L 10 R 5256/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 2999/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 5256/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Umstritten ist die Gewährung höherer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit.

Die LVA W. erteilte dem 1967 geborenen Kläger am 9. Februar 1995 eine "unverbindliche" Rentenauskunft hinsichtlich einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Auskunft (Blatt 25 Verwaltungsakten) verwiesen.

Der Kläger, der noch keine Rente bezog, erhob am 6. Oktober 2000 gegen die - in § 255c Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i. d. F. vom 22. Dezember 1999 i. V. m. der Verordnung zur Anpassung der Renten (RAV) im Jahre 2000 vom 31. Mai 2000 geregelte - Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 "Widerspruch", weil diese rechtswidrig sei.

Mit Bescheid vom 5. Juli 2001 bewilligte die Beklagte dem Kläger aufgrund seines Antrags vom November 2000 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 1. November 2000. Wegen der Einzelheiten der Rentenberechnung wird auf diesen Rentenbescheid verwiesen. Dagegen erhob der Kläger am 18. Juli 2001 Widerspruch. Zunächst machte er geltend, für die Zeit vom 16. Dezember 1998 bis 30. April 2000 berücksichtigte Beiträge wegen Krankengeldbezugs seien fälschlicherweise an die LVA W. entrichtet worden und der Rentenbescheid sei insofern zu korrigieren. Später erhob er unter Bezugnahme auf den "Widerspruch" vom 6. Oktober 2000 Einwendungen wegen der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000. Die versehentlich unter der falschen Versicherungsgruppe gespeicherten Beiträge für 16. Dezember 1998 bis 30. April 2000 korrigierte die Beklagte ohne Erteilung eines neuen Bescheides, da dies keine Auswirkung auf die Rentenberechnung hätte. Den mit Hinweis auf die gerügte Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 fortgeführten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2002 zurück, da der Rentenbescheid nach Prüfung nicht zu beanstanden sei.

Deswegen hat der Kläger am 27. März 2002 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Er hat geltend gemacht, die Rentenanpassungen zum 1. Juli 2000 sowie 1. Juli 2001 sowie die vor Beginn seiner Rente vom Gesetzgeber bereits vorgenommenen Rentenkürzungen, die sich bei seiner Erwerbsunfähigkeitsrente auswirkten, seien rechtswidrig. Außerdem habe die vorläufige Berechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente durch die LVA W. vom 9. Februar 1995 bereits einen höheren Betrag ergeben, obwohl er zwischenzeitlich weitere Beiträge entrichtet habe. Dies sei verfassungswidrig.

Die Beklagte hat geltend gemacht, die Rente sei entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen berechnet und alle rentenrelevanten Zeiten seien berücksichtigt. Die Rentenauskunft vom 9. Februar 1995 sei nicht rechtsverbindlich gewesen. Zwischenzeitlich seien erhebliche Rechtsänderungen, u. a. durch das Wachstums- und Beschäftigungsförderungsgesetz (WFG) vom 27. September 1996, eingetreten. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits zu Einschnitten bei der Rente durch das am 1. Januar 1992 in Kraft getretene SGB VI deren Verfassungswidrigkeit im Hinblick auf die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, insbesondere wenn nur Rentenanwartschaften betroffen seien und keine übermäßige oder unzumutbare Belastung vorliege, verneint. Im Übrigen habe das BSG auch hinsichtlich der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000 die Sonderregelung des § 255c SGB VI für nicht verfassungswidrig erachtet.

Das SG hat mit Urteil vom 10. Oktober 2005 die Klage abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Urteilsgründe verwiesen.

Gegen das am 29. November 2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Dezember 2005 Berufung eingelegt und im Wesentlichen auf seine früheren Begründungen verwiesen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 10. Oktober 2005 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 5. Juli 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2002 zu verurteilen, ihm höhere Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist u.a. auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Der vom Kläger angefochtene Rentenbescheid vom 5. Juli 2001 ist rechtmäßig.

Die von der Beklagten vorgenommene Berechnung der Rente entspricht den gesetzlichen Bestimmungen für die Berechnung der Rente zum maßgeblichen Zeitpunkt, insbesondere auch § 255c SGB VI in der bis 26. März 2001 geltenden Fassung i. V. m. der RAV im Jahre 2000 sowie § 255c SGB VI in der ab 27. März 2001 geltenden Fassung (Neufassung durch Art.1 Nr. 51 Altersvermögens-Ergänzungsgesetz vom 21. März 2001) i. V. m. der RAV im Jahr 2001. In § 255c SGB VI in der bis 26. März 2001 geltenden Fassung wurde - abweichend von §§ 68, 255a SGB VI - festgelegt, dass der aktuelle Rentenwert zum 1. Juli 2000 nicht nach der Entgeltentwicklung der Arbeitnehmer zu berechnen ist, sondern in dem Verhältnis, in dem der Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet des jeweils vergangenen Kalenderjahres von dem Preisindex für die Lebenshaltung aller privaten Haushalte im Bundesgebiet im jeweils vorvergangenen Kalenderjahr abweicht. In § 255c SGB VI in der ab 27. März 2001 geltenden Fassung wurde diese Regelung insofern zurückgenommen, als die Rentenanpassungen für die Zeit ab 1. Juli 2001 wieder entsprechend der Entgeltentwicklung der Arbeitnehmer zu erfolgen hatte. Dass die Berechnung gemäß diesen Vorschriften erfolgte, wird vom Kläger auch nicht bestritten.

