeitungszuschuss für die Einstellung weiterer Mitarbeiter.

Durch Widerspruchsbescheid vom 17.02.2005, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin zugegangen am 25.02.2005, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Arbeitnehme-rin führe seit Februar 2002 als Bürokauffrau Bürotätigkeiten für die Klägerin aus. Grund-sätzlich habe die subventionsfreie Vermittlung Vorrang vor der Vermittlung mit Leistun-gen der aktiven Arbeitsförderung. Bei dem von ihr auszuübenden Ermessen seien die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Der Umfang der zu ver-mittelnden Kenntnisse übersteige hier jedoch die Möglichkeiten des Förderungsinstrumen-tes Eingliederungszuschuss, zumal dadurch keine Minderleistungen ausgeglichen würden. Der Arbeitsvertrag sei im Übrigen ohne Vermittlungsbemühungen der Beklagten zustande gekommen. Eine freie Stelle sei nicht vermittelt worden, sodass das Interesse des Arbeit-gebers an der Einstellung dieser Arbeitnehmerin gegenüber den arbeitsmarktpolitischen Interessen der Beklagten nicht überwiege. Hierbei sei zu beachten, dass der Eingliede-rungszuschuss kein Mittel der allgemeinen Wirtschaftsförderung darstelle.

Die Klägerin hat deswegen am 24.03.2005 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben. Die Arbeitnehmerin sei nunmehr seit fast 6 Jahren arbeitslos gewesen, sodass sich ihre Einstel-lung als förderfähig erweise, zumal sie wegen der Dauer ihrer Arbeitslosigkeit als schwer vermittelbar gelte. Zudem sei sie als Frau ohnehin auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt. Ihre Einstellung sei nur im Hinblick auf den Eingliederungszuschuss erfolgt. Die bei ihr noch vorhandenen Defizite könnten durch innerbetriebliche Weiterbildung nicht ausgeglichen werden. In ihrer Person lägen Vermittlungshemmnisse, sodass sie wie eine Berufsrückkeh-rerin zu behandeln und zu fördern sei.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 15.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Antrag der Klägerin auf einen Eingliederungszuschuss in gesetzlicher Höhe für die ab 01.07.2004 eingestellte Arbeitnehmerin J. neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes zu verbescheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Aktenin-halt, eine Gerichtsakte sowie einen Verwaltungsvorgang der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die als Bescheidungsklage statthafte Klage ist zulässig, aber nicht begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 15.09.2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.02.2005 begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die Ablehnung der Zahlung eines Ein-gliederungszuschusses für J. erfolgte zu Recht.

§ 217 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) in der Fassung ab 01.01.2004 bestimmt, dass Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen Zu-schüsse zu den Arbeitsentgelten erhalten können, wenn deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegende Umstände erschwert ist. Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang einer Minderleistung des Arbeitnehmers und nach den jeweiligen Ein-gliederungserfordernissen. Nach Maßgabe des § 218 Abs. 1 SGB III darf der Eingliede-rungszuschuss 50 % des berücksichtigungsfähigen Arbeitsentgeltes nicht übersteigen und längstens für eine Förderdauer von 12 Monaten erbracht werden.

Wie aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften hervorgeht, steht die Gewährung des Eingliederungszuschusses im Ermessen der Bundesagentur für Arbeit. Fernmündlich hatte die Beklagte unstreitig bereits bei formloser fernmündlicher Antragstellung der Klägerin am 19.05.2004 mitgeteilt, dass der Eingliederungsaufwand auf Grund des Arbeitsmarkt-programms 2004 regelmäßig nur eine Förderdauer von 6 Monaten und 30 % des berück-sichtigungsfähigen Arbeitsentgelts beinhaltet. Gleichwohl hat die Klägerin einen Einarbei-tungsplan über 45 Wochen, d. h. mehr als 10 Monate, vorgelegt, unter Bezifferung der Höhe der zu erwartenden Minderleistungen auf 50 % statt der berücksichtigungsfähigen 30 %. Zudem hatte ihr die Beklagte den Antragsvordruck ohne Förderzusage übersandt.

Die Klage bleibt indes in der Sache ohne Erfolg, denn das Gericht hat einen Ermessens-fehlgebrauch bzw. eine Ermessensunterschreitung nicht zu erkennen vermocht. Die gesetz-lichen Voraussetzungen der Vorschrift hat die Beklagte zutreffend erkannt und umgesetzt. Ein Einarbeitungsbedarf wegen individueller Leistungsdefizite der Arbeitnehmerin war nicht zu eruieren. Hierbei war insbesondere die Tatsache zu berücksichtigen, dass sie be-reits seit Februar 2002 in Teilzeit für das Unternehmen der Klägerin tätig war. Dass hier in Gestalt der Arbeitnehmerin besondere Vermittlungshemmnisse bestehen sollen, vermoch-te das Gericht nicht nachzuvollziehen. Im Übrigen erscheint es dann widersinnig, dass sie trotzdem zugleich als "Office-Managerin" für ein Tochterunternehmen der Klägerin, der A. GmbH, tätig geworden ist. Dieser Widerspruch war auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung klägerseitig nicht aufklärbar. Den Aktenvermerk der Beklagten durch Frau S. vom 26.07.2004 hat sie nicht substanziiert bestritten, weshalb der Schluss nahe liegt, dass die Arbeitnehmerin im streitgegenständlichen Zeitraum nicht nur für die Klägerin tätig geworden sein kann.

