L 7 SO 577/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 SO 4980/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 577/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 6. Dezember 2006 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die ausgesprochene Verpflichtung zur darlehensweisen Gewährung von Grundsicherung in Höhe von 138,14 EUR monatlich längstens bis Ende August 2007 befristet wird.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

Gründe:

Die unter Beachtung der Vorschrift des § 173 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht Karlsruhe (SG) nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), hat keinen Erfolg. Die Leistungsverpflichtung des Antragsgegners ist allerdings angesichts der bisherigen Dauer des Verfahrens bis einschließlich August 2007 zu verlängern und gleichzeitig zu begrenzen. Bis dahin muss das noch offene Verwaltungsverfahren abgeschlossen sein.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 a.a.O. vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2 a.a.O.).

Der Erlass einer hier allein in Betracht kommenden Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG verlangt zunächst die Statthaftigkeit und Zulässigkeit des Antrags (vgl. z.B. Senatsbeschlüsse vom 9. Dezember 2005 - L 7 SO 4211/05 ER-B - und vom 12. Dezember 2005 - L 7 SO 4756/05 ER-B - (beide m.w.N.)) und des Weiteren auf der Begründetheitsebene die - summarische - Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung (ständige Rechtsprechung des Senats; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - FEVS 57, 72 und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - FEVS 57, 164 (beide auch in juris; jeweils m.w.N.)). Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere auch mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG) NVwZ 1997, 479; NJW 2003, 1236; NVwZ 2005, 927). Bei besonders folgeschweren Beeinträchtigungen sind die Erfolgsaussichten u.U. nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen; ggf. ist eine Folgenabwägung vorzunehmen (vgl. BVerfG NVwZ 1997, 479; NVwZ 2005, 927; ferner schon Senatsbeschluss vom 15. Juni 2005 - L 7 SO 1594/05 ER-B - (juris)). Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. August 2005 - L 7 AS 2875/05 ER-B - a.a.O. und vom 17. August 2005 - L 7 SO 2117/05 ER-B - a.a.O. (beide m.w.N.)). Die Eilbedürftigkeit der erstrebten Regelung ist im Übrigen regelmäßig zu verneinen, soweit Ansprüche für bereits vor Stellung des einstweiligen Rechtsschutzantrags abgelaufene Zeiträume erhoben werden (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 1. und 17. August 2005 a.a.O. (beide m.w.N.)).

Die genannten Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung sind - wie das SG zu Recht angenommen hat - dem Grunde nach gegeben. Es spricht viel dafür, dass der Antragsteller einen höheren Bedarf und damit auch einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung hat als er vom Antragsgegner bislang in der Sache - wenn auch noch nicht per Bescheid - anerkannt wird. Dies beruht darauf, dass bei der Berechnung des maßgeblichen Bedarfes des Antragstellers wohl der Beitrag zur privaten Krankenversicherung in der vom SG angenommenen Höhe zu berücksichtigen ist. Jedenfalls ist der Senat der Auffassung, dass der Antragsteller bis zur genaueren Klärung Anspruch auf Anrechnung des vom SG zugrunde gelegten Beitrages für seine private Krankenversicherung in Höhe von 356,77 EUR pro Monat auf den maßgeblichen Bedarf hat, um schwere und unwiederbringliche Nachteile in Form des Verlustes einer vertraglichen Rechtsposition gegenüber der Versicherungsgesellschaft zu vermeiden. Ob gegebenenfalls sogar ein höherer Beitrag anzuerkennen wäre, wie er vom Antragsteller im letzten Schriftsatz vom 31. Mai 2007 angegeben wird, ist hier nicht zu entscheiden, da der Antragsteller den Beschluss nicht angefochten hat und daher nur über die Beschwerde des Antragsgegners zu entscheiden ist.

Nach § 42 Satz 1 Nr. 4 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) i.V.m. § 32 Abs. 2 SGB XII besteht im Falle freiwilliger Krankenversicherung für einen Empfänger von Grundsicherung nach § 41 SGB XII Anspruch auf Übernahme auch von Beiträgen für eine private Krankenversicherung, soweit sie angemessen sind. Dass eine Übernahme von solchen Beiträgen grundsätzlich möglich ist, hat das SG zu Recht und unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats bejaht (Beschluss vom 13. Oktober 2005 - L 7 SO 3804/05 ER-B). An der erforderlichen Angemessenheit könnte es hier fehlen, soweit der Antragsteller noch Wahlleistungen zum Gegenstand seines Versicherungsverhältnisses gemacht hat und diese möglicherweise nicht auf die der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechenden Leistungen beschränkt sind. Dies ist zum jetzigen Zeitpunkt aber offenbar nicht (mehr) der Fall.

