L 16 AL 72/06

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 60 AL 1118/05-30
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 AL 72/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:
I.

Der Kläger begehrt die Zahlung eines Insolvenzgeldvorschusses in Höhe von 3.700,00 EUR.

Der 1953 geborene Kläger war als Gebäudereinigungsmeister bei der D D I- und G GmbH (D GmbH) bis zu seiner Kündigung durch den Arbeitgeber zum 31. August 2004 beschäftigt. Ab 01. September 2004 war er bei der D G GmbH beschäftigt. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die D GmbH war am 19. August 2004 gestellt worden. Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 23. Dezember 2004 einen Vorschuss nach § 42 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) auf das zu erwartende Insolvenzgeld in Höhe von 3.700,00 EUR und überwies diesen Betrag auf das im Antrag des Klägers vom 21. September 2004 angegebene Konto des D T (D.T.) bei der D Bank AG (Kontonummer ). Der Betrag wurde dem Konto des D.T. am 29. Dezember 2004 gutgeschrieben.

Der Kläger teilte der Beklagten im Januar 2005 telefonisch mit, dass er den Vorschuss nicht erhalten habe. Das im Antrag angegebene Konto sei nicht sein Konto. Er habe es auch nicht in das Formular eingetragen. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 03. Februar 2005 gegenüber dem Kläger die erneute Auszahlung des Insolvenzgeldvorschussbetrages ab.

Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen: Durch seinen Arbeitgeber sei er veranlasst worden, im Antrag auf Insolvenzgeld die Bankverbindung offen zu lassen; dies habe vom Arbeitgeber nachgetragen werden sollen. Er sei damit einverstanden gewesen und habe keine rechtlichen Nachteile oder etwa einen Missbrauch befürchtet, da sowohl auf dem Antrag selbst als auch in einem Merkblatt der Beklagten darauf hingewiesen worden sei, dass der Zahlungsempfänger mit dem Kontoinhaber identisch sein müsse. Tatsächlich habe der Arbeitgeber nicht seine Bankverbindung, sondern die eigene (des Arbeitgebers) eingetragen. Die Beklagte habe nicht mit schuldbefreiender Wirkung geleistet. Die Erfüllung trete bei Zahlung einer Geldschuld durch Überweisung erst dann ein, wenn der geschuldete Betrag auch auf dem Konto des Gläubigers, hier also auf seinem Konto, gutgeschrieben werde. Die Gefahr der Übermittlung einer Geldschuld trage gemäß § 270 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) der Schuldner der Leistungsverpflichtung.

Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die auf die Zahlung des Insolvenzgeldvorschusses in Höhe von 3.700,00 EUR gerichtete Klage mit Urteil vom 15. Dezember 2005 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Klage sei nicht begründet. Es handele sich um eine echte Leistungsklage iS von § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Der Anspruch auf Zahlung des Vorschusses auf Insolvenzgeld sei durch die Zahlung an den im Antragsformular aufgeführten Dritten erloschen. Ebenso wie im Bürgerlichen Recht gemäß § 362 Abs. 2 BGB könne mit Einwilligung des Berechtigten an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung auch im öffentlichen Recht geleistet werden. Die Angabe des Dritten im Insolvenzgeld-Antragsformular stelle sich für die Beklagte nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt (vgl. §§ 133, 157 BGB) als eine Zahlungsanweisung dar. Durch den Hinweis im Antragsformular und im Merkblatt, dass der Zahlungsempfänger mit dem Kontoinhaber identisch sein müsse, sei eine Zahlung an einen Dritten nicht ausgeschlossen. Zum einen werde nicht der Leistungsempfänger aufgeführt. Zum anderen solle hierdurch nur eine Rücküberweisung durch die Bank vermieden werden, wenn Kontoinhaber und Zahlungsempfänger nicht identisch seien. Aus Rechtsscheinsgründen ergebe sich, dass der Kläger das Risiko einer abredewidrigen Angabe der Kontoverbindung trage, weil er das Antragsformular hinsichtlich der Kontoverbindung blanko unterzeichnet und damit bewusst unvollständig ausgefüllt habe. Einen verfälschten Antrag müsse er nach den allgemeinen Regeln des Blankettmissbrauchs gegen sich gelten lassen. Der vom Kläger angeführte § 270 BGB betreffe lediglich den Zahlungsort. Diese Vorschrift sei nicht maßgebend, da das Geld nicht während der Übermittlung verloren gegangen sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 15. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn den Insolvenzgeldvorschuss in Höhe von 3.700,00 EUR zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf die für überzeugend gehaltenen Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Sie legt eine Bestätigung der D Bank AG vom 02. Februar 2007 über die Gutschrift des Betrages vom 3.700,00 EUR am 29. Dezember 2004 auf das im Antragsformular angegebene Konto des D.T. vor.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 SGG die Berufung durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Er hat gegen die Beklagten keinen mit der echten Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) durchsetzbaren Anspruch auf Zahlung des im Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 2004 der Höhe nach festgestellten Anspruchs auf Zahlung von Insolvenzgeld nach §§ 183 ff Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - (SGB III) als Vorschuss (§ 42 SGB I). Denn der mit diesem Bescheid festgestellte Anspruch in Höhe von 3.700,00 EUR ist mit der Gutschrift des gesamten Vorschussbetrages auf das im Antrag angegebene Konto des D.T. gemäß § 362 BGB erloschen.

