Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
86
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 86 KR 660/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in Verbindung mit einer Präimplantationsdiagnostik (PID) in Belgien.
Die im Jahre 1974 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einem Gendefekt (x-chromosomal vererbte Septische Granulomatose), der von ihr an 50 v. H. ihrer männlichen Nachkommen weitergegeben wird. Dieser Gendefekt führt bei männlichen Nachkommen zu einer Störung des Immunsys-tems und löst lebensbedrohliche Erkrankungen aus. Töchter werden – wie die Klägerin – zu 50 v. H. Über-trägerinnen des Defekts. Am 28. August 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Maßnahmen zur künstlichen Herbeiführung einer Schwangerschaft (In-Vitro-Fertilisation (IVF) / intra-cytoplasmatische Spermien-Injektion (ICSI)) in Verbindung mit einer PID in einer belgischen Klinik. Ziel sollte der Ausschluss eines Gendefekts bei dem Embryo sein. Dieses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. September 2003 ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2004 zurück.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sie in Deutsch-land nicht die Möglichkeit habe, den Gendefekt bei dem Embryo frühzeitig ausschließen zu lassen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 19. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu ver-urteilen, die Krankenhausbehandlung der Klägerin zur Durchführung von Maß-nahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (In-Vitro-Fertilisation (IVF) / intracytoplasmatische Spermien-Injektion (ICSI)) mit Präimplantationsdi-agnostik (PID) zu bewilligen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die ambulanten Kosten dieser Maßnahmen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die geforderte PID nach bundesdeutschem Recht verboten sei. Eine Leistungspflicht für eine solche Behandlung im Ausland komme nicht in Betracht. Zudem seien die nach bundesdeutschem Recht geforderten Voraussetzungen für die Gewährung einer medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht erfüllt.
Das Gericht hat die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. S zu den Einzelheiten der Behand-lung befragt und den Nationalen Ethikrat sowie das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissen-schaften (DRZE) um Auskunft ersucht. Wegen des Ergebnisses der Auskunftsersuchen wird auf den Befund-bericht der Ärztin Dr. S vom 29. Oktober 2004 und die Auskünfte des Nationalen Ethikrates vom 21. Juli 2006 und des DRZE vom 21. August 2006 verwiesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvortrages wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Kammer kann mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschei-den (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Richtige Klageart ist, soweit hier eine ambulante Behandlung in Belgien im Streit ist, die Anfechtungs- und Feststellungsklage, weil es eines genehmigenden Bescheides der Beklagten für ambulante Behandlungen grundsätzlich nicht bedarf (§ 13 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Soweit eine Kranken-hausbehandlung in Belgien im Streit ist, ist hier die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung nach § 13 Abs. 5 SGB V die richtige Klageart.
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Leistung der geforderten Maß-nahmen sind nach bundesdeutschem Recht nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die in anderen Staaten der Europäischen Union in Anspruch genommen werden, ist zunächst § 13 Abs. 4 SGB V. Hiernach besteht ein Anspruch auf Erstattung solcher Aufwendungen in Höhe der Vergütung, die die Kran-kenkasse bei der Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Ist eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der EU möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erfor-derlichen Behandlung auch ganz übernehmen (§ 13 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Abweichend von § 13 Abs. 4 SGB V können Krankenhausleistungen im EU-Ausland nur nach vorheriger Zustimmung durch die Kranken-kasse in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkennt-nisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann (§ 13 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 18. März 2004, Az. C-8/02 Rdnr. 48 und EuGH SozR 4-6030 Art. 59 Nr. 1) ist es aber allein Sache der Mitgliedsstaaten, den Umfang des Krankenversicherungsschutzes für die Versicherten zu bestimmen. Die Übernahme der Kosten für ihre Versorgung kann nur insoweit verlangt werden, als das Krankenversicherungssystem des Mitgliedsstaats der Versicherungszugehörigkeit eine Deckung garantiert (EuGH SozR, ebd.)
Hiernach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Leistungen.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der PID überhaupt um eine "Krankenbehandlung" im Sinne der §§ 13 Abs. 4 und 5 SGB V handelt. Die PID ist jedenfalls keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (IVF / ICSI) sind nach bundesdeutschem Recht zudem nicht erfüllt.
