L 12 RA 92/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 35 RA 1347/00 W02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 12 RA 92/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt eine höhere Altersrente für Frauen ab dem 1. November 1993.

Die 1933 geborene Klägerin gehörte ab dem 1. Oktober 1965 der Altersversorgung der Intelligenz an wissenschaftlichen, künstlerischen, pädagogischen und medizinischen Einrichtungen an. Sie hatte im Jahr 1990 ihren Wohnsitz im Beitrittsgebiet.

Unter dem Datum 27. August 1993 erließ der Versorgungsträger für die Zusatzversorgungssysteme einen Bescheid über die festgestellten Arbeitsentgelte nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG). Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Auf Antrag bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 14. September 1993 eine Altersrente für Frauen ab dem 1. November 1993 in Höhe von 1.878,98 DM bzw. nach Abzug des Beitragsanteils der Rentner zur Krankenversicherung in Höhe von 1.761,55 DM. Auch hiergegen erhob die Klägerin keinen Widerspruch.

Mit Bescheid vom 8. Juni 1995 lehnte die Beklagte die Zahlung der Rente in Höhe des Besitzschutzbetrages nach § 4 Abs. 4 des AAÜG ab, da die im Rentenbescheid angekündigte Prüfung ergeben habe, dass die nach dem Sechsten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VI) berechnete Rente der Klägerin höher sei als der Besitzschutzbetrag. Der nach § 4 Abs. 4 AAÜG maßgebliche Besitzschutzbetrag belaufe sich monatlich auf 1.467,98 DM. Aus dem beigefügten Berechnungsbogen ergibt sich, dass die Beklagte von einer Sozialversicherungspflichtrente (Stand 1. Juli 1991) von 872 DM und einer Zusatzversorgung zum 1. August 1991 von 505 DM ausgegangen ist. Diese Beträge ergeben einschließlich der Erhöhung um 6,84 % die Höhe des Besitzschutzbetrages von 1.467,98 DM. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 5. Juli 1995 Widerspruch, den sie mit Schreiben vom 31. August 1995 zurücknahm.

Am 18. März 1997 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Rentenbescheides vom 14. September 1993, weil als Folge der sogenannten Systementscheidung nur sehr geringe Teile ihres Anspruchs aus Zusatzversorgung in die Rentenversicherung überführt und bis zur Beitragsbemessungsgrenze berücksichtigt worden seien. Mit Bescheid vom 7. April 1997 lehnte die Beklagte eine Änderung des Bescheides vom 14. September 1993 ab, da der Rentenbescheid nach den geltenden Bestimmungen erteilt worden sei. Dagegen erhob die Klägerin Widerspruch. Auf Nachfrage teilte sie am 16. November 1999 mit, dass sie den Widerspruch nicht als erledigt betrachte. Wegen der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 28. April 1999 müsse vielmehr eine verfassungskonforme Auslegung der Zahlbetragsgarantie des Einigungsvertrages erfolgen, die auch für ihre Rente Relevanz besitze. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Bescheid vom 14. September 1993 könne nicht nach § 44 Abs. 1 oder 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zurückgenommen werden, weil weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Beklagte als Rentenversicherungsträger sei an den Überführungsbescheid des Versorgungsträgers gebunden, weshalb hierzu keine Sachentscheidung habe getroffen werden dürfen.

Dagegen richtet sich die am 15. Februar 2000 erhobene Klage, die mit der fehlenden Dynamisierung des mit Bescheid vom 8. Juli 1995 festgestellten Besitzschutzbetrages begründet worden ist.

Die Beklagte hat im Klageverfahren grundsätzlich anerkannt, dass die Altersrente nach § 4 Abs. 4 AAÜG in Anwendung des § 10 Abs. 1 AAÜG neu zu berechnen und eine Dynamisierung des nach dem Einigungsvertrag besitzgeschützten Zahlbetrages vorzunehmen sei. Sie hat die Rente der Klägerin mit Bescheid vom 21. Juni 2000 für die Zeit ab dem 1. Mai 1999 neu berechnet, wobei sie den besitzgeschützten Zahlbetrag mit dem aktuellen Rentenwert und nicht mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) dynamisiert hat. Da die nach dem SGB VI berechnete Rente immer höher war als der nach der Vergleichsberechnung gemäß § 4 Abs. 4 AAÜG ermittelte Besitzschutzbetrag, hat sie keinen Nachzahlungsbetrag errechnet.

Die Klägerin hat sich vor allem dagegen gewandt, dass eine Vergleichsberechnung erst ab 1. Mai 1999 und nicht von Anfang an sowie die Dynamisierung mit dem aktuellen Rentenwert statt mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) stattfinde.