Nach § 47 SGB I sollen, soweit die besonderen Teile dieses Gesetzbuches keine Regelung enthalten, Geldleistungen kostenfrei auf ein Konto des Empfängers bei einem Geldinstitut überwiesen, oder, wenn es der Empfänger verlangt, kostenfrei an seinen Wohnsitz übermittelt werden. Hinsichtlich der rechtlichen Beurteilung von Geldschulden, etwa als Schickschulden und damit auch hinsichtlich der Gefahrtragung, gelten ergänzend die zivilrechtlichen Vorschriften. Nach § 362 BGB muss für die Erfüllung des Zahlungsanspruchs die geschuldete Leistung bewirkt sein, d.h. es kommt nicht auf die Leistungshandlung, sondern auf den Leistungserfolg an. Die Erfüllung tritt daher erst mit Eingang der Leistung beim Gläubiger (Erfüllungsort) ein. Dabei genügt es, wenn die Geldleistung auf dem Konto, über das der Leistungsempfänger auch verfügungsberechtigt ist, gutgeschrieben wird. Verfügt der Gläubiger über mehrere Konten und teilt er dem Schuldner ein bestimmtes Bankkonto mit, besteht grundsätzlich kein Einverständnis mit der Überweisung auf ein anderes Konto des Gläubigers. Die Zahlung eines Leistungsträgers auf ein anderes als das von dem Leistungsempfänger bestimmte Konto hat grundsätzlich keine Tilgungswirkung (vgl. BSG, Urteil vom 14. August 2003, B 13 RJ 11/03 R = SozR 4-7610 § 362 Nr. 1, mwN).

Hiervon ausgehend war die Beklagte verpflichtet, die Zahlung auf das - aus der Sicht eines objektiven Empfängers (§§ 133, 157 BGB) - im Antrag auf Insolvenzgeld angegebene Konto zu leisten, auch wenn der Kontoinhaber und der Anspruchsberechtigte in diesem Fall nicht identisch sind. Die Beklagte hat entsprechend der Zahlungsanweisung im Antragsformular an einen Dritten zum Zweck der Erfüllung geleistet (§ 362 Abs. 2 BGB). Mit Gutschrift des Betrages auf das Konto des D.T. ist Erfüllung eingetreten. Der Kläger hat daher gegen die Beklagte keinen Anspruch mehr auf Zahlung des Insolvenzgeldvorschussbetrages. Auf die vom Kläger zitierte Vorschrift des § 270 BGB, die Besonderheiten hinsichtlich des Leistungsortes bei Geldschulden ("qualifizierte Schickschuld" - vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Auflage, § 270 Rn. 1) regelt, kommt es nicht an. Denn der Vorschussbetrag wurde nachweislich am 29. Dezember 2004 dem Konto des D.T. gutgeschrieben.

Dabei muss der Kläger die Angaben im Antragsformular zu der Kontoverbindung gegen sich gelten lassen. Er hat das Antragsformular nach seinen eigenen Angaben unvollständig ausgefüllt. Der Antrag ist mit seiner Unterschrift versehen in den Rechtsverkehr gelangt. Die abredewidrige Bestimmung der Kontoverbindung im Antragsformular muss er nach den in Analogie zu § 172 Abs. 2 BGB entwickelten Grundsätzen des Blankettmissbrauchs (vgl. BGHZ 40, 65, 68; 40, 297, 304 f; 113, 48, 53) gegen sich gelten lassen. Ob er gegen den D.T. einen zivilrechtlichen Anspruch auf Herausgabe des erlangten Vorschussbetrages hat, bedarf hier keiner Entscheidung.

Der Hinweis im Antragsformular und im Merkblatt, dass der Zahlungsempfänger mit dem Kontoinhaber identisch sein muss, schließt schließlich eine Zahlungsanweisung im Sinne des § 362 Abs. 2 BGB nicht aus. Durch diesen Hinweis soll nur die ordnungsgemäße Anwicklung der bargeldlosen Überweisung sichergestellt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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