Nach des Feststellungen des Gerichts, die auf der Auskunft der behandelnden Frauenärztin Dr. S beruhen, erfüllt die Klägerin Leistungsvoraussetzungen für die Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 a SGB V i.V.m. § 92 SGB V und den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Kranken-kassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (RL künstliche Befruchtung) nicht, weil die Spermiogramme ihres Ehegatten die maßgeblichen Grenzwerte nicht unterschreiten. IVF und ICSI standen bisher nach Aussage der Ärztin auch gar nicht zur Diskussion, weil die Klägerin bereits zweimal spontan schwanger wurde.
Ebenso wenig hat die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung bzw. Kostenerstattung für eine PID durch die Beklagte. Es gibt keine gesetzliche Anspruchsgrundlage (§ 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) für diese medizinische Leistung. Soweit es sich im Rechtssinne um eine neue Untersuchungs- und Behand-lungsmethode handelt, sind deren Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Denn nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn dies in den einschlägigen Richtlinien vorgesehen ist. In der Richtlinie des Gemeinsames Bundesausschuss zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung) in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48; zuletzt geändert am 19. September 2006, ver-öffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 226 ist die PID nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen beschrieben. Ein "Systemversagen", das Anlass gäbe, der Klägerin die Kostenerstattung bzw. die Behand-lung gleichwohl zuzusprechen (hierzu grundlegend: BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) ist hier nicht zu erken-nen. Zu einem derartigen Systemversagen hat das BSG (ebd.) zwar zutreffend ausgeführt, dass es trotz grundsätzlicher Verbindlichkeit der Richtlinie nicht völlig in das Belieben des Gemeinsamen Bundesaus-schusses gestellt werden könne, wie und wann er über eine Methode befindet. Es stehe auch nicht im freien Belieben der antragsberechtigten Gruppierungen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Vielmehr komme – quasi als Regulativ – eine Erstattungspflicht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ohne Aufnahme in den Positivkatalog der Richtlinien dann in Betracht, wenn aus sachfremden Erwägungen oder schlicht mit Verschleppungsabsicht ein Anerkennungsverfahren nicht in angemessener Zeit beantragt oder durchgeführt wurde. Eine solche Situation vermag das Gericht allerdings nicht festzustellen. Denn die rechtliche und ethische Bewertung der PID in der Bundesrepublik Deutschland ist sehr umstritten. Die Dis-kussionen hierzu sind weiterhin nicht abgeschlossen (DRZE, Dossier Präimplantationsdiagnostik, Februar 2004, 109 ff; Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, 17. Aus-schuss gemäß § 56 a der Geschäftsordnung, Bundestagsdrucksache 15/3500; Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, Stellungnahme, Herausgeber: Nationaler Ethikrat 2003; Beckmann, ZfL 2002, 1999). Zudem wird zu fordern sein, dass die PID wegen der Schwere des Eingriffs in den Schutzbe-reich des Lebens (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)) durch den Gesetzgeber geregelt wird und nicht durch den gemeinsamen Bundesausschuss. Auch böte nur eine genaue gesetzliche Regelung eine gewisse Gewähr dafür, dass die PID vor einer Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche-rungen gesellschaftlich in breitem Umfang diskutiert wird (vgl. Bericht, Bundestagsdrucksache 15/2500 Seite 75).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Berufung ist gemäß den §§ 143, 144 SGG statthaft.
Die Sprungrevision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier streitigen Rechtsfragen zuzulassen (§ 161 Abs.1, 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft in Verbindung mit einer Präimplantationsdiagnostik (PID) in Belgien.