Das Sozialgericht hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 21. Juni 2004). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 28. April 1999 sowohl die Bescheide des Zusatzversorgungsträgers, als auch die Bescheide der Beklagten bestandskräftig gewesen seien.

Zwar habe die Klägerin bereits im Jahr 1997 einen Überprüfungsantrag gestellt, dieser durchbreche die Bestandskraft jedoch nicht. Die Dynamisierung des Besitzschutzbetrages mit dem aktuellen Rentenwert und nicht mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) entspreche den Entscheidungen des Bundessozialgerichts (BSG).

Gegen den ihr am 4. August 2004 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 1. September 2004 erhobene Berufung der Klägerin. Sie begehrt eine Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrages ab dem 1. Januar 1992 (intern) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) und nicht mit dem aktuellen Rentenwert und eine Vergleichsberechnung bereits ab dem 1. November 1993 und nicht erst ab dem 1. Mai 1999. Zur Begründung trägt sie vor, dass sie vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur einen Überprüfungsantrag gestellt habe, sondern dieser bereits von der Beklagten beschieden worden sei, wodurch die Beklagte in eine erneute Sachprüfung eingetreten sei. Mit ihrem Bescheid vom 7. April 1997 habe die Beklagte auch nicht etwa den Überprüfungsantrag wegen der Bindungswirkung des Rentenbescheides als unzulässig zurückgewiesen, sondern sich inhaltlich mit ihrem Begehren auseinandergesetzt und mit der Rechtsbehelfsbelehrung die Möglichkeit zum Widerspruch hiergegen eröffnet. Auch die Materialien zu der Übergangsvorschrift des 2. AAÜG – Änderungsgesetzes sprächen für ihre Auffassung, denn in der Gesetzesbegründung heiße es:

" Bestandskräftige Bescheide, gegen die ein Antrag auf Aufhebung nach § 44 SGB X gestellt und dieser am 25. April 1999 noch nicht beschieden war, sind ebenfalls mit Wirkung vom 1. Mai 1999 unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts neu zu bescheiden" (Bundestagsdrucksache 14/5640 Seite 41).

Daraus folge im Umkehrschluss, dass ein Rentenbescheid, gegen den ein Antrag nach § 44 SGB X gestellt und dieser vor dem 28. April 1999 beschieden worden sei, nicht erst ab dem 1. Mai 1999, sondern von Anfang an neu zu bescheiden sei. Es bestehe daher ein Anspruch auf Neuberechnung der Rente ab dem 1. November 1993 (Rentenbeginn). Schließlich richte sich die Berufung gegen die Art und Weise der Dynamisierung des Besitzschutzbetrages. Es sei nicht verfassungskonform, dass nach den aktuellen Rentenwerten und nicht nach den aktuellen Rentenwerten (Ost) dynamisiert werde.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 21. Juli 2004 und den Bescheid vom 7. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2000 aufzuheben, den Rentenbescheid vom 21. Juni 2000 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, den Rentenbescheid vom 14. September 1993 teilweise zurückzunehmen und

1. eine Rentenberechnung mit dem besitzgeschützten Zahlbetrag bereits ab dem 1. November 1993 durchzuführen,

2. den besitzgeschützten Zahlbetrag in Höhe von 1.467,98 DM ab dem 1. Januar 1992 (intern) mit dem aktuellen Rentenwert (Ost) und nicht nach dem aktuellen Rentenwert zu dynamisieren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine höhere Altersrente für Frauen oder eine andere Berechnung ihrer Altersrente auf der Grundlage einer Vergleichsberechnung nach § 4 Abs. 4 AAÜG.

Die Beklagte hat der Klägerin mit Bescheid vom 14. September 1993 Altersrente gewährt. Dieser Bescheid ist nicht angefochten und damit bindend geworden. Zwar ist nach § 44 Abs.1 SGB X ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit – ganz oder teilweise – zurückzunehmen, wenn sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden ist und deshalb zu Unrecht Sozialleistungen nicht erbracht worden sind. Die Beklagte war jedoch bei Erlass des Bescheides vom 14. September 1993 von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen und hat auch das damalige Recht korrekt angewandt. Sie hat es deshalb zu Recht mit Bescheid vom 7. April 1997 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2000 abgelehnt, den Rentenbescheid vom 14. September 1993 über die Altersrente für Frauen ab dem 1. November 1993 teilweise zurückzunehmen. Auch der Bescheid vom 21. Juni 2000 mit der Rentenberechnung ab dem 1. Mai 1999, der kraft Klage Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits geworden ist, ist nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat die Altersrente für Frauen nach den allgemeinen Vorschriften des SGB VI zutreffend berechnet; auch die Klägerin erhebt insoweit keine Einwendungen. Entgegen ihrer Auffassung ist auch die Vergleichsberechnung nach dem AAÜG nicht zu beanstanden.