Selbst wenn man eine Einstellung der Arbeitnehmerin im Unternehmen der Klägerin ent-sprechend dem geschlossenen Arbeitsvertrag unterstellen wollte, fehlt es für die Inan-spruchnahme der begehrten Leistung am erforderlichen Kausalzusammenhang. Nach § 217 Satz 1 SGB III muss die Beschäftigung des Arbeitnehmers "zur Eingliederung" erfolgen. Dies setzt nach Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts zumindest eine "psychische Kausalität" voraus, d. h. der Erhalt der Leistung (Eingliederungszuschuss) muss Motiv für die Einstellung des Arbeitnehmers sein, d. h. subjektives Ziel (wie hier: Brandts, in: Niesel, SGB III-Kommentar, 3. Auflage, § 217 Rdnr. 29). Daran fehlt es indes, wenn – wie hier – betriebliche oder persönliche Gründe für die Beschäftigung gerade dieses Arbeitnehmers dominieren. Vorliegend war die Arbeitnehmerin bereits in dem Unternehmen der Klägerin zuvor beschäftigt gewesen, hat sich dort bewährt und für weitere (höherrangige) Aufgaben empfohlen, sodass eine Leistungsminderung, die durch den Eingliederungszuschuss aus-zugleichen wäre, nicht festzustellen war.

In diesem Zusammenhang ist es auch nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte darauf ab-stellt, ob sie selbst durch Vermittlung leistungsgeminderter Arbeitnehmer in eine offene Stelle des Arbeitsplatzanbieters involviert worden ist. Dies war hier nicht der Fall. Im Ge-genteil wäre eine Besetzung dieser Stelle nach den unwidersprochenen und nachvollzieh-baren Angaben der Beklagten jederzeit mit entsprechend gleich qualifizierten Personen wie J. möglich gewesen, ohne dass es hierbei eines besonderen Förderinstrumentariums bedurft hätte. Somit erweist sich eine Mittelausreichung nicht mehr als wirtschaftlich. Nach § 7 SGB III hat die Agentur für Arbeit aber bei der Auswahl von Ermessensleistungen der ak-tiven Arbeitsförderung den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten und die für den Einzelfall am besten geeignete Leistung oder Kombination von Leistungen zu wählen. Dabei ist grundsätzlich auf die Fähigkeit der zu fördernden Personen, die Auf-nahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und den anhand der Ergebnisse der Beratungs- und Vermittlungsgespräche ermittelten arbeitsmarktpolitischen Handlungsbedarf abzustellen.

Wenn die Klägerin sich demgegenüber darauf beruft, dass die Arbeitnehmerin als Frau insoweit arbeitsmarktpolitisch benachteiligt sein solle, ist gerichtskundig, dass gerade im Bürobereich, insbesondere bei Bürokaufleuten, die weitaus überwiegende Anzahl der Be-werber weiblichen Geschlechts ist. Es handelte sich im Übrigen auch um keine Berufs-rückkehrerin, da sie selbst in dem Unternehmen seit 1992, zunächst als Sekretärin, gearbei-tet hatte und nach Erziehungszeit und Arbeitslosigkeit im Nebenverdienst seit Februar 2002 für das Unternehmen weiter tätig war. Wenig glaubhaft erscheint es dem Gericht, dass sie dort reine Hilfstätigkeiten (Botengänge und Kopierarbeiten) verrichtet haben soll. Zudem hatte sie selbst gegenüber der Beklagten angegeben, dort als Bürokauffrau im Ne-benverdienst beschäftigt zu sein. Insoweit wäre die Arbeitnehmerin für diese Tätigkeiten weitaus überqualifiziert.

Da nach den zuvor getroffenen Feststellungen das Interesse der Klägerin als Arbeitgeberin nicht gegenüber den arbeitsmarktpolitischen Interessen überwiegt, erwies sich die Einstel-lung von J. in dem Unternehmen, sofern diese tatsächlich stattgefunden haben soll, nicht als vorrangig gegenüber dem arbeitsmarktpolitischen Interesse. Die Versagung eines Ein-gliederungszuschusses war damit nicht ermessensfehlerhaft erfolgt, sodass die Klage dem-zufolge mit der sich aus § 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen war.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der gefolgt wird, findet § 197 a Sozi-algerichtsgesetz (SGG) bei der Gewährung von Eingliederungszuschüssen keine Anwen-dung, weil es sich insoweit um eine Leistung aus dem Versicherungsverhältnis handelt (so: BSG, Urteil vom 22.09.2004, Az: B 11 AL 33/03 R).
Rechtskraft
Aus
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