Die im Jahre 1974 geborene Klägerin ist Mitglied der Beklagten. Sie leidet an einem Gendefekt (x-chromosomal vererbte Septische Granulomatose), der von ihr an 50 v. H. ihrer männlichen Nachkommen weitergegeben wird. Dieser Gendefekt führt bei männlichen Nachkommen zu einer Störung des Immunsys-tems und löst lebensbedrohliche Erkrankungen aus. Töchter werden – wie die Klägerin – zu 50 v. H. Über-trägerinnen des Defekts. Am 28. August 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Maßnahmen zur künstlichen Herbeiführung einer Schwangerschaft (In-Vitro-Fertilisation (IVF) / intra-cytoplasmatische Spermien-Injektion (ICSI)) in Verbindung mit einer PID in einer belgischen Klinik. Ziel sollte der Ausschluss eines Gendefekts bei dem Embryo sein. Dieses lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 10. September 2003 ab. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2004 zurück.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt im Wesentlichen vor, dass sie in Deutsch-land nicht die Möglichkeit habe, den Gendefekt bei dem Embryo frühzeitig ausschließen zu lassen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Bescheid der Beklagten vom 10. September 2003 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheides vom 19. Februar 2004 aufzuheben und die Beklagte zu ver-urteilen, die Krankenhausbehandlung der Klägerin zur Durchführung von Maß-nahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (In-Vitro-Fertilisation (IVF) / intracytoplasmatische Spermien-Injektion (ICSI)) mit Präimplantationsdi-agnostik (PID) zu bewilligen und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die ambulanten Kosten dieser Maßnahmen zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass die geforderte PID nach bundesdeutschem Recht verboten sei. Eine Leistungspflicht für eine solche Behandlung im Ausland komme nicht in Betracht. Zudem seien die nach bundesdeutschem Recht geforderten Voraussetzungen für die Gewährung einer medizinischen Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nicht erfüllt.
Das Gericht hat die Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtshilfe Dr. S zu den Einzelheiten der Behand-lung befragt und den Nationalen Ethikrat sowie das Deutsche Referenzzentrum für Ethik in den Biowissen-schaften (DRZE) um Auskunft ersucht. Wegen des Ergebnisses der Auskunftsersuchen wird auf den Befund-bericht der Ärztin Dr. S vom 29. Oktober 2004 und die Auskünfte des Nationalen Ethikrates vom 21. Juli 2006 und des DRZE vom 21. August 2006 verwiesen.
Die Beteiligten haben einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil zugestimmt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvortrages wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist unbegründet.
Die Kammer kann mit der Zustimmung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entschei-den (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)).
Richtige Klageart ist, soweit hier eine ambulante Behandlung in Belgien im Streit ist, die Anfechtungs- und Feststellungsklage, weil es eines genehmigenden Bescheides der Beklagten für ambulante Behandlungen grundsätzlich nicht bedarf (§ 13 Abs. 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)). Soweit eine Kranken-hausbehandlung in Belgien im Streit ist, ist hier die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Genehmigung nach § 13 Abs. 5 SGB V die richtige Klageart.
In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Die Voraussetzungen zur Leistung der geforderten Maß-nahmen sind nach bundesdeutschem Recht nicht erfüllt.
Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung, die in anderen Staaten der Europäischen Union in Anspruch genommen werden, ist zunächst § 13 Abs. 4 SGB V. Hiernach besteht ein Anspruch auf Erstattung solcher Aufwendungen in Höhe der Vergütung, die die Kran-kenkasse bei der Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte (§ 13 Abs. 4 Satz 3 SGB V). Ist eine dem allgemeinen anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der EU möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erfor-derlichen Behandlung auch ganz übernehmen (§ 13 Abs. 4 Satz 5 SGB V). Abweichend von § 13 Abs. 4 SGB V können Krankenhausleistungen im EU-Ausland nur nach vorheriger Zustimmung durch die Kranken-kasse in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkennt-nisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann (§ 13 Abs. 5 Satz 2 SGB V). Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 18. März 2004, Az. C-8/02 Rdnr. 48 und EuGH SozR 4-6030 Art. 59 Nr. 1) ist es aber allein Sache der Mitgliedsstaaten, den Umfang des Krankenversicherungsschutzes für die Versicherten zu bestimmen. Die Übernahme der Kosten für ihre Versorgung kann nur insoweit verlangt werden, als das Krankenversicherungssystem des Mitgliedsstaats der Versicherungszugehörigkeit eine Deckung garantiert (EuGH SozR, ebd.)
Hiernach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Gewährung der beantragten Leistungen.
Es kann dahinstehen, ob es sich bei der PID überhaupt um eine "Krankenbehandlung" im Sinne der §§ 13 Abs. 4 und 5 SGB V handelt. Die PID ist jedenfalls keine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung in der Bundesrepublik Deutschland. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung der Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (IVF / ICSI) sind nach bundesdeutschem Recht zudem nicht erfüllt.