Die Klägerin hatte bereits nach der Ursprungsfassung des § 4 Abs. 4 AAÜG (a.F.) Anspruch auf eine Vergleichsberechnung zwischen dem besitzgeschützten Zahlbetrag und der nach dem SGB VI berechneten Rente, denn sie hatte am 18. Mai 1990 ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Beitrittsgebiet, und ihre Altersrente begann am 1.November 1993, also zwischen dem 1. Januar 1992 und dem 31. Dezember 1993. Es war daher nach § 4 Abs. 4 AAÜG a.F. bei Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem – wie bei der Klägerin – ein Vergleich zwischen der nach dem SGB VI berechneten Rente und dem Monatsbetrag vorzunehmen, der sich als Summe aus Rente und Versorgung auf der Grundlage des am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet geltenden Rentenrechts und der zu diesem Zeitpunkt maßgebenden leistungsrechtlichen Regelungen des jeweiligen Versorgungssystems zum 1. Juli 1990, erhöht um 6,84 vom Hundert, ergab. Dieser Betrag war so lange zu zahlen, bis die nach den Vorschriften des SGB VI berechnete Rente diesen Betrag erreichte (vgl. § 4 Abs. 4 AAÜG a.F.). Eine solche Vergleichsberechnung hat die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 8. Juni 1995 vorgenommen und zutreffend festgestellt, dass der so errechnete besitzgeschützte Zahlbetrag von 1467,98 DM seit Beginn der Altersrente niedriger war als die nach dem SGB VI berechnete Altersrente für Frauen und daher kein Anspruch auf Leistung einer Altersrente in Höhe des Besitzschutzbetrages statt der originären SGB VI-Rente bestand.

Die Klägerin beansprucht zu Unrecht, dass eine Vergleichsberechnung ihrer Altersrente von Anfang an und nicht erst ab dem 1. Mai 1999 mit einem dynamisierten Besitzschutzbetrag durchgeführt wird. Die Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrages in § 4 Abs. 4 AAÜG ist durch das 2. AAÜG-ÄndG auf Grund der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) in der Entscheidung vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3) angeordnet worden; die Vorschrift ist mit Wirkung zum 1. Mai 1999 in Kraft getreten (vgl. Art 11 Abs. 1 des 2. AAÜG-ÄndG). Auf dieser Grundlage hat die Beklagte zu Recht mit Rentenbescheid vom 21. Juni 2000 eine Vergleichsberechnung mit dem dynamisierten Zahlbetrag ab dem 1. Mai 1999 durchgeführt.

Das 2. AAÜG-ÄndG sieht ein früheres Inkrafttreten – zum 1. Januar 1992 – der Änderungen in § 4 Abs. 4 AAÜG nur vor für Personen, für die am 28. April 1999 ein Rentenbescheid noch nicht bindend war. Für die Klägerin war der Rentenbescheid vom 14. September 1993 jedoch bindend, da sie ihn hat bestandskräftig werden lassen. An der Bindung im Sinne von § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ändert auch ihr Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X nichts, da die Beklagte es abgelehnt hat, den Bescheid vom 14. September 1993 (teilweise) zurückzunehmen. Die Klägerin verkennt, dass eine Entscheidung im Verfahren nach § 44 SGB X, mit der die Rücknahme des ursprünglichen Verwaltungsaktes abgelehnt wird, die Bestandskraft des ursprünglichen Verwaltungsaktes gerade nicht beseitigt. Erst wenn – und soweit – die Beklagte den ursprünglichen Verwaltungsakt zurücknimmt, wird die Bestandskraft durchbrochen (und ist das Verfahren wieder "offen").