Der Antragsteller ist - dies ergibt sich aus den vorgelegten Schreiben der H. Krankenversicherung a.G. - zwar berechtigt, seinen Versicherungsbeitrag über die bereits vorgenommenen Veränderung durch weitere Wechsel des Tarifs um insgesamt 99,89 EUR zu verringern, indem er auf bestimmte (weitere) Leistungen verzichtet und einen weiteren Selbstbehalt (betr. Medikamente in Höhe von 650,00 EUR im Jahr) in Kauf nimmt. Es ist aber nicht ermittelt, ob damit tatsächlich das Niveau der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht wird oder nicht. Zwar kann ein Empfänger von Grundsicherung grundsätzlich keinen höheren Anspruch auf Krankenversicherungsschutz haben als ein Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung. § 32 Abs. 2 SGB XII gibt aber die Möglichkeit der Übernahme der angemessenen und ggf sogar darüber hinausgehender Beiträge. Zwar ist angesichts der aus den Akten ersichtlichen Einkommens- und Vermögenssituation des Antragstellers die Erwartung, er werde in wenigen Monaten nicht mehr auf den Empfang von Grundsicherungsleistungen angewiesen sein, wohl nicht gerechtfertigt. Es ist ihm daher grundsätzlich zumutbar, in andere Tarife unter Verzicht auf Wahlleistungen zu wechseln, wenn dadurch nicht ein Leistungsniveau unter dem der gesetzlichen Krankenversicherung erreicht wird. Einen solchen Verzicht hat er jedoch bereits betr. Wahlleistungen im Falle eines Krankenhausaufenthaltes getan, wodurch der Monatsbeitrag um 64,04 EUR gesenkt worden ist. Nach der neuesten Mitteilung der privaten Krankenversicherungsgesellschaft wäre ein Versicherungsschutz, der dem der gesetzlichen Krankenversicherung entspricht, sogar teurer als der derzeitige Tarif des Antragstellers.

Dazu kommt, dass der Antragsteller - wie er in einer Erklärung erläutert hat - in großen Umfang auf Medikamente angewiesen ist, die von der Krankenversicherung z.T. nicht übernommen wurden. Außerdem würde ein noch weiter gehender Tarifwechsel für Medikamente einen Selbstbehalt von 650,00 EUR mit sich bringen, der zu den ohnehin nicht erstattungsfähigen Beträgen hinzukäme. Weiter hat er dem SG gegenüber im Erörterungstermin erklärt, der jetzige, reduzierte Beitrag erfasse einige der ansonsten von ihm selbst zu beschaffenden Medikamente. Schließlich muss im Auge behalten werden, dass daneben für sonstige Leistungen ein Selbstbehalt von inzwischen 1100,00 EUR im Jahr besteht. Ein weiterer Tarifwechsel bringt damit möglicherweise erhebliche finanzielle oder gesundheitliche Risiken mit sich, die bislang vom Antragsgegner noch nicht ermittelt worden sind.

Angesichts dieser Unklarheiten ist zur Vermeidung erheblicher Nachteile eine vorläufige Regelung in der Höhe zu treffen, wie es das SG getan hat. Es ergibt sich bei der hier im derzeitigen Stadium nur möglichen summarischen Prüfung der Sachlage ein Bedarf des Antragstellers in Höhe von 732,77 EUR (Regelbedarf 267,00 EUR, Heizungskosten 100,00 EUR und Kosten der Krankenversicherung 356,77 EUR). Dem steht ein Renteneinkommen von 594,63 EUR gegenüber, woraus sich eine Differenz von 138,14 EUR ergibt.

Die weiter zwischen den Beteiligten erörterte Frage, ob Einkommen der Ehefrau des Antragstellers zu berücksichtigen ist und ob die insoweit bisher gemachten Angaben ausreichend sind, kann nicht dadurch beantwortetet werden, dass der Antragsgegner den Antrag auf Grundsicherung vom 4. Juli 2006 bis zum heutigen Tage nicht beschieden hat. Er wird nunmehr dafür zu sorgen haben, dass hierüber rasch eine Entscheidung ergeht und diese gegebenenfalls auch rasch in einem Widerspruchsverfahren überprüft wird.

Der Senat erwartet, dass das Verwaltungsverfahren nunmehr alsbald zu Ende gebracht werden wird, weshalb eine Befristung der einstweiligen Regelung angebracht ist. Diese wird angesichts der bereits verflossenen Zeit bis zum 31. August 2007 vorgenommen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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