Nach des Feststellungen des Gerichts, die auf der Auskunft der behandelnden Frauenärztin Dr. S beruhen, erfüllt die Klägerin Leistungsvoraussetzungen für die Maßnahme zur Herbeiführung einer Schwangerschaft nach § 27 a SGB V i.V.m. § 92 SGB V und den Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Kranken-kassen (heute: Gemeinsamer Bundesausschuss) über ärztliche Maßnahmen zur künstlichen Befruchtung (RL künstliche Befruchtung) nicht, weil die Spermiogramme ihres Ehegatten die maßgeblichen Grenzwerte nicht unterschreiten. IVF und ICSI standen bisher nach Aussage der Ärztin auch gar nicht zur Diskussion, weil die Klägerin bereits zweimal spontan schwanger wurde.
Ebenso wenig hat die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung bzw. Kostenerstattung für eine PID durch die Beklagte. Es gibt keine gesetzliche Anspruchsgrundlage (§ 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) für diese medizinische Leistung. Soweit es sich im Rechtssinne um eine neue Untersuchungs- und Behand-lungsmethode handelt, sind deren Leistungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Denn nach § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V dürfen in der vertragsärztlichen Versorgung neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn dies in den einschlägigen Richtlinien vorgesehen ist. In der Richtlinie des Gemeinsames Bundesausschuss zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztlicher Versorgung) in der Fassung vom 17. Januar 2006, veröffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 48; zuletzt geändert am 19. September 2006, ver-öffentlicht im Bundesanzeiger 2006 Nr. 226 ist die PID nicht als Leistung der gesetzlichen Krankenkassen beschrieben. Ein "Systemversagen", das Anlass gäbe, der Klägerin die Kostenerstattung bzw. die Behand-lung gleichwohl zuzusprechen (hierzu grundlegend: BSG SozR 3-2500 § 135 Nr. 4) ist hier nicht zu erken-nen. Zu einem derartigen Systemversagen hat das BSG (ebd.) zwar zutreffend ausgeführt, dass es trotz grundsätzlicher Verbindlichkeit der Richtlinie nicht völlig in das Belieben des Gemeinsamen Bundesaus-schusses gestellt werden könne, wie und wann er über eine Methode befindet. Es stehe auch nicht im freien Belieben der antragsberechtigten Gruppierungen, einen entsprechenden Antrag zu stellen. Vielmehr komme – quasi als Regulativ – eine Erstattungspflicht für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ohne Aufnahme in den Positivkatalog der Richtlinien dann in Betracht, wenn aus sachfremden Erwägungen oder schlicht mit Verschleppungsabsicht ein Anerkennungsverfahren nicht in angemessener Zeit beantragt oder durchgeführt wurde. Eine solche Situation vermag das Gericht allerdings nicht festzustellen. Denn die rechtliche und ethische Bewertung der PID in der Bundesrepublik Deutschland ist sehr umstritten. Die Dis-kussionen hierzu sind weiterhin nicht abgeschlossen (DRZE, Dossier Präimplantationsdiagnostik, Februar 2004, 109 ff; Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung, 17. Aus-schuss gemäß § 56 a der Geschäftsordnung, Bundestagsdrucksache 15/3500; Genetische Diagnostik vor und während der Schwangerschaft, Stellungnahme, Herausgeber: Nationaler Ethikrat 2003; Beckmann, ZfL 2002, 1999). Zudem wird zu fordern sein, dass die PID wegen der Schwere des Eingriffs in den Schutzbe-reich des Lebens (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG)) durch den Gesetzgeber geregelt wird und nicht durch den gemeinsamen Bundesausschuss. Auch böte nur eine genaue gesetzliche Regelung eine gewisse Gewähr dafür, dass die PID vor einer Aufnahme in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversiche-rungen gesellschaftlich in breitem Umfang diskutiert wird (vgl. Bericht, Bundestagsdrucksache 15/2500 Seite 75).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Berufung ist gemäß den §§ 143, 144 SGG statthaft.
Die Sprungrevision ist wegen der grundsätzlichen Bedeutung der hier streitigen Rechtsfragen zuzulassen (§ 161 Abs.1, 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
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