Zu Unrecht meint die Klägerin, aus der Gesetzesbegründung zu Art 11 Abs. 5 des 2. AAÜG-ÄndG, in der beispielhaft für den Anwendungsbereich der Übergangsregelung der Fall genannt wird, dass ein Antrag nach § 44 SGB X am Stichtag "nicht beschieden" war, sei "im Umkehrschluss" zu folgern, dass ein früheres Inkrafttreten auch bei bestandskräftigen Bescheiden gelte, wenn ein Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X gestellt war und darüber bereits am 25. April 1999 – wie bei ihr – eine Entscheidung der Beklagten vorliege. Unabhängig davon, dass maßgebend das Gesetz und nicht die Gesetzesbegründung ist, ist der "Umkehrschluss" verfehlt. Liegt nämlich auch im Überprüfungsverfahren bereits eine (bindende) Entscheidung vor, fehlt es schon deshalb an der Voraussetzung eines am 28. April 1999 noch nicht bindenden Rentenbescheides. Im Falle der Klägerin war aber der Bescheid der Beklagten im Überprüfungsverfahren von der Klägerin angefochten und damit im Sinne der Gesetzesbegründung gerade nicht (endgültig) "beschieden".

Ohne Erfolg begehrt die Klägerin auch, dass der besitzgeschützte Zahlbetrag nach dem aktuellen Rentenwert (Ost) und nicht nach dem aktuellen Rentenwert dynamisiert wird. § 4 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AAÜG i.d.F des 2. AAÜG-ÄndG sieht vor, den durch den Einigungsvertrag besitzgeschützten (anzupassenden) Zahlbetrag, das heißt den - gemessen am Einigungsvertrag rechtmäßigen - Gesamtanspruch auf (fiktive) Sozialversicherungs- und (fiktive) Zusatzversorgungsrente entsprechend den Anpassungsvorschriften für den aktuellen Rentenwert zu dynamisieren. Dass diese Dynamisierung nach dem aktuellen Rentenwert dem Gesetz (§ 4 Abs. 4 AAÜG i.V.m. §§ 63 Abs. 7, 68 SGB VI) entspricht, räumt auch die Klägerin ein. Sie meint jedoch, aus verfassungsrechtlichen Gründen müsse eine höhere Dynamisierung nach dem Rentenwert (Ost) erfolgen.

Gegen die Verfassungsmäßigkeit von § 4 Abs. 4 AAÜG idF des 2. AAÜG-ÄndG und der danach vorzunehmenden Dynamisierung entsprechend den Anpassungsvorschriften für den aktuellen Rentenwert (§§ 63 Abs. 7, 68 SGB VI) bestehen jedoch keine Bedenken. Diese Vorschriften sind auf Grund der Vorgaben des BVerfG in der Entscheidung vom 28. April 1999 (BVerfGE 100, 1 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3) und der verfassungskonformen Auslegung durch das BSG im Urteil vom 3. August 1999 (BSGE 84, 180) ergangen (vgl. BT-Drucks 14/5640, S 13/14). Die Gesetzgebung ist allein an die verfassungsmäßige Ordnung und an die Grundrechte gebunden (Art 20 Abs. 3, Art 1 Abs. 3 GG). Der parlamentarische Gesetzgeber entscheidet eigenverantwortlich darüber, auf welchen Sachverhalt er abstellen will und wie ein verfassungsrechtlich vorgegebener Regelungsrahmen ausgefüllt werden soll.

Die in § 4 Abs. 4 AAÜG n.F. getroffene Regelung über die Dynamisierung des besitzgeschützten Zahlbetrags verstößt weder gegen die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs. 1 GG noch gegen Art 3 Abs. 1 GG. Der Gesetzgeber hat in Wahrnehmung seiner Aufgabe nach Art 14 Abs. 1 Satz 2 GG, der Bestimmung von Inhalt und Schranken des Eigentums, die sich aus dem Einigungsvertrag EV (Nr. 9 Buchst b Satz 4 und 5) für Bestandsrentner und rentennahe Jahrgänge des Beitrittsgebiets ergebende Zahlbetragsgarantie unter Eigentumsschutz gestellt (BVerfGE 100, 1, 51 = SozR 3-8570 § 10 Nr. 3). Ihr kommt, wie das BVerfG ausgeführt hat, eine zentrale Schutzfunktion zu. Sie gleicht Nachteile aus, die sich aus der sogenannten Systementscheidung ergeben (vgl. BVerfGE 100, 1, 51 = SozR 3-8570 § 10 Nr 3). Der besitzgeschützte Zahlbetrag soll eine unverhältnismäßige Verminderung der Alterssicherung verhindern, die wertmäßigen, durch die Überführung verursachten Einbußen der Betroffenen ausgleichen und darüber hinaus gewährleisten, dass er sich nicht inflationsbedingt fortlaufend verringert. Der besitzgeschützte Zahlbetrag soll mit einer Dynamisierung nach dem aktuellen Rentenwert die Systementscheidung sozialverträglich gestalten.