Bezüglich der Rentenanpassung zum 1. Juli 2001 ist - wie dargelegt - bereits die Beschränkung auf die Entwicklung der Lebenshaltungskosten wieder zurückgenommen worden, so dass insofern eine weitere Einschränkung für den Kläger nicht erfolgte. Soweit der Kläger geltend macht, die von der Beklagten angewandten gesetzlichen Bestimmungen verstießen gegen höherrangiges Recht und könnten demzufolge nicht herangezogen werden, vermag der Senat dies nicht festzustellen. Die in § 255c SGB VI in der Fassung bis 26. März 2001 getroffene Regelung hinsichtlich der Rentenanpassung zum 1. Juli 2000, die sich auch auf die Höhe der dem Kläger ab 1. November 2000 bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auswirkt, verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Der Senat verweist insofern auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 31. Juli 2002, B 4 RA 120/00 R, veröffentlicht in BSGE 90, 11, wonach die zum 1. Juli 2000 gesetzlich angeordnete Aussetzung der an der Lohn- und Gehaltsentwicklung der Aktiven orientierten Rentendynamisierung und deren Ersetzung durch die Anpassung nach der Inflationsrate weder die Eigentumsgarantie nach Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch das durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG und mit dem Rechtsstaatsprinzip garantierte Recht auf Rente verletzt. Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung in vollem Umfang an.

Soweit der Kläger auf vor Beginn seiner Rente vom Gesetzgeber vorgenommene Einschränkungen hinsichtlich der Rentenansprüche verweist und diese für rechts- bzw. verfassungswidrig erachtet, sieht der Senat hierfür keinen Anhalt. Insbesondere besteht kein Anhalt für eine Verfassungswidrigkeit des WFG, das Einschränkungen auch in Bezug auf die dem Kläger bewilligte Rente wegen Erwerbsunfähigkeit mit sich brachte. Der Gesetzgeber hat insofern seinen Gestaltungsspielraum auch hinsichtlich der im Zeitpunkt der gesetzlichen Neuregelung gegebenenfalls bestehenden Rentenanwartschaften, wie der des Klägers vor Beginn seiner Rente, nicht überschritten (vgl. hierzu auch BSG a.a.O. und BSG, Urteil vom 23. Mai 1995, 13/4 RA 13/94 jeweils mit Hinweisen zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Grundrechtsschutz von Rentenanwartschaften). Soweit der Kläger im Übrigen pauschal und nicht näher substantiiert behauptet, der Gesetzgeber habe rechtswidrig Einschränkungen vor Bewilligung seiner Rente vorgenommen, die sich auf die Höhe der Rente auswirkten, vermag der Senat keinen Verstoß des Gesetzgebers gegen höherrangiges Recht nicht zu erkennen. Die Regelungen sind, soweit eine Auswirkung auf die Höhe der Rente des Klägers überhaupt in Betracht kommt, zur Überzeugung des Senats verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit der Kläger sich auf die Rentenauskunft vom 9. Februar 1995 bezieht, ergibt sich hieraus kein Anspruch auf höhere Rente. Ungeachtet dessen, dass die von der damaligen LVA W. erteilte Rentenauskunft von einem anderen Versicherungsfall ausgeht, als dem, der der Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers zugrunde liegt, handelte es sich um eine unverbindliche Auskunft, die bereits den Hinweis enthielt, dass sie unter Anwendung des ab 1. Januar 1992 geltenden Rechts erteilt wurde und sich aus künftig wirksam werdenden neuen Rechtsvorschriften Änderungen ergeben könnten. Angesichts dessen ist hieraus kein Anspruch auf höhere Rente abzuleiten.

Da der Rentenbescheid hinsichtlich der beanstandeten Rentenhöhe rechtmäßig ist (die Speicherung von Beiträgen als solche zur Rentenversicherung der Arbeiter anstehende zur Rentenversicherung der Angestellten, die von der Beklagten auch korrigiert wurde, hat keine Auswirkungen auf die Rentenhöhe), hat das SG zu Recht die Klage abgewiesen. Deswegen ist die Berufung zurückzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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