Damit stellt diese Dynamisierung einen ausgewogenen Ausgleich zwischen den Belangen der Allgemeinheit und den Individualinteressen dar. Denn sie berücksichtigt einerseits die Interessen der rentennahen Jahrgänge des Beitrittsgebietes, die bis zum Eintritt des Versicherungsfalls des Alters nicht mehr in der Lage waren, selbst noch hinreichend Vorsorge für ihre Altersversorgung zu treffen; andererseits wird berücksichtigt, dass es sich bei dem Zahlbetrag um eine nicht auf Beiträgen beruhende Rechtsposition handelt, sondern um eine steuerfinanzierte Leistung (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 –B 4 RA 112/00 R-). Infolgedessen ist auch mit Rücksicht auf die insoweit in Anspruch genommenen Steuerzahler in der gesamten Bundesrepublik, die (typischerweise) zusätzlich durch ihre Beiträge zur Finanzierung der gesetzlichen Rentenversicherung beitragen, eine Anpassung - entsprechend den für diese Personen geltenden Vorschriften - an die Lohn- und Einkommensverhältnisse im gesamten Bundesgebiet angemessen. Der über den Wert der jeweiligen SGB VI-Rente liegende Teil des "besitzgeschützten Zahlbetrages" beruht auf nicht versicherten und deshalb vom Schutz der Rentenversicherung schlechthin nicht erfassten Entgelten; insoweit, das heißt der Höhe nach, handelt es sich also um ein eigenständiges Recht, das sich nicht aus der Systematik der gesetzlichen Rentenversicherung herleiten lässt, ihr vielmehr fremd ist, auf keinen Tatbestand in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgeführt werden kann und insbesondere nicht auf dem aktuellen Rentenwert (Ost) beruht. Eine Anwendung der rentenversicherungsrechtlichen, übergangsrechtlichen Anpassungsvorschriften "Ost" entsprechend der auf versicherten Entgelten und auf dem aktuellen Rentenwert (Ost) fußenden SGB VI-Rente ist daher weder vom Einigungsvertrag, der diese Sonderregelungen noch nicht kannte, vorgeschrieben noch verfassungsrechtlich geboten.

Im Gegenteil wäre dies mit dem Einigungsvertrag (Nr. 9 Buchst b Satz 4 und 5) unvereinbar. Würde nämlich in jedem Einzelfall der zahlbetragsgeschützte Wert entsprechend den allgemeinen Veränderungen des Nettodurchschnittseinkommens der Arbeitnehmer des Beitrittsgebietes angehoben werden, würde er entsprechend dynamisch über dem jeweils individuell durch Vorleistung erlangten Wert der SGB VI-Rente liegen, der selbst uneingeschränkt an die Lohn- und Einkommensentwicklung des Beitrittsgebiets und demgemäß nach den besonderen und höheren Anpassungsfaktoren "Ost" angepasst wird. Der wertmäßige Abstand zwischen diesen Beträgen würde sich - entgegen dem Einigungsvertrag - mithin nicht verringern, sondern vergrößern. Dies hätte zur Folge, dass aus der aus Gründen des Vertrauensschutzes geschaffenen Zahlbetragsgarantie, welche die Überführung der Ansprüche und Anwartschaften aus den Versorgungssystemen in die Rentenversicherung des Beitrittsgebiets - zum 31. Dezember 1991 - (lediglich) sozialverträglich gestalten sollte, auf Dauer eine aus dem Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nicht begründbare, expansiv ansteigende Zusatzrente neben der SGB VI-Rente geschaffen würde, welche der Einigungsvertrag gerade nicht bewilligt, sondern abgeschafft hat (BSG, Urteil vom 31. Juli 2002 –B 4 RA 112/00 R-).

Auch das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich die Dynamisierung nach dem aktuellen Rentenwert statt nach dem aktuellen Rentenwert (Ost) für vereinbar mit den Grundrechten erklärt (Nichtannahmebeschluss vom 15. September 2006 – 1 BvR 799/98). Es hat die Intention des Gesetzgebers gebilligt, ein einheitliches Rentenversicherungssystem auf der Grundlage des SGB VI zu schaffen und darauf hingewiesen, dass diese Zielsetzung praktisch unerreichbar wäre, wenn auch der besitzgeschützte Zahlbetrag mit dem Faktor aktueller Rentenwert (Ost) angepasst würde. Darin liege auch keine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG, da es für die unterschiedliche Anpassung der SGB VI-Renten und des Zahlbetrages hinreichend rechtfertigende Gründe gebe (BVerfG, aaO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt das Ergebnis des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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